Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Affen. Schlankaffen. -- Hulman.
wie für solche der Rache: Bennett scheint ihm, nach anderweitigen Urtheilen zu folgern, mehr Gerech-
tigkeit widerfahren zu lassen. Er brachte einen Siamang mit sich fast bis nach Europa herüber,
und dieser gewann sich in sehr kurzer Zeit die Zuneigung aller seiner menschlichen Reisegefährten.
Er war sehr freundlich gegen die Matrosen und wurde bald zahm, war auch keineswegs langsam,
sondern zeigte große Beweglichkeit und Gewandtheit, stieg gern im Takelwerk herum und gefiel sich in
allerlei harmlosen Scherzen. Mit einem kleinen Papuan-Mädchen schloß er zärtliche Freundschaft
und saß oft, die Arme um ihren Nacken geschlungen, neben ihr, Schiffsbrod mit ihr kauend. Wie es
schien, hätte er mit den übrigen Affen, welche sich am Bord befanden, auch gern Kameradschaft gehal-
ten: doch diese zogen sich scheu vor ihm zurück und bewiesen sich ihm gegenüber als sehr ungesellig, --
dafür rächte er sich aber. Wenn er nur immer konnte, fing er einen seiner mitgefangenen Affen und
trieb mit dessen Schwanze wahren Unfug. Er zog den armen Gesellen an dem ihm selbst fehlenden
Anhängsel oft auf dem ganzen Schiffe hin und her oder trug ihn nach einer Raa empor und ließ ihn
von dort herunter fallen, kurz, er machte mit ihm, was er wollte, ohne daß das so gepeinigte Thier
jemals im Stande gewesen wäre, sich von ihm zu befreien. Er war sehr neugierig, besah sich Alles
und stieg auch oft an dem Maste in die Höhe, um sich umzusehen. Ein vorüberziehendes Schiff fesselte
ihn immer solange auf seinem erhabenen Sitze, bis es aus dem Gesichtskreise entschwunden war.
Seine Gefühle wechselten sehr rasch. Er konnte leicht erzürnt werden und geberdete sich dann, wie ein
unartiges Kind, wälzte sich, mit Verrenkung aller Glieder und Verzerrung des Gesichts auf dem Ver-
deck herum, stieß Alles von sich, was ihm in den Weg kam und schrie ohne Unterlaß "Ra! Ra! Ra!"
-- denn mit diesen Lauten drückte er stets seinen Aerger aus. Er war lächerlich empfindlich und fühlte
sich durch die geringste Handlung gegen seinen Willen sogleich im Tiefinnersten verletzt: seine Brust
hob sich, sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an, und jene Laute folgten bei großer Erregung
rasch auf einander, wie es schien, um den Beleidiger einzuschüchtern. Zum lebhaften Bedauern der
Mannschaft starb dieser Affe, noch ehe er England erreichte.

Auch das vorhin erwähnte Weibchen des Ungko war sehr liebenswürdig in seinem Betragen und
höchst freundschaftlich gegen Alle, denen es seine Zuneigung einmal geschenkt hatte. Es unterschied
mit richtigem Gefühl zwischen Frauen und Männern. Zu Ersteren kam es freiwillig herab, reichte
die Hand und ließ sich streicheln; gegen Letztere bewies es sich mißtrauisch, wohl in Folge früherer
Mißhandelungen, welche es von einzelnen Männern erlitten haben mochte. Vorher beobachtete es aber
Jedermann prüfend, oft längere Zeit, und faßte dann auch zu Männern Vertrauen, wenn diese ihm
dessen würdig zu sein schienen.

Man sieht übrigens die Gibbons selten in der Gefangenschaft, auch in ihrem Vaterlande. Sie
können den Verlust ihrer Freiheit nicht ertragen; sie sehnen sich immer zurück nach ihren Wäldern,
nach ihren Spielen und werden immer stiller und trauriger, bis sie endlich erliegen.



