das arme Thierchen schon ganz matt geworden war. Dafür mußte aber der alte seine Bosheit mit dem Leben bezahlen."
Bei keinem andern wildlebenden Thiere hat man soviel Mißgeburten beobachtet, als bei den Hasen. Solche, die zwei Köpfe oder wenigstens eine doppelte Zunge haben, oder herausstehende Zähne besitzen, sind gar keine Seltenheiten.
Eine junge Hasenfamilie verläßt nur ungern die Gegend, in welcher sie geboren wurde. Die Geschwister entfernen sich wenig von einander, wenn auch jedes sich ein besonderes Lager gräbt. Abends rücken sie zusammen auf Aeßung aus, morgens gehen sie gemeinschaftlich nach dem Lager zu- rück: und so währt ihr Treiben, welches mit der Zeit ein recht fröhliches und frisches wird, fort, bis sie halbwüchsig sind. Dann trennen sie sich von einander. Nach funfzehn Monaten sind sie erwach- sen, schon im ersten Lebensjahre aber zur Fortpflanzung geeignet. Sieben bis acht Jahre dürfte die höchste Lebensdauer sein, welche der Hase bei uns erreicht; es kommen aber Beispiele vor, wo Hasen allen Nachstellungen noch längere Zeit entgehen und immer noch nicht an Altersschwäche starben. Jm ersten Viertel dieses Jahrhunderts war in meiner Heimat ein Rammler berüchtigt unter den Jägern: mein Vater kannte ihn seit acht Jahren. Stets war es dem Schlaukopf gelungen, sich allen Nach- stellungen zu entziehen. Erst während eines sehr harten Winters wurde er von meinem Vater auf dem Anstande erlegt. Beim Wiegen ergab sich, daß er ein Gewicht von achtzehn Pfund erreicht hatte. Solche Beispiele sind aber selten; in unserer glücklichen Zeit, wo die Herren Landwirthe das edle Schießgewehr handhaben, kommen sie gar nicht mehr vor.
Es würde hier entschieden zu weit führen, wenn ich alle Arten der Hasenjagd schildern wollte. Darüber sind eigene Bücher geschrieben worden. Daß man nur in einer waidgerechten Jagd eine würdige Erbeutung des Hasen erblicken kann, versteht sich ganz von selbst. Schlingen und andere Kniffe anzuwenden, sind jedem Thierfreunde aufs äußerste verhaßt, nebenbei auch unnütz, weil ge- wöhnlich Freund Reineke den Lohn der Jagd davonträgt: dagegen gelten mit Recht die Jagdweisen, wie sie von zünftigen Waidmännern ausgeführt werden, als eines rechten Mannes würdiges Ver- gnügen. Es dürfte schwer sein, zu entscheiden, welche Jagdart die anziehendste ist. Jch für meinen Theil möchte mich für das Kesseltreiben und den Anstand entscheiden. Erstere Jagdweise wird auf großen, ebenen Flächen mit Vortheil angewendet und liefert sehr reichlichen Ertrag, verlangt aber viel Leute und kann deshalb nicht von jedem Besitzer ausgeführt werden. Der einzelne Theil- nehmer genießt aus dem Grunde ein doppeltes Vergnügen, weil er jeden einzelnen Hasen selbst mit verfolgen kann. Möglichst still geht der Jagdzug auf einem der Feldwege dahin, plötzlich gebietet der Ordner Halt, und nun zertheilen sich in gleichen Abständen die Jäger und dazwischen die Treiber, zunächst nach zwei Richtungen hin, bis sich der Kreis zu runden und zu schließen anfängt. Sobald Dies geschehen ist, beginnt ein gleichmäßiges Vorrücken. Die Treiber lärmen, die Hunde eilen voran, und nun wird es lebendig im Kessel. Dort erhebt sich ein Hase, hier ein anderer, der von drüben sucht hier zu entschlüpfen, dieser ist schlau und drückt sich wieder, jener eilt wie ver- zweifelt im Kreise auf und nieder. Auch versucht manchmal Freund Reineke, der hier bei einem Spaziergange überrascht wurde, mit aller List einen Ausweg sich zu verschaffen, und prallt entsetzt zurück. Enger und enger wird der Kreis, lauter der Lärm, größer die Angst der eingesperrten Hasen. Endlich fällt der erste Schuß, gut, wenn er getroffen, noch lustiger, wenn er fehlte. Oft gibt eine ganze Reihe auf den armen Lampe Feuer, und Alle fehlen, bis Einer mit geschicktem Schuß ihm das Lebenslicht ausbläst. Mehr und mehr Leichen bedecken das Gefilde; von allen Seiten schaf- fen die Hunde die erlegten Hasen herbei, die Stöcke der Treiber werden beschwert mit der süßen Last, und so geht es fort, bis der Kreis so eng wird, daß die Vorsicht es gebietet, nunmehr blos nach außenhin zu feuern. Jetzt werden die noch im Kessel sich findenden Hasen geradezu zwischen den Leuten hindurch gehetzt und dabei retten sie noch oft ihr armes bedrohtes Leben. Ja, das ist ein prächtiges, männliches Vergnügen! -- aber das "Verlappen" ist zuletzt doch noch schöner.
