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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Murmelthiere.
fällig dazu. Sehr sonderbar sieht das Thier aus, wenn es einen Kegel macht; es sitzt dann kerzen-
gerade auf dem Hintertheile, steif, wie ein Stock, den Schwanz senkrecht vom Leibe abgebogen, die
Vorderarme schlaff herabhängend, und schaut aufmerksam in die Welt hinaus.

Auch beim Graben arbeitet es langsam, gewöhnlich nur mit einer Pfote, bis es einen hübschen
Haufen Erde losgekratzt hat; dann wirft es diese durch schnellende Bewegungen mit den Hinterfüßen
weiter zurück, und endlich schiebt es sie mit dem Hintern vollends zur Höhle hinaus. Während des
Grabens erscheint es häufig vor der Mündung seiner Röhre, um sich den Sand aus dem Felle zu
schütteln; hierauf gräbt es eifrig weiter.

Frische und saftige Alpenpflanzen, Kräuter und Wurzeln bilden die Nahrung der Murmelthiere.
Zu ihrer Lieblingsweide gehören Schafgarbe, Bärenklau, Grindwurzel, Löwenmaul, Klee und Stern-
blumen, Alpenwegerich und Wasserfenchel, doch begnügen sie sich auch mit dem grünen, ja selbst mit
dem trocknen Grase, welches ihren Bau zunächst umgibt. Mit ihren scharfen Zähnen beißen sie das
kürzeste Gras schnell ab, dann erheben sie sich auf die Hinterbeine und halten die Nahrung mit den
Vorderpfoten, bis sie dieselbe gehörig zermalmt haben. Zur Tränke gehen sie selten; aber sie trinken
viel auf einmal, schmatzen dabei und heben nach jedem Schlucke den Kopf in die Höhe, wie die Hühner
oder Gänse. Jhre ängstliche Aufmerksamkeit während ihrer Weide läßt sie kaum einen Bissen in Ruhe
genießen: fortwährend richten sie sich auf und schauen sich um, und niemals wagen sie, einen Augen-
blick zu ruhen, bevor sie sich nicht auf das Sorgfältigste überzeugt haben, daß keine Gefahr ihnen droht.

Manche Naturforscher glauben, daß die Murmelthiere auch von dem eingetragenen Heu in ihrer
Winterhöhle fressen, wenn sonnige Frühlingstage ein allzufrühes Erwachen veranlassen und draußen
noch alles Grün unter Schnee und Eis begraben liegt; doch ist darüber nichts Sicheres bekannt
geworden, und man weiß auch, daß sie oft kurz nach dem Winterschlafe weite Wege machen, um
sich Nahrung zu suchen, wenn sie im Frühjahre noch viel Schnee in der Nähe ihrer Höhlen finden.

Nach allen Beobachtungen scheint es festzustehen, daß das Alpenmurmelthier ein Vorgefühl für
Witterungsveränderungen besitze. Die Bergbewohner glauben steif und fest, daß die Murmelthiere
durch ihr Pfeifen die Veränderungen des Wetters anzeigen, und sind überzeugt, daß am nächsten
Tage Regen eintritt, wenn sie trotz des Sonnenscheins nicht auf dem Berge spielen. Jedenfalls wird
ihr Leben und Treiben von einem unbewußten Gefühl geleitet. Dafür spricht die Sorge, welche sie
antreibt, schon im Sommer sich gegen den Winter zu schützen, dafür das gewöhnlich rechtzeitig erfol-
gende Zurückziehen in die Tiefe der Erde und das rechtzeitige Wiedererscheinen im Frühjahr.

