Hier wohnt er in unterirdischen Gängen, welche ganz nach seinem Geschmack und im Einklange mit seinen Sitten angelegt sind. Die Mündung befindet sich stets unter der Oberfläche des Wassers, ge- wöhnlich in einer Tiefe von anderthalb bis zwei Fuß. Von hier aus steigt ein etwa vier bis fünf Fuß langer Gang schief nach aufwärts und führt zu dem geräumigen Kessel, welcher regelmäßig mit Gras ausgepolstert und unter allen Umständen trocken ist. Ein zweiter, schmaler Gang läuft von hier aus nach der Oberfläche des Ufers und vermittelt den Luftwechsel. Gewöhnlich benutzt das Thier die vom Wasser ausgeschwemmten Löcher und Höhlungen im Ufer, welche es einfach durch Wühlen und Zer- beißen der Wurzeln verlängert und erweitert. Jn seltenen Fällen bezieht der Fischotter auch verlassene Fuchs- oder Dachsbaue, wenn solche nicht weit vom Wasser liegen. Unter allen Umständen besitzt er mehrere Wohnungen, es sei denn, daß ein Gewässer außerordenllich reich an Fischen ist, und der Otter deshalb nicht genöthigt wird, größere Streifereien auszuführen. Bei hohem Wasser, welches natürlich seinen Bau auch mit überschwemmt, flüchtet er sich auf nahestehende Bäume oder auch in hohle Stämme und verbringt hier die Zeit der Ruhe und Erholung von seinen Jagdzügen im Wasser.
Soviel Aerger ein Fischotter seines großen Schadens wegen den Besitzern von Fischereien und zumal den leidenschaftlichen Auglern bringt, so anziehend wird er für den Forscher. Sein ganzes Leben ist so eigenthümlicher Art, daß es eine eigene Beobachtung verlangt und deshalb jeden an der schädlichen Wirksamkeit des Thieres unbetheiligten Naturfreund fesseln muß. An dem Fischotter ist Alles merkwürdig, sein Leben und Treiben im Wasser, seine Bewegungen, sein Nahrungserwerb und seine geistigen Fähigkeiten. Er gehört unbedingt zu den sonderbarsten Thieren unsers Erdtheils. Daß er ein echtes Wasserthier ist, sieht man bald, auch wenn man ihn auf dem Lande beobachtet. Sein Gang ist der kurzen Beine wegen schlangenartig kriechend, aber doch ziemlich schnell. Auf Schnee oder Eis rutscht er oft ziemlich weit dahin, wobei ihm das glatte Fell gut zustattenkommt und selbst der kräftige Schwanz zuweilen Hilfe gewähren muß. Dabei wird der breite Kopf ganz gesenkt ge- tragen, der Rücken aber nur wenig gekrümmt, und so gleitet und huscht das Thier in wirklich sonderbarer Weise seines Weges fort. Doch darf man nicht glauben, daß er ungeschickt wäre; denn die Geschmeidig- keit seines Leibes zeigt sich auch auf dem Lande. Er kann den Körper mit unglaublicher Leichtigkeit drehen und wenden, wie er will, und ist im Stande, sich ohne Beschwerde aufzurichten, minutenlang in dieser Stellung zu verweilen und sich, ohne aus dem Gleichgewichte zu kommen, vor- und rückwärts zu wenden, zu drehen und auf- und niederzubeugen. Nur im höchsten Nothfall macht der Fischotter auch noch von einer andern Fertigkeit landlebender Thiere Gebrauch; er klettert nämlich durch Einhäkeln seiner immer noch ziemlich scharfen Krallen an schiefstehenden Bäumen empor, aber freilich so tölpisch und ungeschickt, als möglich.
