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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Sagen. Vergötterung. Lebensweise.
Naturforscher mit seinem Gewehre sahen, jagten sie immer die Affen weg, und ein frommer Brahmane
ließ es sich nicht verdrießen, einen ganzen Monat lang im Garten des Europäers Wacht zu halten,
um die lieben Thiere augenblicklich zu verscheuchen, wenn der Fremde Miene machte, auf sie zu jagen.
Forbes versichert, daß in Dhuboy ebensoviel Affen als Menschen anzutreffen sind. Die Affen be-
wohnen das oberste Stockwerk der Häuser und werden dem Fremden unerträglich. Wenn ein Ein-
wohner der Stadt an seinem Nachbar sich rächen will, streut er eine Menge Reis und andere Körner
auf das Dach des Feindes, und zwar kurz vor Anfang der Regenzeit, vor welcher jeder Haus-
besitzer die Bedachung in Ordnung bringen lassen muß. Wenn nun die Affen das ausgestreute Futter
wahrnehmen, fressen sie nicht nur das erreichbare, sondern reißen auch die Ziegel ab, um zu den-
jenigen Körnern zu gelangen, welche in die Spalten gefallen sind. Um diese Zeit ist aber wegen über-
großer Beschäftigung kein Dachdecker zu erhalten, und so kommt es, daß das Jnnere des Hauses
dann den Regengüssen offen steht und dadurch verdorben wird.

Man trägt übrigens nicht nur für die gesunden, sondern auch für die kranken Affen Sorge.
Tavernier fand am Amadabad ein Krankenhaus, worin Affen, Ochsen und Kühe u. s. w. ver-
pflegt wurden. Alle Söller werden zeitweilig für die Affen mit Reis, Hirse, Datteln, Früchten und
Zuckerrohr bestreut. Die Affen sind so dreist, daß sie nicht nur die Gärten plündern, sondern um die
Essenszeit auch in das Jnnere der Häuser dringen und den Leuten die Speise aus der Hand nehmen.
Der Missionär John versichert, daß er blos durch angestrengte Wachsamkeit seine Kleider und andere
Sachen vor den Dieben habe schützen können. Einmal rief ein Fakir vor dem Zelte Hügels die
Affen zusammen, gab ihnen aber Nichts zu fressen. Da fielen drei der ältesten ihn so boshaft an,
daß er sie kaum mit dem Stocke abwehren konnte. Die Bevölkerung stand jedoch nicht auf seiner,
sondern auf der Affen Seite und schimpfte ihn tüchtig aus, weil er die heiligen Thiere erst getäuscht
habe und noch prügele. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Heilighaltung der Affen mit dem Glauben
an die Seelenwanderung zusammenhängt. Die Jndier meinen nämlich, daß ihre und ihres Königs
Seelen nach dem Tode den Leib solcher Affen sich zur Wohnung wählen.

Abgesehen von ihrer Unverschämtheit sind diese Affen schöne und anziehende Geschöpfe. John
sagt ausdrücklich, daß er niemals schönere Affen gesehen habe, als die Hulmans. Jhr freundschaft-
licher Umgang unter einander und ihre ungeheueren Sprünge fesseln jeden Beobachter. Mit ganz
unglaublicher Behendigkeit steigen sie von der Erde auf die Gipfel der Bäume, und von da stürzen
sie sich wieder auf die Erde herab, brechen, wie zum Scherz, große Zweige herunter, springen auf
Gipfel weit entfernter Bäume und sind in weniger als einer Minute von einem Ende des Gartens
bis zum andern gekommen, ohne die Erde zu berühren. Sie sind oft in wenig Minuten in un-
glaublicher Menge versammelt, plötzlich verschwunden und ein paar Minuten später alle wieder da.
Jn der Jugend haben sie einen ziemlich runden Kopf und sind sehr klug; sie wissen wohl zu unter-
scheiden, was ihnen schädlich oder nützlich ist, lassen sich auch sehr leicht zähmen, zeigen aber einen un-
widerstehlichen Trieb zum Stehlen. Mit zunehmendem Alter verändern sich die geistigen Eigenschaften,
wie sich ihr Kopf verändert. Dieser wird platter; der Affe wird also thierischer, und damit tritt
Stumpfheit an die Stelle der Klugheit, der Hang zur Einsamkeit verscheucht die Zutraulichkeit,
plumpe Kraft verdrängt die Geschicklichkeit, so daß die alten Affen mit den jungen kaum noch Etwas
gemein haben. Es scheint, daß die Hulmans zuweilen größere Wanderungen unternehmen. Jn Nieder-
Bengalen z. B. erscheinen sie beim Anfang der Regenzeit und wandern um das Ende derselben wieder
in höhergelegene Gegenden. Sobald sie an den heiligen Orten eingetroffen sind, beginnt für die
frommen Brahmanen eine Zeit der größten Sorge und Geschäftigkeit; sie haben nun die Thiere zu
pflegen und zu beschützen. Der eigenthümlichste Baum Jndiens, die prachtvolle heilige Feige, soll
der Lieblingsaufenthalt der Hulmans sein. Man erzählt, daß unter demselben Baume auch giftige
Schlangen wohnen, mit welchen die Affen in beständiger Feindschaft leben. Hieran ist wohl nicht zu
zweifeln, um so mehr aber an einem jener unschuldigen Märchen, welches von unseren Stubengelehrten
frischweg für baare Münze genommen wird. Die Hulmans sollen nämlich, wenn sie eine schlafende

