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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Biber.
welcher sich immer von der Gesellschaft entfernt halte, müsse herhalten. Jhn würfen sie rücklings auf
den Boden, legten ihn zwischen die Vorder- und Hinterfüße wie auf einen Wagen das Holz, zögen ihn
zu ihren Hütten, lüden es ab und schleppten diesen lebendigen Schlitten solange hin und her, bis ihr
Häuslein fertig wäre. Die Zähne der Thiere seien so scharf, daß sie die Bäume wie mit einem
Schermesser abschneiden könnten, und wehe dem Menschen, der von ihm erfaßt würde; der Biber
ließe nicht eher los, als bis die Knochen des zerbissenen Theils entzwei seien. Das Haus bestünde aus
zwei bis drei Kammern über einander und wäre so eingerichtet, daß der Leib aus dem Wasser hervor-
rage, der Schwanz aber darauf ruhe. Letzterer sei schuppig wie der der Fische, habe lederartiges Fell
und gäbe ein schmackhaftes Essen und ein Arzneimittel für Diejenigen, deren Darmschlauch schwach sei.
Er werde auch nebst den Hinterfüßen anstatt der Fische gegessen. Unwahr sei die Behauptung der
Solinis, daß sich der Biber, wenn er verfolgt werde, selbst seinen Beutel mit dem Geile abbeiße und
den Jägern hinwerfe, um sich zu retten; denn alle Gefangenen hätten diesen Beutel noch und er könne
ihnen nur mit Verlust ihres Lebens genommen werden. Der Geil sei das vortrefflichste Gegengift
in der Pest, bei Fieber und helfe für alle möglichen Krankheiten, aber auch außerdem sei der
Biber noch sehr nützlich. Nach der größeren oder geringeren Höhe der Hütten erlaube er, auf den
späteren Stand des Wassers zu schließen, und die Bauern könnten, wenn sie den Biber beobachteten,
ihre Felder bis an den Rand des Flusses bestellen oder müßten sie dort liegen lassen, weil sie sicher
überschwemmt werden würden, wenn der Biber besonders hohe Häuser gebaut habe. Die Felle seien
so weich und zart wie Dunen und schützten wunderbar gegen die rauhe Kälte; sie seien auch eine kost-
bare Kleidung der Großen und Reichen.

Die übrigen Schriftsteller der späteren Zeit glauben diese Märchen alle und vermehren sie mit
Zusätzen. Marius, ein Arzt in Ulm und Augsburg, schrieb im Jahre 1640 ein eigenes Büchlein
über die arzneiliche Benutzung des Bibers, welches fast ganz aus Recepten besteht. Johann Frank
vermehrte es 1685 noch bedeutend. Haut und Fett, Blut und Haare, die Zähne und hauptsächlich
der Bibergeil sind vortreffliche Heilmittel; namentlich das letztere ist ausgezeichnet. Aus den Haaren
macht man Hüte, welche gegen Krankheit schützen; die Zähne hängt man den Kindern um den Hals,
weil sie das Zahnen erleichtern; das Blut wird auf manchfaltige Art verwendet. Diese alten
Schriften haben das Gute, daß sie uns über das frühere Vorkommen der Biber Aufschluß geben. Wir
ersehen daraus, daß sich kaum ein anderes Thier so rasch vermindert hat, als dieser geschätzte Nager.

Noch heutigen Tages ist der Wohnkreis des Bibers ein sehr ausgedehnter; denn er reicht durch
drei Erdtheile hindurch und erstreckt sich über alle zwischen dem 33. und 68. u. Br. liegenden Grade.
