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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hasen. -- Das Kaninchen.
ungescheut auch bei Tage herum und lassen sich weder durch Rufen noch durch Steinwürfe im Aeßen
stören. -- Man hegt sie nirgends, sondern erlegt sie, wo man nur immer kann, selbst während
der allgemeinen Schonzeit. Demungeachtet sind sie ohne Hilfe des Frettchens nicht auszurotten; nur
wenn sich in einer Gegend der Jltis, das große Wiesel und der Steinmarder stark vermehrt haben,
oder wenn es dort große Uhus und andere Eulen gibt, bemerkt man, daß sie sich vermindern. Denn
die Marderarten verfolgen sie in ihren Bau, und dann sind sie fast immer verloren, oder die
Uhus nehmen sie bei Nacht von der Weide weg. Jn Frankreich berechnete man, daß ein Kaninchen,
welches einen Son werth war, für einen Louisd'or Schaden anrichtet; einige Gutsbesitzer glaubten
deshalb ihre Güter durch sie um die Hälfte entwerthet zu sehen. Man verfolgt sie auf jede nur denk-
bare Weise, mit jedem zu Gebote stehenden Mittel. Bei alledem sind sie nirgends ausgerottet
worden.

Man erlegt sie auf dem Anstande und beim Treiben mit dem Gewehr, fängt sie in Schlagfallen
und läßt sie durch Frettchen in vor ihren Höhlen aufgestellte Netze treiben. Will man eine Ansie-
delung wirklich ausrotten, so nimmt man oft zu dem grausamen Mittel seine Zuflucht, vergiftete
Wurzeln dort zu verstreuen.

Das Wildpret des Kaninchens ist weiß und wohlschmeckend; der Pelz wird wie der des Ha-
sen benutzt.

Unser zahmes Kaninchen ist ganz unzweifelhaft ein Abkömmling des wilden, denn dieses kann
man in kurzer Zeit zähmen, jenes verwildert binnen wenigen Monaten vollständig und wirft
dann auch gleich Junge, welche die Färbung des wilden an sich tragen. Während unserer Jugend-
zeit erhielten wir manchmal eine bedeutende Anzahl von Kaninchen. Unter diesen hatten wir
einige, welche von ihrem Stalle aus Hof und Garten besuchten. Diese warfen stets nur graue
Junge, obgleich die Mutter ganz weiß und der Vater gescheckt war. Das zahme Kaninchen hat sehr
verschiedene Farben; es ist schwarz, weiß, grau, roth, gelb oder gescheckt. Es wird regelmäßig
größer, als das wilde. Man hält es in einem gepflasterten oder gedielten Stalle, in dem man ihm
künstliche Schlupfwinkel angelegt hat. Dies sind entweder lange Kästen mit mehreren Löchern oder
künstliche Baue im Gemäuer. Außerdem gibt man ihnen viel Stroh und trockenes Mos, hält sie
auch im Winter warm und füttert sie mit Heu, Gras, Blättern, Kohl u. s. w. Man kann sie leicht
gewöhnen, sich die ihnen vorgehaltene Nahrung selbst wegzunehmen; ganz zahm aber werden sie sel-
ten, denn wenn man sie angreift, versuchen sie gewöhnlich zu kratzen und zu beißen. Sie sind we-
niger verträglich, als die wilden. Zusammen aufgewachsene leben zwar sehr gut mit einander, fremde
aber werden von der Jnwohnerschaft eines Stalles oft recht arg gemißhandelt, ja sogar todtgebissen.
Jn Sachen der Liebe wird tüchtig gekämpft, und Manche tragen dabei ziemlich bedeutende Wunden
davon. Das Weibchen baut in seiner Höhlung ein Nest aus Stroh und Mos und füttert es sehr
schön mit seinen Bauchhaaren aus. Es wirft gewöhnlich zwischen fünf und sieben, manchmal aber
auch mehr Junge. Lenz hat sich die Zahl der Jungen, die ein Weibchen in einem Jahre geworfen
hatte, aufgeschrieben: Am 9. Januar brachte das Weibchen sechs, am 25. März neun, am 30. April
fünf, am 29. Juni vier, am 29. Juli sieben, am 1. August sechs, am 1. September sechs, am
7. Oktober neun und am 8. Dezember sechs Junge, in einem Jahre also 58 Junge. "Jn demselben
Jahre," sagt er, "bekam ich zwei junge Weibchen, die aus einem Nest stammten, und zwei Männchen,
die zwei Tage später geboren waren, aus einem anderen und that sie in einen eigenen Stall. Genau
an demselben Tage, wo die Weibchen den fünften Monat vollendet hatten, paarten sie sich mit den
Männchen und beide gebaren, als sie den sechsten Monat vollendet hatten, das eine sechs, das an-
dere vier Junge. -- Das Weibchen säugt ihre Kleinen in der Regel nicht bei Tage, selbst wenn sie noch
ganz klein sind, sondern verrammelt, wenn es geht, den Eingang zu ihnen und besucht sie oft den
Tag über nicht ein Mal, sondern thut, als ob es von alle dem Richts wüßte. Dabei hat es aber
doch sein Augenmerk auf das Nest gerichtet." Vor den natürlichen Feinden haben auch die zahmen
Kaninchen eine außerordentliche Scheu. Lenz that einmal fünf sehr zahme Kaninchen zusammen