Sagen. Vergötterung. Lebensweiſe.
Naturforſcher mit ſeinem Gewehre ſahen, jagten ſie immer die Affen weg, und ein frommer Brahmane
ließ es ſich nicht verdrießen, einen ganzen Monat lang im Garten des Europäers Wacht zu halten,
um die lieben Thiere augenblicklich zu verſcheuchen, wenn der Fremde Miene machte, auf ſie zu jagen.
Forbes verſichert, daß in Dhuboy ebenſoviel Affen als Menſchen anzutreffen ſind. Die Affen be-
wohnen das oberſte Stockwerk der Häuſer und werden dem Fremden unerträglich. Wenn ein Ein-
wohner der Stadt an ſeinem Nachbar ſich rächen will, ſtreut er eine Menge Reis und andere Körner
auf das Dach des Feindes, und zwar kurz vor Anfang der Regenzeit, vor welcher jeder Haus-
beſitzer die Bedachung in Ordnung bringen laſſen muß. Wenn nun die Affen das ausgeſtreute Futter
wahrnehmen, freſſen ſie nicht nur das erreichbare, ſondern reißen auch die Ziegel ab, um zu den-
jenigen Körnern zu gelangen, welche in die Spalten gefallen ſind. Um dieſe Zeit iſt aber wegen über-
großer Beſchäftigung kein Dachdecker zu erhalten, und ſo kommt es, daß das Jnnere des Hauſes
dann den Regengüſſen offen ſteht und dadurch verdorben wird.

Man trägt übrigens nicht nur für die geſunden, ſondern auch für die kranken Affen Sorge.
Tavernier fand am Amadabad ein Krankenhaus, worin Affen, Ochſen und Kühe u. ſ. w. ver-
pflegt wurden. Alle Söller werden zeitweilig für die Affen mit Reis, Hirſe, Datteln, Früchten und
Zuckerrohr beſtreut. Die Affen ſind ſo dreiſt, daß ſie nicht nur die Gärten plündern, ſondern um die
Eſſenszeit auch in das Jnnere der Häuſer dringen und den Leuten die Speiſe aus der Hand nehmen.
Der Miſſionär John verſichert, daß er blos durch angeſtrengte Wachſamkeit ſeine Kleider und andere
Sachen vor den Dieben habe ſchützen können. Einmal rief ein Fakir vor dem Zelte Hügels die
Affen zuſammen, gab ihnen aber Nichts zu freſſen. Da fielen drei der älteſten ihn ſo boshaft an,
daß er ſie kaum mit dem Stocke abwehren konnte. Die Bevölkerung ſtand jedoch nicht auf ſeiner,
ſondern auf der Affen Seite und ſchimpfte ihn tüchtig aus, weil er die heiligen Thiere erſt getäuſcht
habe und noch prügele. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Heilighaltung der Affen mit dem Glauben
an die Seelenwanderung zuſammenhängt. Die Jndier meinen nämlich, daß ihre und ihres Königs
Seelen nach dem Tode den Leib ſolcher Affen ſich zur Wohnung wählen.

