Klee bestandenen, vortrefflich schmecken. Sie beißen die Gräser ab, richten sich dann auf und fressen in sitzender Stellung, ohne dabei irgend etwas anderes als die Kiefern zu bewegen. Dabei hört man ein ziemlich lautes Kaugeräusch, und es sieht höchst eigenthümlich aus, die langen Grashalme und Blätter so nach und nach verschwinden zu sehen, ohne daß man eigentlich etwas von der Mundöffnung wahrnimmt. Saftige Speisen sind dem Thiere vollkommen genügend, um seinen Durst zu löschen. Eine mit Grünzeug gefütterte Mara erhielt während ihrer ganzen Gefangenschaft nicht einen Tropfen Wasser.
Die Mara ist außerordentlich vorsichtig und wählt sich zum Ruhen oder zum Fressen immer die buschlosen, lichteren Stellen aus, gleichsam als wisse sie es, daß sie von den Büschen aus beschlichen werden könnte. Deshalb hat die Jagd ihre großen Schwierigkeiten, und es ist gar nicht leicht, ihr schußrecht auf den Leib zu rücken. Jm Lager läßt sie sich nie überraschen; ihre Sinne sind so scharf, daß sie schon aus großer Entfernung die Annäherung eines Feindes wahrnimmt.
Jn Mendoza beobachtete Göring eine erwachsene Mara längere Zeit in der Gefangenschaft. Sie war ein liebenswürdiges, gutmüthiges, harmloses Geschöpf. Gleich vom ersten Tage an zeigte sie sich sehr zutraulich gegen ihren Herrn. Sie nahm diesem das vorgehaltene Futter ohne Weiteres aus der Hand und ließ sich, ohne Unruhe zu verrathen, berühren und streicheln. Gegen Liebkosungen zeigte sie sich sehr empfänglich; wenn man sie krauete, krümmte sie den Rücken, bog den Kopf zur Seite, als wolle sie die ihr wohlthuende Hand sehen und ließ dabei ein höchst behagliches, unbeschreib- liches Quieken oder Grunzen vernehmen. Die Stimme hatte durchaus nichts Unangenehmes, sondern im Gegentheil etwas Gemüthliches und Ansprechendes. Die Gefangene schlief nur des Nachts, aber wenig und war immer sogleich munter, wenn sie Geräusch vernahm. Für gewöhnlich war sie an eine Schnur angebunden, eines Tags hatte sie sich aber doch während der Abwesenheit ihrer Pfleger losgerissen, das ganze Zimmer untersucht und dabei greuliche Verwüstungen angerichtet.
Die Entdecker Amerikas fanden auf den "Perlen des Atlantischen Weltmeeres", auf den An- tillen, ein zu unserer Familie gehöriges Thier in ungeheurer Menge auf. Gegenwärtig ist dasselbe dort fast ganz ausgerottet und nur hier und da findet es sich noch auf einigen Jnseln in den dichtesten, unzugänglichsten Wäldern, von wo aus es die Zuckerpflanzungen regelmäßig besucht und dadurch noch heute denselben Haß auf sich ladet, welcher die Ursache seiner Vernichtung auf andern Jnseln wurde. Dies war oder ist ein Aguti, Mitglied einer eigenen Sippe der Halbhufer (Dasyprocta), welche gegenwärtig auf dem Festlande durch einige Arten vertreten wird.
