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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Jgel. -- Tanrek.
treten immermehr Borsten auf, und schon auf dem Rücken sind diese bei weitem überwiegend. Sie
werden dort ein bis zwei Zoll lang und hüllen auch das Hintertheil des Tanrek vollkommen ein.
Die ganze untere Seite und die Beine werden von Haaren bekleidet, und auf der nackten, spitzigen
Schnauze stehen lange Schnurren. Die Schnauzenspitze und die Ohren sind nackt, die Füße blos mit
kurzen Haaren bedeckt. Stacheln, Borsten und Haare sind hellgelb gefärbt, bisweilen lichter, bis-
weilen dunkler; sämmtliche Gebilde aber sind in der Mitte schwarzbraun geringelt, und zwar auf dem
Rücken mehr, als an den Seiten. Das Gesicht ist braun, die Füße sind rothgelb; die Schnurren
dunkelbraun gefärbt. Die jungen Thiere zeigen auf braunem Grunde gelbe Längsbänder, welche bei
zunehmendem Alter verschwinden. Eine sogenannte Abart, bei welcher das ganze Gesicht mäusegrau,
der Kopf roth, die Füße rothgelb, die geringelten Haare und Stacheln roth gefärbt sind, dürfte wohl
eine besondere Art bilden. Der vollkommen erwachsene Tanrek wird zehn Zoll lang und an den
Schultern ungefähr vier Zoll hoch.

[Abbildung] Der Tanrek (Centetes ecaudatus).

Bis jetzt hat man die Mitglieder dieser Sippe blos auf Madagaskar gefunden; doch ist in der
neuesten Zeit der Tanrek auf der Moritzinsel heimisch gemacht, nämlich von Madagaskar aus dahin
verpflanzt worden. Das Thier lebt in der Nähe des Wassers, und zwar ebensowohl an den Flüssen,
wie am Meere, und gräbt Höhlen und Gänge in die Erde, die seine Schlupfwinkel bilden. Er ist
ein scheues, furchtsames Geschöpf, welches den größten Theil des Tages in tiefster Zurückgezogenheit
lebt, blos nach Sonnenuntergang zum Vorschein kommt, ohne sich jemals weit von seiner Höhle zu
entfernen. Nur im Frühling und im Sommer jener Länder, d. h. nach dem ersten Regen und bis
zum Eintritt der Dürre, zeigt er sich. Während der größten Trockenheit, welche, wie ich schon wieder-
holt bemerkt habe, unserm Winter zu vergleichen ist, zieht er sich in den tiefsten Kessel seines Baues
zurück, hier die Monate Juni bis November in ganz ähnlicher Weise, wie unser Jgel den Winter
verschlafend. Die Eingebornen glauben, daß die heftigen Donnerschläge, welche die ersten Regen
verkünden, ihn aus seinem Todtenschlafe erwecken, und bringen ihn deshalb auf eine geheinmißvolle

Die Raubthiere. Jgel. — Tanrek.
treten immermehr Borſten auf, und ſchon auf dem Rücken ſind dieſe bei weitem überwiegend. Sie
werden dort ein bis zwei Zoll lang und hüllen auch das Hintertheil des Tanrek vollkommen ein.
Die ganze untere Seite und die Beine werden von Haaren bekleidet, und auf der nackten, ſpitzigen
Schnauze ſtehen lange Schnurren. Die Schnauzenſpitze und die Ohren ſind nackt, die Füße blos mit
kurzen Haaren bedeckt. Stacheln, Borſten und Haare ſind hellgelb gefärbt, bisweilen lichter, bis-
weilen dunkler; ſämmtliche Gebilde aber ſind in der Mitte ſchwarzbraun geringelt, und zwar auf dem
Rücken mehr, als an den Seiten. Das Geſicht iſt braun, die Füße ſind rothgelb; die Schnurren
dunkelbraun gefärbt. Die jungen Thiere zeigen auf braunem Grunde gelbe Längsbänder, welche bei
zunehmendem Alter verſchwinden. Eine ſogenannte Abart, bei welcher das ganze Geſicht mäuſegrau,
der Kopf roth, die Füße rothgelb, die geringelten Haare und Stacheln roth gefärbt ſind, dürfte wohl
eine beſondere Art bilden. Der vollkommen erwachſene Tanrek wird zehn Zoll lang und an den
Schultern ungefähr vier Zoll hoch.

[Abbildung] Der Tanrek (Centetes ecaudatus).