Abgeſehen von ihrer Unverſchämtheit ſind dieſe Affen ſchöne und anziehende Geſchöpfe. John
ſagt ausdrücklich, daß er niemals ſchönere Affen geſehen habe, als die Hulmans. Jhr freundſchaft-
licher Umgang unter einander und ihre ungeheueren Sprünge feſſeln jeden Beobachter. Mit ganz
unglaublicher Behendigkeit ſteigen ſie von der Erde auf die Gipfel der Bäume, und von da ſtürzen
ſie ſich wieder auf die Erde herab, brechen, wie zum Scherz, große Zweige herunter, ſpringen auf
Gipfel weit entfernter Bäume und ſind in weniger als einer Minute von einem Ende des Gartens
bis zum andern gekommen, ohne die Erde zu berühren. Sie ſind oft in wenig Minuten in un-
glaublicher Menge verſammelt, plötzlich verſchwunden und ein paar Minuten ſpäter alle wieder da.
Jn der Jugend haben ſie einen ziemlich runden Kopf und ſind ſehr klug; ſie wiſſen wohl zu unter-
ſcheiden, was ihnen ſchädlich oder nützlich iſt, laſſen ſich auch ſehr leicht zähmen, zeigen aber einen un-
widerſtehlichen Trieb zum Stehlen. Mit zunehmendem Alter verändern ſich die geiſtigen Eigenſchaften,
wie ſich ihr Kopf verändert. Dieſer wird platter; der Affe wird alſo thieriſcher, und damit tritt
Stumpfheit an die Stelle der Klugheit, der Hang zur Einſamkeit verſcheucht die Zutraulichkeit,
plumpe Kraft verdrängt die Geſchicklichkeit, ſo daß die alten Affen mit den jungen kaum noch Etwas
gemein haben. Es ſcheint, daß die Hulmans zuweilen größere Wanderungen unternehmen. Jn Nieder-
Bengalen z. B. erſcheinen ſie beim Anfang der Regenzeit und wandern um das Ende derſelben wieder
in höhergelegene Gegenden. Sobald ſie an den heiligen Orten eingetroffen ſind, beginnt für die
frommen Brahmanen eine Zeit der größten Sorge und Geſchäftigkeit; ſie haben nun die Thiere zu
pflegen und zu beſchützen. Der eigenthümlichſte Baum Jndiens, die prachtvolle heilige Feige, ſoll
der Lieblingsaufenthalt der Hulmans ſein. Man erzählt, daß unter demſelben Baume auch giftige
Schlangen wohnen, mit welchen die Affen in beſtändiger Feindſchaft leben. Hieran iſt wohl nicht zu
zweifeln, um ſo mehr aber an einem jener unſchuldigen Märchen, welches von unſeren Stubengelehrten
friſchweg für baare Münze genommen wird. Die Hulmans ſollen nämlich, wenn ſie eine ſchlafende

