Die pferdezüchtenden Steppenbewohner fürchten die Tarpans noch mehr, als die Wölfe, weil jene ihnen oft großen Schaden und zwar auf ganz eigenthümliche Weise zufügen. Sobald nämlich eine der wilden Herden zahme Pferde erblickt, eilt sie auf diese los, umgibt sie und führt sie durch Güte oder Gewalt mit sich weg. Hierdurch entstehen dann Muzins, doch nur falls die ursprünglich zahmen Pferde sich nicht mit den wilden vermischen. Letzteres geschieht jedoch häufig genug, und des- halb finden sich die Tarpans in völliger Reinheit blos noch auf einem verhältnißmäßig kleinen Ge- biete am Karakum, an dem Flusse Tom, den Einöden der Mongolei und der Wüste Gobi.
Der Tarpan ist überaus schwer zu zähmen. Sein höchst lebendiges Wesen, seine Stärke und Wildheit spotten selbst der Künste der pferdekundigen Mongolen. Es scheint, als ob das Thier die Gefangenschaft gar nicht ertragen könne. Die meisten gefangenen Tarpans gehen in ihr schon im zweiten Jahre zu Grunde. Auch Fohlen erlangen nur einen geringen Grad von Zähmung; sie blei- ben bei der sorgfältigsten Behandlung wild und stutzig. Als Reitpferde sind die Wildlinge gar nicht zu gebrauchen. Sie lassen sich höchstens mit einem zahmen Pferde vor den Wagen spannen und machen auch hier dem mitarbeitenden Rosse und dem Lenker viel zu schaffen.
Man jagt die Thiere des Schadens wegen, den sie den herdenzüchtenden Mongolen durch ihre Entführungsgelüste zufügen. Dabei wird immer zuerst auf den Hengst gefahndet, weil die Stuten, wenn dieser fiel, sich zersprengen und dann um so leichter den Jägern zur Beute werden.
Die Muzins erkennt man an der Unordnung ihrer Bewegung; denn nur zuweilen findet man unter ihnen Tarpan-Hengste, welche hier die Führung und Leitung übernehmen. Auch Muzins ver- locken zahme Pferde, mit ihnen die unbegrenzte Freiheit zu theilen. Man sagt, daß sie über die breitesten Ströme setzten und Sümpfe zu durchwandern vermöchten, vor denen die Tarpans sich scheuten.
Ueber die afrikanischen Wildpferde fehlen noch genauere Nachrichten. Alte Schriftsteller haben von einem Zwergpferde gesprochen, welches im Norden und Westen Afrikas in voller Wildheit lebt. Das Thier hat mit dem Pony die größte Aehnlichkeit. Es ist sehr klein, gedrungen, aber ver- hältnißmäßig gebaut, dickköpfig, breit an der Stirn, mit ziemlich großen Ohren und kleinen Augen, struppiger Mähne und Schwanz; das übrige Haar ist glatt anliegend, aber auf der Stirn wollig, die Färbung desselben ist ein einförmiges Aschgrau oder Weiß. Noch zur Zeit der Römer scheint dieses Pferd ziemlich weit verbreitet gewesen zu sein; heutzutage findet man es nur noch in den Ge- birgsländern des Westens, und zwar an schattigen Wäldern, welche es nur gezwungen verläßt. Es lebt in kleinen Gesellschaften, ist äußerst scheu und flüchtig und entzieht sich vorsichtig jeder Gefahr, vertheidigt sich aber doch, wenn es nicht anders sein kann, mit dem größten Muthe gegen andringende Feinde, zumal gegen die Raubthiere. Seine Stimme ist ein Mittelding zwischen dem Wiehern un- seres Pferdes und dem Schreien des Esels. Die Eingeborenen fangen und zähmen es. Zuerst zeigt es sich zwar außerordentlich wild und störrisch, aber schon nach sehr kurzer Zeit fügt es sich unter die Gewalt des Menschen, und gezähmte gelten als gutartige, ruhige Thiere. Die Araber nennen es Kumrah, wie die Bewohner der Nigerländer, seiner eigentlichen Heimat.