Wie genau sich das eigenthümliche Gepräge eines Erdtheils oder Laudes in seiner Thierwelt
wiederspiegelt, können wir, unter tausend anderen Fällen, auch bei Betrachtung dieser und der folgen-
den Affengruppe bemerken. Die Schlankaffen (Semnopithecus) und die Stummelaffen
(Colobus) ähneln sich außerordentlich und unterscheiden sich gleichwohl wieder wesentlich, gleichsam als
müßten sie beweisen, daß die Heimat der Einen Asien, die der Andern Afrika ist. Hier wie dort spricht
sich der gleiche Grundgedanke der Ausbildung des Thieres aus; aber dennoch behauptet jeder Erdtheil
sein eigenthümliches Gepräge. Eine nachherige Vergleichung beider Sippen mag diese Wahrheit ver-
ständlich machen; jetzt liegt es uns zunächst ob, die Einen kennen zu lernen.

Die Schlaukaffen sind, wie ihr Name andeutet, schlanke und leichtgebaute Affen mit langen,
feinen Gliedmaßen und sehr langem Schwanze, kleinem, hohen Kopfe, nacktem Gesicht und ganz ver-
kürzter Schnauze ohne Backentaschen. Jhre Gesäßschwielen sind noch sehr klein. Jhr Zahnban ähnelt
dem der Makaken und Paviane (welche wir später kennen lernen werden), weil sich am hintersten

Die Affen. Schlankaffen. — Hulman.
wie für ſolche der Rache: Bennett ſcheint ihm, nach anderweitigen Urtheilen zu folgern, mehr Gerech-
tigkeit widerfahren zu laſſen. Er brachte einen Siamang mit ſich faſt bis nach Europa herüber,
und dieſer gewann ſich in ſehr kurzer Zeit die Zuneigung aller ſeiner menſchlichen Reiſegefährten.
Er war ſehr freundlich gegen die Matroſen und wurde bald zahm, war auch keineswegs langſam,
ſondern zeigte große Beweglichkeit und Gewandtheit, ſtieg gern im Takelwerk herum und gefiel ſich in
allerlei harmloſen Scherzen. Mit einem kleinen Papuan-Mädchen ſchloß er zärtliche Freundſchaft
und ſaß oft, die Arme um ihren Nacken geſchlungen, neben ihr, Schiffsbrod mit ihr kauend. Wie es
ſchien, hätte er mit den übrigen Affen, welche ſich am Bord befanden, auch gern Kameradſchaft gehal-
ten: doch dieſe zogen ſich ſcheu vor ihm zurück und bewieſen ſich ihm gegenüber als ſehr ungeſellig, —
dafür rächte er ſich aber. Wenn er nur immer konnte, fing er einen ſeiner mitgefangenen Affen und
trieb mit deſſen Schwanze wahren Unfug. Er zog den armen Geſellen an dem ihm ſelbſt fehlenden
Anhängſel oft auf dem ganzen Schiffe hin und her oder trug ihn nach einer Raa empor und ließ ihn
von dort herunter fallen, kurz, er machte mit ihm, was er wollte, ohne daß das ſo gepeinigte Thier
jemals im Stande geweſen wäre, ſich von ihm zu befreien. Er war ſehr neugierig, beſah ſich Alles
und ſtieg auch oft an dem Maſte in die Höhe, um ſich umzuſehen. Ein vorüberziehendes Schiff feſſelte
ihn immer ſolange auf ſeinem erhabenen Sitze, bis es aus dem Geſichtskreiſe entſchwunden war.
Seine Gefühle wechſelten ſehr raſch. Er konnte leicht erzürnt werden und geberdete ſich dann, wie ein
unartiges Kind, wälzte ſich, mit Verrenkung aller Glieder und Verzerrung des Geſichts auf dem Ver-
deck herum, ſtieß Alles von ſich, was ihm in den Weg kam und ſchrie ohne Unterlaß „Ra! Ra! Ra!‟
— denn mit dieſen Lauten drückte er ſtets ſeinen Aerger aus. Er war lächerlich empfindlich und fühlte
ſich durch die geringſte Handlung gegen ſeinen Willen ſogleich im Tiefinnerſten verletzt: ſeine Bruſt
hob ſich, ſein Geſicht nahm einen ernſten Ausdruck an, und jene Laute folgten bei großer Erregung
raſch auf einander, wie es ſchien, um den Beleidiger einzuſchüchtern. Zum lebhaften Bedauern der
Mannſchaft ſtarb dieſer Affe, noch ehe er England erreichte.

