lebt. Diese Anschauung hindert die guten Leute übrigens nicht, die von ihnen erlegten Affen zu essen.
Der Schimpanse ist namentlich in der Neuzeit öfters lebend nach Europa und selbst nach Deutschland gebracht worden, wenn auch gewöhnlich nur jung. Unser ihm fremdes Klima hat ihn aber immer bald umgebracht. Es ist bis jetzt kein Beispiel bekannt, daß einer dieser Affen mehrere Jahre hier am Leben geblieben wäre; dagegen erzählt man, daß Schimpanses in ihrer Heimat über 20 Jahre in der Gefangenschaft ausgehalten haben und dabei sehr groß und stark geworden sind. Bis jetzt hat man stets beobachtet, daß die Gefangenen sanft, klug und liebenswürdig waren. Der Kapitän Grandpret erzählt von einem Weibchen, welches bewunderungswürdige Beweise seiner Klugheit gab. Er sah es auf einem Schiffe, mit welchem es nach Amerika gebracht werden sollte. Man hatte es gelehrt, den Backofen zu heizen, und es erfüllte sein Amt zur allgemeinen Zufriedenheit, gab sorfältig Acht, daß keine Kohlen heraussielen, und wußte auch, wenn der Ofen den nöthigen Grad von Hitze erlangt hatte. Dann ging es hin und berichtete den Bäcker durch sehr ausdrucksvolle Geberden davon, und dieser konnte sich auf seinen Gehilfen so gut verlassen, daß er niemals selbst nachzusehen brauchte. Derselbe Affe verrichtete die Arbeit eines Matrosen mit ebenso viel Geschick als Einsicht. Er wand das Ankertau auf, zog die Segel ein, band sie fest und arbeitete vollkommen zur Zufriedenheit der Matrosen, welche ihn zuletzt als ihren Maat betrachteten. Leider verlor dieses herrliche Thier, ehe es Amerika erreichte, sein Leben in Folge viehischer Grausamkeit, welche es von dem Steuermann erleiden mußte. Dieser hatte es ungerechter Weise mißhandelt, ohne sich um die flehenden Bitten des armen Geschöpfes zu kümmern. Es hielt, wie ein Mensch, die zusammengefal- tenen Hände vor, um das Herz seines Peinigers zu erweichen; allein der Unmensch achtete nicht auf die beredte Sprache des so hoch begabten Wesens. Er fuhr fort in seiner gemeinen Grausamkeit. Der Affe erlitt sie geduldig, weigerte sich aber von diesem Augenblicke standhaft, irgend welche Nah- rung zu sich zu nehmen, und starb am fünften Tage darauf aus Hunger und Gemüthserregung. Die ganze Mannschaft betrauerte ihn, als ob einer ihrer Kameraden gestorben wäre.
Brosse brachte zwei Schimpanses mit sich nach Europa, ein junges Männchen und ein Weibchen. Sie setzten sich an den Tisch, wie ein Mensch, aßen von Allem und bedienten sich dabei des Messers, der Gabel und der Löffel. Auch die Getränke theilten sie redlich mit den Menschen, und namentlich Wein und Branntwein mundeten ihnen vortrefflich. Sie riefen die Schiffsjungen, wenn sie Etwas brauchten, und wurden böse, wenn diese es ihnen verweigerten, faßten dann die Knaben an dem Arme, bissen sie und warfen sie unter sich. Das Männchen wurde krank und der Schiffsarzt ließ ihm deshalb zur Ader; so oft es sich später unwohl fühlte, hielt es ihm stets den Arm hin. -- Buffon's Schimpanse ging fast immer aufrecht, selbst wenn er schwere Sachen trug; er sah traurig und ernsthaft aus und bewegte sich abgemessen und verständig. Von den häßlichen Eigen- schaften der Paviane zeigte er keine einzige; er war aber auch nicht muthwillig, wie die Meer- katzen. Seinem Herrn gehorchte er aufs Wort oder auf ein Zeichen. Er bot den Leuten den Arm an und ging ordentlich mit ihnen herum, setzte sich zu Tisch, benutzte ein Vorstecktuch und wischte