wieder nach seinem Winkel zurück. Dies lehrte mich Vorsicht; doch gab ich die Hoffnung, ihn zu zähmen, nicht auf. Meine erste Sorge war natürlich, Futter für ihn zu schaffen. Jch ließ Wald- beeren holen und gab ihm dieselben nebst Wasser in seinen Käfig. Er war außerordentlich scheu und wollte nicht eher essen noch trinken, als bis ich mich auf ziemlich bedeutende Entfernung zurückzog."
"Am zweiten Tage war Joe, wie ich ihn genannt hatte, wilder als am ersten; er fuhr nach Jedermann hin, wenn er nur einen Augenblick bei seinem Käfig stand, und schien bereit, uns Alle in Stücke zu zerreißen. Jch brachte ihm einige Ananasblätter und bemerkte, daß er davon nur die weichen Theile fraß. Er schien eben nicht wählerisch zu sein, obschon er jetzt und während seines kurzen Lebens alles Futter verschmähte, mit Ansnahme der wilden Blätter und Früchte, welche man in seinen heimischen Wäldern für ihn gesammelt hatte. Am dritten Tage war er noch mürrischer und wüthender, bellte Jeden an und zog sich entweder nach seinem fernen Winkel zurück oder schoß angreifend vor. Am vierten Tage glückte es ihm, zwei Bambusstäbe aus einander zu schieben und zu entfliehen. Jch kam dazu, gerade als seine Flucht entdeckt worden war, und forderte augenblick- lich alle Neger zur Verfolgung auf. Beim Eintreten in mein Haus wurde ich von ärgerlichem Brüllen begrüßt, welches unter meiner Bettstelle hervorkam. Es war Meister Sepperl, welcher hier lag, sorgfältig alle meine Bewegungen beobachtend. Augenblicklich schloß ich die Fenster und rief meine Leute herbei, das Thor zu beaufsichtigen. Als Freund Joe Dies sah, zeigte sich seine ganze Wuth in seinem Gesicht; seine Augen glänzten, der ganze Leib bebte vor Zorn, und rasend kam er unter dem Bette hervor. Wir schlossen das Thor und ließen ihm das Feld, indem wir vorzogen, lieber einen Plan zu seiner sichern Gefangenschaft zu entwerfen, als uns seinen Zähnen auszusetzen. Es war kein Vergnügen, ihn wieder zu fangen: er war schon so stark und wüthend, daß ich selbst einen Faustkampf mit ihm scheute, aus Furcht, von ihm gebissen zu werden. Mitten im Raum stand der biedere Bursch und schaute wüthend auf seinen Feind, dabei mit einiger Ueberraschung die Einrichtungsgegenstände prüfend. Jch hatte große Sorge, daß das Picken meiner Uhr sein Ohr erreichen würde und ihn zu einem Angriff auf diesen unschätzbaren Gegenstand begeistern oder, daß er Vieles von Dem, was ich gesammelt hatte, mir zerstören möchte. Endlich, als er sich etwas be- ruhigt hatte, sandte ich einige junge Leute nach einem Netz aus, und dieses warfen wir ihm auch glücklich über den Kopf. Das junge Scheusal brüllte fürchterlich und wüthete und tobte unter seinen Fesseln. Jch warf mich schließlich auf seinen Nacken, zwei Mann faßten seine Arme, zwei andere die Beine: und dennoch machte uns das kleine Geschöpf viel zu schaffen. So schnell als möglich trugen wir ihn nach seinem, inzwischen ausgebesserten Käsig zurück und bewachten ihn dort sorgfältiger."
"Niemals in meinem Leben sah ich ein so wüthendes Bich, wie diesen Affen. Er fuhr auf Jeden los, der zu ihm hin kam, biß in die Bambusstäbe, schaute uns mit giftigen und tollen Augen an und zeigte bei jeder Gelegenheit, daß er ein durch und durch bösartiges und boshaftes Ge- müth hatte." --
Jm Verlauf der Erzählung theilt Du Chaillu ferner mit, daß Joe nicht einmal durch Hunger und, wie er sich ausdrückt, durch "gesittete Nahrung" zu bändigen war, daß er nach einiger Zeit, als er zum zweiten Male durchbrach, mit vieler Mühe wieder gefangen, trotz alles Widersträubens in Ketten gelegt wurde und zehn Tage darauf plötzlich starb. Er lernte seinen Herrn zuletzt wohl kennen.