Unſer Haſe.
das arme Thierchen ſchon ganz matt geworden war. Dafür mußte aber der alte ſeine Bosheit mit dem Leben bezahlen.‟
Bei keinem andern wildlebenden Thiere hat man ſoviel Mißgeburten beobachtet, als bei den Haſen. Solche, die zwei Köpfe oder wenigſtens eine doppelte Zunge haben, oder herausſtehende Zähne beſitzen, ſind gar keine Seltenheiten.
Eine junge Haſenfamilie verläßt nur ungern die Gegend, in welcher ſie geboren wurde. Die Geſchwiſter entfernen ſich wenig von einander, wenn auch jedes ſich ein beſonderes Lager gräbt. Abends rücken ſie zuſammen auf Aeßung aus, morgens gehen ſie gemeinſchaftlich nach dem Lager zu- rück: und ſo währt ihr Treiben, welches mit der Zeit ein recht fröhliches und friſches wird, fort, bis ſie halbwüchſig ſind. Dann trennen ſie ſich von einander. Nach funfzehn Monaten ſind ſie erwach- ſen, ſchon im erſten Lebensjahre aber zur Fortpflanzung geeignet. Sieben bis acht Jahre dürfte die höchſte Lebensdauer ſein, welche der Haſe bei uns erreicht; es kommen aber Beiſpiele vor, wo Haſen allen Nachſtellungen noch längere Zeit entgehen und immer noch nicht an Altersſchwäche ſtarben. Jm erſten Viertel dieſes Jahrhunderts war in meiner Heimat ein Rammler berüchtigt unter den Jägern: mein Vater kannte ihn ſeit acht Jahren. Stets war es dem Schlaukopf gelungen, ſich allen Nach- ſtellungen zu entziehen. Erſt während eines ſehr harten Winters wurde er von meinem Vater auf dem Anſtande erlegt. Beim Wiegen ergab ſich, daß er ein Gewicht von achtzehn Pfund erreicht hatte. Solche Beiſpiele ſind aber ſelten; in unſerer glücklichen Zeit, wo die Herren Landwirthe das edle Schießgewehr handhaben, kommen ſie gar nicht mehr vor.
