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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Maulwürfe. -- Gewöhnlicher Maulwurf.
steht die Anlage und Ausbildung der inneren Theile natürlich im innigsten Einklange. Der Bau
und die Stellung der Vorderfüße, die hauptsächlichsten Merkmale des Maulwurfs, bedingen eine
Stärke des Oberbrustkorbes, wie sie verhältnißmäßig kein anderes Thier besitzt. Das Schulter-
blatt ist das schmalste und längste, das Schlüsselbein das dickste und längste in der ganzen Klasse.
Auch der Oberarm ist ungemein breit, der Unterarm stark und kurz. Zehn Knochen finden sich in der
Handwurzel und an den kurzen Zehen lange, starke Grabkrallen, außerdem fällt die Verwachsung von
zwei bis vier Halswirbeln auf. -- Man sieht auf den ersten Blick, daß diese riesigen Vorderglieder
blos zum Graben bestimmt sein können: sie sind Schaufeln, welche man sich nicht vortrefflicher gestaltet
denken kann. An diese Knochen setzen sich nun auch besonders kräftige Muskeln an, und daher kommt
eben die verhältnißmäßige Stärke des Thieres im Vordertheile seines Körpers. Das Gebiß ist eben-
falls sehr eigenthümlich, und hauptsächlich durch die seinen, äußerst scharfen, spitzigen Zähne aus-
gezeichnet, welche wie verschiedene Nadelreihen in einander greifen.

Alle Maulwürfe bewohnen meist ebene, fruchtbare Gegenden der genannten Erdtheile. Nicht
selten kommen sie zwar auch im Gebirge vor, doch bleibt die Ebene unter allen Umständen vorzugs-
weise ihre Heimat. Wiesen und Felder, Gärten, Wälder und Auen werden von ihnen natürlich den
trockenen, unfruchtbaren Hügelabhängen oder sandigen Stellen vorgezogen. Nur ausnahmsweise
finden sie sich an den Ufern der Flüsse oder Seen ein und noch seltner begegnet man ihnen an den
Küsten des Meeres. Alle Arten führen ein vollkommen unterirdisches Leben. Sie scharren sich
Gänge durch den Boden und werfen Haufen auf, ebensowohl im trocknen, lockern oder fandigen,
als im feuchten und weichen Boden. Manche Arten legen sich weit ausgedehnte und sehr zusammen-
gesetzte Baue an.

Die Maulwürfe oder Mulle sind Kinder der Finsterniß und empfinden schmerzlich die Wirkung
des Lichts. Deshalb kommen sie auch nur selten freiwillig an die Oberfläche der Erde und sind selbst
in der Tiefe bei Nacht thätiger, als bei Tage. Jhr Leibesbau verbannt sie entschieden von der
Oberfläche der Erde. Sie können weder springen, noch klettern, ja, kaum ordentlich gehen, obgleich
sich manche ziemlich rasch auch auf der Erde fortbewegen -- meist blos mit der Sohle der Hinterfüße
und dem Jnnenrande der Hände den Boden berührend. Um so rascher ist ihr Lauf in ihren Gängen
unter der Erde und wahrhaft bewundernswürdig die Geschwindigkeit, mit welcher sie graben. Auch
das Schwimmen verstehen sie sehr gut, obgleich sie von dieser Fertigkeit blos im Nothfalle Gebrauch
machen. Die breiten Hände geben ganz vorzügliche Ruder ab und die kräftigen Arme erlahmen im
Wasser erklärlicher Weise noch weit weniger, als beim Graben in der Erde.

Unter den Sinnen der Maulwürfe sind der Geruch und das Gehör sowie das Gefühl besonders
ausgebildet, während das Gesicht sehr verkümmert ist. Jhre Stimme besteht in zischenden und
quiekenden Lauten. Die geistigen Fähigkeiten sind gering, obwohl nicht in dem Grade, als man ge-
wöhnlich zu glauben geneigt ist. Doch sind die sogenannten schlechten Eigenschaften weit mehr ent-
wickelt, als die guten; denn alle Mulle sind im höchsten Grade unverträgliche, zänkische, bissige,
räuberische und mordlustige Thiere, welche selbst den Tiger an Grausamkeit übertreffen und mit Lust
einen ihres Gleichen auffressen, sobald er ihnen in den Wurf kommt.

