berge der Gebirge mit viel Wald sind die bevorzugten Aufenthaltsorte; doch steigt er in den Alpen bis zu einer Höhe von 5000 Fuß über dem Meere und im Kaukasus noch um 1000 Fuß weiter em- por. Ob der in China, in der Bucharei und in den kirgisischen Steppen vorkommende Hase wirklich unser Lampe ist, steht noch dahin. Er zieht gemäßigte den rauhen Ländern entschieden vor, und wählt aus Liebe zur Wärme Felder, welche unter dem Winde liegen und gedeckt sind. Versuche, die man angestellt hat, ihn nach dem Norden zu verpflanzen, sind fehlgeschlagen. Alte Rammler sind weniger wählerisch in ihrem Aufenthaltsorte, als die Häsin und Jüngere. Sie lagern sich oft in Büschen, Rohrdickichten und hochgelegenen Berghölzern, während die Jungen und die Häsinnen immer sehr sorgfältig in der Wahl ihrer Lager sind.
Die Lebensweise und die Eigenschaften des Hasen hat unter allen Schriftstellern Dietrich aus dem Winckell am besten beschrieben, weil er die meiste Gelegenheit hatte, das Thier in seinem na-
[Abbildung]
Der Hase (Lopus timidus).
türlichen Treiben zu beobachten. Jch glaube deshalb nichts Besseres thun zu können, als ihm zu folgen und sein Handbuch für Jäger und Jagdberechtigte meiner Beschreibung zu Grunde zu legen.
"Jm allgemeinen," sagt er, "ist der Hase mehr Nacht-, als Tagthier, obwohl man ihn in hei- teren Sommertagen auch vor Untergang der Sonne und noch am Morgen im Felde herumstreifen sieht. Höchst ungern verläßt er den Ort, in welchem er aufgewachsen und groß geworden ist. Findet er aber in demselben keinen anderen Hasen, mit dem er sich paaren kann, oder fehlt es ihm an Aeßung, so entfernt er sich weiter, als gewöhnlich. Aber der Satzhase kehrt, wenn die Paarungs- zeit herannaht, und der Rammler zur Herbstzeit wieder dahin zurück. Fortwährende Ruhe hält ihn besonders fest; fortgesetzte Verfolgung vertreibt ihn für immer. Der Feldhase bewohnt größtentheils die Felder und verläßt sie, wenn es regnet. Wird das Stück, in welchem er seine Wohnung gebaut hat, abgehauen, so geht er an einen andern Ort, in die Rüben-, Saat-, Krautfelder etc. Hier, überall von kräftiger Aeßung umgeben, schwelgt er im Genusse derselben. Alle Kohl- und Rübenarten sind ihm Leckerspeise. Der Peterfilie scheint er besonderen Vorzug zu geben. Jm Spätherbste wählt
Unſer Haſe.
berge der Gebirge mit viel Wald ſind die bevorzugten Aufenthaltsorte; doch ſteigt er in den Alpen bis zu einer Höhe von 5000 Fuß über dem Meere und im Kaukaſus noch um 1000 Fuß weiter em- por. Ob der in China, in der Bucharei und in den kirgiſiſchen Steppen vorkommende Haſe wirklich unſer Lampe iſt, ſteht noch dahin. Er zieht gemäßigte den rauhen Ländern entſchieden vor, und wählt aus Liebe zur Wärme Felder, welche unter dem Winde liegen und gedeckt ſind. Verſuche, die man angeſtellt hat, ihn nach dem Norden zu verpflanzen, ſind fehlgeſchlagen. Alte Rammler ſind weniger wähleriſch in ihrem Aufenthaltsorte, als die Häſin und Jüngere. Sie lagern ſich oft in Büſchen, Rohrdickichten und hochgelegenen Berghölzern, während die Jungen und die Häſinnen immer ſehr ſorgfältig in der Wahl ihrer Lager ſind.
Die Lebensweiſe und die Eigenſchaften des Haſen hat unter allen Schriftſtellern Dietrich aus dem Winckell am beſten beſchrieben, weil er die meiſte Gelegenheit hatte, das Thier in ſeinem na-
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Der Haſe (Lopus timidus).
türlichen Treiben zu beobachten. Jch glaube deshalb nichts Beſſeres thun zu können, als ihm zu folgen und ſein Handbuch für Jäger und Jagdberechtigte meiner Beſchreibung zu Grunde zu legen.