Auch das vorhin erwähnte Weibchen des Ungko war ſehr liebenswürdig in ſeinem Betragen und
höchſt freundſchaftlich gegen Alle, denen es ſeine Zuneigung einmal geſchenkt hatte. Es unterſchied
mit richtigem Gefühl zwiſchen Frauen und Männern. Zu Erſteren kam es freiwillig herab, reichte
die Hand und ließ ſich ſtreicheln; gegen Letztere bewies es ſich mißtrauiſch, wohl in Folge früherer
Mißhandelungen, welche es von einzelnen Männern erlitten haben mochte. Vorher beobachtete es aber
Jedermann prüfend, oft längere Zeit, und faßte dann auch zu Männern Vertrauen, wenn dieſe ihm
deſſen würdig zu ſein ſchienen.

Man ſieht übrigens die Gibbons ſelten in der Gefangenſchaft, auch in ihrem Vaterlande. Sie
können den Verluſt ihrer Freiheit nicht ertragen; ſie ſehnen ſich immer zurück nach ihren Wäldern,
nach ihren Spielen und werden immer ſtiller und trauriger, bis ſie endlich erliegen.



Wie genau ſich das eigenthümliche Gepräge eines Erdtheils oder Laudes in ſeiner Thierwelt
wiederſpiegelt, können wir, unter tauſend anderen Fällen, auch bei Betrachtung dieſer und der folgen-
den Affengruppe bemerken. Die Schlankaffen (Semnopithecus) und die Stummelaffen
(Colobus) ähneln ſich außerordentlich und unterſcheiden ſich gleichwohl wieder weſentlich, gleichſam als
müßten ſie beweiſen, daß die Heimat der Einen Aſien, die der Andern Afrika iſt. Hier wie dort ſpricht
ſich der gleiche Grundgedanke der Ausbildung des Thieres aus; aber dennoch behauptet jeder Erdtheil
ſein eigenthümliches Gepräge. Eine nachherige Vergleichung beider Sippen mag dieſe Wahrheit ver-
ſtändlich machen; jetzt liegt es uns zunächſt ob, die Einen kennen zu lernen.

Die Schlaukaffen ſind, wie ihr Name andeutet, ſchlanke und leichtgebaute Affen mit langen,
feinen Gliedmaßen und ſehr langem Schwanze, kleinem, hohen Kopfe, nacktem Geſicht und ganz ver-
kürzter Schnauze ohne Backentaſchen. Jhre Geſäßſchwielen ſind noch ſehr klein. Jhr Zahnban ähnelt
dem der Makaken und Paviane (welche wir ſpäter kennen lernen werden), weil ſich am hinterſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0092" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Affen.</hi> Schlankaffen. &#x2014; <hi rendition="#g">Hulman.</hi></fw><lb/>
wie für &#x017F;olche der Rache: <hi rendition="#g">Bennett</hi> &#x017F;cheint ihm, nach anderweitigen Urtheilen zu folgern, mehr Gerech-<lb/>
tigkeit widerfahren zu la&#x017F;&#x017F;en. Er brachte einen <hi rendition="#g">Siamang</hi> mit &#x017F;ich fa&#x017F;t bis nach Europa herüber,<lb/>
und die&#x017F;er gewann &#x017F;ich in &#x017F;ehr kurzer Zeit die Zuneigung aller &#x017F;einer men&#x017F;chlichen Rei&#x017F;egefährten.<lb/>
Er war &#x017F;ehr freundlich gegen die Matro&#x017F;en und wurde bald zahm, war auch keineswegs lang&#x017F;am,<lb/>
&#x017F;ondern zeigte große Beweglichkeit und Gewandtheit, &#x017F;tieg gern im Takelwerk herum und gefiel &#x017F;ich in<lb/>
allerlei harmlo&#x017F;en Scherzen. Mit einem kleinen <hi rendition="#g">Papuan-</hi>Mädchen &#x017F;chloß er zärtliche Freund&#x017F;chaft<lb/>
und &#x017F;aß oft, die Arme um ihren Nacken ge&#x017F;chlungen, neben ihr, Schiffsbrod mit ihr kauend. Wie es<lb/>