Die Nahrung aller Mulle besteht ausschließlich in Thieren, nie aus Pflanzenstoffen. Unter
der Erde lebende Kerbthiere aller Art, Würmer, kleine Krebse, Affeln und dergleichen bilden die
Hauptmasse ihrer Mahlzeiten. Außerdem verzehren sie aber, wenn sie es haben können, kleine Säuge-
thiere und Vögel, Frösche und Nacktschnecken. Jhre Gefräßigkeit ist ebenso groß, wie ihre Be-
weglichkeit; denn sie können blos sehr kurze Zeit ohne Nachtheil hungern und verfallen deshalb auch
nicht in einen Winterschlaf. Gerade aus diesem Grunde werden sie als Kerbthiervertilger sehr nützlich,
während sie durch ihr Graben dem Menschen viel Aerger bereiten.

Gewöhnlich ein oder zwei Mal im Jahre wirft der weibliche Maulwurf zwischen drei bis fünf
Junge und pflegt dieselben sorgfältig. Die Kleinen wachsen ziemlich rasch heran und bleiben ungefähr
einen Monat oder zwei bei ihrer Mutter. Dann machen sie sich selbstständig, und die Wühlerei be-

Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf.
ſteht die Anlage und Ausbildung der inneren Theile natürlich im innigſten Einklange. Der Bau
und die Stellung der Vorderfüße, die hauptſächlichſten Merkmale des Maulwurfs, bedingen eine
Stärke des Oberbruſtkorbes, wie ſie verhältnißmäßig kein anderes Thier beſitzt. Das Schulter-
blatt iſt das ſchmalſte und längſte, das Schlüſſelbein das dickſte und längſte in der ganzen Klaſſe.
Auch der Oberarm iſt ungemein breit, der Unterarm ſtark und kurz. Zehn Knochen finden ſich in der
Handwurzel und an den kurzen Zehen lange, ſtarke Grabkrallen, außerdem fällt die Verwachſung von
zwei bis vier Halswirbeln auf. — Man ſieht auf den erſten Blick, daß dieſe rieſigen Vorderglieder
blos zum Graben beſtimmt ſein können: ſie ſind Schaufeln, welche man ſich nicht vortrefflicher geſtaltet
denken kann. An dieſe Knochen ſetzen ſich nun auch beſonders kräftige Muskeln an, und daher kommt
eben die verhältnißmäßige Stärke des Thieres im Vordertheile ſeines Körpers. Das Gebiß iſt eben-
falls ſehr eigenthümlich, und hauptſächlich durch die ſeinen, äußerſt ſcharfen, ſpitzigen Zähne aus-
gezeichnet, welche wie verſchiedene Nadelreihen in einander greifen.

Alle Maulwürfe bewohnen meiſt ebene, fruchtbare Gegenden der genannten Erdtheile. Nicht
ſelten kommen ſie zwar auch im Gebirge vor, doch bleibt die Ebene unter allen Umſtänden vorzugs-
weiſe ihre Heimat. Wieſen und Felder, Gärten, Wälder und Auen werden von ihnen natürlich den
trockenen, unfruchtbaren Hügelabhängen oder ſandigen Stellen vorgezogen. Nur ausnahmsweiſe
finden ſie ſich an den Ufern der Flüſſe oder Seen ein und noch ſeltner begegnet man ihnen an den
Küſten des Meeres. Alle Arten führen ein vollkommen unterirdiſches Leben. Sie ſcharren ſich
Gänge durch den Boden und werfen Haufen auf, ebenſowohl im trocknen, lockern oder fandigen,
als im feuchten und weichen Boden. Manche Arten legen ſich weit ausgedehnte und ſehr zuſammen-
geſetzte Baue an.