Ganz anders bewegt er sich im Wasser, seiner eigentlichen Heimat, welche er bei der geringsten Ver- anlassung flüchtend zu erreichen sucht, um der ihm auf dem feindlichen Lande drohenden Gefahr zu entgehen. Der ganze Bau seines Körpers befähigt ihn in unübertrefflicher Weise zum Schwimmen und Tauchen, der schlangengleiche, breite Leib, mit den kurzen, durch große Schwimmhäute zu kräftigen Rudern umgewandelten Füßen, der starke und ziemlich lange Schwanz, welcher als treffliches Steuer benutzt werden kann, und der glatte, schlüpfrige Pelz vereinigen alle Eigenschaften in sich, welche ein rasches Durchgleiten und Zertheilen der Wellen ermöglichen. Zur Ergreifung der Beute dient ihm das scharfe, vortreffliche und kräftige Gebiß, welches das einmal Erfaßte, und sei es noch so glatt und schlüpfrig, niemals wieder fahren läßt. Jn den hellen Fluthen der Alpenseen oder des Meeres hat man zuweilen Gelegenheit, sein Treiben im Wasser zu beobachten. Er schwimmt so meisterhaft nach allen Richtungen hin, daß die Fische, denen er nachfolgt, die größte Anstrengung machen müssen, um ihm zu entgehen, und wenn er nicht von Zeit zu Zeit auf die Oberfläche kommen müßte, um Athem zu schöpfen, würde wohl schwerlich irgend welcher Fisch schnell genug sein, ihm zu entrinnen. Dem Fischotter ist vollkommen gleichgiltig, ob er auf- oder niedersteigt, seitwärts sich wenden, rückwärts sich drehen muß; denn jede nur denkbare Bewegung fällt ihm leicht. Gleichsam spielend dreht er sich im Wasser umher. Wie ich an Gefangenen beobachtete, schwimmt er manchmal auf einer Seite, und
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Kennzeichnung. Wohnorte. Ausrüſtung.
Hier wohnt er in unterirdiſchen Gängen, welche ganz nach ſeinem Geſchmack und im Einklange mit ſeinen Sitten angelegt ſind. Die Mündung befindet ſich ſtets unter der Oberfläche des Waſſers, ge- wöhnlich in einer Tiefe von anderthalb bis zwei Fuß. Von hier aus ſteigt ein etwa vier bis fünf Fuß langer Gang ſchief nach aufwärts und führt zu dem geräumigen Keſſel, welcher regelmäßig mit Gras ausgepolſtert und unter allen Umſtänden trocken iſt. Ein zweiter, ſchmaler Gang läuft von hier aus nach der Oberfläche des Ufers und vermittelt den Luftwechſel. Gewöhnlich benutzt das Thier die vom Waſſer ausgeſchwemmten Löcher und Höhlungen im Ufer, welche es einfach durch Wühlen und Zer- beißen der Wurzeln verlängert und erweitert. Jn ſeltenen Fällen bezieht der Fiſchotter auch verlaſſene Fuchs- oder Dachsbaue, wenn ſolche nicht weit vom Waſſer liegen. Unter allen Umſtänden beſitzt er mehrere Wohnungen, es ſei denn, daß ein Gewäſſer außerordenllich reich an Fiſchen iſt, und der Otter deshalb nicht genöthigt wird, größere Streifereien auszuführen. Bei hohem Waſſer, welches natürlich ſeinen Bau auch mit überſchwemmt, flüchtet er ſich auf naheſtehende Bäume oder auch in hohle Stämme und verbringt hier die Zeit der Ruhe und Erholung von ſeinen Jagdzügen im Waſſer.
Soviel Aerger ein Fiſchotter ſeines großen Schadens wegen den Beſitzern von Fiſchereien und zumal den leidenſchaftlichen Auglern bringt, ſo anziehend wird er für den Forſcher. Sein ganzes Leben iſt ſo eigenthümlicher Art, daß es eine eigene Beobachtung verlangt und deshalb jeden an der ſchädlichen Wirkſamkeit des Thieres unbetheiligten Naturfreund feſſeln muß. An dem Fiſchotter iſt Alles merkwürdig, ſein Leben und Treiben im Waſſer, ſeine Bewegungen, ſein Nahrungserwerb und ſeine geiſtigen Fähigkeiten. Er gehört unbedingt zu den ſonderbarſten Thieren unſers Erdtheils. Daß er ein echtes Waſſerthier iſt, ſieht man bald, auch wenn man ihn auf dem Lande beobachtet. Sein Gang iſt der kurzen Beine wegen ſchlangenartig kriechend, aber doch ziemlich ſchnell. Auf Schnee oder Eis rutſcht er oft ziemlich weit dahin, wobei ihm das glatte Fell gut zuſtattenkommt und ſelbſt der kräftige Schwanz zuweilen Hilfe gewähren muß. Dabei wird der breite Kopf ganz geſenkt ge- tragen, der Rücken aber nur wenig gekrümmt, und ſo gleitet und huſcht das Thier in wirklich ſonderbarer Weiſe ſeines Weges fort. Doch darf man nicht glauben, daß er ungeſchickt wäre; denn die Geſchmeidig- keit ſeines Leibes zeigt ſich auch auf dem Lande. Er kann den Körper mit unglaublicher Leichtigkeit drehen und wenden, wie er will, und iſt im Stande, ſich ohne Beſchwerde aufzurichten, minutenlang in dieſer Stellung zu verweilen und ſich, ohne aus dem Gleichgewichte zu kommen, vor- und rückwärts zu wenden, zu drehen und auf- und niederzubeugen. Nur im höchſten Nothfall macht der Fiſchotter auch noch von einer andern Fertigkeit landlebender Thiere Gebrauch; er klettert nämlich durch Einhäkeln ſeiner immer noch ziemlich ſcharfen Krallen an ſchiefſtehenden Bäumen empor, aber freilich ſo tölpiſch und ungeſchickt, als möglich.