Wie die meisten Schläfer, sind die Murmelthiere im Spätsommer und Herbst ungemein fett.
Sobald nun der erste Frost eintritt, fressen sie nicht mehr, trinken aber noch viel und oft, dann ent-
leeren sie sich fast vollständig und beziehen nun familienweise die Winterwohnungen. Der Gefangene
unseres Thiergartens zeigte sich bereits Ende Septembers selten, im Oktober kaum noch außerhalb
der von ihm während des Sommers gegrabenen sehr tiefen Höhle. Vor Beginn des Winterschlafs
wird der enge Zugang zu dem geräumigen Kessel auf eine Strecke von 2 bis 6 Fuß von innen aus
fest verstopft und zwar mit Erde und Steinen, zwischen welche Lehm, Gras und Heu so geschickt
eingeschoben werden, daß das Ganze einem Gemäuer gleicht, bei welchem das Gras gleichsam den
Mörtel abgibt. Durch diese Vermauerung wird die äußere Luft abgeschlossen und im Jnnern durch
die Ausstrahlung des Körpers selbst eine Wärme hergestellt, welche etwa 8 bis 9° R. beträgt. Der mit
dürrem, rothen Heu ausgepolsterte und ringsum ausgefütterte Kessel bildet für die ganze Gesellschaft
das gemeinsame weiche Lager. Hier liegt die Familie dicht bei einander, den Kopf am Schwanze,
in todesähnlicher Erstarrung. Alle Lebensthätigkeit ist aufs äußerste herabgestimmt, jedes Thier
liegt regungslos und kalt in der einmal eingenommenen Lage, keines gibt irgend ein Zeichen des
Lebens. Die Blutwärme ist herabgesunken auf die Wärme der Luft, welche sich in der Höhle
findet, die Athemzüge erfolgen blos fünfzehn Mal in der Stunde. Nimmt man ein Murmelthier im
Winterschlafe aus seiner Höhle und bringt es in größere Wärme, so zeigt sich erst bei 17 Graden das
Athmen deutlicher, bei 20 Graden beginnt es zu schnarchen, bei 22 streckt es seine Glieder, bei 25

Die Murmelthiere.
fällig dazu. Sehr ſonderbar ſieht das Thier aus, wenn es einen Kegel macht; es ſitzt dann kerzen-
gerade auf dem Hintertheile, ſteif, wie ein Stock, den Schwanz ſenkrecht vom Leibe abgebogen, die
Vorderarme ſchlaff herabhängend, und ſchaut aufmerkſam in die Welt hinaus.

Auch beim Graben arbeitet es langſam, gewöhnlich nur mit einer Pfote, bis es einen hübſchen
Haufen Erde losgekratzt hat; dann wirft es dieſe durch ſchnellende Bewegungen mit den Hinterfüßen
weiter zurück, und endlich ſchiebt es ſie mit dem Hintern vollends zur Höhle hinaus. Während des
Grabens erſcheint es häufig vor der Mündung ſeiner Röhre, um ſich den Sand aus dem Felle zu
ſchütteln; hierauf gräbt es eifrig weiter.

Friſche und ſaftige Alpenpflanzen, Kräuter und Wurzeln bilden die Nahrung der Murmelthiere.
Zu ihrer Lieblingsweide gehören Schafgarbe, Bärenklau, Grindwurzel, Löwenmaul, Klee und Stern-
blumen, Alpenwegerich und Waſſerfenchel, doch begnügen ſie ſich auch mit dem grünen, ja ſelbſt mit
dem trocknen Graſe, welches ihren Bau zunächſt umgibt. Mit ihren ſcharfen Zähnen beißen ſie das
kürzeſte Gras ſchnell ab, dann erheben ſie ſich auf die Hinterbeine und halten die Nahrung mit den
Vorderpfoten, bis ſie dieſelbe gehörig zermalmt haben. Zur Tränke gehen ſie ſelten; aber ſie trinken
viel auf einmal, ſchmatzen dabei und heben nach jedem Schlucke den Kopf in die Höhe, wie die Hühner
oder Gänſe. Jhre ängſtliche Aufmerkſamkeit während ihrer Weide läßt ſie kaum einen Biſſen in Ruhe
genießen: fortwährend richten ſie ſich auf und ſchauen ſich um, und niemals wagen ſie, einen Augen-
blick zu ruhen, bevor ſie ſich nicht auf das Sorgfältigſte überzeugt haben, daß keine Gefahr ihnen droht.

Manche Naturforſcher glauben, daß die Murmelthiere auch von dem eingetragenen Heu in ihrer
Winterhöhle freſſen, wenn ſonnige Frühlingstage ein allzufrühes Erwachen veranlaſſen und draußen
noch alles Grün unter Schnee und Eis begraben liegt; doch iſt darüber nichts Sicheres bekannt
geworden, und man weiß auch, daß ſie oft kurz nach dem Winterſchlafe weite Wege machen, um
ſich Nahrung zu ſuchen, wenn ſie im Frühjahre noch viel Schnee in der Nähe ihrer Höhlen finden.