Es würde hier entſchieden zu weit führen, wenn ich alle Arten der Haſenjagd ſchildern wollte. Darüber ſind eigene Bücher geſchrieben worden. Daß man nur in einer waidgerechten Jagd eine würdige Erbeutung des Haſen erblicken kann, verſteht ſich ganz von ſelbſt. Schlingen und andere Kniffe anzuwenden, ſind jedem Thierfreunde aufs äußerſte verhaßt, nebenbei auch unnütz, weil ge- wöhnlich Freund Reineke den Lohn der Jagd davonträgt: dagegen gelten mit Recht die Jagdweiſen, wie ſie von zünftigen Waidmännern ausgeführt werden, als eines rechten Mannes würdiges Ver- gnügen. Es dürfte ſchwer ſein, zu entſcheiden, welche Jagdart die anziehendſte iſt. Jch für meinen Theil möchte mich für das Keſſeltreiben und den Anſtand entſcheiden. Erſtere Jagdweiſe wird auf großen, ebenen Flächen mit Vortheil angewendet und liefert ſehr reichlichen Ertrag, verlangt aber viel Leute und kann deshalb nicht von jedem Beſitzer ausgeführt werden. Der einzelne Theil- nehmer genießt aus dem Grunde ein doppeltes Vergnügen, weil er jeden einzelnen Haſen ſelbſt mit verfolgen kann. Möglichſt ſtill geht der Jagdzug auf einem der Feldwege dahin, plötzlich gebietet der Ordner Halt, und nun zertheilen ſich in gleichen Abſtänden die Jäger und dazwiſchen die Treiber, zunächſt nach zwei Richtungen hin, bis ſich der Kreis zu runden und zu ſchließen anfängt. Sobald Dies geſchehen iſt, beginnt ein gleichmäßiges Vorrücken. Die Treiber lärmen, die Hunde eilen voran, und nun wird es lebendig im Keſſel. Dort erhebt ſich ein Haſe, hier ein anderer, der von drüben ſucht hier zu entſchlüpfen, dieſer iſt ſchlau und drückt ſich wieder, jener eilt wie ver- zweifelt im Kreiſe auf und nieder. Auch verſucht manchmal Freund Reineke, der hier bei einem Spaziergange überraſcht wurde, mit aller Liſt einen Ausweg ſich zu verſchaffen, und prallt entſetzt zurück. Enger und enger wird der Kreis, lauter der Lärm, größer die Angſt der eingeſperrten Haſen. Endlich fällt der erſte Schuß, gut, wenn er getroffen, noch luſtiger, wenn er fehlte. Oft gibt eine ganze Reihe auf den armen Lampe Feuer, und Alle fehlen, bis Einer mit geſchicktem Schuß ihm das Lebenslicht ausbläſt. Mehr und mehr Leichen bedecken das Gefilde; von allen Seiten ſchaf- fen die Hunde die erlegten Haſen herbei, die Stöcke der Treiber werden beſchwert mit der ſüßen Laſt, und ſo geht es fort, bis der Kreis ſo eng wird, daß die Vorſicht es gebietet, nunmehr blos nach außenhin zu feuern. Jetzt werden die noch im Keſſel ſich findenden Haſen geradezu zwiſchen den Leuten hindurch gehetzt und dabei retten ſie noch oft ihr armes bedrohtes Leben. Ja, das iſt ein prächtiges, männliches Vergnügen! — aber das „Verlappen‟ iſt zuletzt doch noch ſchöner.
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[255/0273]
Unſer Haſe.
das arme Thierchen ſchon ganz matt geworden war. Dafür mußte aber der alte ſeine Bosheit
mit dem Leben bezahlen.‟
Bei keinem andern wildlebenden Thiere hat man ſoviel Mißgeburten beobachtet, als bei den
Haſen. Solche, die zwei Köpfe oder wenigſtens eine doppelte Zunge haben, oder herausſtehende
Zähne beſitzen, ſind gar keine Seltenheiten.
Eine junge Haſenfamilie verläßt nur ungern die Gegend, in welcher ſie geboren wurde. Die
Geſchwiſter entfernen ſich wenig von einander, wenn auch jedes ſich ein beſonderes Lager gräbt.
Abends rücken ſie zuſammen auf Aeßung aus, morgens gehen ſie gemeinſchaftlich nach dem Lager zu-
rück: und ſo währt ihr Treiben, welches mit der Zeit ein recht fröhliches und friſches wird, fort, bis
ſie halbwüchſig ſind. Dann trennen ſie ſich von einander. Nach funfzehn Monaten ſind ſie erwach-
ſen, ſchon im erſten Lebensjahre aber zur Fortpflanzung geeignet. Sieben bis acht Jahre dürfte die
höchſte Lebensdauer ſein, welche der Haſe bei uns erreicht; es kommen aber Beiſpiele vor, wo Haſen
allen Nachſtellungen noch längere Zeit entgehen und immer noch nicht an Altersſchwäche ſtarben. Jm
erſten Viertel dieſes Jahrhunderts war in meiner Heimat ein Rammler berüchtigt unter den Jägern:
mein Vater kannte ihn ſeit acht Jahren. Stets war es dem Schlaukopf gelungen, ſich allen Nach-
ſtellungen zu entziehen. Erſt während eines ſehr harten Winters wurde er von meinem Vater auf
dem Anſtande erlegt. Beim Wiegen ergab ſich, daß er ein Gewicht von achtzehn Pfund erreicht
hatte. Solche Beiſpiele ſind aber ſelten; in unſerer glücklichen Zeit, wo die Herren Landwirthe das
edle Schießgewehr handhaben, kommen ſie gar nicht mehr vor.