&#x017F;chien, hätte er mit den übrigen Affen, welche &#x017F;ich am Bord befanden, auch gern Kamerad&#x017F;chaft gehal-<lb/>
ten: doch die&#x017F;e zogen &#x017F;ich &#x017F;cheu vor ihm zurück und bewie&#x017F;en &#x017F;ich ihm gegenüber als &#x017F;ehr unge&#x017F;ellig, &#x2014;<lb/>
dafür rächte er &#x017F;ich aber. Wenn er nur immer konnte, fing er einen &#x017F;einer mitgefangenen Affen und<lb/>
trieb mit de&#x017F;&#x017F;en Schwanze wahren Unfug. Er zog den armen Ge&#x017F;ellen an dem ihm &#x017F;elb&#x017F;t fehlenden<lb/>
Anhäng&#x017F;el oft auf dem ganzen Schiffe hin und her oder trug ihn nach einer Raa empor und ließ ihn<lb/>
von dort herunter fallen, kurz, er machte mit ihm, was er wollte, ohne daß das &#x017F;o gepeinigte Thier<lb/>
jemals im Stande gewe&#x017F;en wäre, &#x017F;ich von ihm zu befreien. Er war &#x017F;ehr neugierig, be&#x017F;ah &#x017F;ich Alles<lb/>
und &#x017F;tieg auch oft an dem Ma&#x017F;te in die Höhe, um &#x017F;ich umzu&#x017F;ehen. Ein vorüberziehendes Schiff fe&#x017F;&#x017F;elte<lb/>
ihn immer &#x017F;olange auf &#x017F;einem erhabenen Sitze, bis es aus dem Ge&#x017F;ichtskrei&#x017F;e ent&#x017F;chwunden war.<lb/>
Seine Gefühle wech&#x017F;elten &#x017F;ehr ra&#x017F;ch. Er konnte leicht erzürnt werden und geberdete &#x017F;ich dann, wie ein<lb/>
unartiges Kind, wälzte &#x017F;ich, mit Verrenkung aller Glieder und Verzerrung des Ge&#x017F;ichts auf dem Ver-<lb/>
deck herum, &#x017F;tieß Alles von &#x017F;ich, was ihm in den Weg kam und &#x017F;chrie ohne Unterlaß &#x201E;Ra! Ra! Ra!&#x201F;<lb/>
&#x2014; denn mit die&#x017F;en Lauten drückte er &#x017F;tets &#x017F;einen Aerger aus. Er war lächerlich empfindlich und fühlte<lb/>
&#x017F;ich durch die gering&#x017F;te Handlung gegen &#x017F;einen Willen &#x017F;ogleich im Tiefinner&#x017F;ten verletzt: &#x017F;eine Bru&#x017F;t<lb/>
hob &#x017F;ich, &#x017F;ein Ge&#x017F;icht nahm einen ern&#x017F;ten Ausdruck an, und jene Laute folgten bei großer Erregung<lb/>
ra&#x017F;ch auf einander, wie es &#x017F;chien, um den Beleidiger einzu&#x017F;chüchtern. Zum lebhaften Bedauern der<lb/>
Mann&#x017F;chaft &#x017F;tarb die&#x017F;er Affe, noch ehe er England erreichte.</p><lb/>
          <p>Auch das vorhin erwähnte Weibchen des <hi rendition="#g">Ungko</hi> war &#x017F;ehr liebenswürdig in &#x017F;einem Betragen und<lb/>
höch&#x017F;t freund&#x017F;chaftlich gegen Alle, denen es &#x017F;eine Zuneigung einmal ge&#x017F;chenkt hatte. Es unter&#x017F;chied<lb/>
mit richtigem Gefühl zwi&#x017F;chen Frauen und Männern. Zu Er&#x017F;teren kam es freiwillig herab, reichte<lb/>
die Hand und ließ &#x017F;ich &#x017F;treicheln; gegen Letztere bewies es &#x017F;ich mißtraui&#x017F;ch, wohl in Folge früherer<lb/>
Mißhandelungen, welche es von einzelnen Männern erlitten haben mochte. Vorher beobachtete es aber<lb/>
Jedermann prüfend, oft längere Zeit, und faßte dann auch zu Männern Vertrauen, wenn die&#x017F;e ihm<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en würdig zu &#x017F;ein &#x017F;chienen.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;ieht übrigens die Gibbons &#x017F;elten in der Gefangen&#x017F;chaft, auch in ihrem Vaterlande. Sie<lb/>
können den Verlu&#x017F;t ihrer Freiheit nicht ertragen; &#x017F;ie &#x017F;ehnen &#x017F;ich immer zurück nach ihren Wäldern,<lb/>