Jn früheren Zeiten muß aber die Heimal eine weit ausgedehntere gewesen sein. Man hat geglaubt,
ihn in der egyptischen Bilderschrift wiederzufinden und hieraus würde hervorgehen, daß er in Afrika
vorgekommen ist. Die Religion der indischen Magier verbot, den Biber zu tödten, folglich muß er
auch dort gewohnt haben. Geßner sagt, nach der Forer'schen Uebersetzung (1583): "Wiewol in
allen Landen diß ein gemein thier, so sind sy doch zum liebsten, wo grosse wasserflüsß rünnen; die Ar,
Reiiß, Lemmat im Schweyzerland, auch die Byrß umb Basel hat dern vil, Hispanien, vast bey
allen waßeren, wie Strabo sagt, in Jtalien, da der Paw ins meer laufft." Jn Frankreich und
Deutschland kam er fast überall vor. Jn England wurde er zuerst ausgerottet. Gegenwärtig findet
man ihn in Deutschland nur sehr einzeln, hauptsächlich an der Donau, der Nab, der Mosel, der
Maas, der Lippe, Weser, Aller, Riß, dem Bober und anderen Flüssen; doch geht er überall seinem
Untergange entgegen. An der Elbe und Havel lebte er noch vor dem Jahre 1848, geschützt von den
Jagdgesetzen, in ziemlicher Anzahl; seitdem aber jeder Bauer dem edlen Thiere auf den Pelz brennen
darf, nimmt er außerordentlich rasch ab. Doch haben sich neuerdings wieder einige bei Wörlitz an-
gesiedelt und leben hier ungestört unter besonderem Schutze des Herzogs von Anhalt. Jn Europa
überhaupt trifft man ihn noch am häufigsten in Oesterreich, Polen, Rußland, Schweden und Nor-
wegen. Bei Arendal hatte er vor drei Jahren Baue errichtet, freilich unter dem Schutze eines reichen
Guts- und Grubenbesitzers, des Herrn Aal, welcher ihn nach Möglichkeit hegte. Die Wildwasser

Der Biber.
welcher ſich immer von der Geſellſchaft entfernt halte, müſſe herhalten. Jhn würfen ſie rücklings auf
den Boden, legten ihn zwiſchen die Vorder- und Hinterfüße wie auf einen Wagen das Holz, zögen ihn
zu ihren Hütten, lüden es ab und ſchleppten dieſen lebendigen Schlitten ſolange hin und her, bis ihr
Häuslein fertig wäre. Die Zähne der Thiere ſeien ſo ſcharf, daß ſie die Bäume wie mit einem
Schermeſſer abſchneiden könnten, und wehe dem Menſchen, der von ihm erfaßt würde; der Biber
ließe nicht eher los, als bis die Knochen des zerbiſſenen Theils entzwei ſeien. Das Haus beſtünde aus
zwei bis drei Kammern über einander und wäre ſo eingerichtet, daß der Leib aus dem Waſſer hervor-
rage, der Schwanz aber darauf ruhe. Letzterer ſei ſchuppig wie der der Fiſche, habe lederartiges Fell
und gäbe ein ſchmackhaftes Eſſen und ein Arzneimittel für Diejenigen, deren Darmſchlauch ſchwach ſei.
Er werde auch nebſt den Hinterfüßen anſtatt der Fiſche gegeſſen. Unwahr ſei die Behauptung der
Solinis, daß ſich der Biber, wenn er verfolgt werde, ſelbſt ſeinen Beutel mit dem Geile abbeiße und
den Jägern hinwerfe, um ſich zu retten; denn alle Gefangenen hätten dieſen Beutel noch und er könne
ihnen nur mit Verluſt ihres Lebens genommen werden. Der Geil ſei das vortrefflichſte Gegengift
in der Peſt, bei Fieber und helfe für alle möglichen Krankheiten, aber auch außerdem ſei der
Biber noch ſehr nützlich. Nach der größeren oder geringeren Höhe der Hütten erlaube er, auf den
ſpäteren Stand des Waſſers zu ſchließen, und die Bauern könnten, wenn ſie den Biber beobachteten,
ihre Felder bis an den Rand des Fluſſes beſtellen oder müßten ſie dort liegen laſſen, weil ſie ſicher
überſchwemmt werden würden, wenn der Biber beſonders hohe Häuſer gebaut habe. Die Felle ſeien
ſo weich und zart wie Dunen und ſchützten wunderbar gegen die rauhe Kälte; ſie ſeien auch eine koſt-
bare Kleidung der Großen und Reichen.

Die übrigen Schriftſteller der ſpäteren Zeit glauben dieſe Märchen alle und vermehren ſie mit
Zuſätzen. Marius, ein Arzt in Ulm und Augsburg, ſchrieb im Jahre 1640 ein eigenes Büchlein
über die arzneiliche Benutzung des Bibers, welches faſt ganz aus Recepten beſteht. Johann Frank
vermehrte es 1685 noch bedeutend. Haut und Fett, Blut und Haare, die Zähne und hauptſächlich
der Bibergeil ſind vortreffliche Heilmittel; namentlich das letztere iſt ausgezeichnet. Aus den Haaren
macht man Hüte, welche gegen Krankheit ſchützen; die Zähne hängt man den Kindern um den Hals,
weil ſie das Zahnen erleichtern; das Blut wird auf manchfaltige Art verwendet. Dieſe alten
Schriften haben das Gute, daß ſie uns über das frühere Vorkommen der Biber Aufſchluß geben. Wir
erſehen daraus, daß ſich kaum ein anderes Thier ſo raſch vermindert hat, als dieſer geſchätzte Nager.