Neben diesen, wie es scheint, wilden Pferden, gibt es auch verwilderte, und zwar hauptsächlich in Südamerika. Ueber sie haben uns namentlich Azara und Rengger belehrt. "Die im Jahre 1535 gegründete Stadt Buenos Ayres," sagt Ersterer, "wurde später verlassen. Die ausziehenden Einwohner gaben sich gar nicht die Mühe, alle ihre Pferde zu sammeln. So blieben deren fünf bis sieben zurück und sich selbst überlassen. Als im Jahre 1580 dieselbe Stadt wieder in Besitz genommen und bewohnt wurde, fand man bereits eine Menge verwilderter Pferde, die Nachkommenschaft der wenigen aus- gesetzten. Schon im Jahre 1596 wurde es Jedem erlaubt, diese Pferde einzufangen und für sich zu gebrauchen. Dies ist der Ursprung der unzählbaren Pferdeherden, welche sich im Süden des Rio de la Plata herumtreiben."
Brehm, Thierleben. II. 22
Der Tarpan. — Wildpferde.
Die pferdezüchtenden Steppenbewohner fürchten die Tarpans noch mehr, als die Wölfe, weil jene ihnen oft großen Schaden und zwar auf ganz eigenthümliche Weiſe zufügen. Sobald nämlich eine der wilden Herden zahme Pferde erblickt, eilt ſie auf dieſe los, umgibt ſie und führt ſie durch Güte oder Gewalt mit ſich weg. Hierdurch entſtehen dann Muzins, doch nur falls die urſprünglich zahmen Pferde ſich nicht mit den wilden vermiſchen. Letzteres geſchieht jedoch häufig genug, und des- halb finden ſich die Tarpans in völliger Reinheit blos noch auf einem verhältnißmäßig kleinen Ge- biete am Karakum, an dem Fluſſe Tom, den Einöden der Mongolei und der Wüſte Gobi.
Der Tarpan iſt überaus ſchwer zu zähmen. Sein höchſt lebendiges Weſen, ſeine Stärke und Wildheit ſpotten ſelbſt der Künſte der pferdekundigen Mongolen. Es ſcheint, als ob das Thier die Gefangenſchaft gar nicht ertragen könne. Die meiſten gefangenen Tarpans gehen in ihr ſchon im zweiten Jahre zu Grunde. Auch Fohlen erlangen nur einen geringen Grad von Zähmung; ſie blei- ben bei der ſorgfältigſten Behandlung wild und ſtutzig. Als Reitpferde ſind die Wildlinge gar nicht zu gebrauchen. Sie laſſen ſich höchſtens mit einem zahmen Pferde vor den Wagen ſpannen und machen auch hier dem mitarbeitenden Roſſe und dem Lenker viel zu ſchaffen.
Man jagt die Thiere des Schadens wegen, den ſie den herdenzüchtenden Mongolen durch ihre Entführungsgelüſte zufügen. Dabei wird immer zuerſt auf den Hengſt gefahndet, weil die Stuten, wenn dieſer fiel, ſich zerſprengen und dann um ſo leichter den Jägern zur Beute werden.
Die Muzins erkennt man an der Unordnung ihrer Bewegung; denn nur zuweilen findet man unter ihnen Tarpan-Hengſte, welche hier die Führung und Leitung übernehmen. Auch Muzins ver- locken zahme Pferde, mit ihnen die unbegrenzte Freiheit zu theilen. Man ſagt, daß ſie über die breiteſten Ströme ſetzten und Sümpfe zu durchwandern vermöchten, vor denen die Tarpans ſich ſcheuten.