Nach allen Beobachtungen ſcheint es feſtzuſtehen, daß das Alpenmurmelthier ein Vorgefühl für
Witterungsveränderungen beſitze. Die Bergbewohner glauben ſteif und feſt, daß die Murmelthiere
durch ihr Pfeifen die Veränderungen des Wetters anzeigen, und ſind überzeugt, daß am nächſten
Tage Regen eintritt, wenn ſie trotz des Sonnenſcheins nicht auf dem Berge ſpielen. Jedenfalls wird
ihr Leben und Treiben von einem unbewußten Gefühl geleitet. Dafür ſpricht die Sorge, welche ſie
antreibt, ſchon im Sommer ſich gegen den Winter zu ſchützen, dafür das gewöhnlich rechtzeitig erfol-
gende Zurückziehen in die Tiefe der Erde und das rechtzeitige Wiedererſcheinen im Frühjahr.

Wie die meiſten Schläfer, ſind die Murmelthiere im Spätſommer und Herbſt ungemein fett.
Sobald nun der erſte Froſt eintritt, freſſen ſie nicht mehr, trinken aber noch viel und oft, dann ent-
leeren ſie ſich faſt vollſtändig und beziehen nun familienweiſe die Winterwohnungen. Der Gefangene
unſeres Thiergartens zeigte ſich bereits Ende Septembers ſelten, im Oktober kaum noch außerhalb
der von ihm während des Sommers gegrabenen ſehr tiefen Höhle. Vor Beginn des Winterſchlafs
wird der enge Zugang zu dem geräumigen Keſſel auf eine Strecke von 2 bis 6 Fuß von innen aus
feſt verſtopft und zwar mit Erde und Steinen, zwiſchen welche Lehm, Gras und Heu ſo geſchickt
eingeſchoben werden, daß das Ganze einem Gemäuer gleicht, bei welchem das Gras gleichſam den
Mörtel abgibt. Durch dieſe Vermauerung wird die äußere Luft abgeſchloſſen und im Jnnern durch
die Ausſtrahlung des Körpers ſelbſt eine Wärme hergeſtellt, welche etwa 8 bis 9° R. beträgt. Der mit
dürrem, rothen Heu ausgepolſterte und ringsum ausgefütterte Keſſel bildet für die ganze Geſellſchaft
das gemeinſame weiche Lager. Hier liegt die Familie dicht bei einander, den Kopf am Schwanze,
in todesähnlicher Erſtarrung. Alle Lebensthätigkeit iſt aufs äußerſte herabgeſtimmt, jedes Thier
liegt regungslos und kalt in der einmal eingenommenen Lage, keines gibt irgend ein Zeichen des
Lebens. Die Blutwärme iſt herabgeſunken auf die Wärme der Luft, welche ſich in der Höhle
findet, die Athemzüge erfolgen blos fünfzehn Mal in der Stunde. Nimmt man ein Murmelthier im
Winterſchlafe aus ſeiner Höhle und bringt es in größere Wärme, ſo zeigt ſich erſt bei 17 Graden das
Athmen deutlicher, bei 20 Graden beginnt es zu ſchnarchen, bei 22 ſtreckt es ſeine Glieder, bei 25