Noch heutigen Tages iſt der Wohnkreis des Bibers ein ſehr ausgedehnter; denn er reicht durch
drei Erdtheile hindurch und erſtreckt ſich über alle zwiſchen dem 33. und 68. u. Br. liegenden Grade.
Jn früheren Zeiten muß aber die Heimal eine weit ausgedehntere geweſen ſein. Man hat geglaubt,
ihn in der egyptiſchen Bilderſchrift wiederzufinden und hieraus würde hervorgehen, daß er in Afrika
vorgekommen iſt. Die Religion der indiſchen Magier verbot, den Biber zu tödten, folglich muß er
auch dort gewohnt haben. Geßner ſagt, nach der Forer’ſchen Ueberſetzung (1583): „Wiewol in
allen Landen diß ein gemein thier, ſo ſind ſy doch zum liebſten, wo groſſe waſſerflüſß rünnen; die Ar,
Reiiß, Lemmat im Schweyzerland, auch die Byrß umb Baſel hat dern vil, Hiſpanien, vaſt bey
allen waßeren, wie Strabo ſagt, in Jtalien, da der Paw ins meer laufft.‟ Jn Frankreich und
Deutſchland kam er faſt überall vor. Jn England wurde er zuerſt ausgerottet. Gegenwärtig findet
man ihn in Deutſchland nur ſehr einzeln, hauptſächlich an der Donau, der Nab, der Moſel, der
Maas, der Lippe, Weſer, Aller, Riß, dem Bober und anderen Flüſſen; doch geht er überall ſeinem
Untergange entgegen. An der Elbe und Havel lebte er noch vor dem Jahre 1848, geſchützt von den
Jagdgeſetzen, in ziemlicher Anzahl; ſeitdem aber jeder Bauer dem edlen Thiere auf den Pelz brennen
darf, nimmt er außerordentlich raſch ab. Doch haben ſich neuerdings wieder einige bei Wörlitz an-
geſiedelt und leben hier ungeſtört unter beſonderem Schutze des Herzogs von Anhalt. Jn Europa
überhaupt trifft man ihn noch am häufigſten in Oeſterreich, Polen, Rußland, Schweden und Nor-
wegen. Bei Arendal hatte er vor drei Jahren Baue errichtet, freilich unter dem Schutze eines reichen
Guts- und Grubenbeſitzers, des Herrn Aal, welcher ihn nach Möglichkeit hegte. Die Wildwaſſer

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[170/0186] Der Biber. welcher ſich immer von der Geſellſchaft entfernt halte, müſſe herhalten. Jhn würfen ſie rücklings auf den Boden, legten ihn zwiſchen die Vorder- und Hinterfüße wie auf einen Wagen das Holz, zögen ihn zu ihren Hütten, lüden es ab und ſchleppten dieſen lebendigen Schlitten ſolange hin und her, bis ihr Häuslein fertig wäre. Die Zähne der Thiere ſeien ſo ſcharf, daß ſie die Bäume wie mit einem Schermeſſer abſchneiden könnten, und wehe dem Menſchen, der von ihm erfaßt würde; der Biber ließe nicht eher los, als bis die Knochen des zerbiſſenen Theils entzwei ſeien. Das Haus beſtünde aus zwei bis drei Kammern über einander und wäre ſo eingerichtet, daß der Leib aus dem Waſſer hervor- rage, der Schwanz aber darauf ruhe. Letzterer ſei ſchuppig wie der der Fiſche, habe lederartiges Fell und gäbe ein ſchmackhaftes Eſſen und ein Arzneimittel für Diejenigen, deren Darmſchlauch ſchwach ſei. Er werde auch nebſt den Hinterfüßen anſtatt der Fiſche gegeſſen. Unwahr ſei die Behauptung der Solinis, daß ſich der Biber, wenn er verfolgt werde, ſelbſt ſeinen Beutel mit dem Geile abbeiße und den Jägern hinwerfe, um ſich zu retten; denn alle Gefangenen hätten dieſen Beutel noch und er könne ihnen nur mit Verluſt ihres Lebens genommen werden. Der Geil ſei das vortrefflichſte Gegengift in der Peſt, bei Fieber und helfe für alle möglichen Krankheiten, aber auch außerdem ſei der Biber noch