nach ihren Spielen und werden immer &#x017F;tiller und trauriger, bis &#x017F;ie endlich erliegen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wie genau &#x017F;ich das eigenthümliche Gepräge eines Erdtheils oder Laudes in &#x017F;einer Thierwelt<lb/>
wieder&#x017F;piegelt, können wir, unter tau&#x017F;end anderen Fällen, auch bei Betrachtung die&#x017F;er und der folgen-<lb/>
den Affengruppe bemerken. Die <hi rendition="#g">Schlankaffen</hi> (<hi rendition="#aq">Semnopithecus</hi>) und die <hi rendition="#g">Stummelaffen</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq">Colobus</hi>) ähneln &#x017F;ich außerordentlich und unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich gleichwohl wieder we&#x017F;entlich, gleich&#x017F;am als<lb/>
müßten &#x017F;ie bewei&#x017F;en, daß die Heimat der Einen A&#x017F;ien, die der Andern Afrika i&#x017F;t. Hier wie dort &#x017F;pricht<lb/>
&#x017F;ich der gleiche Grundgedanke der Ausbildung des Thieres aus; aber dennoch behauptet jeder Erdtheil<lb/>
&#x017F;ein eigenthümliches Gepräge. Eine nachherige Vergleichung beider Sippen mag die&#x017F;e Wahrheit ver-<lb/>
&#x017F;tändlich machen; jetzt liegt es uns zunäch&#x017F;t ob, die Einen kennen zu lernen.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Schlaukaffen</hi> &#x017F;ind, wie ihr Name andeutet, &#x017F;chlanke und leichtgebaute Affen mit langen,<lb/>
feinen Gliedmaßen und &#x017F;ehr langem Schwanze, kleinem, hohen Kopfe, nacktem Ge&#x017F;icht und ganz ver-<lb/>
kürzter Schnauze ohne Backenta&#x017F;chen. Jhre Ge&#x017F;äß&#x017F;chwielen &#x017F;ind noch &#x017F;ehr klein. Jhr Zahnban ähnelt<lb/>
dem der <hi rendition="#g">Makaken</hi> und <hi rendition="#g">Paviane</hi> (welche wir &#x017F;päter kennen lernen werden), weil &#x017F;ich am hinter&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0092] Die Affen. Schlankaffen. — Hulman. wie für ſolche der Rache: Bennett ſcheint ihm, nach anderweitigen Urtheilen zu folgern, mehr Gerech- tigkeit widerfahren zu laſſen. Er brachte einen Siamang mit ſich faſt bis nach Europa herüber, und dieſer gewann ſich in ſehr kurzer Zeit die Zuneigung aller ſeiner menſchlichen Reiſegefährten. Er war ſehr freundlich gegen die Matroſen und wurde bald zahm, war auch keineswegs langſam, ſondern zeigte große Beweglichkeit und Gewandtheit, ſtieg gern im Takelwerk herum und gefiel ſich in allerlei harmloſen Scherzen. Mit einem kleinen Papuan-Mädchen ſchloß er zärtliche Freundſchaft und ſaß oft, die Arme um ihren Nacken geſchlungen, neben ihr, Schiffsbrod mit ihr kauend. Wie es ſchien, hätte er mit den übrigen Affen, welche ſich am Bord befanden, auch gern Kameradſchaft gehal- ten: doch dieſe zogen ſich ſcheu vor ihm zurück und bewieſen ſich ihm gegenüber als ſehr ungeſellig, — dafür rächte er ſich aber. Wenn er nur immer konnte, fing er einen ſeiner mitgefangenen Affen und trieb mit deſſen Schwanze wahren Unfug. Er zog den armen Geſellen an dem ihm ſelbſt fehlenden Anhängſel oft auf dem ganzen Schiffe hin und her oder trug ihn nach einer Raa empor und ließ ihn von dort herunter fallen, kurz, er machte mit ihm, was er wollte, ohne daß das ſo gepeinigte