Die Maulwürfe oder Mulle ſind Kinder der Finſterniß und empfinden ſchmerzlich die Wirkung
des Lichts. Deshalb kommen ſie auch nur ſelten freiwillig an die Oberfläche der Erde und ſind ſelbſt
in der Tiefe bei Nacht thätiger, als bei Tage. Jhr Leibesbau verbannt ſie entſchieden von der
Oberfläche der Erde. Sie können weder ſpringen, noch klettern, ja, kaum ordentlich gehen, obgleich
ſich manche ziemlich raſch auch auf der Erde fortbewegen — meiſt blos mit der Sohle der Hinterfüße
und dem Jnnenrande der Hände den Boden berührend. Um ſo raſcher iſt ihr Lauf in ihren Gängen
unter der Erde und wahrhaft bewundernswürdig die Geſchwindigkeit, mit welcher ſie graben. Auch
das Schwimmen verſtehen ſie ſehr gut, obgleich ſie von dieſer Fertigkeit blos im Nothfalle Gebrauch
machen. Die breiten Hände geben ganz vorzügliche Ruder ab und die kräftigen Arme erlahmen im
Waſſer erklärlicher Weiſe noch weit weniger, als beim Graben in der Erde.

Unter den Sinnen der Maulwürfe ſind der Geruch und das Gehör ſowie das Gefühl beſonders
ausgebildet, während das Geſicht ſehr verkümmert iſt. Jhre Stimme beſteht in ziſchenden und
quiekenden Lauten. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind gering, obwohl nicht in dem Grade, als man ge-
wöhnlich zu glauben geneigt iſt. Doch ſind die ſogenannten ſchlechten Eigenſchaften weit mehr ent-
wickelt, als die guten; denn alle Mulle ſind im höchſten Grade unverträgliche, zänkiſche, biſſige,
räuberiſche und mordluſtige Thiere, welche ſelbſt den Tiger an Grauſamkeit übertreffen und mit Luſt
einen ihres Gleichen auffreſſen, ſobald er ihnen in den Wurf kommt.

Die Nahrung aller Mulle beſteht ausſchließlich in Thieren, nie aus Pflanzenſtoffen. Unter
der Erde lebende Kerbthiere aller Art, Würmer, kleine Krebſe, Affeln und dergleichen bilden die
Hauptmaſſe ihrer Mahlzeiten. Außerdem verzehren ſie aber, wenn ſie es haben können, kleine Säuge-
thiere und Vögel, Fröſche und Nacktſchnecken. Jhre Gefräßigkeit iſt ebenſo groß, wie ihre Be-
weglichkeit; denn ſie können blos ſehr kurze Zeit ohne Nachtheil hungern und verfallen deshalb auch
nicht in einen Winterſchlaf. Gerade aus dieſem Grunde werden ſie als Kerbthiervertilger ſehr nützlich,
während ſie durch ihr Graben dem Menſchen viel Aerger bereiten.

Gewöhnlich ein oder zwei Mal im Jahre wirft der weibliche Maulwurf zwiſchen drei bis fünf
Junge und pflegt dieſelben ſorgfältig. Die Kleinen wachſen ziemlich raſch heran und bleiben ungefähr
einen Monat oder zwei bei ihrer Mutter. Dann machen ſie ſich ſelbſtſtändig, und die Wühlerei be-