sich damit die Lippen, wenn er getrunken hatte; er schenkte sich selbst Wein ein und stieß mit den Andern an. Er holte sich eine Tasse und Schale herbei, that Zucker hinein, goß Thee darauf und ließ ihn kalt werden, bevor er ihn trank. Niemandem fügte er ein Leid zu, sondern näherte sich Jedem beschei- den und freute sich ungemein, wenn ihm geschmeichelt wurde. Alle Leute, welche Buffon besuchten, gewannen seinen Hausgenossen außerordentlich lieb und brachten ihm Zuckerbrob oder Obst mit. Leider tödtete ihn die Lungenschwindsucht innerhalb eines Jahres. -- Dr.Traill brachte einen Schim- panse mit nach England, welcher nicht gern aufrecht ging, sich vielmehr beim Gehen auf die Finger stützte. Er war furchtsam, aber mit Bekannten vertraulich. Wenn es kalt wurde, wickelte er sich in eine Decke. Eines Tages hielt man ihm einen Spiegel vor, sogleich war seine Aufmerksamkeit ge- fesselt; auf die größte Beweglichkeit folgte sofort die tiefste Ruhe. Er untersuchte neugierig das merk- würdige Werkzeug und schien stumm vor Erstaunen. Dann blickte er fragend seinen Freund an,
Die Affen. Waldmenſchen. — Schimpanſe.
lebt. Dieſe Anſchauung hindert die guten Leute übrigens nicht, die von ihnen erlegten Affen zu eſſen.
Der Schimpanſe iſt namentlich in der Neuzeit öfters lebend nach Europa und ſelbſt nach Deutſchland gebracht worden, wenn auch gewöhnlich nur jung. Unſer ihm fremdes Klima hat ihn aber immer bald umgebracht. Es iſt bis jetzt kein Beiſpiel bekannt, daß einer dieſer Affen mehrere Jahre hier am Leben geblieben wäre; dagegen erzählt man, daß Schimpanſes in ihrer Heimat über 20 Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten haben und dabei ſehr groß und ſtark geworden ſind. Bis jetzt hat man ſtets beobachtet, daß die Gefangenen ſanft, klug und liebenswürdig waren. Der Kapitän Grandpret erzählt von einem Weibchen, welches bewunderungswürdige Beweiſe ſeiner Klugheit gab. Er ſah es auf einem Schiffe, mit welchem es nach Amerika gebracht werden ſollte. Man hatte es gelehrt, den Backofen zu heizen, und es erfüllte ſein Amt zur allgemeinen Zufriedenheit, gab ſorfältig Acht, daß keine Kohlen herausſielen, und wußte auch, wenn der Ofen den nöthigen Grad von Hitze erlangt hatte. Dann ging es hin und berichtete den Bäcker durch ſehr ausdrucksvolle Geberden davon, und dieſer konnte ſich auf ſeinen Gehilfen ſo gut verlaſſen, daß er niemals ſelbſt nachzuſehen brauchte. Derſelbe Affe verrichtete die Arbeit eines Matroſen mit ebenſo viel Geſchick als Einſicht. Er wand das Ankertau auf, zog die Segel ein, band ſie feſt und arbeitete vollkommen zur Zufriedenheit der Matroſen, welche ihn zuletzt als ihren Maat betrachteten. Leider verlor dieſes herrliche Thier, ehe es Amerika erreichte, ſein Leben in Folge viehiſcher Grauſamkeit, welche es von dem Steuermann erleiden mußte. Dieſer hatte es ungerechter Weiſe mißhandelt, ohne ſich um die flehenden Bitten des armen Geſchöpfes zu kümmern. Es hielt, wie ein Menſch, die zuſammengefal- tenen Hände vor, um das Herz ſeines Peinigers zu erweichen; allein der Unmenſch achtete nicht auf die beredte Sprache des ſo hoch begabten Weſens. Er fuhr fort in ſeiner gemeinen Grauſamkeit. Der Affe erlitt ſie geduldig, weigerte ſich aber von dieſem Augenblicke ſtandhaft, irgend welche Nah- rung zu ſich zu nehmen, und ſtarb am fünften Tage darauf aus Hunger und Gemüthserregung. Die ganze Mannſchaft betrauerte ihn, als ob einer ihrer Kameraden geſtorben wäre.