Die Agutis erinnern durch ihre Gestalt einigermaßen an die Hasen; doch fallen bei genaueren Beobachtungen die Unterscheidungsmerkmale sofort ins Auge. Es sind hochbeinige, untersetzte Nager mit langem, spitzschnäuzigen Kopfe, kleinen runden Ohren, einem nackten Schwanzstummel und Hinterbeinen, welche fast noch einmal so lang sind, als die vorderen. Diese haben vier Zehen und eine kleine Daumenwarze, während die Hinterfüße blos drei vollkommen getrennte, sehr lange Zehen besitzen. Alle sind mit starken, breiten, wenig gekrümmten, hufartigen, an den Hinterfüßen beson- ders entwickelten Krallen bewehrt; nur auf der Daumenwarze sitzt ein kleiner, platter Nagel. Jm ganzen sind die Agutis von leichtem, feinen und gefälligen Bau; sie machten daher einen recht ange- nehmen Eindruck. Das Gebiß ist stark; die flachen, platten Nagezähne treten besonders hervor, schon weil das obere Paar ziemlich lebhaft roth, das untere gelblich gefärbt ist.
Heutzutage finden sich die Agutis paarweise oder in kleinen Gesellschaften in waldigen Ebenen, namentlich in den dichtesten Wäldern der Flußniederungen, doch gehen einige auch bis zu 6000 Fuß über dem Meere im Gebirge empor. Wir lernen das Leben Aller kennen, wenn wir die Beschrei- bungen über die häufigste Art zusammenstellen.
Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Die Agutis.
Klee beſtandenen, vortrefflich ſchmecken. Sie beißen die Gräſer ab, richten ſich dann auf und freſſen in ſitzender Stellung, ohne dabei irgend etwas anderes als die Kiefern zu bewegen. Dabei hört man ein ziemlich lautes Kaugeräuſch, und es ſieht höchſt eigenthümlich aus, die langen Grashalme und Blätter ſo nach und nach verſchwinden zu ſehen, ohne daß man eigentlich etwas von der Mundöffnung wahrnimmt. Saftige Speiſen ſind dem Thiere vollkommen genügend, um ſeinen Durſt zu löſchen. Eine mit Grünzeug gefütterte Mara erhielt während ihrer ganzen Gefangenſchaft nicht einen Tropfen Waſſer.
Die Mara iſt außerordentlich vorſichtig und wählt ſich zum Ruhen oder zum Freſſen immer die buſchloſen, lichteren Stellen aus, gleichſam als wiſſe ſie es, daß ſie von den Büſchen aus beſchlichen werden könnte. Deshalb hat die Jagd ihre großen Schwierigkeiten, und es iſt gar nicht leicht, ihr ſchußrecht auf den Leib zu rücken. Jm Lager läßt ſie ſich nie überraſchen; ihre Sinne ſind ſo ſcharf, daß ſie ſchon aus großer Entfernung die Annäherung eines Feindes wahrnimmt.
Jn Mendoza beobachtete Göring eine erwachſene Mara längere Zeit in der Gefangenſchaft. Sie war ein liebenswürdiges, gutmüthiges, harmloſes Geſchöpf. Gleich vom erſten Tage an zeigte ſie ſich ſehr zutraulich gegen ihren Herrn. Sie nahm dieſem das vorgehaltene Futter ohne Weiteres aus der Hand und ließ ſich, ohne Unruhe zu verrathen, berühren und ſtreicheln. Gegen Liebkoſungen zeigte ſie ſich ſehr empfänglich; wenn man ſie krauete, krümmte ſie den Rücken, bog den Kopf zur Seite, als wolle ſie die ihr wohlthuende Hand ſehen und ließ dabei ein höchſt behagliches, unbeſchreib- liches Quieken oder Grunzen vernehmen. Die Stimme hatte durchaus nichts Unangenehmes, ſondern im Gegentheil etwas Gemüthliches und Anſprechendes. Die Gefangene ſchlief nur des Nachts, aber wenig und war immer ſogleich munter, wenn ſie Geräuſch vernahm. Für gewöhnlich war ſie an eine Schnur angebunden, eines Tags hatte ſie ſich aber doch während der Abweſenheit ihrer Pfleger losgeriſſen, das ganze Zimmer unterſucht und dabei greuliche Verwüſtungen angerichtet.