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[682/0760] Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf. ſteht die Anlage und Ausbildung der inneren Theile natürlich im innigſten Einklange. Der Bau und die Stellung der Vorderfüße, die hauptſächlichſten Merkmale des Maulwurfs, bedingen eine Stärke des Oberbruſtkorbes, wie ſie verhältnißmäßig kein anderes Thier beſitzt. Das Schulter- blatt iſt das ſchmalſte und längſte, das Schlüſſelbein das dickſte und längſte in der ganzen Klaſſe. Auch der Oberarm iſt ungemein breit, der Unterarm ſtark und kurz. Zehn Knochen finden ſich in der Handwurzel und an den kurzen Zehen lange, ſtarke Grabkrallen, außerdem fällt die Verwachſung von zwei bis vier Halswirbeln auf. — Man ſieht auf den erſten Blick, daß dieſe rieſigen Vorderglieder blos zum Graben beſtimmt ſein können: ſie ſind Schaufeln, welche man ſich nicht vortrefflicher geſtaltet denken kann. An dieſe Knochen ſetzen ſich nun auch beſonders kräftige Muskeln an, und daher kommt eben die verhältnißmäßige Stärke des Thieres im Vordertheile ſeines Körpers. Das Gebiß iſt eben- falls ſehr eigenthümlich, und hauptſächlich durch die ſeinen, äußerſt ſcharfen, ſpitzigen Zähne aus- gezeichnet, welche wie verſchiedene Nadelreihen in einander greifen. Alle Maulwürfe bewohnen meiſt ebene, fruchtbare Gegenden der genannten Erdtheile. Nicht ſelten kommen ſie zwar auch im Gebirge vor, doch bleibt die Ebene unter allen Umſtänden vorzugs- weiſe ihre Heimat. Wieſen und Felder, Gärten, Wälder und Auen werden von ihnen natürlich den trockenen, unfruchtbaren Hügelabhängen oder ſandigen Stellen vorgezogen. Nur ausnahmsweiſe finden ſie ſich an den Ufern der Flüſſe oder Seen ein und noch ſeltner begegnet man ihnen an den Küſten des Meeres. Alle Arten führen ein vollkommen unterirdiſches Leben. Sie ſcharren ſich Gänge durch den Boden und werfen Haufen auf, ebenſowohl im trocknen, lockern oder fandigen, als im feuchten und weichen Boden. Manche Arten legen ſich weit ausgedehnte und ſehr zuſammen- geſetzte Baue an. Die Maulwürfe oder Mulle ſind Kinder der Finſterniß und empfinden ſchmerzlich die Wirkung des Lichts. Deshalb kommen ſie auch nur ſelten freiwillig an die Oberfläche der Erde und ſind ſelbſt in der Tiefe bei Nacht thätiger, als bei Tage. Jhr Leibesbau verbannt ſie entſchieden von der Oberfläche der Erde. Sie können weder ſpringen, noch klettern, ja, kaum ordentlich gehen, obgleich ſich manche ziemlich raſch auch auf der Erde fortbewegen — meiſt blos mit der Sohle der Hinterfüße und dem Jnnenrande der Hände den Boden berührend. Um ſo raſcher iſt ihr Lauf in ihren Gängen unter der Erde und wahrhaft bewundernswürdig die Geſchwindigkeit, mit welcher ſie graben. Auch das Schwimmen verſtehen ſie ſehr gut, obgleich ſie von dieſer Fertigkeit blos im Nothfalle Gebrauch machen. Die breiten Hände geben ganz vorzügliche Ruder ab und die kräftigen Arme erlahmen im Waſſer erklärlicher Weiſe noch weit weniger, als beim Graben in der Erde. Unter den Sinnen der Maulwürfe ſind der Geruch und das Gehör ſowie das Gefühl beſonders ausgebildet, während das Geſicht ſehr verkümmert iſt. Jhre Stimme beſteht in ziſchenden und quiekenden Lauten. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind gering, obwohl nicht in dem Grade, als man ge- wöhnlich zu glauben geneigt iſt. Doch ſind die ſogenannten ſchlechten Eigenſchaften weit mehr ent- wickelt, als die guten; denn alle Mulle ſind im höchſten Grade unverträgliche, zänkiſche, biſſige, räuberiſche und mordluſtige Thiere, welche ſelbſt den Tiger an Grauſamkeit übertreffen und mit Luſt einen ihres Gleichen auffreſſen, ſobald er ihnen in den Wurf kommt. Die Nahrung aller Mulle beſteht ausſchließlich in Thieren, nie aus Pflanzenſtoffen. Unter der Erde lebende Kerbthiere aller Art, Würmer, kleine Krebſe, Affeln und dergleichen bilden die Hauptmaſſe ihrer Mahlzeiten. Außerdem verzehren ſie aber, wenn ſie es haben können, kleine Säuge- thiere und Vögel, Fröſche und Nacktſchnecken. Jhre Gefräßigkeit iſt ebenſo groß, wie ihre Be- weglichkeit; denn ſie können blos ſehr kurze Zeit ohne Nachtheil hungern und verfallen deshalb auch nicht in einen Winterſchlaf. Gerade aus dieſem Grunde werden ſie als Kerbthiervertilger ſehr nützlich, während ſie durch ihr Graben dem Menſchen viel Aerger bereiten. Gewöhnlich ein oder zwei Mal im Jahre wirft der weibliche Maulwurf zwiſchen drei bis fünf Junge und pflegt dieſelben ſorgfältig. Die Kleinen wachſen ziemlich raſch heran und bleiben ungefähr einen Monat oder zwei bei ihrer Mutter. Dann machen ſie ſich ſelbſtſtändig, und die Wühlerei be-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/760>, abgerufen am 21.11.2024.