Broſſe brachte zwei Schimpanſes mit ſich nach Europa, ein junges Männchen und ein Weibchen. Sie ſetzten ſich an den Tiſch, wie ein Menſch, aßen von Allem und bedienten ſich dabei des Meſſers, der Gabel und der Löffel. Auch die Getränke theilten ſie redlich mit den Menſchen, und namentlich Wein und Branntwein mundeten ihnen vortrefflich. Sie riefen die Schiffsjungen, wenn ſie Etwas brauchten, und wurden böſe, wenn dieſe es ihnen verweigerten, faßten dann die Knaben an dem Arme, biſſen ſie und warfen ſie unter ſich. Das Männchen wurde krank und der Schiffsarzt ließ ihm deshalb zur Ader; ſo oft es ſich ſpäter unwohl fühlte, hielt es ihm ſtets den Arm hin. — Buffon’s Schimpanſe ging faſt immer aufrecht, ſelbſt wenn er ſchwere Sachen trug; er ſah traurig und ernſthaft aus und bewegte ſich abgemeſſen und verſtändig. Von den häßlichen Eigen- ſchaften der Paviane zeigte er keine einzige; er war aber auch nicht muthwillig, wie die Meer- katzen. Seinem Herrn gehorchte er aufs Wort oder auf ein Zeichen. Er bot den Leuten den Arm an und ging ordentlich mit ihnen herum, ſetzte ſich zu Tiſch, benutzte ein Vorſtecktuch und wiſchte ſich damit die Lippen, wenn er getrunken hatte; er ſchenkte ſich ſelbſt Wein ein und ſtieß mit den Andern an. Er holte ſich eine Taſſe und Schale herbei, that Zucker hinein, goß Thee darauf und ließ ihn kalt werden, bevor er ihn trank. Niemandem fügte er ein Leid zu, ſondern näherte ſich Jedem beſchei- den und freute ſich ungemein, wenn ihm geſchmeichelt wurde. Alle Leute, welche Buffon beſuchten, gewannen ſeinen Hausgenoſſen außerordentlich lieb und brachten ihm Zuckerbrob oder Obſt mit. Leider tödtete ihn die Lungenſchwindſucht innerhalb eines Jahres. — Dr.Traill brachte einen Schim- panſe mit nach England, welcher nicht gern aufrecht ging, ſich vielmehr beim Gehen auf die Finger ſtützte. Er war furchtſam, aber mit Bekannten vertraulich. Wenn es kalt wurde, wickelte er ſich in eine Decke. Eines Tages hielt man ihm einen Spiegel vor, ſogleich war ſeine Aufmerkſamkeit ge- feſſelt; auf die größte Beweglichkeit folgte ſofort die tiefſte Ruhe. Er unterſuchte neugierig das merk- würdige Werkzeug und ſchien ſtumm vor Erſtaunen. Dann blickte er fragend ſeinen Freund an,
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0076"n="26"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Affen.</hi> Waldmenſchen. —<hirendition="#g">Schimpanſe.</hi></fw><lb/>
lebt. Dieſe Anſchauung hindert die guten Leute übrigens nicht, die von ihnen erlegten Affen<lb/>
zu eſſen.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Schimpanſe</hi> iſt namentlich in der Neuzeit öfters lebend nach Europa und ſelbſt nach<lb/>
Deutſchland gebracht worden, wenn auch gewöhnlich nur jung. Unſer ihm fremdes Klima hat ihn<lb/>
aber immer bald umgebracht. Es iſt bis jetzt kein Beiſpiel bekannt, daß einer dieſer Affen mehrere<lb/>
Jahre hier am Leben geblieben wäre; dagegen erzählt man, daß <hirendition="#g">Schimpanſes</hi> in ihrer Heimat<lb/>
über 20 Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten haben und dabei ſehr groß und ſtark geworden<lb/>ſind. Bis jetzt hat man ſtets beobachtet, daß die Gefangenen ſanft, klug und liebenswürdig waren.<lb/>