Später erhielt Du Chaillu noch ein junges Gorillaweibchen, welches mit außerordentlicher Zärtlichkeit an der Leiche seiner Mutter hing und das ganze Dorf durch seine Betrübniß in Aufregung versetzte. Das Thierchen war noch so klein, daß es nur mit Milch hätte ernährt werden können und weil diese nicht zu bekommen war, starb es schon am dritten Tage nach seinem Fang.
Außerdem beschreibt der genannte Reisende noch zwei andere "neue" Affen, von denen er den einen Kulu-Kamba (Troglodytes Kulu-kamba) und den andern Nschiego-Mbuwe (Troglodytes calvus) nennt. Jn ihren Lebensverhältnissen scheinen diese Thiere, wenn der Entdeckung überhaupt Glauben geschenkt werden darf, sich dem Schimpanse zu nähern. Der Kulu-Kamba soll sehr
Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla. Schimpanſe.
wieder nach ſeinem Winkel zurück. Dies lehrte mich Vorſicht; doch gab ich die Hoffnung, ihn zu zähmen, nicht auf. Meine erſte Sorge war natürlich, Futter für ihn zu ſchaffen. Jch ließ Wald- beeren holen und gab ihm dieſelben nebſt Waſſer in ſeinen Käfig. Er war außerordentlich ſcheu und wollte nicht eher eſſen noch trinken, als bis ich mich auf ziemlich bedeutende Entfernung zurückzog.‟
„Am zweiten Tage war Joe, wie ich ihn genannt hatte, wilder als am erſten; er fuhr nach Jedermann hin, wenn er nur einen Augenblick bei ſeinem Käfig ſtand, und ſchien bereit, uns Alle in Stücke zu zerreißen. Jch brachte ihm einige Ananasblätter und bemerkte, daß er davon nur die weichen Theile fraß. Er ſchien eben nicht wähleriſch zu ſein, obſchon er jetzt und während ſeines kurzen Lebens alles Futter verſchmähte, mit Ansnahme der wilden Blätter und Früchte, welche man in ſeinen heimiſchen Wäldern für ihn geſammelt hatte. Am dritten Tage war er noch mürriſcher und wüthender, bellte Jeden an und zog ſich entweder nach ſeinem fernen Winkel zurück oder ſchoß angreifend vor. Am vierten Tage glückte es ihm, zwei Bambusſtäbe aus einander zu ſchieben und zu entfliehen. Jch kam dazu, gerade als ſeine Flucht entdeckt worden war, und forderte augenblick- lich alle Neger zur Verfolgung auf. Beim Eintreten in mein Haus wurde ich von ärgerlichem Brüllen begrüßt, welches unter meiner Bettſtelle hervorkam. Es war Meiſter Sepperl, welcher hier lag, ſorgfältig alle meine Bewegungen beobachtend. Augenblicklich ſchloß ich die Fenſter und rief meine Leute herbei, das Thor zu beaufſichtigen. Als Freund Joe Dies ſah, zeigte ſich ſeine ganze Wuth in ſeinem Geſicht; ſeine Augen glänzten, der ganze Leib bebte vor Zorn, und raſend kam er unter dem Bette hervor. Wir ſchloſſen das Thor und ließen ihm das Feld, indem wir vorzogen, lieber einen Plan zu ſeiner ſichern Gefangenſchaft zu entwerfen, als uns ſeinen Zähnen auszuſetzen. Es war kein Vergnügen, ihn wieder zu fangen: er war ſchon ſo ſtark und wüthend, daß ich ſelbſt einen Fauſtkampf mit ihm ſcheute, aus Furcht, von ihm gebiſſen zu werden. Mitten im Raum ſtand der biedere Burſch und ſchaute wüthend auf ſeinen Feind, dabei mit einiger Ueberraſchung die Einrichtungsgegenſtände prüfend. Jch hatte große Sorge, daß das Picken meiner Uhr ſein Ohr erreichen würde und ihn zu einem Angriff auf dieſen unſchätzbaren Gegenſtand begeiſtern oder, daß er Vieles von Dem, was ich geſammelt hatte, mir zerſtören möchte. Endlich, als er ſich etwas be- ruhigt hatte, ſandte ich einige junge Leute nach einem Netz aus, und dieſes warfen wir ihm auch glücklich über den Kopf. Das junge Scheuſal brüllte fürchterlich und wüthete und tobte unter ſeinen Feſſeln. Jch warf mich ſchließlich auf ſeinen Nacken, zwei Mann faßten ſeine Arme, zwei andere die Beine: und dennoch machte uns das kleine Geſchöpf viel zu ſchaffen. So ſchnell als möglich trugen wir ihn nach ſeinem, inzwiſchen ausgebeſſerten Käſig zurück und bewachten ihn dort ſorgfältiger.‟