Die Haſen. — Das Kaninchen.
ungeſcheut auch bei Tage herum und laſſen ſich weder durch Rufen noch durch Steinwürfe im Aeßen
ſtören. — Man hegt ſie nirgends, ſondern erlegt ſie, wo man nur immer kann, ſelbſt während
der allgemeinen Schonzeit. Demungeachtet ſind ſie ohne Hilfe des Frettchens nicht auszurotten; nur
wenn ſich in einer Gegend der Jltis, das große Wieſel und der Steinmarder ſtark vermehrt haben,
oder wenn es dort große Uhus und andere Eulen gibt, bemerkt man, daß ſie ſich vermindern. Denn
die Marderarten verfolgen ſie in ihren Bau, und dann ſind ſie faſt immer verloren, oder die
Uhus nehmen ſie bei Nacht von der Weide weg. Jn Frankreich berechnete man, daß ein Kaninchen,
welches einen Son werth war, für einen Louisd’or Schaden anrichtet; einige Gutsbeſitzer glaubten
deshalb ihre Güter durch ſie um die Hälfte entwerthet zu ſehen. Man verfolgt ſie auf jede nur denk-
bare Weiſe, mit jedem zu Gebote ſtehenden Mittel. Bei alledem ſind ſie nirgends ausgerottet
worden.

Man erlegt ſie auf dem Anſtande und beim Treiben mit dem Gewehr, fängt ſie in Schlagfallen
und läßt ſie durch Frettchen in vor ihren Höhlen aufgeſtellte Netze treiben. Will man eine Anſie-
delung wirklich ausrotten, ſo nimmt man oft zu dem grauſamen Mittel ſeine Zuflucht, vergiftete
Wurzeln dort zu verſtreuen.

Das Wildpret des Kaninchens iſt weiß und wohlſchmeckend; der Pelz wird wie der des Ha-
ſen benutzt.