Bis jetzt hat man die Mitglieder dieſer Sippe blos auf Madagaskar gefunden; doch iſt in der
neueſten Zeit der Tanrek auf der Moritzinſel heimiſch gemacht, nämlich von Madagaskar aus dahin
verpflanzt worden. Das Thier lebt in der Nähe des Waſſers, und zwar ebenſowohl an den Flüſſen,
wie am Meere, und gräbt Höhlen und Gänge in die Erde, die ſeine Schlupfwinkel bilden. Er iſt
ein ſcheues, furchtſames Geſchöpf, welches den größten Theil des Tages in tiefſter Zurückgezogenheit
lebt, blos nach Sonnenuntergang zum Vorſchein kommt, ohne ſich jemals weit von ſeiner Höhle zu
entfernen. Nur im Frühling und im Sommer jener Länder, d. h. nach dem erſten Regen und bis
zum Eintritt der Dürre, zeigt er ſich. Während der größten Trockenheit, welche, wie ich ſchon wieder-
holt bemerkt habe, unſerm Winter zu vergleichen iſt, zieht er ſich in den tiefſten Keſſel ſeines Baues
zurück, hier die Monate Juni bis November in ganz ähnlicher Weiſe, wie unſer Jgel den Winter
verſchlafend. Die Eingebornen glauben, daß die heftigen Donnerſchläge, welche die erſten Regen
verkünden, ihn aus ſeinem Todtenſchlafe erwecken, und bringen ihn deshalb auf eine geheinmißvolle

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[660/0738] Die Raubthiere. Jgel. — Tanrek. treten immermehr Borſten auf, und ſchon auf dem Rücken ſind dieſe bei weitem überwiegend. Sie werden dort ein bis zwei Zoll lang und hüllen auch das Hintertheil des Tanrek vollkommen ein. Die ganze untere Seite und die Beine werden von Haaren bekleidet, und auf der nackten, ſpitzigen Schnauze ſtehen lange Schnurren. Die Schnauzenſpitze und die Ohren ſind nackt, die Füße blos mit kurzen Haaren bedeckt. Stacheln, Borſten und Haare ſind hellgelb gefärbt, bisweilen lichter, bis- weilen dunkler; ſämmtliche Gebilde aber ſind in der Mitte ſchwarzbraun geringelt, und zwar auf dem Rücken mehr, als an den Seiten. Das Geſicht iſt braun, die Füße ſind rothgelb; die Schnurren dunkelbraun gefärbt. Die jungen Thiere zeigen auf braunem Grunde gelbe Längsbänder, welche bei zunehmendem Alter verſchwinden. Eine ſogenannte Abart, bei welcher das ganze Geſicht mäuſegrau, der Kopf roth, die Füße rothgelb, die geringelten Haare und Stacheln roth gefärbt ſind, dürfte wohl eine beſondere Art bilden. Der vollkommen erwachſene Tanrek wird zehn Zoll lang und an den Schultern ungefähr vier Zoll hoch. [Abbildung Der Tanrek (Centetes ecaudatus).] Bis jetzt hat man die Mitglieder dieſer Sippe blos auf Madagaskar gefunden; doch iſt in der neueſten Zeit der Tanrek auf der Moritzinſel heimiſch gemacht, nämlich von Madagaskar aus dahin verpflanzt worden. Das Thier lebt in der Nähe des Waſſers, und zwar ebenſowohl an den Flüſſen, wie am Meere, und gräbt Höhlen und Gänge in die Erde, die ſeine Schlupfwinkel bilden. Er iſt ein ſcheues, furchtſames Geſchöpf, welches den größten Theil des Tages in tiefſter Zurückgezogenheit lebt, blos nach Sonnenuntergang zum Vorſchein kommt, ohne ſich jemals weit von ſeiner Höhle zu entfernen. Nur im Frühling und im Sommer jener Länder, d. h. nach dem erſten Regen und bis zum Eintritt der Dürre, zeigt er ſich. Während der größten Trockenheit, welche, wie ich ſchon wieder- holt bemerkt habe, unſerm Winter zu vergleichen iſt, zieht er ſich in den tiefſten Keſſel ſeines Baues zurück, hier die Monate Juni bis November in ganz ähnlicher Weiſe, wie unſer Jgel den Winter verſchlafend. Die Eingebornen glauben, daß die heftigen Donnerſchläge, welche die erſten Regen verkünden, ihn aus ſeinem Todtenſchlafe erwecken, und bringen ihn deshalb auf eine geheinmißvolle

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/738>, abgerufen am 24.11.2024.