übrigen Speisen vor, und deshalb wüthet es da, wo es kann, mit unbeschreiblicher Mordgier. Jn den Hühnerställen tödtet es oft sämmtliche Bewohner und saugt dann blos deren Blut aus, ohne ihr Fleisch anzurühren. Dieser Blutgenuß berauscht es derart, daß man es morgens nicht selten mitten unter dem todten Geflügel schlafend antrifft. Jm Ganzen vorsichtig, wird es, so lange es seiner Blutgier fröhnen kann, vollkommen blind und taub, vergißt jede Gefahr und läßt sich, ohne von seinem Morden abzustehen, von den Hunden widerstandslos erwürgen oder von dem erbosten Bauer todtschlagen.
Man hat durch Beobachtung an Gefangenen mit hinlänglicher Sicherheit festgestellt, daß das Weibchen ungefähr nach vierzehntägiger Tragzeit seine Jungen wirft oder, besser gesagt, aus dem Mutterleibe in den Beutel befördert. Die Zahl der Jungen schwankt zwischen Vier und Sechszehn, die Keime sind anfänglich noch ganz formlos und klein, wie wir oben bemerkten, eher einem gallert- artigen Klümpchen, als einem Säugethiere ähnlich. Sie haben ungefähr die Größe einer Erbse und wiegen blos fünf Gran. Augen und Ohren fehlen, nicht einmal die Mundspalte ist deutlich, ob- wohl sie natürlich hinlänglich ausgebildet sein muß, um als Verbindungsmittel zwischen den Thier- keimen und seiner Mutter zu dienen. Der Mund entwickelt sich auch viel eher, als alle übrigen Theile des Leibes; denn erst viel später bilden sich die Augen und Ohren einigermaßen aus. Nach etwa vierzehn Tagen öffnet sich der Beutel, welchen die Mutter durch besondere Hautmuskeln willkürlich verengern oder erweitern kann, und nach etwa funfzig Tagen sind die Jungen bereits voll- ständig ausgebildet. Sie haben dann die Größe einer Maus, sind überall behaart und öffnen nun auch die Augen. Nach sechszig Tagen Saugzeit im Beutel ist ihr Gewicht auf mehr als das Hun- dertfache des früheren gestiegen: sie wiegen jetzt 21/2 Loth. Die Mutter gestattet unter keiner Be- dingung, daß ihr Beutel geöffnet werde, um die Jungen zu betrachten. Sie hält jede Marter aus, läßt sich sogar über dem Feuer aufhängen, ohne sich solchem Verlangen zu fügen. Erst wenn die Jungen die Größe einer Ratte erlangt haben, verlassen sie den Beutel, bleiben aber auch, nachdem sie schon laufen können, noch bei der Mutter und lassen diese für sich jagen und sorgen.
Wegen des Schadens, den das Opossum unter dem Hausgeflügel anrichtet, wenn es einmal in einen Meierhof einbricht, wird es überall gehaßt und schonungslos verfolgt. Zumal die Neger sind eifrige Feinde des Thieres und erlegen es, wo sie nur können, und zwar weil sie es am besten zu be- nutzen vermögen. Das Wildpret des Opossums nämlich ist für europäische Gaumen ungenießbar; denn ein äußerst widriger, stark knoblauchartiger Geruch, welcher aus zwei, zu beiden Seiten des Mast- darms liegenden Drüsen stammt, theilt sich auch dem Fleische mit und verdirbt es nach unserer Ansicht vollständig, während die Neger derartige zarte Rücksichten eben nicht hegen.
