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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Jgel. -- Gemeiner Jgel.
berücksichtigte. Was von der Mahlzeit übrig bleibt, trägt er gern in sein Nest und verspeist es dann
zu gelegnerer Zeit."

Diese Beobachtung ist unzweifelhaft in jeder Hinsicht merkwürdig. Nach physiologischen Gesetzen
läßt es sich nicht einsehen, wie ein warmblütiges Thier so ruhig Bisse aushalten kann, deren Wirkung
bei anderen Thieren sogleich Zersetzung des Blutes hervorruft und dadurch den Tod nach sich zieht.
Man muß nur bedenken, daß der Biß einer Kreuzotter sehr häufig Säugethiere tödtet, welche wenig-
stens die dreißigfache Größe und das dreißigfache Gewicht des Jgels haben, scheinbar also auch weit
stärker sein müßten, als er es ist. Aber unser Stachelheld scheint wirklich giftfest zu sein; denn er
verzehrt nicht blos Giftschlangen, deren Gift bekanntlich nur dann schadet, wenn es unmittelbar in das
Blut übergeführt wird, sondern auch Thiere, welche dann giftig wirken, wenn sie in den Magen
kommen, wie z. B. die allbekannten spanischen Fliegen, deren Leib ja schon auf der äußern Haut
heftige Entzündungen hervorruft und deren Genuß anderen Thieren unfehlbar den Tod bringen
würde, da ein wenig Pulver von diesen Thieren, welches man einem Hunde oder einer Katze eingiebt,
denselben die fürchterlichsten Schmerzen verursacht. Ja, der Jgel soll sogar ganz gehörige Gaben
Opium, Arsenik, Sublimat oder selbst Blausäure verschlingen, ohne Schaden zu leiden. Hinsichtlich
dieser Behauptung will ich jedoch meine Zweifel unverhohlen aussprechen.

Es bedarf nun wohl keiner weiteren Worte, um den großen Nutzen des Jgels zu beweisen.
Der geringe Schaden, welchen er anrichtet, kann gar nicht in Betracht kommen, zumal derselbe noch
gar nicht so erwiesen ist, als manche Leute wissen wollen. Man behauptet z. B., daß er leiden-
schaftlich gern Hühnereier fräße und diese nicht nur sehr geschickt aufzufinden verstünde, sondern auch
höchst pfiffig ausschlürfe, ohne von ihrem Jnhalt Etwas zu verschütten. Man will nämlich gesehen
haben, daß er das Ei vorsichtig auf den Boden lege, mit seinen Vorderbeinen halte, eine kleine
Oeffnung durch die Schale beiße und den Jnhalt dann bedächtig auslecke. Außerdem geben ihm die
Hühnerzüchter schuld, daß er unter dem Hausgeflügel großen Schaden anrichte, wenn er zu gelegener
Zeit in einen Hühnerstall kommen könnte, und Einer will sogar einen Jgel gefunden haben, welcher
funfzehn Hühner in einer Nacht umgebracht und eine davon gefressen haben soll. Der Beweis für
die Wahrheit dieser Angabe ist aber nicht stichhaltig. Nachdem nämlich der Eigenthümer den Schaden
gemerkt hatte, legte er rings um den Stall Tellereisen, und am folgenden Morgen fand man drei Jgel
in diesen Fallen, welche nun die Missethat irgend eines schlauen Marders auf sich nehmen mußten;
denn jedenfalls war dieser der Urheber jener Schandthat gewesen, welche jetzt den wahrscheinlich auf
Mäusefang umherstreifenden, ungeschickt genug in die Falle tappenden Jgeln zur Last gelegt wurde.
Jn ähnlicher Weise dürften wohl auch die vermeintlichen Räubereien an Kaninchen und anderen
Thieren zu erklären sein. Wir unsererseits müssen nach allen scharfen Beobachtungen den Jgel von
solchen Verbrechen vollkommen freisprechen, und können nicht zugeben, daß seine großen Verdienste
geschmälert werden.