Die Entdecker Amerikas fanden auf den „Perlen des Atlantiſchen Weltmeeres‟, auf den An- tillen, ein zu unſerer Familie gehöriges Thier in ungeheurer Menge auf. Gegenwärtig iſt daſſelbe dort faſt ganz ausgerottet und nur hier und da findet es ſich noch auf einigen Jnſeln in den dichteſten, unzugänglichſten Wäldern, von wo aus es die Zuckerpflanzungen regelmäßig beſucht und dadurch noch heute denſelben Haß auf ſich ladet, welcher die Urſache ſeiner Vernichtung auf andern Jnſeln wurde. Dies war oder iſt ein Aguti, Mitglied einer eigenen Sippe der Halbhufer (Dasyprocta), welche gegenwärtig auf dem Feſtlande durch einige Arten vertreten wird.
Die Agutis erinnern durch ihre Geſtalt einigermaßen an die Haſen; doch fallen bei genaueren Beobachtungen die Unterſcheidungsmerkmale ſofort ins Auge. Es ſind hochbeinige, unterſetzte Nager mit langem, ſpitzſchnäuzigen Kopfe, kleinen runden Ohren, einem nackten Schwanzſtummel und Hinterbeinen, welche faſt noch einmal ſo lang ſind, als die vorderen. Dieſe haben vier Zehen und eine kleine Daumenwarze, während die Hinterfüße blos drei vollkommen getrennte, ſehr lange Zehen beſitzen. Alle ſind mit ſtarken, breiten, wenig gekrümmten, hufartigen, an den Hinterfüßen beſon- ders entwickelten Krallen bewehrt; nur auf der Daumenwarze ſitzt ein kleiner, platter Nagel. Jm ganzen ſind die Agutis von leichtem, feinen und gefälligen Bau; ſie machten daher einen recht ange- nehmen Eindruck. Das Gebiß iſt ſtark; die flachen, platten Nagezähne treten beſonders hervor, ſchon weil das obere Paar ziemlich lebhaft roth, das untere gelblich gefärbt iſt.
Heutzutage finden ſich die Agutis paarweiſe oder in kleinen Geſellſchaften in waldigen Ebenen, namentlich in den dichteſten Wäldern der Flußniederungen, doch gehen einige auch bis zu 6000 Fuß über dem Meere im Gebirge empor. Wir lernen das Leben Aller kennen, wenn wir die Beſchrei- bungen über die häufigſte Art zuſammenſtellen.
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Die Ferkelhaſen oder Hufpfötler. — Die Agutis.
Klee beſtandenen, vortrefflich ſchmecken. Sie beißen die Gräſer ab, richten ſich dann auf und freſſen
in ſitzender Stellung, ohne dabei irgend etwas anderes als die Kiefern zu bewegen. Dabei hört man
ein ziemlich lautes Kaugeräuſch, und es ſieht höchſt eigenthümlich aus, die langen Grashalme und
Blätter ſo nach und nach verſchwinden zu ſehen, ohne daß man eigentlich etwas von der Mundöffnung
wahrnimmt. Saftige Speiſen ſind dem Thiere vollkommen genügend, um ſeinen Durſt zu löſchen.
Eine mit Grünzeug gefütterte Mara erhielt während ihrer ganzen Gefangenſchaft nicht einen Tropfen
Waſſer.
Die Mara iſt außerordentlich vorſichtig und wählt ſich zum Ruhen oder zum Freſſen immer die
buſchloſen, lichteren Stellen aus, gleichſam als wiſſe ſie es, daß ſie von den Büſchen aus beſchlichen
werden könnte. Deshalb hat die Jagd ihre großen Schwierigkeiten, und es iſt gar nicht leicht, ihr
ſchußrecht auf den Leib zu rücken. Jm Lager läßt ſie ſich nie überraſchen; ihre Sinne ſind ſo ſcharf,
daß ſie ſchon aus großer Entfernung die Annäherung eines Feindes wahrnimmt.