Es würde hier entſchieden zu weit führen, wenn ich alle Arten der Haſenjagd ſchildern wollte.
Darüber ſind eigene Bücher geſchrieben worden. Daß man nur in einer waidgerechten Jagd eine
würdige Erbeutung des Haſen erblicken kann, verſteht ſich ganz von ſelbſt. Schlingen und andere
Kniffe anzuwenden, ſind jedem Thierfreunde aufs äußerſte verhaßt, nebenbei auch unnütz, weil ge-
wöhnlich Freund Reineke den Lohn der Jagd davonträgt: dagegen gelten mit Recht die Jagdweiſen,
wie ſie von zünftigen Waidmännern ausgeführt werden, als eines rechten Mannes würdiges Ver-
gnügen. Es dürfte ſchwer ſein, zu entſcheiden, welche Jagdart die anziehendſte iſt. Jch für meinen
Theil möchte mich für das Keſſeltreiben und den Anſtand entſcheiden. Erſtere Jagdweiſe wird auf
großen, ebenen Flächen mit Vortheil angewendet und liefert ſehr reichlichen Ertrag, verlangt aber
viel Leute und kann deshalb nicht von jedem Beſitzer ausgeführt werden. Der einzelne Theil-
nehmer genießt aus dem Grunde ein doppeltes Vergnügen, weil er jeden einzelnen Haſen ſelbſt mit
verfolgen kann. Möglichſt ſtill geht der Jagdzug auf einem der Feldwege dahin, plötzlich gebietet
der Ordner Halt, und nun zertheilen ſich in gleichen Abſtänden die Jäger und dazwiſchen die
Treiber, zunächſt nach zwei Richtungen hin, bis ſich der Kreis zu runden und zu ſchließen anfängt.
Sobald Dies geſchehen iſt, beginnt ein gleichmäßiges Vorrücken. Die Treiber lärmen, die Hunde
eilen voran, und nun wird es lebendig im Keſſel. Dort erhebt ſich ein Haſe, hier ein anderer,
der von drüben ſucht hier zu entſchlüpfen, dieſer iſt ſchlau und drückt ſich wieder, jener eilt wie ver-
zweifelt im Kreiſe auf und nieder. Auch verſucht manchmal Freund Reineke, der hier bei einem
Spaziergange überraſcht wurde, mit aller Liſt einen Ausweg ſich zu verſchaffen, und prallt entſetzt
zurück. Enger und enger wird der Kreis, lauter der Lärm, größer die Angſt der eingeſperrten
Haſen. Endlich fällt der erſte Schuß, gut, wenn er getroffen, noch luſtiger, wenn er fehlte. Oft
gibt eine ganze Reihe auf den armen Lampe Feuer, und Alle fehlen, bis Einer mit geſchicktem Schuß
ihm das Lebenslicht ausbläſt. Mehr und mehr Leichen bedecken das Gefilde; von allen Seiten ſchaf-
fen die Hunde die erlegten Haſen herbei, die Stöcke der Treiber werden beſchwert mit der ſüßen Laſt,
und ſo geht es fort, bis der Kreis ſo eng wird, daß die Vorſicht es gebietet, nunmehr blos nach
außenhin zu feuern. Jetzt werden die noch im Keſſel ſich findenden Haſen geradezu zwiſchen den
Leuten hindurch gehetzt und dabei retten ſie noch oft ihr armes bedrohtes Leben. Ja, das iſt ein
prächtiges, männliches Vergnügen! — aber das „Verlappen‟ iſt zuletzt doch noch ſchöner.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/273>, abgerufen am 23.11.2024.
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