Der Jgel treibt, wie bemerkt, alle seine Geschäfte mit gehöriger Ueberlegung und Langsamkeit.
So währt denn auch seine Paarungszeit von Ende März bis zu Anfang Juni. Auch er zeigt sich,
wenn er mit seinem Weibchen zusammen ist, sehr erregt. Er spielt nicht blos mit seiner Gattin,
sondern stößt auch außerdem Laute aus, welche man sonst blos bei der größten Aufregung vernimmt.
Ein dumpfes Gemurmel oder heisere, quiekende Töne oder auch ein helles Schnalzen scheint eine be-
hagliche Stimmung auszudrücken, während ein eigenthümliches Trommeln, wie es der Dachs hören
läßt, ein Zeichen von gestörter Gemüthlichkeit, Wuth oder Angst ist. Alle diese Laute werden aber
gerade bei der Paarungszeit vernommen; denn der Jgel hat ebenfalls seine Noth, um sein Weib
gehörig an sich zu fesseln. Unberufene Nebenbuhler drängen sich auch in sein Gehege und machen ihm
oft genug den Kopf warm, zumal sein Weibchen, wie Dies so zu gehen pflegt, sich nicht immer in den
Schranken einer gebührenden Treue hält. Sieben Wochen nach der Paarung wirft letzteres seine
drei bis sechs, in seltenen Fällen wohl auch acht, blinden Jungen in einem besonders hierzu errichteten,
schönen, großen und wohl ausgefütterten Lager unter dichten Hecken, Zäunen, Laub- und Moshaufen

Die Raubthiere. Jgel. — Gemeiner Jgel.
berückſichtigte. Was von der Mahlzeit übrig bleibt, trägt er gern in ſein Neſt und verſpeiſt es dann
zu gelegnerer Zeit.‟

Dieſe Beobachtung iſt unzweifelhaft in jeder Hinſicht merkwürdig. Nach phyſiologiſchen Geſetzen
läßt es ſich nicht einſehen, wie ein warmblütiges Thier ſo ruhig Biſſe aushalten kann, deren Wirkung
bei anderen Thieren ſogleich Zerſetzung des Blutes hervorruft und dadurch den Tod nach ſich zieht.
Man muß nur bedenken, daß der Biß einer Kreuzotter ſehr häufig Säugethiere tödtet, welche wenig-
ſtens die dreißigfache Größe und das dreißigfache Gewicht des Jgels haben, ſcheinbar alſo auch weit
ſtärker ſein müßten, als er es iſt. Aber unſer Stachelheld ſcheint wirklich giftfeſt zu ſein; denn er
verzehrt nicht blos Giftſchlangen, deren Gift bekanntlich nur dann ſchadet, wenn es unmittelbar in das
Blut übergeführt wird, ſondern auch Thiere, welche dann giftig wirken, wenn ſie in den Magen
kommen, wie z. B. die allbekannten ſpaniſchen Fliegen, deren Leib ja ſchon auf der äußern Haut
heftige Entzündungen hervorruft und deren Genuß anderen Thieren unfehlbar den Tod bringen
würde, da ein wenig Pulver von dieſen Thieren, welches man einem Hunde oder einer Katze eingiebt,
denſelben die fürchterlichſten Schmerzen verurſacht. Ja, der Jgel ſoll ſogar ganz gehörige Gaben
Opium, Arſenik, Sublimat oder ſelbſt Blauſäure verſchlingen, ohne Schaden zu leiden. Hinſichtlich
dieſer Behauptung will ich jedoch meine Zweifel unverhohlen ausſprechen.

Es bedarf nun wohl keiner weiteren Worte, um den großen Nutzen des Jgels zu beweiſen.
Der geringe Schaden, welchen er anrichtet, kann gar nicht in Betracht kommen, zumal derſelbe noch
gar nicht ſo erwieſen iſt, als manche Leute wiſſen wollen. Man behauptet z. B., daß er leiden-
ſchaftlich gern Hühnereier fräße und dieſe nicht nur ſehr geſchickt aufzufinden verſtünde, ſondern auch
höchſt pfiffig ausſchlürfe, ohne von ihrem Jnhalt Etwas zu verſchütten. Man will nämlich geſehen
haben, daß er das Ei vorſichtig auf den Boden lege, mit ſeinen Vorderbeinen halte, eine kleine
Oeffnung durch die Schale beiße und den Jnhalt dann bedächtig auslecke. Außerdem geben ihm die
Hühnerzüchter ſchuld, daß er unter dem Hausgeflügel großen Schaden anrichte, wenn er zu gelegener
Zeit in einen Hühnerſtall kommen könnte, und Einer will ſogar einen Jgel gefunden haben, welcher
funfzehn Hühner in einer Nacht umgebracht und eine davon gefreſſen haben ſoll. Der Beweis für
die Wahrheit dieſer Angabe iſt aber nicht ſtichhaltig. Nachdem nämlich der Eigenthümer den Schaden
gemerkt hatte, legte er rings um den Stall Tellereiſen, und am folgenden Morgen fand man drei Jgel
in dieſen Fallen, welche nun die Miſſethat irgend eines ſchlauen Marders auf ſich nehmen mußten;
denn jedenfalls war dieſer der Urheber jener Schandthat geweſen, welche jetzt den wahrſcheinlich auf
Mäuſefang umherſtreifenden, ungeſchickt genug in die Falle tappenden Jgeln zur Laſt gelegt wurde.
Jn ähnlicher Weiſe dürften wohl auch die vermeintlichen Räubereien an Kaninchen und anderen
Thieren zu erklären ſein. Wir unſererſeits müſſen nach allen ſcharfen Beobachtungen den Jgel von
ſolchen Verbrechen vollkommen freiſprechen, und können nicht zugeben, daß ſeine großen Verdienſte
geſchmälert werden.