Unſer zahmes Kaninchen iſt ganz unzweifelhaft ein Abkömmling des wilden, denn dieſes kann
man in kurzer Zeit zähmen, jenes verwildert binnen wenigen Monaten vollſtändig und wirft
dann auch gleich Junge, welche die Färbung des wilden an ſich tragen. Während unſerer Jugend-
zeit erhielten wir manchmal eine bedeutende Anzahl von Kaninchen. Unter dieſen hatten wir
einige, welche von ihrem Stalle aus Hof und Garten beſuchten. Dieſe warfen ſtets nur graue
Junge, obgleich die Mutter ganz weiß und der Vater geſcheckt war. Das zahme Kaninchen hat ſehr
verſchiedene Farben; es iſt ſchwarz, weiß, grau, roth, gelb oder geſcheckt. Es wird regelmäßig
größer, als das wilde. Man hält es in einem gepflaſterten oder gedielten Stalle, in dem man ihm
künſtliche Schlupfwinkel angelegt hat. Dies ſind entweder lange Käſten mit mehreren Löchern oder
künſtliche Baue im Gemäuer. Außerdem gibt man ihnen viel Stroh und trockenes Mos, hält ſie
auch im Winter warm und füttert ſie mit Heu, Gras, Blättern, Kohl u. ſ. w. Man kann ſie leicht
gewöhnen, ſich die ihnen vorgehaltene Nahrung ſelbſt wegzunehmen; ganz zahm aber werden ſie ſel-
ten, denn wenn man ſie angreift, verſuchen ſie gewöhnlich zu kratzen und zu beißen. Sie ſind we-
niger verträglich, als die wilden. Zuſammen aufgewachſene leben zwar ſehr gut mit einander, fremde
aber werden von der Jnwohnerſchaft eines Stalles oft recht arg gemißhandelt, ja ſogar todtgebiſſen.
Jn Sachen der Liebe wird tüchtig gekämpft, und Manche tragen dabei ziemlich bedeutende Wunden
davon. Das Weibchen baut in ſeiner Höhlung ein Neſt aus Stroh und Mos und füttert es ſehr
ſchön mit ſeinen Bauchhaaren aus. Es wirft gewöhnlich zwiſchen fünf und ſieben, manchmal aber
auch mehr Junge. Lenz hat ſich die Zahl der Jungen, die ein Weibchen in einem Jahre geworfen
hatte, aufgeſchrieben: Am 9. Januar brachte das Weibchen ſechs, am 25. März neun, am 30. April
fünf, am 29. Juni vier, am 29. Juli ſieben, am 1. Auguſt ſechs, am 1. September ſechs, am
7. Oktober neun und am 8. Dezember ſechs Junge, in einem Jahre alſo 58 Junge. „Jn demſelben
Jahre,‟ ſagt er, „bekam ich zwei junge Weibchen, die aus einem Neſt ſtammten, und zwei Männchen,
die zwei Tage ſpäter geboren waren, aus einem anderen und that ſie in einen eigenen Stall. Genau
an demſelben Tage, wo die Weibchen den fünften Monat vollendet hatten, paarten ſie ſich mit den
Männchen und beide gebaren, als ſie den ſechſten Monat vollendet hatten, das eine ſechs, das an-
dere vier Junge. — Das Weibchen ſäugt ihre Kleinen in der Regel nicht bei Tage, ſelbſt wenn ſie noch
ganz klein ſind, ſondern verrammelt, wenn es geht, den Eingang zu ihnen und beſucht ſie oft den
Tag über nicht ein Mal, ſondern thut, als ob es von alle dem Richts wüßte. Dabei hat es aber
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Kaninchen eine außerordentliche Scheu. Lenz that einmal fünf ſehr zahme Kaninchen zuſammen