„Jm allgemeinen,‟ ſagt er, „iſt der Haſe mehr Nacht-, als Tagthier, obwohl man ihn in hei- teren Sommertagen auch vor Untergang der Sonne und noch am Morgen im Felde herumſtreifen ſieht. Höchſt ungern verläßt er den Ort, in welchem er aufgewachſen und groß geworden iſt. Findet er aber in demſelben keinen anderen Haſen, mit dem er ſich paaren kann, oder fehlt es ihm an Aeßung, ſo entfernt er ſich weiter, als gewöhnlich. Aber der Satzhaſe kehrt, wenn die Paarungs- zeit herannaht, und der Rammler zur Herbſtzeit wieder dahin zurück. Fortwährende Ruhe hält ihn beſonders feſt; fortgeſetzte Verfolgung vertreibt ihn für immer. Der Feldhaſe bewohnt größtentheils die Felder und verläßt ſie, wenn es regnet. Wird das Stück, in welchem er ſeine Wohnung gebaut hat, abgehauen, ſo geht er an einen andern Ort, in die Rüben-, Saat-, Krautfelder ꝛc. Hier, überall von kräftiger Aeßung umgeben, ſchwelgt er im Genuſſe derſelben. Alle Kohl- und Rübenarten ſind ihm Leckerſpeiſe. Der Peterfilie ſcheint er beſonderen Vorzug zu geben. Jm Spätherbſte wählt
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Unſer Haſe.
berge der Gebirge mit viel Wald ſind die bevorzugten Aufenthaltsorte; doch ſteigt er in den Alpen
bis zu einer Höhe von 5000 Fuß über dem Meere und im Kaukaſus noch um 1000 Fuß weiter em-
por. Ob der in China, in der Bucharei und in den kirgiſiſchen Steppen vorkommende Haſe wirklich
unſer Lampe iſt, ſteht noch dahin. Er zieht gemäßigte den rauhen Ländern entſchieden vor, und wählt
aus Liebe zur Wärme Felder, welche unter dem Winde liegen und gedeckt ſind. Verſuche, die man
angeſtellt hat, ihn nach dem Norden zu verpflanzen, ſind fehlgeſchlagen. Alte Rammler ſind weniger
wähleriſch in ihrem Aufenthaltsorte, als die Häſin und Jüngere. Sie lagern ſich oft in Büſchen,
Rohrdickichten und hochgelegenen Berghölzern, während die Jungen und die Häſinnen immer ſehr
ſorgfältig in der Wahl ihrer Lager ſind.
Die Lebensweiſe und die Eigenſchaften des Haſen hat unter allen Schriftſtellern Dietrich aus
dem Winckell am beſten beſchrieben, weil er die meiſte Gelegenheit hatte, das Thier in ſeinem na-
[Abbildung Der Haſe (Lopus timidus).]
türlichen Treiben zu beobachten. Jch glaube deshalb nichts Beſſeres thun zu können, als ihm zu
folgen und ſein Handbuch für Jäger und Jagdberechtigte meiner Beſchreibung zu Grunde zu legen.
„Jm allgemeinen,‟ ſagt er, „iſt der Haſe mehr Nacht-, als Tagthier, obwohl man ihn in hei-
teren Sommertagen auch vor Untergang der Sonne und noch am Morgen im Felde herumſtreifen
ſieht. Höchſt ungern verläßt er den Ort, in welchem er aufgewachſen und groß geworden iſt. Findet
er aber in demſelben keinen anderen Haſen, mit dem er ſich paaren kann, oder fehlt es ihm an
Aeßung, ſo entfernt er ſich weiter, als gewöhnlich. Aber der Satzhaſe kehrt, wenn die Paarungs-
zeit herannaht, und der Rammler zur Herbſtzeit wieder dahin zurück. Fortwährende Ruhe hält ihn
beſonders feſt; fortgeſetzte Verfolgung vertreibt ihn für immer. Der Feldhaſe bewohnt größtentheils
die Felder und verläßt ſie, wenn es regnet. Wird das Stück, in welchem er ſeine Wohnung gebaut
hat, abgehauen, ſo geht er an einen andern Ort, in die Rüben-, Saat-, Krautfelder ꝛc. Hier,
überall von kräftiger Aeßung umgeben, ſchwelgt er im Genuſſe derſelben. Alle Kohl- und Rübenarten
ſind ihm Leckerſpeiſe. Der Peterfilie ſcheint er beſonderen Vorzug zu geben. Jm Spätherbſte wählt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/269>, abgerufen am 23.11.2024.
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