Der Jgel treibt, wie bemerkt, alle ſeine Geſchäfte mit gehöriger Ueberlegung und Langſamkeit.
So währt denn auch ſeine Paarungszeit von Ende März bis zu Anfang Juni. Auch er zeigt ſich,
wenn er mit ſeinem Weibchen zuſammen iſt, ſehr erregt. Er ſpielt nicht blos mit ſeiner Gattin,
ſondern ſtößt auch außerdem Laute aus, welche man ſonſt blos bei der größten Aufregung vernimmt.
Ein dumpfes Gemurmel oder heiſere, quiekende Töne oder auch ein helles Schnalzen ſcheint eine be-
hagliche Stimmung auszudrücken, während ein eigenthümliches Trommeln, wie es der Dachs hören
läßt, ein Zeichen von geſtörter Gemüthlichkeit, Wuth oder Angſt iſt. Alle dieſe Laute werden aber
gerade bei der Paarungszeit vernommen; denn der Jgel hat ebenfalls ſeine Noth, um ſein Weib
gehörig an ſich zu feſſeln. Unberufene Nebenbuhler drängen ſich auch in ſein Gehege und machen ihm
oft genug den Kopf warm, zumal ſein Weibchen, wie Dies ſo zu gehen pflegt, ſich nicht immer in den
Schranken einer gebührenden Treue hält. Sieben Wochen nach der Paarung wirft letzteres ſeine
drei bis ſechs, in ſeltenen Fällen wohl auch acht, blinden Jungen in einem beſonders hierzu errichteten,
ſchönen, großen und wohl ausgefütterten Lager unter dichten Hecken, Zäunen, Laub- und Moshaufen

