"Schnell vorwärts bewegte es sich im Gebüsch, und mit einem Male stand ein ungeheuerer männlicher Gorilla vor mir. Durch das Dickicht war er auf allen Vieren gekrochen; als er uns aber sah, erhob er sich und sah uns kühn und muthig in die Augen. So stand er etwa zwölf Schritte vor uns: -- ein Anblick, den ich nie vergessen werde! Der König des afrikanischen Waldes kam mir wie eine gespenstische Erscheinung vor. Aufgerichtet war der ungeheuere, fast sechs Fuß hohe Körper; frei zeigten sich die mächtige Brust, die großen, muskelkräftigen Arme, das wild blitzende, tiefgraue Auge und das Gesicht mit seinem wahrhaft höllischen Ausdruck. Er fürchtete sich nicht! Da stand er und schlug seine Brust mit den gewaltigen Fäusten, daß es schallte, wie wenn man eine große metallene Trommel schlägt. Das ist die Art des Trotzbietens, das ist das Kampfeszeichen des Gorilla! Und dazwischen stieß er einmal nach dem andern sein gräßliches Gebrüll aus: -- ein Gebrüll, so grauenerregend, daß man es den eigenthümlichsten und fürchterlichsten Laut der afrikanischen Wälder nennen muß. Es beginnt mit einem scharfen Bellen, wie es ein großer Hund hören läßt, dann geht es in ein tiefes Dröhnen über, welches genau dem Rollen fernen Donners am Himmel gleicht: -- habe ich doch mehr als einmal dieses Gebrüll für Donner gehalten, wenn ich den Gorilla nicht sah! Wir blieben bewegungslos im Vertheidigungszustande. Die Augen des Scheusals blitzten grimmiger; der Kamm des kurzen Haares, welcher auf seiner Stirn steht, legte sich auf und nieder; er zeigte seine mächtigen Fänge und wiederholte das donnernde Brüllen. Jetzt glich er gänzlich einem höllischen Traumbilde, einem Wesen jener widerlichen Art, halb Mann, halb Thier, wie es die alten Maler erfanden, wenn sie die Hölle darstellen wollten. Wiederum kam er ein paar Schritte näher, blieb nochmals stehen und stieß von neuem sein entsetzliches Geheul aus. Und noch einmal näherte er sich, noch einmal stand er und schlug brüllend und wüthend seine Brust. So war er bis auf sechs Schritte herangekommen: -- da feuerte ich und tödtete ihn. Mit einem Stöhnen, welches etwas schrecklich Menschliches an sich hatte und doch durch und durch viehisch war, siel er vorwärts auf sein Gesicht. Der Körper zuckte krampfhaft mehrere Minuten; dann wurde Alles ruhig -- der Tod hatte seine Arbeit gethan. Jch bekam nun Muße, den gewaltigen Leichnam zu untersuchen. Die Messung ergab, daß er 5 Fuß 8 Zoll lang war, und die Entwickelung der Muskeln an den Armen und an der Brust zeigten, welch ungeheuere Kraft er besessen hatte."
Es scheint wirklich, als habe sich in solcher Darstellung einer unserer schlechten Liebesgeschichten- schreiber versucht und seiner Feder freien Spielraum gelassen. Das Nachfolgende aber mag mich entschuldigen, wenn ich hier überhaupt Etwas von Du Chaillu aufnehme. Wir sind noch nicht im Stande, bei den verschiedenen Veschreibungen des Gorilla die Spreu von dem Weizen zu sondern, und müssen deshalb auf alle Berichte Rücksicht nehmen, welche uns zugehen. "Mein langer Aufenthalt in Afrika," sagt Du Chaillu auf Seite 347 seiner Explorations and adventures in Equatorial Africa, "gewährte mir die größte Leichtigkeit, mich mit den Eingebornen ins Einvernehmen zu setzen, und als meine Neugierde, jenes Ungeheuer kennen zu lernen, auf das Höchste erregt worden war, beschloß ich, selbst auf dessen Jagd auszuziehen und mit eigenen Augen zu sehen. Jch war so glücklich, der Erste zu sein, welcher nach eigener Bekanntschaft über den Gorilla sprechen darf, und während meine Erfahrung und Beobachtung zeigen, daß Vieles von dem über den Gorilla Erzählten auf falschen und leeren Einbildungen unwissender Neger und leichtgläubiger Reisenden beruht, kann ich anderer- seits bestätigen, daß keine Beschreibung das Entsetzliche der Erscheinung, die Wuth des Angriffs und die wüste Bosheit des Wesens eines Gorilla versinnlichen wird."