„Niemals in meinem Leben ſah ich ein ſo wüthendes Bich, wie dieſen Affen. Er fuhr auf Jeden los, der zu ihm hin kam, biß in die Bambusſtäbe, ſchaute uns mit giftigen und tollen Augen an und zeigte bei jeder Gelegenheit, daß er ein durch und durch bösartiges und boshaftes Ge- müth hatte.‟ —
Jm Verlauf der Erzählung theilt Du Chaillu ferner mit, daß Joe nicht einmal durch Hunger und, wie er ſich ausdrückt, durch „geſittete Nahrung‟ zu bändigen war, daß er nach einiger Zeit, als er zum zweiten Male durchbrach, mit vieler Mühe wieder gefangen, trotz alles Widerſträubens in Ketten gelegt wurde und zehn Tage darauf plötzlich ſtarb. Er lernte ſeinen Herrn zuletzt wohl kennen.
Später erhielt Du Chaillu noch ein junges Gorillaweibchen, welches mit außerordentlicher Zärtlichkeit an der Leiche ſeiner Mutter hing und das ganze Dorf durch ſeine Betrübniß in Aufregung verſetzte. Das Thierchen war noch ſo klein, daß es nur mit Milch hätte ernährt werden können und weil dieſe nicht zu bekommen war, ſtarb es ſchon am dritten Tage nach ſeinem Fang.
Außerdem beſchreibt der genannte Reiſende noch zwei andere „neue‟ Affen, von denen er den einen Kulu-Kamba (Troglodytes Kulu-kamba) und den andern Nſchiego-Mbuwe (Troglodytes calvus) nennt. Jn ihren Lebensverhältniſſen ſcheinen dieſe Thiere, wenn der Entdeckung überhaupt Glauben geſchenkt werden darf, ſich dem Schimpanſe zu nähern. Der Kulu-Kamba ſoll ſehr
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[22/0072]
Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla. Schimpanſe.
wieder nach ſeinem Winkel zurück. Dies lehrte mich Vorſicht; doch gab ich die Hoffnung, ihn zu
zähmen, nicht auf. Meine erſte Sorge war natürlich, Futter für ihn zu ſchaffen. Jch ließ Wald-
beeren holen und gab ihm dieſelben nebſt Waſſer in ſeinen Käfig. Er war außerordentlich ſcheu
und wollte nicht eher eſſen noch trinken, als bis ich mich auf ziemlich bedeutende Entfernung
zurückzog.‟
„Am zweiten Tage war Joe, wie ich ihn genannt hatte, wilder als am erſten; er fuhr nach
Jedermann hin, wenn er nur einen Augenblick bei ſeinem Käfig ſtand, und ſchien bereit, uns Alle in
Stücke zu zerreißen. Jch brachte ihm einige Ananasblätter und bemerkte, daß er davon nur die
weichen Theile fraß. Er ſchien eben nicht wähleriſch zu ſein, obſchon er jetzt und während ſeines
kurzen Lebens alles Futter verſchmähte, mit Ansnahme der wilden Blätter und Früchte, welche man
in ſeinen heimiſchen Wäldern für ihn geſammelt hatte. Am dritten Tage war er noch mürriſcher
und wüthender, bellte Jeden an und zog ſich entweder nach ſeinem fernen Winkel zurück oder ſchoß
angreifend vor. Am vierten Tage glückte es ihm, zwei Bambusſtäbe aus einander zu ſchieben und
zu entfliehen. Jch kam dazu, gerade als ſeine Flucht entdeckt worden war, und forderte augenblick-
lich alle Neger zur Verfolgung auf. Beim Eintreten in mein Haus wurde ich von ärgerlichem
Brüllen begrüßt, welches unter meiner Bettſtelle hervorkam. Es war Meiſter Sepperl, welcher
hier lag, ſorgfältig alle meine Bewegungen beobachtend. Augenblicklich ſchloß ich die Fenſter und rief
meine Leute herbei, das Thor zu beaufſichtigen. Als Freund Joe Dies ſah, zeigte ſich ſeine ganze
Wuth in ſeinem Geſicht; ſeine Augen glänzten, der ganze Leib bebte vor Zorn, und raſend kam er
unter dem Bette hervor. Wir ſchloſſen das Thor und ließen ihm das Feld, indem wir vorzogen,
lieber einen Plan zu ſeiner ſichern Gefangenſchaft zu entwerfen, als uns ſeinen Zähnen auszuſetzen.