Der Kapitän <hirendition="#g">Grandpret</hi> erzählt von einem Weibchen, welches bewunderungswürdige Beweiſe ſeiner<lb/>
Klugheit gab. Er ſah es auf einem Schiffe, mit welchem es nach Amerika gebracht werden ſollte.<lb/>
Man hatte es gelehrt, den Backofen zu heizen, und es erfüllte ſein Amt zur allgemeinen Zufriedenheit,<lb/>
gab ſorfältig Acht, daß keine Kohlen herausſielen, und wußte auch, wenn der Ofen den nöthigen<lb/>
Grad von Hitze erlangt hatte. Dann ging es hin und berichtete den Bäcker durch ſehr ausdrucksvolle<lb/>
Geberden davon, und dieſer konnte ſich auf ſeinen Gehilfen ſo gut verlaſſen, daß er niemals ſelbſt<lb/>
nachzuſehen brauchte. Derſelbe Affe verrichtete die Arbeit eines Matroſen mit ebenſo viel Geſchick als<lb/>
Einſicht. Er wand das Ankertau auf, zog die Segel ein, band ſie feſt und arbeitete vollkommen zur<lb/>
Zufriedenheit der Matroſen, welche ihn zuletzt als ihren <hirendition="#g">Maat</hi> betrachteten. Leider verlor dieſes<lb/>
herrliche Thier, ehe es Amerika erreichte, ſein Leben in Folge viehiſcher Grauſamkeit, welche es von<lb/>
dem Steuermann erleiden mußte. Dieſer hatte es ungerechter Weiſe mißhandelt, ohne ſich um die<lb/>
flehenden Bitten des armen Geſchöpfes zu kümmern. Es hielt, wie ein Menſch, die zuſammengefal-<lb/>
tenen Hände vor, um das Herz ſeines Peinigers zu erweichen; allein der Unmenſch achtete nicht auf<lb/>
die beredte Sprache des ſo hoch begabten Weſens. Er fuhr fort in ſeiner gemeinen Grauſamkeit.<lb/>
Der Affe erlitt ſie geduldig, weigerte ſich aber von dieſem Augenblicke ſtandhaft, irgend welche Nah-<lb/>
rung zu ſich zu nehmen, und ſtarb am fünften Tage darauf aus Hunger und Gemüthserregung. Die<lb/>
ganze Mannſchaft betrauerte ihn, als ob einer ihrer Kameraden geſtorben wäre.</p><lb/><p><hirendition="#g">Broſſe</hi> brachte zwei <hirendition="#g">Schimpanſes</hi> mit ſich nach Europa, ein junges Männchen und ein<lb/>
Weibchen. Sie ſetzten ſich an den Tiſch, wie ein Menſch, aßen von Allem und bedienten ſich dabei<lb/>
des Meſſers, der Gabel und der Löffel. Auch die Getränke theilten ſie redlich mit den Menſchen,<lb/>
und namentlich Wein und Branntwein mundeten ihnen vortrefflich. Sie riefen die Schiffsjungen,<lb/>
wenn ſie Etwas brauchten, und wurden böſe, wenn dieſe es ihnen verweigerten, faßten dann die<lb/>
Knaben an dem Arme, biſſen ſie und warfen ſie unter ſich. Das Männchen wurde krank und der<lb/>
Schiffsarzt ließ ihm deshalb zur Ader; ſo oft es ſich ſpäter unwohl fühlte, hielt es ihm ſtets den Arm<lb/>
hin. —<hirendition="#g">Buffon’s Schimpanſe</hi> ging faſt immer aufrecht, ſelbſt wenn er ſchwere Sachen trug; er ſah<lb/>
traurig und ernſthaft aus und bewegte ſich abgemeſſen und verſtändig. Von den häßlichen Eigen-<lb/>ſchaften der <hirendition="#g">Paviane</hi> zeigte er keine einzige; er war aber auch nicht muthwillig, wie die <hirendition="#g">Meer-<lb/>
katzen.</hi> Seinem Herrn gehorchte er aufs Wort oder auf ein Zeichen. Er bot den Leuten den Arm<lb/>
an und ging ordentlich mit ihnen herum, ſetzte ſich zu Tiſch, benutzte ein Vorſtecktuch und wiſchte ſich<lb/>
damit die Lippen, wenn er getrunken hatte; er ſchenkte ſich ſelbſt Wein ein und ſtieß mit den Andern<lb/>
