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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Bisamratte oder Ondatra.
Man kann sie als eine große Wasserratte mit langem Schwanze, breiten Hinterfüßen, stumpfer
Schnauze und kurz behaarten und verschließbaren Ohren betrachten. Die Vorderfüße haben vier
Zehen und eine Daumenwarze, die Hinterfüße fünf Zehen, welche seitlich, wie der Mittelfuß, mit
langen Schwimmhaaren besetzt sind und ziemlich starke Krallen tragen. Der Schwanz ist nur hinten
gerundet, übrigens seitlich zusammengedrückt, gegen das Ende zweischneidig und mit kleinen Schup-
pen besetzt, zwischen denen an den Seiten kurze, ziemlich dünnstehende, aber glatt anliegende Härchen
hervortreten, welche auch die beiden Seiten besäumen. Jn der Nähe der Geschlechtstheile befindet sich
eine Drüse von der Größe einer kleinen Birne, welche nach außen mündet und eine weiße, ölige,
sehr stark nach Zibet riechende Flüssigkeit absondert. Der Kopf ist rundlich, ziemlich kurz und breit,
die Schnauze ist dick und abgestumpft, die Ohren sind fast unter dem Pelze versteckt, die Augen klein,
die Oberlippe ist gespalten und seitlich mit langen Schnurren besetzt. Der Leib ist untersetzt und der
Hals kurz und dick. Die Hinterbeine sind entschieden länger, als die vorderen. Das Fell ähnelt dem
des Bibers: es ist dicht, glatt anliegend, weich und glänzend. Sein Wollhaar ist außerordent-
lich zart, fein und kurz, das Grannenhaar stark glänzend und doppelt so lang, als jenes. Auf
[Abbildung] Die Bisamratte (Fiber zibethicus).
der Oberseite ist es braun, auf der Unterseite grau, hier und da röthlich angeflogen. Bisweilen
spielt auch die Oberseite mehr oder weniger ins Gelbliche. Die Schwimmhaare an den Zehen
sind weiß, der Schwanz ist schwarz, die Krallen sind röthlichhornfarben. Selten finden sich ganz
dunkle Abarten, häufiger kommen Weißlinge vor. Erwachsene Männchen werden fast zwei Fuß lang,
wobei auf den Schwanz ungefähr zwei Fünftheile kommen.

Die Ondatra bewohnt die zwischen dem 30. und 69. Grade nördlicher Breite gelegenen Länder
Nordamerikas. Man glaubte früher, noch andere Arten dieser Sippe vermuthen zu dürfen: die ge-
naueren Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß nur die eine Art vorkommt. Am häufigsten findet
sich das Thier in dem wasserreichen Kanada, und von dort aus werden noch jetzt jährlich Hundert-
tausende von Fellen nach Europa gesandt. Die grasigen Ufer größerer Seen oder breiter, langsam-
strömender Flüsse, stiller Bäche und Sümpfe, am liebsten aber nicht allzugroße, mit Schilf und
Wasserpflanzen bedeckte Teiche bilden die Aufenthaltsorte der nützlichen Ratte. Hier bewohnt sie
familien- oder volkweise eine bestimmte Stelle und bildet mit anderen ihrer Art ziemlich feste Ver-

Die Biſamratte oder Ondatra.
Man kann ſie als eine große Waſſerratte mit langem Schwanze, breiten Hinterfüßen, ſtumpfer
Schnauze und kurz behaarten und verſchließbaren Ohren betrachten. Die Vorderfüße haben vier
Zehen und eine Daumenwarze, die Hinterfüße fünf Zehen, welche ſeitlich, wie der Mittelfuß, mit
langen Schwimmhaaren beſetzt ſind und ziemlich ſtarke Krallen tragen. Der Schwanz iſt nur hinten
gerundet, übrigens ſeitlich zuſammengedrückt, gegen das Ende zweiſchneidig und mit kleinen Schup-
pen beſetzt, zwiſchen denen an den Seiten kurze, ziemlich dünnſtehende, aber glatt anliegende Härchen
hervortreten, welche auch die beiden Seiten beſäumen. Jn der Nähe der Geſchlechtstheile befindet ſich
eine Drüſe von der Größe einer kleinen Birne, welche nach außen mündet und eine weiße, ölige,
ſehr ſtark nach Zibet riechende Flüſſigkeit abſondert. Der Kopf iſt rundlich, ziemlich kurz und breit,
die Schnauze iſt dick und abgeſtumpft, die Ohren ſind faſt unter dem Pelze verſteckt, die Augen klein,
die Oberlippe iſt geſpalten und ſeitlich mit langen Schnurren beſetzt. Der Leib iſt unterſetzt und der
Hals kurz und dick. Die Hinterbeine ſind entſchieden länger, als die vorderen. Das Fell ähnelt dem
des Bibers: es iſt dicht, glatt anliegend, weich und glänzend. Sein Wollhaar iſt außerordent-
lich zart, fein und kurz, das Grannenhaar ſtark glänzend und doppelt ſo lang, als jenes. Auf
[Abbildung] Die Biſamratte (Fiber zibethicus).
der Oberſeite iſt es braun, auf der Unterſeite grau, hier und da röthlich angeflogen. Bisweilen
ſpielt auch die Oberſeite mehr oder weniger ins Gelbliche. Die Schwimmhaare an den Zehen
ſind weiß, der Schwanz iſt ſchwarz, die Krallen ſind röthlichhornfarben. Selten finden ſich ganz
dunkle Abarten, häufiger kommen Weißlinge vor. Erwachſene Männchen werden faſt zwei Fuß lang,
wobei auf den Schwanz ungefähr zwei Fünftheile kommen.

