Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.
Die Stachelschweine. -- Das javanische Stachelschwein. Nahrungsstoffe auch dieser Thiere in der Gefangenschaft; sie verzehren solches Futter mit großer Eß-lust und werden durch dasselbe bald in einen wohlbeleibten Zustand versetzt. Etwas mehr Mühe ver- ursacht die Herstellung eines für sie und alle übrigen Stachelschweine geeigneten Käfigs. Wegen Mangel einer geeigneten Oertlichkeit wies ich ihnen ihren Aufenthalt in einem gewöhnlichen Käfig an, dessen Wände mit Blech ausgeschlagen wurden, da sie dieselben sofort zu benagen begannen. Jch bin überzeugt, daß sie, ebenso wie das gemeine Stachelschwein, mit den starken Nagezähnen gewöhnliches Blech, sobald sie es irgend fassen können, zerbeißen, bei ebener Fläche haben sie aber keinen Anhaltspunkt zum Einbeißen. Ohne daß sie es behelligt, beißen und nagen sie an den eisernen Stäben des Käfigs, und solche werden, wenn sie nicht genügend stark sind, ebensoleicht und leichter von ihnen zerbissen, als -- es ist fast unglaublich -- eine ziemlich starke Kette von großen Papageien." "Der immer mehr zunehmende Umfang des Weibchens unseres Paares erweckte bei mir bald die [Abbildung]
Das javanische Stachelschwein (Acanthion Javanicum). schnur hängend, im Käfig umher. Meine Sorge, daß der Vater sich unnatürlich beweisen möchte,war unnöthig: er betrachtete den jungen Sprößling zwar neugierig, bekümmerte sich dann aber nicht besonders um ihn, während die Mutter ganz unverdrossen zunächst den Mutterkuchen und die Nabelschnur zu verzehren begann. Jch störte sie nicht im Genuß dieser widrigen Nahrung und dachte, daß sie wohl ihrem Naturtrieb folgen würde, und so verzehrte sie denn die ganze Nachgeburt und die Nabelschnur bis auf die Länge von einem halben Zoll. Damit hatte der Schmaus ein Ende, und nunmehr leckte sie ihr Junges, welches sogleich die Brustwarze suchte. Bekanntlich liegen diese vorn an der Seite des Schulterblattes; die sie umgebenden Stacheln sind aber durchaus kein Hinderniß für das Säuggeschäft. Das Junge hat jetzt über die Hälfte der Größe seiner Eltern erreicht, faugt aber immer noch mit großem Appetit, während die Eltern sich bereits wieder begattet haben. Auch dafür sind die Stacheln kein Hinderniß, wie man wohl vermuthen sollte: das Weibchen schlägt den Schweif mit den Geschlechtstheilen aufwärts, so daß die Schweifstacheln fast auf dem Rücken liegen, und nunmehr vollzieht das Männchen die Begattung." Die Stachelſchweine. — Das javaniſche Stachelſchwein. Nahrungsſtoffe auch dieſer Thiere in der Gefangenſchaft; ſie verzehren ſolches Futter mit großer Eß-luſt und werden durch daſſelbe bald in einen wohlbeleibten Zuſtand verſetzt. Etwas mehr Mühe ver- urſacht die Herſtellung eines für ſie und alle übrigen Stachelſchweine geeigneten Käfigs. Wegen Mangel einer geeigneten Oertlichkeit wies ich ihnen ihren Aufenthalt in einem gewöhnlichen Käfig an, deſſen Wände mit Blech ausgeſchlagen wurden, da ſie dieſelben ſofort zu benagen begannen. Jch bin überzeugt, daß ſie, ebenſo wie das gemeine Stachelſchwein, mit den ſtarken Nagezähnen gewöhnliches Blech, ſobald ſie es irgend faſſen können, zerbeißen, bei ebener Fläche haben ſie aber keinen Anhaltspunkt zum Einbeißen. Ohne daß ſie es behelligt, beißen und nagen ſie an den eiſernen Stäben des Käfigs, und ſolche werden, wenn ſie nicht genügend ſtark ſind, ebenſoleicht und leichter von ihnen zerbiſſen, als — es iſt faſt unglaublich — eine ziemlich ſtarke Kette von großen Papageien.‟ „Der immer mehr zunehmende Umfang des Weibchens unſeres Paares erweckte bei mir bald die [Abbildung]