Das Gefangenleben des Opossums entspricht Voraussetzungen, zu welchen man sich durch Au- dubon's malerische Feder etwa veranlaßt sehen könnte, durchaus nicht. Jch muß nach meinen Er- fahrungen behaupten, daß dieses Thier noch langweiliger ist, als der Raubbeutler oder Beutel- marder. Regungslos, in sich zusammengerollt, liegt es den ganzen Tag über in seinem Käfig, und nur wenn man es reizt, bequemt es sich wenigstens zu einer Bewegung: es össnet den Rachen so weit als möglich und solange, als man vor ihm steht, gerade, als ob es die Maulsperre hätte. Von dem Verstand, welchen Audubon am wildlebenden Thiere beobachtete, bemerkt man keine Spur. Es ist träge, faul, schlafsüchtig und erscheint erschrecklich dumm: mit diesen Worten ist sein Betragen in der Gefangenschaft am besten beschrieben.
Von den eigentlichen Beutelratten unterscheiden sich die Schupatis (Philander) hauptsächlich durch den unvollkommenen Beutel des Weibchens. Dieser wird nämlich nur durch zwei Hautfalten gebildet, welche sich über die an den Zitzen hängenden, noch unausgebildeten Jungen hinweglegen.
Die größte Art aller Schupatis und zugleich die größte Beutelratte überhaupt ist der Krebs- beutler (Philander cancrivorus), ein Thier von sechszehn Zoll Körperlänge, mit funfzehn Zoll
Die Schupalis.
übrigen Speiſen vor, und deshalb wüthet es da, wo es kann, mit unbeſchreiblicher Mordgier. Jn den Hühnerſtällen tödtet es oft ſämmtliche Bewohner und ſaugt dann blos deren Blut aus, ohne ihr Fleiſch anzurühren. Dieſer Blutgenuß berauſcht es derart, daß man es morgens nicht ſelten mitten unter dem todten Geflügel ſchlafend antrifft. Jm Ganzen vorſichtig, wird es, ſo lange es ſeiner Blutgier fröhnen kann, vollkommen blind und taub, vergißt jede Gefahr und läßt ſich, ohne von ſeinem Morden abzuſtehen, von den Hunden widerſtandslos erwürgen oder von dem erboſten Bauer todtſchlagen.
Man hat durch Beobachtung an Gefangenen mit hinlänglicher Sicherheit feſtgeſtellt, daß das Weibchen ungefähr nach vierzehntägiger Tragzeit ſeine Jungen wirft oder, beſſer geſagt, aus dem Mutterleibe in den Beutel befördert. Die Zahl der Jungen ſchwankt zwiſchen Vier und Sechszehn, die Keime ſind anfänglich noch ganz formlos und klein, wie wir oben bemerkten, eher einem gallert- artigen Klümpchen, als einem Säugethiere ähnlich. Sie haben ungefähr die Größe einer Erbſe und wiegen blos fünf Gran. Augen und Ohren fehlen, nicht einmal die Mundſpalte iſt deutlich, ob- wohl ſie natürlich hinlänglich ausgebildet ſein muß, um als Verbindungsmittel zwiſchen den Thier- keimen und ſeiner Mutter zu dienen. Der Mund entwickelt ſich auch viel eher, als alle übrigen Theile des Leibes; denn erſt viel ſpäter bilden ſich die Augen und Ohren einigermaßen aus. Nach etwa vierzehn Tagen öffnet ſich der Beutel, welchen die Mutter durch beſondere Hautmuskeln willkürlich verengern oder erweitern kann, und nach etwa funfzig Tagen ſind die Jungen bereits voll- ſtändig ausgebildet. Sie haben dann die Größe einer Maus, ſind überall behaart und öffnen nun auch die Augen. Nach ſechszig Tagen Saugzeit im Beutel iſt ihr Gewicht auf mehr als das Hun- dertfache des früheren geſtiegen: ſie wiegen jetzt 2½ Loth. Die Mutter geſtattet unter keiner Be- dingung, daß ihr Beutel geöffnet werde, um die Jungen zu betrachten. Sie hält jede Marter aus, läßt ſich ſogar über dem Feuer aufhängen, ohne ſich ſolchem Verlangen zu fügen. Erſt wenn die Jungen die Größe einer Ratte erlangt haben, verlaſſen ſie den Beutel, bleiben aber auch, nachdem ſie ſchon laufen können, noch bei der Mutter und laſſen dieſe für ſich jagen und ſorgen.