"Es thut mir leid, daß ich der Zerstörer von einer Menge anmuthiger Träumereien sein muß. Aber der Gorilla lauert nicht auf den Bäumen über dem Wege, um einen unvorsichtig Vorübergehenden mit seinen Klauen zu ergreifen und in seinen zangengleichen Händen zu erwürgen; er greift den Elefanten nicht an und schlägt ihn mit Stöcken zu Tode; er schleppt keine Weiber aus den Dörfern der Einge- bornen weg; er baut sich kein Nest aus Blättern und Zweigen auf den Waldbäumen und sitzt unter dessen Dach, wie man sonst behauptet hat; er ist nicht einmal ein geselliges Thier, und die zahlreichen Erzählungen von seinen Augriffen in größerer Zahl haben nicht ein Körnchen von Wahrheit in sich."
Brehm, Thierleben. 2
Lebensweiſe. Du Chaillu’s Schilderung.
„Schnell vorwärts bewegte es ſich im Gebüſch, und mit einem Male ſtand ein ungeheuerer männlicher Gorilla vor mir. Durch das Dickicht war er auf allen Vieren gekrochen; als er uns aber ſah, erhob er ſich und ſah uns kühn und muthig in die Augen. So ſtand er etwa zwölf Schritte vor uns: — ein Anblick, den ich nie vergeſſen werde! Der König des afrikaniſchen Waldes kam mir wie eine geſpenſtiſche Erſcheinung vor. Aufgerichtet war der ungeheuere, faſt ſechs Fuß hohe Körper; frei zeigten ſich die mächtige Bruſt, die großen, muskelkräftigen Arme, das wild blitzende, tiefgraue Auge und das Geſicht mit ſeinem wahrhaft hölliſchen Ausdruck. Er fürchtete ſich nicht! Da ſtand er und ſchlug ſeine Bruſt mit den gewaltigen Fäuſten, daß es ſchallte, wie wenn man eine große metallene Trommel ſchlägt. Das iſt die Art des Trotzbietens, das iſt das Kampfeszeichen des Gorilla! Und dazwiſchen ſtieß er einmal nach dem andern ſein gräßliches Gebrüll aus: — ein Gebrüll, ſo grauenerregend, daß man es den eigenthümlichſten und fürchterlichſten Laut der afrikaniſchen Wälder nennen muß. Es beginnt mit einem ſcharfen Bellen, wie es ein großer Hund hören läßt, dann geht es in ein tiefes Dröhnen über, welches genau dem Rollen fernen Donners am Himmel gleicht: — habe ich doch mehr als einmal dieſes Gebrüll für Donner gehalten, wenn ich den Gorilla nicht ſah! Wir blieben bewegungslos im Vertheidigungszuſtande. Die Augen des Scheuſals blitzten grimmiger; der Kamm des kurzen Haares, welcher auf ſeiner Stirn ſteht, legte ſich auf und nieder; er zeigte ſeine mächtigen Fänge und wiederholte das donnernde Brüllen. Jetzt glich er gänzlich einem hölliſchen Traumbilde, einem Weſen jener widerlichen Art, halb Mann, halb Thier, wie es die alten Maler erfanden, wenn ſie die Hölle darſtellen wollten. Wiederum kam er ein paar Schritte näher, blieb nochmals ſtehen und ſtieß von neuem ſein entſetzliches Geheul aus. Und noch einmal näherte er ſich, noch einmal ſtand er und ſchlug brüllend und wüthend ſeine Bruſt. So war er bis auf ſechs Schritte herangekommen: — da feuerte ich und tödtete ihn. Mit einem Stöhnen, welches etwas ſchrecklich Menſchliches an ſich hatte und doch durch und durch viehiſch war, ſiel er vorwärts auf ſein Geſicht. Der Körper zuckte krampfhaft mehrere Minuten; dann wurde Alles ruhig — der Tod hatte ſeine Arbeit gethan. Jch bekam nun Muße, den gewaltigen Leichnam zu unterſuchen. Die Meſſung ergab, daß er 5 Fuß 8 Zoll lang war, und die Entwickelung der Muskeln an den Armen und an der Bruſt zeigten, welch ungeheuere Kraft er beſeſſen hatte.‟