ſehr nützlich. Nach der größeren oder geringeren Höhe der Hütten erlaube er, auf den ſpäteren Stand des Waſſers zu ſchließen, und die Bauern könnten, wenn ſie den Biber beobachteten, ihre Felder bis an den Rand des Fluſſes beſtellen oder müßten ſie dort liegen laſſen, weil ſie ſicher überſchwemmt werden würden, wenn der Biber beſonders hohe Häuſer gebaut habe. Die Felle ſeien ſo weich und zart wie Dunen und ſchützten wunderbar gegen die rauhe Kälte; ſie ſeien auch eine koſt- bare Kleidung der Großen und Reichen. Die übrigen Schriftſteller der ſpäteren Zeit glauben dieſe Märchen alle und vermehren ſie mit Zuſätzen. Marius, ein Arzt in Ulm und Augsburg, ſchrieb im Jahre 1640 ein eigenes Büchlein über die arzneiliche Benutzung des Bibers, welches faſt ganz aus Recepten beſteht. Johann Frank vermehrte es 1685 noch bedeutend. Haut und Fett, Blut und Haare, die Zähne und hauptſächlich der Bibergeil ſind vortreffliche Heilmittel; namentlich das letztere iſt ausgezeichnet. Aus den Haaren macht man Hüte, welche gegen Krankheit ſchützen; die Zähne hängt man den Kindern um den Hals, weil ſie das Zahnen erleichtern; das Blut wird auf manchfaltige Art verwendet. Dieſe alten Schriften haben das Gute, daß ſie uns über das frühere Vorkommen der Biber Aufſchluß geben. Wir erſehen daraus, daß ſich kaum ein anderes Thier ſo raſch vermindert hat, als dieſer geſchätzte Nager. Noch heutigen Tages iſt der Wohnkreis des Bibers ein ſehr ausgedehnter; denn er reicht durch drei Erdtheile hindurch und erſtreckt ſich über alle zwiſchen dem 33. und 68. u. Br. liegenden Grade. Jn früheren Zeiten muß aber die Heimal eine weit ausgedehntere geweſen ſein. Man hat geglaubt, ihn in der egyptiſchen Bilderſchrift wiederzufinden und hieraus würde hervorgehen, daß er in Afrika vorgekommen iſt. Die Religion der indiſchen Magier verbot, den Biber zu tödten, folglich muß er auch dort gewohnt haben. Geßner ſagt, nach der Forer’ſchen Ueberſetzung (1583): „Wiewol in allen Landen diß ein gemein thier, ſo ſind ſy doch zum liebſten, wo groſſe waſſerflüſß rünnen; die Ar, Reiiß, Lemmat im Schweyzerland, auch die Byrß umb Baſel hat dern vil, Hiſpanien, vaſt bey allen waßeren, wie Strabo ſagt, in Jtalien, da der Paw ins meer laufft.‟ Jn Frankreich und Deutſchland kam er faſt überall vor. Jn England wurde er zuerſt ausgerottet. Gegenwärtig findet man ihn in Deutſchland nur ſehr einzeln, hauptſächlich an der Donau, der Nab, der Moſel, der Maas, der Lippe, Weſer, Aller, Riß, dem Bober und anderen Flüſſen; doch geht er überall ſeinem Untergange entgegen. An der Elbe und Havel lebte er noch vor dem Jahre 1848, geſchützt von den Jagdgeſetzen, in ziemlicher Anzahl; ſeitdem aber jeder Bauer dem edlen Thiere auf den Pelz brennen darf, nimmt er außerordentlich raſch ab. Doch haben ſich neuerdings wieder einige bei Wörlitz an- geſiedelt und leben hier ungeſtört unter beſonderem Schutze des Herzogs von Anhalt. Jn Europa überhaupt trifft man ihn noch am häufigſten in Oeſterreich, Polen, Rußland, Schweden und Nor- wegen. Bei Arendal hatte er vor drei Jahren Baue errichtet, freilich unter dem Schutze eines reichen Guts- und Grubenbeſitzers, des Herrn Aal, welcher ihn nach Möglichkeit hegte. Die Wildwaſſer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/186>, abgerufen am 28.11.2024.