Ueber die afrikaniſchen Wildpferde fehlen noch genauere Nachrichten. Alte Schriftſteller haben von einem Zwergpferde geſprochen, welches im Norden und Weſten Afrikas in voller Wildheit lebt. Das Thier hat mit dem Pony die größte Aehnlichkeit. Es iſt ſehr klein, gedrungen, aber ver- hältnißmäßig gebaut, dickköpfig, breit an der Stirn, mit ziemlich großen Ohren und kleinen Augen, ſtruppiger Mähne und Schwanz; das übrige Haar iſt glatt anliegend, aber auf der Stirn wollig, die Färbung deſſelben iſt ein einförmiges Aſchgrau oder Weiß. Noch zur Zeit der Römer ſcheint dieſes Pferd ziemlich weit verbreitet geweſen zu ſein; heutzutage findet man es nur noch in den Ge- birgsländern des Weſtens, und zwar an ſchattigen Wäldern, welche es nur gezwungen verläßt. Es lebt in kleinen Geſellſchaften, iſt äußerſt ſcheu und flüchtig und entzieht ſich vorſichtig jeder Gefahr, vertheidigt ſich aber doch, wenn es nicht anders ſein kann, mit dem größten Muthe gegen andringende Feinde, zumal gegen die Raubthiere. Seine Stimme iſt ein Mittelding zwiſchen dem Wiehern un- ſeres Pferdes und dem Schreien des Eſels. Die Eingeborenen fangen und zähmen es. Zuerſt zeigt es ſich zwar außerordentlich wild und ſtörriſch, aber ſchon nach ſehr kurzer Zeit fügt es ſich unter die Gewalt des Menſchen, und gezähmte gelten als gutartige, ruhige Thiere. Die Araber nennen es Kumrah, wie die Bewohner der Nigerländer, ſeiner eigentlichen Heimat.
Neben dieſen, wie es ſcheint, wilden Pferden, gibt es auch verwilderte, und zwar hauptſächlich in Südamerika. Ueber ſie haben uns namentlich Azara und Rengger belehrt. „Die im Jahre 1535 gegründete Stadt Buenos Ayres,‟ ſagt Erſterer, „wurde ſpäter verlaſſen. Die ausziehenden Einwohner gaben ſich gar nicht die Mühe, alle ihre Pferde zu ſammeln. So blieben deren fünf bis ſieben zurück und ſich ſelbſt überlaſſen. Als im Jahre 1580 dieſelbe Stadt wieder in Beſitz genommen und bewohnt wurde, fand man bereits eine Menge verwilderter Pferde, die Nachkommenſchaft der wenigen aus- geſetzten. Schon im Jahre 1596 wurde es Jedem erlaubt, dieſe Pferde einzufangen und für ſich zu gebrauchen. Dies iſt der Urſprung der unzählbaren Pferdeherden, welche ſich im Süden des Rio de la Plata herumtreiben.‟
Brehm, Thierleben. II. 22
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Der Tarpan. — Wildpferde.
Die pferdezüchtenden Steppenbewohner fürchten die Tarpans noch mehr, als die Wölfe, weil
jene ihnen oft großen Schaden und zwar auf ganz eigenthümliche Weiſe zufügen. Sobald nämlich
eine der wilden Herden zahme Pferde erblickt, eilt ſie auf dieſe los, umgibt ſie und führt ſie durch
Güte oder Gewalt mit ſich weg. Hierdurch entſtehen dann Muzins, doch nur falls die urſprünglich
zahmen Pferde ſich nicht mit den wilden vermiſchen. Letzteres geſchieht jedoch häufig genug, und des-
halb finden ſich die Tarpans in völliger Reinheit blos noch auf einem verhältnißmäßig kleinen Ge-
biete am Karakum, an dem Fluſſe Tom, den Einöden der Mongolei und der Wüſte Gobi.
Der Tarpan iſt überaus ſchwer zu zähmen. Sein höchſt lebendiges Weſen, ſeine Stärke und
Wildheit ſpotten ſelbſt der Künſte der pferdekundigen Mongolen. Es ſcheint, als ob das Thier die
Gefangenſchaft gar nicht ertragen könne. Die meiſten gefangenen Tarpans gehen in ihr ſchon im
zweiten Jahre zu Grunde. Auch Fohlen erlangen nur einen geringen Grad von Zähmung; ſie blei-
ben bei der ſorgfältigſten Behandlung wild und ſtutzig. Als Reitpferde ſind die Wildlinge gar nicht
zu gebrauchen. Sie laſſen ſich höchſtens mit einem zahmen Pferde vor den Wagen ſpannen und
machen auch hier dem mitarbeitenden Roſſe und dem Lenker viel zu ſchaffen.