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[94/0108] Die Murmelthiere. fällig dazu. Sehr ſonderbar ſieht das Thier aus, wenn es einen Kegel macht; es ſitzt dann kerzen- gerade auf dem Hintertheile, ſteif, wie ein Stock, den Schwanz ſenkrecht vom Leibe abgebogen, die Vorderarme ſchlaff herabhängend, und ſchaut aufmerkſam in die Welt hinaus. Auch beim Graben arbeitet es langſam, gewöhnlich nur mit einer Pfote, bis es einen hübſchen Haufen Erde losgekratzt hat; dann wirft es dieſe durch ſchnellende Bewegungen mit den Hinterfüßen weiter zurück, und endlich ſchiebt es ſie mit dem Hintern vollends zur Höhle hinaus. Während des Grabens erſcheint es häufig vor der Mündung ſeiner Röhre, um ſich den Sand aus dem Felle zu ſchütteln; hierauf gräbt es eifrig weiter. Friſche und ſaftige Alpenpflanzen, Kräuter und Wurzeln bilden die Nahrung der Murmelthiere. Zu ihrer Lieblingsweide gehören Schafgarbe, Bärenklau, Grindwurzel, Löwenmaul, Klee und Stern- blumen, Alpenwegerich und Waſſerfenchel, doch begnügen ſie ſich auch mit dem grünen, ja ſelbſt mit dem trocknen Graſe, welches ihren Bau zunächſt umgibt. Mit ihren ſcharfen Zähnen beißen ſie das kürzeſte Gras ſchnell ab, dann erheben ſie ſich auf die Hinterbeine und halten die Nahrung mit den Vorderpfoten, bis ſie dieſelbe gehörig zermalmt haben. Zur Tränke gehen ſie ſelten; aber ſie trinken viel auf einmal, ſchmatzen dabei und heben nach jedem Schlucke den Kopf in die Höhe, wie die Hühner oder Gänſe. Jhre ängſtliche Aufmerkſamkeit während ihrer Weide läßt ſie kaum einen Biſſen in Ruhe genießen: fortwährend richten ſie ſich auf und ſchauen ſich um, und niemals wagen ſie, einen Augen- blick zu ruhen, bevor ſie ſich nicht auf das Sorgfältigſte überzeugt haben, daß keine Gefahr ihnen droht. Manche Naturforſcher glauben, daß die Murmelthiere auch von dem eingetragenen Heu in ihrer Winterhöhle freſſen, wenn ſonnige Frühlingstage ein allzufrühes Erwachen veranlaſſen und draußen noch alles Grün unter Schnee und Eis begraben liegt; doch iſt darüber nichts Sicheres bekannt geworden, und man weiß auch, daß ſie oft kurz nach dem Winterſchlafe weite Wege machen, um ſich Nahrung zu ſuchen, wenn ſie im Frühjahre noch viel Schnee in der Nähe ihrer Höhlen finden. Nach allen Beobachtungen ſcheint es feſtzuſtehen, daß das Alpenmurmelthier ein Vorgefühl für Witterungsveränderungen beſitze. Die Bergbewohner glauben ſteif und feſt, daß die Murmelthiere durch ihr Pfeifen die Veränderungen des Wetters anzeigen, und ſind überzeugt, daß am nächſten Tage Regen eintritt, wenn ſie trotz des Sonnenſcheins nicht auf dem Berge ſpielen. Jedenfalls wird ihr Leben und Treiben von einem unbewußten Gefühl geleitet. Dafür ſpricht die Sorge, welche ſie antreibt, ſchon im Sommer ſich gegen den Winter zu ſchützen, dafür das gewöhnlich rechtzeitig erfol- gende Zurückziehen in die Tiefe der Erde und das rechtzeitige Wiedererſcheinen im Frühjahr. Wie die meiſten Schläfer, ſind die Murmelthiere im Spätſommer und Herbſt ungemein fett. Sobald nun der erſte Froſt eintritt, freſſen ſie nicht mehr, trinken aber noch viel und oft, dann ent- leeren ſie ſich faſt vollſtändig und beziehen nun familienweiſe die Winterwohnungen. Der Gefangene unſeres Thiergartens zeigte ſich bereits Ende Septembers ſelten, im Oktober kaum noch außerhalb der von ihm während des Sommers gegrabenen ſehr tiefen Höhle. Vor Beginn des Winterſchlafs wird der enge Zugang zu dem geräumigen Keſſel auf eine Strecke von 2 bis 6 Fuß von innen aus feſt verſtopft und zwar mit Erde und Steinen, zwiſchen welche Lehm, Gras und Heu ſo geſchickt eingeſchoben werden, daß das Ganze einem Gemäuer gleicht, bei welchem das Gras gleichſam den Mörtel abgibt. Durch dieſe Vermauerung wird die äußere Luft abgeſchloſſen und im Jnnern durch die Ausſtrahlung des Körpers ſelbſt eine Wärme hergeſtellt, welche etwa 8 bis 9° R. beträgt. Der mit dürrem, rothen Heu ausgepolſterte und ringsum ausgefütterte Keſſel bildet für die ganze Geſellſchaft das gemeinſame weiche Lager. Hier liegt die Familie dicht bei einander, den Kopf am Schwanze, in todesähnlicher Erſtarrung. Alle Lebensthätigkeit iſt aufs äußerſte herabgeſtimmt, jedes Thier liegt regungslos und kalt in der einmal eingenommenen Lage, keines gibt irgend ein Zeichen des Lebens. Die Blutwärme iſt herabgeſunken auf die Wärme der Luft, welche ſich in der Höhle findet, die Athemzüge erfolgen blos fünfzehn Mal in der Stunde. Nimmt man ein Murmelthier im Winterſchlafe aus ſeiner Höhle und bringt es in größere Wärme, ſo zeigt ſich erſt bei 17 Graden das Athmen deutlicher, bei 20 Graden beginnt es zu ſchnarchen, bei 22 ſtreckt es ſeine Glieder, bei 25

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/108>, abgerufen am 24.11.2024.