Das javaniſche Stachelſchwein (Acanthion Javanicum). ſchnur hängend, im Käfig umher. Meine Sorge, daß der Vater ſich unnatürlich beweiſen möchte,war unnöthig: er betrachtete den jungen Sprößling zwar neugierig, bekümmerte ſich dann aber nicht beſonders um ihn, während die Mutter ganz unverdroſſen zunächſt den Mutterkuchen und die Nabelſchnur zu verzehren begann. Jch ſtörte ſie nicht im Genuß dieſer widrigen Nahrung und dachte, daß ſie wohl ihrem Naturtrieb folgen würde, und ſo verzehrte ſie denn die ganze Nachgeburt und die Nabelſchnur bis auf die Länge von einem halben Zoll. Damit hatte der Schmaus ein Ende, und nunmehr leckte ſie ihr Junges, welches ſogleich die Bruſtwarze ſuchte. Bekanntlich liegen dieſe vorn an der Seite des Schulterblattes; die ſie umgebenden Stacheln ſind aber durchaus kein Hinderniß für das Säuggeſchäft. Das Junge hat jetzt über die Hälfte der Größe ſeiner Eltern erreicht, faugt aber immer noch mit großem Appetit, während die Eltern ſich bereits wieder begattet haben. Auch dafür ſind die Stacheln kein Hinderniß, wie man wohl vermuthen ſollte: das Weibchen ſchlägt den Schweif mit den Geſchlechtstheilen aufwärts, ſo daß die Schweifſtacheln faſt auf dem Rücken liegen, und nunmehr vollzieht das Männchen die Begattung.‟ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0244" n="226"/><fw place="top" type="header">Die Stachelſchweine. — Das javaniſche Stachelſchwein.</fw><lb/> Nahrungsſtoffe auch dieſer Thiere in der Gefangenſchaft; ſie verzehren ſolches Futter mit großer Eß-<lb/> luſt und werden durch daſſelbe bald in einen wohlbeleibten Zuſtand verſetzt. Etwas mehr Mühe ver-<lb/> urſacht die Herſtellung eines für ſie und alle übrigen Stachelſchweine geeigneten Käfigs. Wegen<lb/> Mangel einer geeigneten Oertlichkeit wies ich ihnen ihren Aufenthalt in einem gewöhnlichen Käfig<lb/> an, deſſen Wände mit Blech ausgeſchlagen wurden, da ſie dieſelben ſofort zu benagen begannen.<lb/> Jch bin überzeugt, daß ſie, ebenſo wie das gemeine Stachelſchwein, mit den ſtarken Nagezähnen<lb/> gewöhnliches Blech, ſobald ſie es irgend faſſen können, zerbeißen, bei ebener Fläche haben ſie aber<lb/> keinen Anhaltspunkt zum Einbeißen. Ohne daß ſie es behelligt, beißen und nagen ſie an den<lb/> eiſernen Stäben des Käfigs, und ſolche werden, wenn ſie nicht genügend ſtark ſind, ebenſoleicht und<lb/> leichter von ihnen zerbiſſen, als — es iſt faſt unglaublich — eine ziemlich ſtarke Kette von großen<lb/> Papageien.‟</p><lb/> <p>„Der immer mehr zunehmende Umfang des Weibchens unſeres Paares erweckte bei mir bald die<lb/> Hoffnung auf Vermehrung, und eines Tages ward zu meiner Freude ein junges, ſoeben geborenes<lb/> Thierchen im Käfig gefunden. Daſſelbe hatte etwa die Größe eines ſtarken <hi rendition="#g">Maulwurfes,</hi> war mit<lb/> ſparſamen, ſehr kurzen Stacheln bedeckt, kroch mit einiger Mühe, obwohl noch naß und an der Nabel-<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Das javaniſche Stachelſchwein</hi> (<hi rendition="#aq">Acanthion Javanicum</hi>).</hi></head></figure><lb/> ſchnur hängend, im Käfig umher. Meine Sorge, daß der Vater ſich unnatürlich beweiſen möchte,<lb/> war unnöthig: er betrachtete den jungen Sprößling zwar neugierig, bekümmerte ſich dann aber<lb/> nicht beſonders um ihn, während die Mutter ganz unverdroſſen zunächſt den Mutterkuchen und die<lb/> Nabelſchnur zu verzehren begann. Jch ſtörte ſie nicht im Genuß dieſer widrigen Nahrung und dachte,<lb/> daß ſie wohl ihrem Naturtrieb folgen würde, und ſo verzehrte ſie denn die ganze Nachgeburt und die<lb/> Nabelſchnur bis auf die Länge von einem halben Zoll. Damit hatte der Schmaus ein Ende, und<lb/> nunmehr leckte ſie ihr Junges, welches ſogleich die Bruſtwarze ſuchte. Bekanntlich liegen dieſe vorn<lb/> an der Seite des Schulterblattes; die ſie umgebenden Stacheln ſind aber durchaus kein Hinderniß<lb/> für das Säuggeſchäft. Das Junge hat jetzt über die Hälfte der Größe ſeiner Eltern erreicht, faugt<lb/> aber immer noch mit großem Appetit, während die Eltern ſich bereits wieder begattet haben. Auch<lb/> dafür ſind die Stacheln kein Hinderniß, wie man wohl vermuthen ſollte: das Weibchen ſchlägt den<lb/> Schweif mit den Geſchlechtstheilen aufwärts, ſo daß die Schweifſtacheln faſt auf dem Rücken liegen,<lb/> und nunmehr vollzieht das Männchen die Begattung.‟</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0244]
Die Stachelſchweine. — Das javaniſche Stachelſchwein.