Wegen des Schadens, den das Opoſſum unter dem Hausgeflügel anrichtet, wenn es einmal in einen Meierhof einbricht, wird es überall gehaßt und ſchonungslos verfolgt. Zumal die Neger ſind eifrige Feinde des Thieres und erlegen es, wo ſie nur können, und zwar weil ſie es am beſten zu be- nutzen vermögen. Das Wildpret des Opoſſums nämlich iſt für europäiſche Gaumen ungenießbar; denn ein äußerſt widriger, ſtark knoblauchartiger Geruch, welcher aus zwei, zu beiden Seiten des Maſt- darms liegenden Drüſen ſtammt, theilt ſich auch dem Fleiſche mit und verdirbt es nach unſerer Anſicht vollſtändig, während die Neger derartige zarte Rückſichten eben nicht hegen.
Das Gefangenleben des Opoſſums entſpricht Vorausſetzungen, zu welchen man ſich durch Au- dubon’s maleriſche Feder etwa veranlaßt ſehen könnte, durchaus nicht. Jch muß nach meinen Er- fahrungen behaupten, daß dieſes Thier noch langweiliger iſt, als der Raubbeutler oder Beutel- marder. Regungslos, in ſich zuſammengerollt, liegt es den ganzen Tag über in ſeinem Käfig, und nur wenn man es reizt, bequemt es ſich wenigſtens zu einer Bewegung: es öſſnet den Rachen ſo weit als möglich und ſolange, als man vor ihm ſteht, gerade, als ob es die Maulſperre hätte. Von dem Verſtand, welchen Audubon am wildlebenden Thiere beobachtete, bemerkt man keine Spur. Es iſt träge, faul, ſchlafſüchtig und erſcheint erſchrecklich dumm: mit dieſen Worten iſt ſein Betragen in der Gefangenſchaft am beſten beſchrieben.
Von den eigentlichen Beutelratten unterſcheiden ſich die Schupatis (Philander) hauptſächlich durch den unvollkommenen Beutel des Weibchens. Dieſer wird nämlich nur durch zwei Hautfalten gebildet, welche ſich über die an den Zitzen hängenden, noch unausgebildeten Jungen hinweglegen.
Die größte Art aller Schupatis und zugleich die größte Beutelratte überhaupt iſt der Krebs- beutler (Philander cancrivorus), ein Thier von ſechszehn Zoll Körperlänge, mit funfzehn Zoll
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Die Schupalis.
übrigen Speiſen vor, und deshalb wüthet es da, wo es kann, mit unbeſchreiblicher Mordgier. Jn
den Hühnerſtällen tödtet es oft ſämmtliche Bewohner und ſaugt dann blos deren Blut aus, ohne ihr
Fleiſch anzurühren. Dieſer Blutgenuß berauſcht es derart, daß man es morgens nicht ſelten mitten
unter dem todten Geflügel ſchlafend antrifft. Jm Ganzen vorſichtig, wird es, ſo lange es ſeiner
Blutgier fröhnen kann, vollkommen blind und taub, vergißt jede Gefahr und läßt ſich, ohne von
ſeinem Morden abzuſtehen, von den Hunden widerſtandslos erwürgen oder von dem erboſten Bauer
todtſchlagen.