Es ſcheint wirklich, als habe ſich in ſolcher Darſtellung einer unſerer ſchlechten Liebesgeſchichten- ſchreiber verſucht und ſeiner Feder freien Spielraum gelaſſen. Das Nachfolgende aber mag mich entſchuldigen, wenn ich hier überhaupt Etwas von Du Chaillu aufnehme. Wir ſind noch nicht im Stande, bei den verſchiedenen Veſchreibungen des Gorilla die Spreu von dem Weizen zu ſondern, und müſſen deshalb auf alle Berichte Rückſicht nehmen, welche uns zugehen. „Mein langer Aufenthalt in Afrika,‟ ſagt Du Chaillu auf Seite 347 ſeiner Explorations and adventures in Equatorial Africa, „gewährte mir die größte Leichtigkeit, mich mit den Eingebornen ins Einvernehmen zu ſetzen, und als meine Neugierde, jenes Ungeheuer kennen zu lernen, auf das Höchſte erregt worden war, beſchloß ich, ſelbſt auf deſſen Jagd auszuziehen und mit eigenen Augen zu ſehen. Jch war ſo glücklich, der Erſte zu ſein, welcher nach eigener Bekanntſchaft über den Gorilla ſprechen darf, und während meine Erfahrung und Beobachtung zeigen, daß Vieles von dem über den Gorilla Erzählten auf falſchen und leeren Einbildungen unwiſſender Neger und leichtgläubiger Reiſenden beruht, kann ich anderer- ſeits beſtätigen, daß keine Beſchreibung das Entſetzliche der Erſcheinung, die Wuth des Angriffs und die wüſte Bosheit des Weſens eines Gorilla verſinnlichen wird.‟
„Es thut mir leid, daß ich der Zerſtörer von einer Menge anmuthiger Träumereien ſein muß. Aber der Gorilla lauert nicht auf den Bäumen über dem Wege, um einen unvorſichtig Vorübergehenden mit ſeinen Klauen zu ergreifen und in ſeinen zangengleichen Händen zu erwürgen; er greift den Elefanten nicht an und ſchlägt ihn mit Stöcken zu Tode; er ſchleppt keine Weiber aus den Dörfern der Einge- bornen weg; er baut ſich kein Neſt aus Blättern und Zweigen auf den Waldbäumen und ſitzt unter deſſen Dach, wie man ſonſt behauptet hat; er iſt nicht einmal ein geſelliges Thier, und die zahlreichen Erzählungen von ſeinen Augriffen in größerer Zahl haben nicht ein Körnchen von Wahrheit in ſich.‟
Brehm, Thierleben. 2
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Lebensweiſe. Du Chaillu’s Schilderung.
„Schnell vorwärts bewegte es ſich im Gebüſch, und mit einem Male ſtand ein ungeheuerer
männlicher Gorilla vor mir. Durch das Dickicht war er auf allen Vieren gekrochen; als er uns
aber ſah, erhob er ſich und ſah uns kühn und muthig in die Augen. So ſtand er etwa zwölf Schritte
vor uns: — ein Anblick, den ich nie vergeſſen werde! Der König des afrikaniſchen Waldes kam mir
wie eine geſpenſtiſche Erſcheinung vor. Aufgerichtet war der ungeheuere, faſt ſechs Fuß hohe Körper;
frei zeigten ſich die mächtige Bruſt, die großen, muskelkräftigen Arme, das wild blitzende, tiefgraue
Auge und das Geſicht mit ſeinem wahrhaft hölliſchen Ausdruck. Er fürchtete ſich nicht! Da ſtand
er und ſchlug ſeine Bruſt mit den gewaltigen Fäuſten, daß es ſchallte, wie wenn man eine große
metallene Trommel ſchlägt. Das iſt die Art des Trotzbietens, das iſt das Kampfeszeichen des Gorilla!
Und dazwiſchen ſtieß er einmal nach dem andern ſein gräßliches Gebrüll aus: — ein Gebrüll, ſo
grauenerregend, daß man es den eigenthümlichſten und fürchterlichſten Laut der afrikaniſchen Wälder
nennen muß. Es beginnt mit einem ſcharfen Bellen, wie es ein großer Hund hören läßt, dann geht
es in ein tiefes Dröhnen über, welches genau dem Rollen fernen Donners am Himmel gleicht: —
habe ich doch mehr als einmal dieſes Gebrüll für Donner gehalten, wenn ich den Gorilla nicht ſah!