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[266/0284] Die Haſen. — Das Kaninchen. ungeſcheut auch bei Tage herum und laſſen ſich weder durch Rufen noch durch Steinwürfe im Aeßen ſtören. — Man hegt ſie nirgends, ſondern erlegt ſie, wo man nur immer kann, ſelbſt während der allgemeinen Schonzeit. Demungeachtet ſind ſie ohne Hilfe des Frettchens nicht auszurotten; nur wenn ſich in einer Gegend der Jltis, das große Wieſel und der Steinmarder ſtark vermehrt haben, oder wenn es dort große Uhus und andere Eulen gibt, bemerkt man, daß ſie ſich vermindern. Denn die Marderarten verfolgen ſie in ihren Bau, und dann ſind ſie faſt immer verloren, oder die Uhus nehmen ſie bei Nacht von der Weide weg. Jn Frankreich berechnete man, daß ein Kaninchen, welches einen Son werth war, für einen Louisd’or Schaden anrichtet; einige Gutsbeſitzer glaubten deshalb ihre Güter durch ſie um die Hälfte entwerthet zu ſehen. Man verfolgt ſie auf jede nur denk- bare Weiſe, mit jedem zu Gebote ſtehenden Mittel. Bei alledem ſind ſie nirgends ausgerottet worden. Man erlegt ſie auf dem Anſtande und beim Treiben mit dem Gewehr, fängt ſie in Schlagfallen und läßt ſie durch Frettchen in vor ihren Höhlen aufgeſtellte Netze treiben. Will man eine Anſie- delung wirklich ausrotten, ſo nimmt man oft zu dem grauſamen Mittel ſeine Zuflucht, vergiftete Wurzeln dort zu verſtreuen. Das Wildpret des Kaninchens iſt weiß und wohlſchmeckend; der Pelz wird wie der des Ha- ſen benutzt. Unſer zahmes Kaninchen iſt ganz unzweifelhaft ein Abkömmling des wilden, denn dieſes kann man in kurzer Zeit zähmen, jenes verwildert binnen wenigen Monaten vollſtändig und wirft dann auch gleich Junge, welche die Färbung des wilden an ſich tragen. Während unſerer Jugend- zeit erhielten wir manchmal eine bedeutende Anzahl von Kaninchen. Unter dieſen hatten wir einige, welche von ihrem Stalle aus Hof und Garten beſuchten. Dieſe warfen ſtets nur graue Junge, obgleich die Mutter ganz weiß und der Vater geſcheckt war. Das zahme Kaninchen hat ſehr verſchiedene Farben; es iſt ſchwarz, weiß, grau, roth, gelb oder geſcheckt. Es wird regelmäßig größer, als das wilde. Man hält es in einem gepflaſterten oder gedielten Stalle, in dem man ihm künſtliche Schlupfwinkel angelegt hat. Dies ſind entweder lange Käſten mit mehreren Löchern oder künſtliche Baue im Gemäuer. Außerdem gibt man ihnen viel Stroh und trockenes Mos, hält ſie auch im Winter warm und füttert ſie mit Heu, Gras, Blättern, Kohl u. ſ. w. Man kann ſie leicht gewöhnen, ſich die ihnen vorgehaltene Nahrung ſelbſt wegzunehmen; ganz zahm aber werden ſie ſel- ten, denn wenn man ſie angreift, verſuchen ſie gewöhnlich zu kratzen und zu beißen. Sie ſind we- niger verträglich, als die wilden. Zuſammen aufgewachſene leben zwar ſehr gut mit einander, fremde aber werden von der Jnwohnerſchaft eines Stalles oft recht arg gemißhandelt, ja ſogar todtgebiſſen. Jn Sachen der Liebe wird tüchtig gekämpft, und Manche tragen dabei ziemlich bedeutende Wunden davon. Das Weibchen baut in ſeiner Höhlung ein Neſt aus Stroh und Mos und füttert es ſehr ſchön mit ſeinen Bauchhaaren aus. Es wirft gewöhnlich zwiſchen fünf und ſieben, manchmal aber auch mehr Junge. Lenz hat ſich die Zahl der Jungen, die ein Weibchen in einem Jahre geworfen hatte, aufgeſchrieben: Am 9. Januar brachte das Weibchen ſechs, am 25. März neun, am 30. April fünf, am 29. Juni vier, am 29. Juli ſieben, am 1. Auguſt ſechs, am 1. September ſechs, am 7. Oktober neun und am 8. Dezember ſechs Junge, in einem Jahre alſo 58 Junge. „Jn demſelben Jahre,‟ ſagt er, „bekam ich zwei junge Weibchen, die aus einem Neſt ſtammten, und zwei Männchen, die zwei Tage ſpäter geboren waren, aus einem anderen und that ſie in einen eigenen Stall. Genau an demſelben Tage, wo die Weibchen den fünften Monat vollendet hatten, paarten ſie ſich mit den Männchen und beide gebaren, als ſie den ſechſten Monat vollendet hatten, das eine ſechs, das an- dere vier Junge. — Das Weibchen ſäugt ihre Kleinen in der Regel nicht bei Tage, ſelbſt wenn ſie noch ganz klein ſind, ſondern verrammelt, wenn es geht, den Eingang zu ihnen und beſucht ſie oft den Tag über nicht ein Mal, ſondern thut, als ob es von alle dem Richts wüßte. Dabei hat es aber doch ſein Augenmerk auf das Neſt gerichtet.‟ Vor den natürlichen Feinden haben auch die zahmen Kaninchen eine außerordentliche Scheu. Lenz that einmal fünf ſehr zahme Kaninchen zuſammen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/284>, abgerufen am 23.11.2024.