Die Ondatra bewohnt die zwiſchen dem 30. und 69. Grade nördlicher Breite gelegenen Länder
Nordamerikas. Man glaubte früher, noch andere Arten dieſer Sippe vermuthen zu dürfen: die ge-
naueren Unterſuchungen haben jedoch ergeben, daß nur die eine Art vorkommt. Am häufigſten findet
ſich das Thier in dem waſſerreichen Kanada, und von dort aus werden noch jetzt jährlich Hundert-
tauſende von Fellen nach Europa geſandt. Die graſigen Ufer größerer Seen oder breiter, langſam-
ſtrömender Flüſſe, ſtiller Bäche und Sümpfe, am liebſten aber nicht allzugroße, mit Schilf und
Waſſerpflanzen bedeckte Teiche bilden die Aufenthaltsorte der nützlichen Ratte. Hier bewohnt ſie
familien- oder volkweiſe eine beſtimmte Stelle und bildet mit anderen ihrer Art ziemlich feſte Ver-

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[149/0165] Die Biſamratte oder Ondatra. Man kann ſie als eine große Waſſerratte mit langem Schwanze, breiten Hinterfüßen, ſtumpfer Schnauze und kurz behaarten und verſchließbaren Ohren betrachten. Die Vorderfüße haben vier Zehen und eine Daumenwarze, die Hinterfüße fünf Zehen, welche ſeitlich, wie der Mittelfuß, mit langen Schwimmhaaren beſetzt ſind und ziemlich ſtarke Krallen tragen. Der Schwanz iſt nur hinten gerundet, übrigens ſeitlich zuſammengedrückt, gegen das Ende zweiſchneidig und mit kleinen Schup- pen beſetzt, zwiſchen denen an den Seiten kurze, ziemlich dünnſtehende, aber glatt anliegende Härchen hervortreten, welche auch die beiden Seiten beſäumen. Jn der Nähe der Geſchlechtstheile befindet ſich eine Drüſe von der Größe einer kleinen Birne, welche nach außen mündet und eine weiße, ölige, ſehr ſtark nach Zibet riechende Flüſſigkeit abſondert. Der Kopf iſt rundlich, ziemlich kurz und breit, die Schnauze iſt dick und abgeſtumpft, die Ohren ſind faſt unter dem Pelze verſteckt, die Augen klein, die Oberlippe iſt geſpalten und ſeitlich mit langen Schnurren beſetzt. Der Leib iſt unterſetzt und der Hals kurz und dick. Die Hinterbeine ſind entſchieden länger, als die vorderen. Das Fell ähnelt dem des Bibers: es iſt dicht, glatt anliegend, weich und glänzend. Sein Wollhaar iſt außerordent- lich zart, fein und kurz, das Grannenhaar ſtark glänzend und doppelt ſo lang, als jenes. Auf [Abbildung Die Biſamratte (Fiber zibethicus).] der Oberſeite iſt es braun, auf der Unterſeite grau, hier und da röthlich angeflogen. Bisweilen ſpielt auch die Oberſeite mehr oder weniger ins Gelbliche. Die Schwimmhaare an den Zehen ſind weiß, der Schwanz iſt ſchwarz, die Krallen ſind röthlichhornfarben. Selten finden ſich ganz dunkle Abarten, häufiger kommen Weißlinge vor. Erwachſene Männchen werden faſt zwei Fuß lang, wobei auf den Schwanz ungefähr zwei Fünftheile kommen. Die Ondatra bewohnt die zwiſchen dem 30. und 69. Grade nördlicher Breite gelegenen Länder Nordamerikas. Man glaubte früher, noch andere Arten dieſer Sippe vermuthen zu dürfen: die ge- naueren Unterſuchungen haben jedoch ergeben, daß nur die eine Art vorkommt. Am häufigſten findet ſich das Thier in dem waſſerreichen Kanada, und von dort aus werden noch jetzt jährlich Hundert- tauſende von Fellen nach Europa geſandt. Die graſigen Ufer größerer Seen oder breiter, langſam- ſtrömender Flüſſe, ſtiller Bäche und Sümpfe, am liebſten aber nicht allzugroße, mit Schilf und Waſſerpflanzen bedeckte Teiche bilden die Aufenthaltsorte der nützlichen Ratte. Hier bewohnt ſie familien- oder volkweiſe eine beſtimmte Stelle und bildet mit anderen ihrer Art ziemlich feſte Ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/165>, abgerufen am 28.11.2024.