an. Er holte ſich eine Taſſe und Schale herbei, that Zucker hinein, goß Thee darauf und ließ ihn<lb/>
kalt werden, bevor er ihn trank. Niemandem fügte er ein Leid zu, ſondern näherte ſich Jedem beſchei-<lb/>
den und freute ſich ungemein, wenn ihm geſchmeichelt wurde. Alle Leute, welche <hirendition="#g">Buffon</hi> beſuchten,<lb/>
gewannen ſeinen Hausgenoſſen außerordentlich lieb und brachten ihm Zuckerbrob oder Obſt mit. Leider<lb/>
tödtete ihn die Lungenſchwindſucht innerhalb eines Jahres. —<hirendition="#aq">Dr.</hi><hirendition="#g">Traill</hi> brachte einen <hirendition="#g">Schim-<lb/>
panſe</hi> mit nach England, welcher nicht gern aufrecht ging, ſich vielmehr beim Gehen auf die Finger<lb/>ſtützte. Er war furchtſam, aber mit Bekannten vertraulich. Wenn es kalt wurde, wickelte er ſich in<lb/>
eine Decke. Eines Tages hielt man ihm einen Spiegel vor, ſogleich war ſeine Aufmerkſamkeit ge-<lb/>
feſſelt; auf die größte Beweglichkeit folgte ſofort die tiefſte Ruhe. Er unterſuchte neugierig das merk-<lb/>
würdige Werkzeug und ſchien ſtumm vor Erſtaunen. Dann blickte er fragend ſeinen Freund an,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[26/0076]
Die Affen. Waldmenſchen. — Schimpanſe.
lebt. Dieſe Anſchauung hindert die guten Leute übrigens nicht, die von ihnen erlegten Affen
zu eſſen.
Der Schimpanſe iſt namentlich in der Neuzeit öfters lebend nach Europa und ſelbſt nach
Deutſchland gebracht worden, wenn auch gewöhnlich nur jung. Unſer ihm fremdes Klima hat ihn
aber immer bald umgebracht. Es iſt bis jetzt kein Beiſpiel bekannt, daß einer dieſer Affen mehrere
Jahre hier am Leben geblieben wäre; dagegen erzählt man, daß Schimpanſes in ihrer Heimat
über 20 Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten haben und dabei ſehr groß und ſtark geworden
ſind. Bis jetzt hat man ſtets beobachtet, daß die Gefangenen ſanft, klug und liebenswürdig waren.
Der Kapitän Grandpret erzählt von einem Weibchen, welches bewunderungswürdige Beweiſe ſeiner
Klugheit gab. Er ſah es auf einem Schiffe, mit welchem es nach Amerika gebracht werden ſollte.
Man hatte es gelehrt, den Backofen zu heizen, und es erfüllte ſein Amt zur allgemeinen Zufriedenheit,
gab ſorfältig Acht, daß keine Kohlen herausſielen, und wußte auch, wenn der Ofen den nöthigen
Grad von Hitze erlangt hatte. Dann ging es hin und berichtete den Bäcker durch ſehr ausdrucksvolle
Geberden davon, und dieſer konnte ſich auf ſeinen Gehilfen ſo gut verlaſſen, daß er niemals ſelbſt
nachzuſehen brauchte. Derſelbe Affe verrichtete die Arbeit eines Matroſen mit ebenſo viel Geſchick als
Einſicht. Er wand das Ankertau auf, zog die Segel ein, band ſie feſt und arbeitete vollkommen zur
Zufriedenheit der Matroſen, welche ihn zuletzt als ihren Maat betrachteten. Leider verlor dieſes
herrliche Thier, ehe es Amerika erreichte, ſein Leben in Folge viehiſcher Grauſamkeit, welche es von
dem Steuermann erleiden mußte. Dieſer hatte es ungerechter Weiſe mißhandelt, ohne ſich um die
flehenden Bitten des armen Geſchöpfes zu kümmern. Es hielt, wie ein Menſch, die zuſammengefal-
tenen Hände vor, um das Herz ſeines Peinigers zu erweichen; allein der Unmenſch achtete nicht auf
die beredte Sprache des ſo hoch begabten Weſens. Er fuhr fort in ſeiner gemeinen Grauſamkeit.