Wir blieben bewegungslos im Vertheidigungszuſtande. Die Augen des Scheuſals blitzten grimmiger;
der Kamm des kurzen Haares, welcher auf ſeiner Stirn ſteht, legte ſich auf und nieder; er zeigte ſeine
mächtigen Fänge und wiederholte das donnernde Brüllen. Jetzt glich er gänzlich einem hölliſchen
Traumbilde, einem Weſen jener widerlichen Art, halb Mann, halb Thier, wie es die alten Maler
erfanden, wenn ſie die Hölle darſtellen wollten. Wiederum kam er ein paar Schritte näher, blieb
nochmals ſtehen und ſtieß von neuem ſein entſetzliches Geheul aus. Und noch einmal näherte er ſich,
noch einmal ſtand er und ſchlug brüllend und wüthend ſeine Bruſt. So war er bis auf ſechs Schritte
herangekommen: — da feuerte ich und tödtete ihn. Mit einem Stöhnen, welches etwas ſchrecklich
Menſchliches an ſich hatte und doch durch und durch viehiſch war, ſiel er vorwärts auf ſein Geſicht.
Der Körper zuckte krampfhaft mehrere Minuten; dann wurde Alles ruhig — der Tod hatte ſeine
Arbeit gethan. Jch bekam nun Muße, den gewaltigen Leichnam zu unterſuchen. Die Meſſung ergab,
daß er 5 Fuß 8 Zoll lang war, und die Entwickelung der Muskeln an den Armen und an der Bruſt
zeigten, welch ungeheuere Kraft er beſeſſen hatte.‟
Es ſcheint wirklich, als habe ſich in ſolcher Darſtellung einer unſerer ſchlechten Liebesgeſchichten-
ſchreiber verſucht und ſeiner Feder freien Spielraum gelaſſen. Das Nachfolgende aber mag mich
entſchuldigen, wenn ich hier überhaupt Etwas von Du Chaillu aufnehme. Wir ſind noch nicht im
Stande, bei den verſchiedenen Veſchreibungen des Gorilla die Spreu von dem Weizen zu ſondern, und
müſſen deshalb auf alle Berichte Rückſicht nehmen, welche uns zugehen. „Mein langer Aufenthalt in
Afrika,‟ ſagt Du Chaillu auf Seite 347 ſeiner Explorations and adventures in Equatorial Africa,
„gewährte mir die größte Leichtigkeit, mich mit den Eingebornen ins Einvernehmen zu ſetzen, und
als meine Neugierde, jenes Ungeheuer kennen zu lernen, auf das Höchſte erregt worden war, beſchloß
ich, ſelbſt auf deſſen Jagd auszuziehen und mit eigenen Augen zu ſehen. Jch war ſo glücklich, der
Erſte zu ſein, welcher nach eigener Bekanntſchaft über den Gorilla ſprechen darf, und während meine
Erfahrung und Beobachtung zeigen, daß Vieles von dem über den Gorilla Erzählten auf falſchen
und leeren Einbildungen unwiſſender Neger und leichtgläubiger Reiſenden beruht, kann ich anderer-
ſeits beſtätigen, daß keine Beſchreibung das Entſetzliche der Erſcheinung, die Wuth des Angriffs und
die wüſte Bosheit des Weſens eines Gorilla verſinnlichen wird.‟
„Es thut mir leid, daß ich der Zerſtörer von einer Menge anmuthiger Träumereien ſein muß. Aber
der Gorilla lauert nicht auf den Bäumen über dem Wege, um einen unvorſichtig Vorübergehenden mit
ſeinen Klauen zu ergreifen und in ſeinen zangengleichen Händen zu erwürgen; er greift den Elefanten
nicht an und ſchlägt ihn mit Stöcken zu Tode; er ſchleppt keine Weiber aus den Dörfern der Einge-
bornen weg; er baut ſich kein Neſt aus Blättern und Zweigen auf den Waldbäumen und ſitzt unter
deſſen Dach, wie man ſonſt behauptet hat; er iſt nicht einmal ein geſelliges Thier, und die zahlreichen
Erzählungen von ſeinen Augriffen in größerer Zahl haben nicht ein Körnchen von Wahrheit in ſich.‟
Brehm, Thierleben. 2
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/67>, abgerufen am 21.11.2024.
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