Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Hasen. -- Der Erneb.
im Januar im Sernfthale, wo überhaupt die weißen Hafen viel öfter hinabgehen, als irgendwo
sonst, ein Exemplar geschossen, welches vom Kopf bis zu den Vorderläufen braunroth, am übrigen
Körper rein weiß war, in Ammon ob dem Wallensee vier Exemplare, alle von einer Mutter stam-
mend, von denen zwei an der vorderen, zwei an der hinteren Körperhälfte rein weiß, im übrigen
braungrau waren. Jm bernschen Emmenthale schoß ein Jäger im Winter einen Hasen, der um den
Hals einen weißen Ring, weiße Vorderläufe und eine weiße Stirn hatte. Ob solche Bastarde frucht-
bar waren, ist nicht ausgemittelt."

Europa besitzt außer den beiden genannten noch einen Hasen im gewöhnlichen Sprachsinne, den,
welcher in den Mittelmeerländern den unsrigen vertritt und auch nach jenen Gegenden benannt wor-
den ist (Lepus mediterraneus). Einige Naturforscher wollen ihn nur als eine Abart des unsrigen
gelten lassen; wer ihn aber selbst gesehen und genau untersucht hat, kann dieser Ansicht nicht bei-
pflichten. Jch führe ihn hauptsächlich deshalb hier auf, weil er als ein Uebergangsglied zu den afri-

[Abbildung] Der Erneb (Lepus aethlopicus).
kanischen Hasen betrachtet werden kann. Letztere zeichnen sich sämmtlich vor den unsrigen durch ihre
geringe Größe und zumal durch die ungemein langen Löffel aus. Daß der Wüstenhase rein sand-
farbig ist, wird uns nicht mehr befremden; um so auffallender aber ist es, daß dieser Sandhase auch
wirklich nur in der reinen Wüste und deren nächster Nachbarschaft vorkommt, während die Ostküste
Afrikas z. B. eine andere, der unsrigen gleichgefärbte, aber langohrige Art beherbergt. Diesen Hasen,
den Erneb der Egypter (Lepus aethiopicus), habe ich auf meiner kurzen Reise im Frühjahr 1862
ebensohäufig in der tiefliegenden "Samhara", als auf den Hochebenen der Bogosländer gefunden
und als ein ganz eigenthümliches, dummdreistes, albernes Geschöpf kennen gelernt. Es dient zur
Kennzeichnung der ganzen Familie, wenn ich namentlich einer seiner Eigenschaften hier Erwähnung
thue, welche so recht deutlich beweist, daß der Hase eigentlich nur durch den Menschen zu Dem gewor-
den ist, was er ist.

Die Gebirgs- und Küstenbewohner Abyssiniens, obgleich sie zum Theil Mahammedaner und zum
Theil Christen sind, halten die mosaischen Gesetze noch hoch in Ehren und verachten daher auch das
Wildpret des Hasen. Unser Thier wird somit von Seiten des Menschen nicht im geringsten belästigt

Die Haſen. — Der Erneb.
im Januar im Sernfthale, wo überhaupt die weißen Hafen viel öfter hinabgehen, als irgendwo
ſonſt, ein Exemplar geſchoſſen, welches vom Kopf bis zu den Vorderläufen braunroth, am übrigen
Körper rein weiß war, in Ammon ob dem Wallenſee vier Exemplare, alle von einer Mutter ſtam-
mend, von denen zwei an der vorderen, zwei an der hinteren Körperhälfte rein weiß, im übrigen
braungrau waren. Jm bernſchen Emmenthale ſchoß ein Jäger im Winter einen Haſen, der um den
Hals einen weißen Ring, weiße Vorderläufe und eine weiße Stirn hatte. Ob ſolche Baſtarde frucht-
bar waren, iſt nicht ausgemittelt.‟

Europa beſitzt außer den beiden genannten noch einen Haſen im gewöhnlichen Sprachſinne, den,
welcher in den Mittelmeerländern den unſrigen vertritt und auch nach jenen Gegenden benannt wor-
den iſt (Lepus mediterraneus). Einige Naturforſcher wollen ihn nur als eine Abart des unſrigen
gelten laſſen; wer ihn aber ſelbſt geſehen und genau unterſucht hat, kann dieſer Anſicht nicht bei-
pflichten. Jch führe ihn hauptſächlich deshalb hier auf, weil er als ein Uebergangsglied zu den afri-