Ganz anders bewegt er ſich im Waſſer, ſeiner eigentlichen Heimat, welche er bei der geringſten Ver- anlaſſung flüchtend zu erreichen ſucht, um der ihm auf dem feindlichen Lande drohenden Gefahr zu entgehen. Der ganze Bau ſeines Körpers befähigt ihn in unübertrefflicher Weiſe zum Schwimmen und Tauchen, der ſchlangengleiche, breite Leib, mit den kurzen, durch große Schwimmhäute zu kräftigen Rudern umgewandelten Füßen, der ſtarke und ziemlich lange Schwanz, welcher als treffliches Steuer benutzt werden kann, und der glatte, ſchlüpfrige Pelz vereinigen alle Eigenſchaften in ſich, welche ein raſches Durchgleiten und Zertheilen der Wellen ermöglichen. Zur Ergreifung der Beute dient ihm das ſcharfe, vortreffliche und kräftige Gebiß, welches das einmal Erfaßte, und ſei es noch ſo glatt und ſchlüpfrig, niemals wieder fahren läßt. Jn den hellen Fluthen der Alpenſeen oder des Meeres hat man zuweilen Gelegenheit, ſein Treiben im Waſſer zu beobachten. Er ſchwimmt ſo meiſterhaft nach allen Richtungen hin, daß die Fiſche, denen er nachfolgt, die größte Anſtrengung machen müſſen, um ihm zu entgehen, und wenn er nicht von Zeit zu Zeit auf die Oberfläche kommen müßte, um Athem zu ſchöpfen, würde wohl ſchwerlich irgend welcher Fiſch ſchnell genug ſein, ihm zu entrinnen. Dem Fiſchotter iſt vollkommen gleichgiltig, ob er auf- oder niederſteigt, ſeitwärts ſich wenden, rückwärts ſich drehen muß; denn jede nur denkbare Bewegung fällt ihm leicht. Gleichſam ſpielend dreht er ſich im Waſſer umher. Wie ich an Gefangenen beobachtete, ſchwimmt er manchmal auf einer Seite, und
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Kennzeichnung. Wohnorte. Ausrüſtung.
Hier wohnt er in unterirdiſchen Gängen, welche ganz nach ſeinem Geſchmack und im Einklange mit
ſeinen Sitten angelegt ſind. Die Mündung befindet ſich ſtets unter der Oberfläche des Waſſers, ge-
wöhnlich in einer Tiefe von anderthalb bis zwei Fuß. Von hier aus ſteigt ein etwa vier bis fünf Fuß
langer Gang ſchief nach aufwärts und führt zu dem geräumigen Keſſel, welcher regelmäßig mit Gras
ausgepolſtert und unter allen Umſtänden trocken iſt. Ein zweiter, ſchmaler Gang läuft von hier aus
nach der Oberfläche des Ufers und vermittelt den Luftwechſel. Gewöhnlich benutzt das Thier die vom
Waſſer ausgeſchwemmten Löcher und Höhlungen im Ufer, welche es einfach durch Wühlen und Zer-
beißen der Wurzeln verlängert und erweitert. Jn ſeltenen Fällen bezieht der Fiſchotter auch verlaſſene
Fuchs- oder Dachsbaue, wenn ſolche nicht weit vom Waſſer liegen. Unter allen Umſtänden beſitzt er
mehrere Wohnungen, es ſei denn, daß ein Gewäſſer außerordenllich reich an Fiſchen iſt, und der Otter
deshalb nicht genöthigt wird, größere Streifereien auszuführen. Bei hohem Waſſer, welches natürlich
ſeinen Bau auch mit überſchwemmt, flüchtet er ſich auf naheſtehende Bäume oder auch in hohle
Stämme und verbringt hier die Zeit der Ruhe und Erholung von ſeinen Jagdzügen im Waſſer.