Man jagt die Thiere des Schadens wegen, den ſie den herdenzüchtenden Mongolen durch ihre
Entführungsgelüſte zufügen. Dabei wird immer zuerſt auf den Hengſt gefahndet, weil die Stuten,
wenn dieſer fiel, ſich zerſprengen und dann um ſo leichter den Jägern zur Beute werden.
Die Muzins erkennt man an der Unordnung ihrer Bewegung; denn nur zuweilen findet man
unter ihnen Tarpan-Hengſte, welche hier die Führung und Leitung übernehmen. Auch Muzins ver-
locken zahme Pferde, mit ihnen die unbegrenzte Freiheit zu theilen. Man ſagt, daß ſie über die
breiteſten Ströme ſetzten und Sümpfe zu durchwandern vermöchten, vor denen die Tarpans ſich
ſcheuten.
Ueber die afrikaniſchen Wildpferde fehlen noch genauere Nachrichten. Alte Schriftſteller haben
von einem Zwergpferde geſprochen, welches im Norden und Weſten Afrikas in voller Wildheit lebt.
Das Thier hat mit dem Pony die größte Aehnlichkeit. Es iſt ſehr klein, gedrungen, aber ver-
hältnißmäßig gebaut, dickköpfig, breit an der Stirn, mit ziemlich großen Ohren und kleinen Augen,
ſtruppiger Mähne und Schwanz; das übrige Haar iſt glatt anliegend, aber auf der Stirn wollig,
die Färbung deſſelben iſt ein einförmiges Aſchgrau oder Weiß. Noch zur Zeit der Römer ſcheint
dieſes Pferd ziemlich weit verbreitet geweſen zu ſein; heutzutage findet man es nur noch in den Ge-
birgsländern des Weſtens, und zwar an ſchattigen Wäldern, welche es nur gezwungen verläßt. Es
lebt in kleinen Geſellſchaften, iſt äußerſt ſcheu und flüchtig und entzieht ſich vorſichtig jeder Gefahr,
vertheidigt ſich aber doch, wenn es nicht anders ſein kann, mit dem größten Muthe gegen andringende
Feinde, zumal gegen die Raubthiere. Seine Stimme iſt ein Mittelding zwiſchen dem Wiehern un-
ſeres Pferdes und dem Schreien des Eſels. Die Eingeborenen fangen und zähmen es. Zuerſt zeigt
es ſich zwar außerordentlich wild und ſtörriſch, aber ſchon nach ſehr kurzer Zeit fügt es ſich unter
die Gewalt des Menſchen, und gezähmte gelten als gutartige, ruhige Thiere. Die Araber nennen
es Kumrah, wie die Bewohner der Nigerländer, ſeiner eigentlichen Heimat.
Neben dieſen, wie es ſcheint, wilden Pferden, gibt es auch verwilderte, und zwar hauptſächlich
in Südamerika. Ueber ſie haben uns namentlich Azara und Rengger belehrt. „Die im Jahre 1535
gegründete Stadt Buenos Ayres,‟ ſagt Erſterer, „wurde ſpäter verlaſſen. Die ausziehenden Einwohner
gaben ſich gar nicht die Mühe, alle ihre Pferde zu ſammeln. So blieben deren fünf bis ſieben zurück
und ſich ſelbſt überlaſſen. Als im Jahre 1580 dieſelbe Stadt wieder in Beſitz genommen und bewohnt
wurde, fand man bereits eine Menge verwilderter Pferde, die Nachkommenſchaft der wenigen aus-
geſetzten. Schon im Jahre 1596 wurde es Jedem erlaubt, dieſe Pferde einzufangen und für ſich zu
gebrauchen. Dies iſt der Urſprung der unzählbaren Pferdeherden, welche ſich im Süden des Rio de
la Plata herumtreiben.‟
Brehm, Thierleben. II. 22
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/357>, abgerufen am 23.11.2024.
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