[Abbildung] Der Erneb (Lepus aethlopicus).
kaniſchen Haſen betrachtet werden kann. Letztere zeichnen ſich ſämmtlich vor den unſrigen durch ihre
geringe Größe und zumal durch die ungemein langen Löffel aus. Daß der Wüſtenhaſe rein ſand-
farbig iſt, wird uns nicht mehr befremden; um ſo auffallender aber iſt es, daß dieſer Sandhaſe auch
wirklich nur in der reinen Wüſte und deren nächſter Nachbarſchaft vorkommt, während die Oſtküſte
Afrikas z. B. eine andere, der unſrigen gleichgefärbte, aber langohrige Art beherbergt. Dieſen Haſen,
den Erneb der Egypter (Lepus aethiopicus), habe ich auf meiner kurzen Reiſe im Frühjahr 1862
ebenſohäufig in der tiefliegenden „Samhara‟, als auf den Hochebenen der Bogosländer gefunden
und als ein ganz eigenthümliches, dummdreiſtes, albernes Geſchöpf kennen gelernt. Es dient zur
Kennzeichnung der ganzen Familie, wenn ich namentlich einer ſeiner Eigenſchaften hier Erwähnung
thue, welche ſo recht deutlich beweiſt, daß der Haſe eigentlich nur durch den Menſchen zu Dem gewor-
den iſt, was er iſt.