Soviel Aerger ein Fiſchotter ſeines großen Schadens wegen den Beſitzern von Fiſchereien und
zumal den leidenſchaftlichen Auglern bringt, ſo anziehend wird er für den Forſcher. Sein ganzes
Leben iſt ſo eigenthümlicher Art, daß es eine eigene Beobachtung verlangt und deshalb jeden an der
ſchädlichen Wirkſamkeit des Thieres unbetheiligten Naturfreund feſſeln muß. An dem Fiſchotter iſt
Alles merkwürdig, ſein Leben und Treiben im Waſſer, ſeine Bewegungen, ſein Nahrungserwerb und
ſeine geiſtigen Fähigkeiten. Er gehört unbedingt zu den ſonderbarſten Thieren unſers Erdtheils.
Daß er ein echtes Waſſerthier iſt, ſieht man bald, auch wenn man ihn auf dem Lande beobachtet.
Sein Gang iſt der kurzen Beine wegen ſchlangenartig kriechend, aber doch ziemlich ſchnell. Auf Schnee
oder Eis rutſcht er oft ziemlich weit dahin, wobei ihm das glatte Fell gut zuſtattenkommt und ſelbſt
der kräftige Schwanz zuweilen Hilfe gewähren muß. Dabei wird der breite Kopf ganz geſenkt ge-
tragen, der Rücken aber nur wenig gekrümmt, und ſo gleitet und huſcht das Thier in wirklich ſonderbarer
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keit ſeines Leibes zeigt ſich auch auf dem Lande. Er kann den Körper mit unglaublicher Leichtigkeit
drehen und wenden, wie er will, und iſt im Stande, ſich ohne Beſchwerde aufzurichten, minutenlang in
dieſer Stellung zu verweilen und ſich, ohne aus dem Gleichgewichte zu kommen, vor- und rückwärts zu
wenden, zu drehen und auf- und niederzubeugen. Nur im höchſten Nothfall macht der Fiſchotter auch
noch von einer andern Fertigkeit landlebender Thiere Gebrauch; er klettert nämlich durch Einhäkeln
ſeiner immer noch ziemlich ſcharfen Krallen an ſchiefſtehenden Bäumen empor, aber freilich ſo tölpiſch
und ungeſchickt, als möglich.
Ganz anders bewegt er ſich im Waſſer, ſeiner eigentlichen Heimat, welche er bei der geringſten Ver-
anlaſſung flüchtend zu erreichen ſucht, um der ihm auf dem feindlichen Lande drohenden Gefahr zu
entgehen. Der ganze Bau ſeines Körpers befähigt ihn in unübertrefflicher Weiſe zum Schwimmen
und Tauchen, der ſchlangengleiche, breite Leib, mit den kurzen, durch große Schwimmhäute zu kräftigen
Rudern umgewandelten Füßen, der ſtarke und ziemlich lange Schwanz, welcher als treffliches Steuer
benutzt werden kann, und der glatte, ſchlüpfrige Pelz vereinigen alle Eigenſchaften in ſich, welche
ein raſches Durchgleiten und Zertheilen der Wellen ermöglichen. Zur Ergreifung der Beute dient
ihm das ſcharfe, vortreffliche und kräftige Gebiß, welches das einmal Erfaßte, und ſei es noch ſo
glatt und ſchlüpfrig, niemals wieder fahren läßt. Jn den hellen Fluthen der Alpenſeen oder des
Meeres hat man zuweilen Gelegenheit, ſein Treiben im Waſſer zu beobachten. Er ſchwimmt ſo
meiſterhaft nach allen Richtungen hin, daß die Fiſche, denen er nachfolgt, die größte Anſtrengung machen
müſſen, um ihm zu entgehen, und wenn er nicht von Zeit zu Zeit auf die Oberfläche kommen müßte,
um Athem zu ſchöpfen, würde wohl ſchwerlich irgend welcher Fiſch ſchnell genug ſein, ihm zu entrinnen.
Dem Fiſchotter iſt vollkommen gleichgiltig, ob er auf- oder niederſteigt, ſeitwärts ſich wenden, rückwärts
ſich drehen muß; denn jede nur denkbare Bewegung fällt ihm leicht. Gleichſam ſpielend dreht er ſich
im Waſſer umher. Wie ich an Gefangenen beobachtete, ſchwimmt er manchmal auf einer Seite, und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/639>, abgerufen am 16.07.2024.
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