Der Affe erlitt ſie geduldig, weigerte ſich aber von dieſem Augenblicke ſtandhaft, irgend welche Nah-
rung zu ſich zu nehmen, und ſtarb am fünften Tage darauf aus Hunger und Gemüthserregung. Die
ganze Mannſchaft betrauerte ihn, als ob einer ihrer Kameraden geſtorben wäre.
Broſſe brachte zwei Schimpanſes mit ſich nach Europa, ein junges Männchen und ein
Weibchen. Sie ſetzten ſich an den Tiſch, wie ein Menſch, aßen von Allem und bedienten ſich dabei
des Meſſers, der Gabel und der Löffel. Auch die Getränke theilten ſie redlich mit den Menſchen,
und namentlich Wein und Branntwein mundeten ihnen vortrefflich. Sie riefen die Schiffsjungen,
wenn ſie Etwas brauchten, und wurden böſe, wenn dieſe es ihnen verweigerten, faßten dann die
Knaben an dem Arme, biſſen ſie und warfen ſie unter ſich. Das Männchen wurde krank und der
Schiffsarzt ließ ihm deshalb zur Ader; ſo oft es ſich ſpäter unwohl fühlte, hielt es ihm ſtets den Arm
hin. — Buffon’s Schimpanſe ging faſt immer aufrecht, ſelbſt wenn er ſchwere Sachen trug; er ſah
traurig und ernſthaft aus und bewegte ſich abgemeſſen und verſtändig. Von den häßlichen Eigen-
ſchaften der Paviane zeigte er keine einzige; er war aber auch nicht muthwillig, wie die Meer-
katzen. Seinem Herrn gehorchte er aufs Wort oder auf ein Zeichen. Er bot den Leuten den Arm
an und ging ordentlich mit ihnen herum, ſetzte ſich zu Tiſch, benutzte ein Vorſtecktuch und wiſchte ſich
damit die Lippen, wenn er getrunken hatte; er ſchenkte ſich ſelbſt Wein ein und ſtieß mit den Andern
an. Er holte ſich eine Taſſe und Schale herbei, that Zucker hinein, goß Thee darauf und ließ ihn
kalt werden, bevor er ihn trank. Niemandem fügte er ein Leid zu, ſondern näherte ſich Jedem beſchei-
den und freute ſich ungemein, wenn ihm geſchmeichelt wurde. Alle Leute, welche Buffon beſuchten,
gewannen ſeinen Hausgenoſſen außerordentlich lieb und brachten ihm Zuckerbrob oder Obſt mit. Leider
tödtete ihn die Lungenſchwindſucht innerhalb eines Jahres. — Dr. Traill brachte einen Schim-
panſe mit nach England, welcher nicht gern aufrecht ging, ſich vielmehr beim Gehen auf die Finger
ſtützte. Er war furchtſam, aber mit Bekannten vertraulich. Wenn es kalt wurde, wickelte er ſich in
eine Decke. Eines Tages hielt man ihm einen Spiegel vor, ſogleich war ſeine Aufmerkſamkeit ge-
feſſelt; auf die größte Beweglichkeit folgte ſofort die tiefſte Ruhe. Er unterſuchte neugierig das merk-
würdige Werkzeug und ſchien ſtumm vor Erſtaunen. Dann blickte er fragend ſeinen Freund an,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/76>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.