Man hat durch Beobachtung an Gefangenen mit hinlänglicher Sicherheit feſtgeſtellt, daß das
Weibchen ungefähr nach vierzehntägiger Tragzeit ſeine Jungen wirft oder, beſſer geſagt, aus dem
Mutterleibe in den Beutel befördert. Die Zahl der Jungen ſchwankt zwiſchen Vier und Sechszehn,
die Keime ſind anfänglich noch ganz formlos und klein, wie wir oben bemerkten, eher einem gallert-
artigen Klümpchen, als einem Säugethiere ähnlich. Sie haben ungefähr die Größe einer Erbſe und
wiegen blos fünf Gran. Augen und Ohren fehlen, nicht einmal die Mundſpalte iſt deutlich, ob-
wohl ſie natürlich hinlänglich ausgebildet ſein muß, um als Verbindungsmittel zwiſchen den Thier-
keimen und ſeiner Mutter zu dienen. Der Mund entwickelt ſich auch viel eher, als alle übrigen
Theile des Leibes; denn erſt viel ſpäter bilden ſich die Augen und Ohren einigermaßen aus. Nach
etwa vierzehn Tagen öffnet ſich der Beutel, welchen die Mutter durch beſondere Hautmuskeln
willkürlich verengern oder erweitern kann, und nach etwa funfzig Tagen ſind die Jungen bereits voll-
ſtändig ausgebildet. Sie haben dann die Größe einer Maus, ſind überall behaart und öffnen nun
auch die Augen. Nach ſechszig Tagen Saugzeit im Beutel iſt ihr Gewicht auf mehr als das Hun-
dertfache des früheren geſtiegen: ſie wiegen jetzt 2½ Loth. Die Mutter geſtattet unter keiner Be-
dingung, daß ihr Beutel geöffnet werde, um die Jungen zu betrachten. Sie hält jede Marter aus,
läßt ſich ſogar über dem Feuer aufhängen, ohne ſich ſolchem Verlangen zu fügen. Erſt wenn die
Jungen die Größe einer Ratte erlangt haben, verlaſſen ſie den Beutel, bleiben aber auch, nachdem ſie
ſchon laufen können, noch bei der Mutter und laſſen dieſe für ſich jagen und ſorgen.
Wegen des Schadens, den das Opoſſum unter dem Hausgeflügel anrichtet, wenn es einmal in
einen Meierhof einbricht, wird es überall gehaßt und ſchonungslos verfolgt. Zumal die Neger ſind
eifrige Feinde des Thieres und erlegen es, wo ſie nur können, und zwar weil ſie es am beſten zu be-
nutzen vermögen. Das Wildpret des Opoſſums nämlich iſt für europäiſche Gaumen ungenießbar; denn
ein äußerſt widriger, ſtark knoblauchartiger Geruch, welcher aus zwei, zu beiden Seiten des Maſt-
darms liegenden Drüſen ſtammt, theilt ſich auch dem Fleiſche mit und verdirbt es nach unſerer Anſicht
vollſtändig, während die Neger derartige zarte Rückſichten eben nicht hegen.
Das Gefangenleben des Opoſſums entſpricht Vorausſetzungen, zu welchen man ſich durch Au-
dubon’s maleriſche Feder etwa veranlaßt ſehen könnte, durchaus nicht. Jch muß nach meinen Er-
fahrungen behaupten, daß dieſes Thier noch langweiliger iſt, als der Raubbeutler oder Beutel-
marder. Regungslos, in ſich zuſammengerollt, liegt es den ganzen Tag über in ſeinem Käfig, und
nur wenn man es reizt, bequemt es ſich wenigſtens zu einer Bewegung: es öſſnet den Rachen ſo weit
als möglich und ſolange, als man vor ihm ſteht, gerade, als ob es die Maulſperre hätte. Von dem
Verſtand, welchen Audubon am wildlebenden Thiere beobachtete, bemerkt man keine Spur. Es iſt
träge, faul, ſchlafſüchtig und erſcheint erſchrecklich dumm: mit dieſen Worten iſt ſein Betragen in
der Gefangenſchaft am beſten beſchrieben.
Von den eigentlichen Beutelratten unterſcheiden ſich die Schupatis (Philander) hauptſächlich
durch den unvollkommenen Beutel des Weibchens. Dieſer wird nämlich nur durch zwei Hautfalten
gebildet, welche ſich über die an den Zitzen hängenden, noch unausgebildeten Jungen hinweglegen.
Die größte Art aller Schupatis und zugleich die größte Beutelratte überhaupt iſt der Krebs-
beutler (Philander cancrivorus), ein Thier von ſechszehn Zoll Körperlänge, mit funfzehn Zoll
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/32>, abgerufen am 23.11.2024.
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