Jn Mendoza beobachtete Göring eine erwachſene Mara längere Zeit in der Gefangenſchaft.
Sie war ein liebenswürdiges, gutmüthiges, harmloſes Geſchöpf. Gleich vom erſten Tage an zeigte
ſie ſich ſehr zutraulich gegen ihren Herrn. Sie nahm dieſem das vorgehaltene Futter ohne Weiteres
aus der Hand und ließ ſich, ohne Unruhe zu verrathen, berühren und ſtreicheln. Gegen Liebkoſungen
zeigte ſie ſich ſehr empfänglich; wenn man ſie krauete, krümmte ſie den Rücken, bog den Kopf zur
Seite, als wolle ſie die ihr wohlthuende Hand ſehen und ließ dabei ein höchſt behagliches, unbeſchreib-
liches Quieken oder Grunzen vernehmen. Die Stimme hatte durchaus nichts Unangenehmes, ſondern
im Gegentheil etwas Gemüthliches und Anſprechendes. Die Gefangene ſchlief nur des Nachts, aber
wenig und war immer ſogleich munter, wenn ſie Geräuſch vernahm. Für gewöhnlich war ſie an
eine Schnur angebunden, eines Tags hatte ſie ſich aber doch während der Abweſenheit ihrer Pfleger
losgeriſſen, das ganze Zimmer unterſucht und dabei greuliche Verwüſtungen angerichtet.
Die Entdecker Amerikas fanden auf den „Perlen des Atlantiſchen Weltmeeres‟, auf den An-
tillen, ein zu unſerer Familie gehöriges Thier in ungeheurer Menge auf. Gegenwärtig iſt daſſelbe
dort faſt ganz ausgerottet und nur hier und da findet es ſich noch auf einigen Jnſeln in den dichteſten,
unzugänglichſten Wäldern, von wo aus es die Zuckerpflanzungen regelmäßig beſucht und dadurch
noch heute denſelben Haß auf ſich ladet, welcher die Urſache ſeiner Vernichtung auf andern Jnſeln
wurde. Dies war oder iſt ein Aguti, Mitglied einer eigenen Sippe der Halbhufer (Dasyprocta),
welche gegenwärtig auf dem Feſtlande durch einige Arten vertreten wird.
Die Agutis erinnern durch ihre Geſtalt einigermaßen an die Haſen; doch fallen bei genaueren
Beobachtungen die Unterſcheidungsmerkmale ſofort ins Auge. Es ſind hochbeinige, unterſetzte Nager
mit langem, ſpitzſchnäuzigen Kopfe, kleinen runden Ohren, einem nackten Schwanzſtummel und
Hinterbeinen, welche faſt noch einmal ſo lang ſind, als die vorderen. Dieſe haben vier Zehen und
eine kleine Daumenwarze, während die Hinterfüße blos drei vollkommen getrennte, ſehr lange Zehen
beſitzen. Alle ſind mit ſtarken, breiten, wenig gekrümmten, hufartigen, an den Hinterfüßen beſon-
ders entwickelten Krallen bewehrt; nur auf der Daumenwarze ſitzt ein kleiner, platter Nagel. Jm
ganzen ſind die Agutis von leichtem, feinen und gefälligen Bau; ſie machten daher einen recht ange-
nehmen Eindruck. Das Gebiß iſt ſtark; die flachen, platten Nagezähne treten beſonders hervor,
ſchon weil das obere Paar ziemlich lebhaft roth, das untere gelblich gefärbt iſt.
Heutzutage finden ſich die Agutis paarweiſe oder in kleinen Geſellſchaften in waldigen Ebenen,
namentlich in den dichteſten Wäldern der Flußniederungen, doch gehen einige auch bis zu 6000 Fuß
über dem Meere im Gebirge empor. Wir lernen das Leben Aller kennen, wenn wir die Beſchrei-
bungen über die häufigſte Art zuſammenſtellen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/256>, abgerufen am 23.11.2024.
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