Es war kein Vergnügen, ihn wieder zu fangen: er war ſchon ſo ſtark und wüthend, daß ich ſelbſt
einen Fauſtkampf mit ihm ſcheute, aus Furcht, von ihm gebiſſen zu werden. Mitten im Raum
ſtand der biedere Burſch und ſchaute wüthend auf ſeinen Feind, dabei mit einiger Ueberraſchung die
Einrichtungsgegenſtände prüfend. Jch hatte große Sorge, daß das Picken meiner Uhr ſein Ohr
erreichen würde und ihn zu einem Angriff auf dieſen unſchätzbaren Gegenſtand begeiſtern oder, daß
er Vieles von Dem, was ich geſammelt hatte, mir zerſtören möchte. Endlich, als er ſich etwas be-
ruhigt hatte, ſandte ich einige junge Leute nach einem Netz aus, und dieſes warfen wir ihm auch
glücklich über den Kopf. Das junge Scheuſal brüllte fürchterlich und wüthete und tobte unter ſeinen
Feſſeln. Jch warf mich ſchließlich auf ſeinen Nacken, zwei Mann faßten ſeine Arme, zwei andere die
Beine: und dennoch machte uns das kleine Geſchöpf viel zu ſchaffen. So ſchnell als möglich trugen
wir ihn nach ſeinem, inzwiſchen ausgebeſſerten Käſig zurück und bewachten ihn dort ſorgfältiger.‟
„Niemals in meinem Leben ſah ich ein ſo wüthendes Bich, wie dieſen Affen. Er fuhr auf
Jeden los, der zu ihm hin kam, biß in die Bambusſtäbe, ſchaute uns mit giftigen und tollen
Augen an und zeigte bei jeder Gelegenheit, daß er ein durch und durch bösartiges und boshaftes Ge-
müth hatte.‟ —
Jm Verlauf der Erzählung theilt Du Chaillu ferner mit, daß Joe nicht einmal durch Hunger und,
wie er ſich ausdrückt, durch „geſittete Nahrung‟ zu bändigen war, daß er nach einiger Zeit, als er
zum zweiten Male durchbrach, mit vieler Mühe wieder gefangen, trotz alles Widerſträubens in
Ketten gelegt wurde und zehn Tage darauf plötzlich ſtarb. Er lernte ſeinen Herrn zuletzt wohl kennen.
Später erhielt Du Chaillu noch ein junges Gorillaweibchen, welches mit außerordentlicher
Zärtlichkeit an der Leiche ſeiner Mutter hing und das ganze Dorf durch ſeine Betrübniß in Aufregung
verſetzte. Das Thierchen war noch ſo klein, daß es nur mit Milch hätte ernährt werden können
und weil dieſe nicht zu bekommen war, ſtarb es ſchon am dritten Tage nach ſeinem Fang.
Außerdem beſchreibt der genannte Reiſende noch zwei andere „neue‟ Affen, von denen er den
einen Kulu-Kamba (Troglodytes Kulu-kamba) und den andern Nſchiego-Mbuwe (Troglodytes
calvus) nennt. Jn ihren Lebensverhältniſſen ſcheinen dieſe Thiere, wenn der Entdeckung überhaupt
Glauben geſchenkt werden darf, ſich dem Schimpanſe zu nähern. Der Kulu-Kamba ſoll ſehr
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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