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[43/0095] Sagen. Vergötterung. Lebensweiſe. Naturforſcher mit ſeinem Gewehre ſahen, jagten ſie immer die Affen weg, und ein frommer Brahmane ließ es ſich nicht verdrießen, einen ganzen Monat lang im Garten des Europäers Wacht zu halten, um die lieben Thiere augenblicklich zu verſcheuchen, wenn der Fremde Miene machte, auf ſie zu jagen. Forbes verſichert, daß in Dhuboy ebenſoviel Affen als Menſchen anzutreffen ſind. Die Affen be- wohnen das oberſte Stockwerk der Häuſer und werden dem Fremden unerträglich. Wenn ein Ein- wohner der Stadt an ſeinem Nachbar ſich rächen will, ſtreut er eine Menge Reis und andere Körner auf das Dach des Feindes, und zwar kurz vor Anfang der Regenzeit, vor welcher jeder Haus- beſitzer die Bedachung in Ordnung bringen laſſen muß. Wenn nun die Affen das ausgeſtreute Futter wahrnehmen, freſſen ſie nicht nur das erreichbare, ſondern reißen auch die Ziegel ab, um zu den- jenigen Körnern zu gelangen, welche in die Spalten gefallen ſind. Um dieſe Zeit iſt aber wegen über- großer Beſchäftigung kein Dachdecker zu erhalten, und ſo kommt es, daß das Jnnere des Hauſes dann den Regengüſſen offen ſteht und dadurch verdorben wird. Man trägt übrigens nicht nur für die geſunden, ſondern auch für die kranken Affen Sorge. Tavernier fand am Amadabad ein Krankenhaus, worin Affen, Ochſen und Kühe u. ſ. w. ver- pflegt wurden. Alle Söller werden zeitweilig für die Affen mit Reis, Hirſe, Datteln, Früchten und Zuckerrohr beſtreut. Die Affen ſind ſo dreiſt, daß ſie nicht nur die Gärten plündern, ſondern um die Eſſenszeit auch in das Jnnere der Häuſer dringen und den Leuten die Speiſe aus der Hand nehmen. Der Miſſionär John verſichert, daß er blos durch angeſtrengte Wachſamkeit ſeine Kleider und andere Sachen vor den Dieben habe ſchützen können. Einmal rief ein Fakir vor dem Zelte Hügels die Affen zuſammen, gab ihnen aber Nichts zu freſſen. Da fielen drei der älteſten ihn ſo boshaft an, daß er ſie kaum mit dem Stocke abwehren konnte. Die Bevölkerung ſtand jedoch nicht auf ſeiner, ſondern auf der Affen Seite und ſchimpfte ihn tüchtig aus, weil er die heiligen Thiere erſt getäuſcht habe und noch prügele. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Heilighaltung der Affen mit dem Glauben an die Seelenwanderung zuſammenhängt. Die Jndier meinen nämlich, daß ihre und ihres Königs Seelen nach dem Tode den Leib ſolcher Affen ſich zur Wohnung wählen. Abgeſehen von ihrer Unverſchämtheit ſind dieſe Affen ſchöne und anziehende Geſchöpfe. John ſagt ausdrücklich, daß er niemals ſchönere Affen geſehen habe, als die Hulmans. Jhr freundſchaft- licher Umgang unter einander und ihre ungeheueren Sprünge feſſeln jeden Beobachter. Mit ganz unglaublicher Behendigkeit ſteigen ſie von der Erde auf die Gipfel der Bäume, und von da ſtürzen ſie ſich wieder auf die Erde herab, brechen, wie zum Scherz, große Zweige herunter, ſpringen auf Gipfel weit entfernter Bäume und ſind in weniger als einer Minute von einem Ende des Gartens bis zum andern gekommen, ohne die Erde zu berühren. Sie ſind oft in wenig Minuten in un- glaublicher Menge verſammelt, plötzlich verſchwunden und ein paar Minuten ſpäter alle wieder da. Jn der Jugend haben ſie einen ziemlich runden Kopf und ſind ſehr klug; ſie wiſſen wohl zu unter- ſcheiden, was ihnen ſchädlich oder nützlich iſt, laſſen ſich auch ſehr leicht zähmen, zeigen aber einen un- widerſtehlichen Trieb zum Stehlen. Mit zunehmendem Alter verändern ſich die geiſtigen Eigenſchaften, wie ſich ihr Kopf verändert. Dieſer wird platter; der Affe wird alſo thieriſcher, und damit tritt Stumpfheit an die Stelle der Klugheit, der Hang zur Einſamkeit verſcheucht die Zutraulichkeit, plumpe Kraft verdrängt die Geſchicklichkeit, ſo daß die alten Affen mit den jungen kaum noch Etwas gemein haben. Es ſcheint, daß die Hulmans zuweilen größere Wanderungen unternehmen. Jn Nieder- Bengalen z. B. erſcheinen ſie beim Anfang der Regenzeit und wandern um das Ende derſelben wieder in höhergelegene Gegenden. Sobald ſie an den heiligen Orten eingetroffen ſind, beginnt für die frommen Brahmanen eine Zeit der größten Sorge und Geſchäftigkeit; ſie haben nun die Thiere zu pflegen und zu beſchützen. Der eigenthümlichſte Baum Jndiens, die prachtvolle heilige Feige, ſoll der Lieblingsaufenthalt der Hulmans ſein. Man erzählt, daß unter demſelben Baume auch giftige Schlangen wohnen, mit welchen die Affen in beſtändiger Feindſchaft leben. Hieran iſt wohl nicht zu zweifeln, um ſo mehr aber an einem jener unſchuldigen Märchen, welches von unſeren Stubengelehrten friſchweg für baare Münze genommen wird. Die Hulmans ſollen nämlich, wenn ſie eine ſchlafende

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/95>, abgerufen am 21.11.2024.