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[654/0732] Die Raubthiere. Jgel. — Gemeiner Jgel. berückſichtigte. Was von der Mahlzeit übrig bleibt, trägt er gern in ſein Neſt und verſpeiſt es dann zu gelegnerer Zeit.‟ Dieſe Beobachtung iſt unzweifelhaft in jeder Hinſicht merkwürdig. Nach phyſiologiſchen Geſetzen läßt es ſich nicht einſehen, wie ein warmblütiges Thier ſo ruhig Biſſe aushalten kann, deren Wirkung bei anderen Thieren ſogleich Zerſetzung des Blutes hervorruft und dadurch den Tod nach ſich zieht. Man muß nur bedenken, daß der Biß einer Kreuzotter ſehr häufig Säugethiere tödtet, welche wenig- ſtens die dreißigfache Größe und das dreißigfache Gewicht des Jgels haben, ſcheinbar alſo auch weit ſtärker ſein müßten, als er es iſt. Aber unſer Stachelheld ſcheint wirklich giftfeſt zu ſein; denn er verzehrt nicht blos Giftſchlangen, deren Gift bekanntlich nur dann ſchadet, wenn es unmittelbar in das Blut übergeführt wird, ſondern auch Thiere, welche dann giftig wirken, wenn ſie in den Magen kommen, wie z. B. die allbekannten ſpaniſchen Fliegen, deren Leib ja ſchon auf der äußern Haut heftige Entzündungen hervorruft und deren Genuß anderen Thieren unfehlbar den Tod bringen würde, da ein wenig Pulver von dieſen Thieren, welches man einem Hunde oder einer Katze eingiebt, denſelben die fürchterlichſten Schmerzen verurſacht. Ja, der Jgel ſoll ſogar ganz gehörige Gaben Opium, Arſenik, Sublimat oder ſelbſt Blauſäure verſchlingen, ohne Schaden zu leiden. Hinſichtlich dieſer Behauptung will ich jedoch meine Zweifel unverhohlen ausſprechen. Es bedarf nun wohl keiner weiteren Worte, um den großen Nutzen des Jgels zu beweiſen. Der geringe Schaden, welchen er anrichtet, kann gar nicht in Betracht kommen, zumal derſelbe noch gar nicht ſo erwieſen iſt, als manche Leute wiſſen wollen. Man behauptet z. B., daß er leiden- ſchaftlich gern Hühnereier fräße und dieſe nicht nur ſehr geſchickt aufzufinden verſtünde, ſondern auch höchſt pfiffig ausſchlürfe, ohne von ihrem Jnhalt Etwas zu verſchütten. Man will nämlich geſehen haben, daß er das Ei vorſichtig auf den Boden lege, mit ſeinen Vorderbeinen halte, eine kleine Oeffnung durch die Schale beiße und den Jnhalt dann bedächtig auslecke. Außerdem geben ihm die Hühnerzüchter ſchuld, daß er unter dem Hausgeflügel großen Schaden anrichte, wenn er zu gelegener Zeit in einen Hühnerſtall kommen könnte, und Einer will ſogar einen Jgel gefunden haben, welcher funfzehn Hühner in einer Nacht umgebracht und eine davon gefreſſen haben ſoll. Der Beweis für die Wahrheit dieſer Angabe iſt aber nicht ſtichhaltig. Nachdem nämlich der Eigenthümer den Schaden gemerkt hatte, legte er rings um den Stall Tellereiſen, und am folgenden Morgen fand man drei Jgel in dieſen Fallen, welche nun die Miſſethat irgend eines ſchlauen Marders auf ſich nehmen mußten; denn jedenfalls war dieſer der Urheber jener Schandthat geweſen, welche jetzt den wahrſcheinlich auf Mäuſefang umherſtreifenden, ungeſchickt genug in die Falle tappenden Jgeln zur Laſt gelegt wurde. Jn ähnlicher Weiſe dürften wohl auch die vermeintlichen Räubereien an Kaninchen und anderen Thieren zu erklären ſein. Wir unſererſeits müſſen nach allen ſcharfen Beobachtungen den Jgel von ſolchen Verbrechen vollkommen freiſprechen, und können nicht zugeben, daß ſeine großen Verdienſte geſchmälert werden. Der Jgel treibt, wie bemerkt, alle ſeine Geſchäfte mit gehöriger Ueberlegung und Langſamkeit. So währt denn auch ſeine Paarungszeit von Ende März bis zu Anfang Juni. Auch er zeigt ſich, wenn er mit ſeinem Weibchen zuſammen iſt, ſehr erregt. Er ſpielt nicht blos mit ſeiner Gattin, ſondern ſtößt auch außerdem Laute aus, welche man ſonſt blos bei der größten Aufregung vernimmt. Ein dumpfes Gemurmel oder heiſere, quiekende Töne oder auch ein helles Schnalzen ſcheint eine be- hagliche Stimmung auszudrücken, während ein eigenthümliches Trommeln, wie es der Dachs hören läßt, ein Zeichen von geſtörter Gemüthlichkeit, Wuth oder Angſt iſt. Alle dieſe Laute werden aber gerade bei der Paarungszeit vernommen; denn der Jgel hat ebenfalls ſeine Noth, um ſein Weib gehörig an ſich zu feſſeln. Unberufene Nebenbuhler drängen ſich auch in ſein Gehege und machen ihm oft genug den Kopf warm, zumal ſein Weibchen, wie Dies ſo zu gehen pflegt, ſich nicht immer in den Schranken einer gebührenden Treue hält. Sieben Wochen nach der Paarung wirft letzteres ſeine drei bis ſechs, in ſeltenen Fällen wohl auch acht, blinden Jungen in einem beſonders hierzu errichteten, ſchönen, großen und wohl ausgefütterten Lager unter dichten Hecken, Zäunen, Laub- und Moshaufen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/732>, abgerufen am 24.11.2024.