Nahrungsſtoffe auch dieſer Thiere in der Gefangenſchaft; ſie verzehren ſolches Futter mit großer Eß-
luſt und werden durch daſſelbe bald in einen wohlbeleibten Zuſtand verſetzt. Etwas mehr Mühe ver-
urſacht die Herſtellung eines für ſie und alle übrigen Stachelſchweine geeigneten Käfigs. Wegen
Mangel einer geeigneten Oertlichkeit wies ich ihnen ihren Aufenthalt in einem gewöhnlichen Käfig
an, deſſen Wände mit Blech ausgeſchlagen wurden, da ſie dieſelben ſofort zu benagen begannen.
Jch bin überzeugt, daß ſie, ebenſo wie das gemeine Stachelſchwein, mit den ſtarken Nagezähnen
gewöhnliches Blech, ſobald ſie es irgend faſſen können, zerbeißen, bei ebener Fläche haben ſie aber
keinen Anhaltspunkt zum Einbeißen. Ohne daß ſie es behelligt, beißen und nagen ſie an den
eiſernen Stäben des Käfigs, und ſolche werden, wenn ſie nicht genügend ſtark ſind, ebenſoleicht und
leichter von ihnen zerbiſſen, als — es iſt faſt unglaublich — eine ziemlich ſtarke Kette von großen
Papageien.‟
„Der immer mehr zunehmende Umfang des Weibchens unſeres Paares erweckte bei mir bald die
Hoffnung auf Vermehrung, und eines Tages ward zu meiner Freude ein junges, ſoeben geborenes
Thierchen im Käfig gefunden. Daſſelbe hatte etwa die Größe eines ſtarken Maulwurfes, war mit
ſparſamen, ſehr kurzen Stacheln bedeckt, kroch mit einiger Mühe, obwohl noch naß und an der Nabel-
[Abbildung Das javaniſche Stachelſchwein (Acanthion Javanicum).]
ſchnur hängend, im Käfig umher. Meine Sorge, daß der Vater ſich unnatürlich beweiſen möchte,
war unnöthig: er betrachtete den jungen Sprößling zwar neugierig, bekümmerte ſich dann aber
nicht beſonders um ihn, während die Mutter ganz unverdroſſen zunächſt den Mutterkuchen und die
Nabelſchnur zu verzehren begann. Jch ſtörte ſie nicht im Genuß dieſer widrigen Nahrung und dachte,
daß ſie wohl ihrem Naturtrieb folgen würde, und ſo verzehrte ſie denn die ganze Nachgeburt und die
Nabelſchnur bis auf die Länge von einem halben Zoll. Damit hatte der Schmaus ein Ende, und
nunmehr leckte ſie ihr Junges, welches ſogleich die Bruſtwarze ſuchte. Bekanntlich liegen dieſe vorn
an der Seite des Schulterblattes; die ſie umgebenden Stacheln ſind aber durchaus kein Hinderniß
für das Säuggeſchäft. Das Junge hat jetzt über die Hälfte der Größe ſeiner Eltern erreicht, faugt
aber immer noch mit großem Appetit, während die Eltern ſich bereits wieder begattet haben. Auch
dafür ſind die Stacheln kein Hinderniß, wie man wohl vermuthen ſollte: das Weibchen ſchlägt den
Schweif mit den Geſchlechtstheilen aufwärts, ſo daß die Schweifſtacheln faſt auf dem Rücken liegen,
und nunmehr vollzieht das Männchen die Begattung.‟
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/244 |
| Zitationshilfe: | Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/244>, abgerufen am 27.11.2024. |