Die Gebirgs- und Küſtenbewohner Abyſſiniens, obgleich ſie zum Theil Mahammedaner und zum
Theil Chriſten ſind, halten die moſaiſchen Geſetze noch hoch in Ehren und verachten daher auch das
Wildpret des Haſen. Unſer Thier wird ſomit von Seiten des Menſchen nicht im geringſten beläſtigt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0280" n="262"/><fw place="top" type="header">Die Ha&#x017F;en. &#x2014; Der Erneb.</fw><lb/>
im Januar im Sernfthale, wo überhaupt die weißen Hafen viel öfter hinabgehen, als irgendwo<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t, ein Exemplar ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, welches vom <hi rendition="#g">Kopf</hi> bis zu den Vorderläufen braunroth, am übrigen<lb/>
Körper rein weiß war, in Ammon ob dem Wallen&#x017F;ee vier Exemplare, alle von einer Mutter &#x017F;tam-<lb/>
mend, von denen zwei an der vorderen, zwei an der hinteren Körperhälfte rein weiß, im übrigen<lb/>
braungrau waren. Jm bern&#x017F;chen Emmenthale &#x017F;choß ein Jäger im Winter einen Ha&#x017F;en, der um den<lb/>
Hals einen weißen Ring, weiße Vorderläufe und eine weiße Stirn hatte. Ob &#x017F;olche Ba&#x017F;tarde frucht-<lb/>
bar waren, i&#x017F;t nicht ausgemittelt.&#x201F;</p><lb/>
              <p>Europa be&#x017F;itzt außer den beiden genannten noch einen Ha&#x017F;en im gewöhnlichen Sprach&#x017F;inne, den,<lb/>
welcher in den Mittelmeerländern den un&#x017F;rigen vertritt und auch nach jenen Gegenden benannt wor-<lb/>
den i&#x017F;t (<hi rendition="#aq">Lepus mediterraneus</hi>). Einige Naturfor&#x017F;cher wollen ihn nur als eine Abart des un&#x017F;rigen<lb/>
gelten la&#x017F;&#x017F;en; wer ihn aber &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen und genau unter&#x017F;ucht hat, kann die&#x017F;er An&#x017F;icht nicht bei-<lb/>
pflichten. Jch führe ihn haupt&#x017F;ächlich deshalb hier auf, weil er als ein Uebergangsglied zu den afri-<lb/><figure><head><hi rendition="#g">Der Erneb</hi> (<hi rendition="#aq">Lepus aethlopicus</hi>).</head></figure><lb/>
kani&#x017F;chen Ha&#x017F;en betrachtet werden kann. Letztere zeichnen &#x017F;ich &#x017F;ämmtlich vor den un&#x017F;rigen durch ihre<lb/>
geringe Größe und zumal durch die ungemein langen Löffel aus. Daß der Wü&#x017F;tenha&#x017F;e rein &#x017F;and-<lb/>
farbig i&#x017F;t, wird uns nicht mehr befremden; um &#x017F;o auffallender aber i&#x017F;t es, daß die&#x017F;er Sandha&#x017F;e auch<lb/>
wirklich nur in der reinen Wü&#x017F;te und deren näch&#x017F;ter Nachbar&#x017F;chaft vorkommt, während die O&#x017F;tkü&#x017F;te<lb/>
Afrikas z. B. eine andere, der un&#x017F;rigen gleichgefärbte, aber langohrige Art beherbergt. Die&#x017F;en Ha&#x017F;en,<lb/>
den <hi rendition="#g">Erneb</hi> der Egypter (<hi rendition="#aq">Lepus aethiopicus</hi>), habe ich auf meiner kurzen Rei&#x017F;e im Frühjahr 1862<lb/>
eben&#x017F;ohäufig in der tiefliegenden &#x201E;<hi rendition="#g">Samhara</hi>&#x201F;, als auf den Hochebenen der Bogosländer gefunden<lb/>
und als ein ganz eigenthümliches, dummdrei&#x017F;tes, albernes Ge&#x017F;chöpf kennen gelernt. Es dient zur<lb/>
Kennzeichnung der ganzen Familie, wenn ich namentlich einer &#x017F;einer Eigen&#x017F;chaften hier Erwähnung<lb/>
thue, welche &#x017F;o recht deutlich bewei&#x017F;t, daß der Ha&#x017F;e eigentlich nur durch den Men&#x017F;chen zu Dem gewor-<lb/>
den i&#x017F;t, was er i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Die Gebirgs- und Kü&#x017F;tenbewohner Aby&#x017F;&#x017F;iniens, obgleich &#x017F;ie zum Theil Mahammedaner und zum<lb/>
Theil Chri&#x017F;ten &#x017F;ind, halten die mo&#x017F;ai&#x017F;chen Ge&#x017F;etze noch hoch in Ehren und verachten daher auch das<lb/>
Wildpret des Ha&#x017F;en. Un&#x017F;er Thier wird &#x017F;omit von Seiten des Men&#x017F;chen nicht im gering&#x017F;ten belä&#x017F;tigt<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0280] Die Haſen. — Der Erneb. im Januar im Sernfthale, wo überhaupt die weißen Hafen viel öfter hinabgehen, als irgendwo ſonſt, ein Exemplar geſchoſſen, welches vom Kopf bis zu den Vorderläufen braunroth, am übrigen Körper rein weiß war, in Ammon ob dem Wallenſee vier Exemplare, alle von einer Mutter ſtam- mend, von denen zwei an der vorderen, zwei an der hinteren Körperhälfte rein weiß, im übrigen braungrau waren. Jm bernſchen Emmenthale ſchoß ein Jäger im Winter einen Haſen, der um den Hals einen weißen Ring, weiße Vorderläufe und eine weiße Stirn hatte. Ob ſolche Baſtarde frucht- bar waren, iſt nicht ausgemittelt.‟ Europa beſitzt außer den beiden genannten noch einen Haſen im gewöhnlichen Sprachſinne, den, welcher in den Mittelmeerländern den unſrigen vertritt und auch nach jenen Gegenden benannt wor- den iſt (Lepus mediterraneus). Einige Naturforſcher wollen ihn nur als eine Abart des unſrigen gelten laſſen; wer ihn aber ſelbſt geſehen und genau unterſucht hat, kann dieſer Anſicht nicht bei- pflichten. Jch führe ihn hauptſächlich deshalb hier auf, weil er als ein Uebergangsglied zu den afri- [Abbildung Der Erneb (Lepus aethlopicus).] kaniſchen Haſen betrachtet werden kann. Letztere zeichnen ſich ſämmtlich vor den unſrigen durch ihre geringe Größe und zumal durch die ungemein langen Löffel aus. Daß der Wüſtenhaſe rein ſand- farbig iſt, wird uns nicht mehr befremden; um ſo auffallender aber iſt es, daß dieſer Sandhaſe auch wirklich nur in der reinen Wüſte und deren nächſter Nachbarſchaft vorkommt, während die Oſtküſte Afrikas z. B. eine andere, der unſrigen gleichgefärbte, aber langohrige Art beherbergt. Dieſen Haſen, den Erneb der Egypter (Lepus aethiopicus), habe ich auf meiner kurzen Reiſe im Frühjahr 1862 ebenſohäufig in der tiefliegenden „Samhara‟, als auf den Hochebenen der Bogosländer gefunden und als ein ganz eigenthümliches, dummdreiſtes, albernes Geſchöpf kennen gelernt. Es dient zur Kennzeichnung der ganzen Familie, wenn ich namentlich einer ſeiner Eigenſchaften hier Erwähnung thue, welche ſo recht deutlich beweiſt, daß der Haſe eigentlich nur durch den Menſchen zu Dem gewor- den iſt, was er iſt. Die Gebirgs- und Küſtenbewohner Abyſſiniens, obgleich ſie zum Theil Mahammedaner und zum Theil Chriſten ſind, halten die moſaiſchen Geſetze noch hoch in Ehren und verachten daher auch das Wildpret des Haſen. Unſer Thier wird ſomit von Seiten des Menſchen nicht im geringſten beläſtigt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/280
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/280>, abgerufen am 07.06.2024.