Thier jemals im Stande geweſen wäre, ſich von ihm zu befreien. Er war ſehr neugierig, beſah ſich Alles und ſtieg auch oft an dem Maſte in die Höhe, um ſich umzuſehen. Ein vorüberziehendes Schiff feſſelte ihn immer ſolange auf ſeinem erhabenen Sitze, bis es aus dem Geſichtskreiſe entſchwunden war. Seine Gefühle wechſelten ſehr raſch. Er konnte leicht erzürnt werden und geberdete ſich dann, wie ein unartiges Kind, wälzte ſich, mit Verrenkung aller Glieder und Verzerrung des Geſichts auf dem Ver- deck herum, ſtieß Alles von ſich, was ihm in den Weg kam und ſchrie ohne Unterlaß „Ra! Ra! Ra!‟ — denn mit dieſen Lauten drückte er ſtets ſeinen Aerger aus. Er war lächerlich empfindlich und fühlte ſich durch die geringſte Handlung gegen ſeinen Willen ſogleich im Tiefinnerſten verletzt: ſeine Bruſt hob ſich, ſein Geſicht nahm einen ernſten Ausdruck an, und jene Laute folgten bei großer Erregung raſch auf einander, wie es ſchien, um den Beleidiger einzuſchüchtern. Zum lebhaften Bedauern der Mannſchaft ſtarb dieſer Affe, noch ehe er England erreichte. Auch das vorhin erwähnte Weibchen des Ungko war ſehr liebenswürdig in ſeinem Betragen und höchſt freundſchaftlich gegen Alle, denen es ſeine Zuneigung einmal geſchenkt hatte. Es unterſchied mit richtigem Gefühl zwiſchen Frauen und Männern. Zu Erſteren kam es freiwillig herab, reichte die Hand und ließ ſich ſtreicheln; gegen Letztere bewies es ſich mißtrauiſch, wohl in Folge früherer Mißhandelungen, welche es von einzelnen Männern erlitten haben mochte. Vorher beobachtete es aber Jedermann prüfend, oft längere Zeit, und faßte dann auch zu Männern Vertrauen, wenn dieſe ihm deſſen würdig zu ſein ſchienen. Man ſieht übrigens die Gibbons ſelten in der Gefangenſchaft, auch in ihrem Vaterlande. Sie können den Verluſt ihrer Freiheit nicht ertragen; ſie ſehnen ſich immer zurück nach ihren Wäldern, nach ihren Spielen und werden immer ſtiller und trauriger, bis ſie endlich erliegen. Wie genau ſich das eigenthümliche Gepräge eines Erdtheils oder Laudes in ſeiner Thierwelt wiederſpiegelt, können wir, unter tauſend anderen Fällen, auch bei Betrachtung dieſer und der folgen- den Affengruppe bemerken. Die Schlankaffen (Semnopithecus) und die Stummelaffen (Colobus) ähneln ſich außerordentlich und unterſcheiden ſich gleichwohl wieder weſentlich, gleichſam als müßten ſie beweiſen, daß die Heimat der Einen Aſien, die der Andern Afrika iſt. Hier wie dort ſpricht ſich der gleiche Grundgedanke der Ausbildung des Thieres aus; aber dennoch behauptet jeder Erdtheil ſein eigenthümliches Gepräge. Eine nachherige Vergleichung beider Sippen mag dieſe Wahrheit ver- ſtändlich machen; jetzt liegt es uns zunächſt ob, die Einen kennen zu lernen. Die Schlaukaffen ſind, wie ihr Name andeutet, ſchlanke und leichtgebaute Affen mit langen, feinen Gliedmaßen und ſehr langem Schwanze, kleinem, hohen Kopfe, nacktem Geſicht und ganz ver- kürzter Schnauze ohne Backentaſchen. Jhre Geſäßſchwielen ſind noch ſehr klein. Jhr Zahnban ähnelt dem der Makaken und Paviane (welche wir ſpäter kennen lernen werden), weil ſich am hinterſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/92
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/92>, abgerufen am 21.11.2024.