eigentlich stammt. Ganz wilde oder verwilderte Kamele finden sich nirgends mehr, weder in Afrika, noch in Asien.
Das Kamel ist ein eigentliches Wüstenthier und befindet sich blos in den trockensten und heißesten Landstrichen wohl; im angebauten und feuchten Lande verliert es sein eigentliches Wesen. Jn Egypten hat man wahrscheinlich durch das reichlichere Futter nach und nach sehr große und schwere Kamele gezogen; aber diese haben eine der schätzbarsten Eigenschaften, die Leichtigkeit ihres Ganges, ihre Ausdauer und ihre Enthaltsamkeit verloren und werden deshalb von den Arabern der Wüste sehr verachtet. Jn den eigentlichen Tropenländern Afrikas aber, da, wo die Pflanzenwelt ganz das Gepräge der südamerikanischen und südasiatischen Wendekreisländer annimmt, gedeiht das Kamel nicht mehr. Vielfache Versuche, die man gemacht hat, um mit ihm nach dem eigentlichen Herzen von Afrika vorzudringen, sind gescheitert. Bis zum 12. Grade besindet sich das Thier wohl und gedeiht vortrefflich; weiter südlich gegen den Gleicher hin, wird es schwächlich, und wenn man es noch ein paar Grade südlicher führt, erliegt es bei dem reichlichsten Futter, ohne eigentlich erklärliche Ursache. Zwar behaupten die Araber, daß eine Fliege, die sie außerordentlich fürchten, die Schuld an dem zu Grunde gehen ihrer Kamele trage; doch beruht diese Meinung entschieden auf einem Jrrthum: das Kamel kann die wasserreichen Landstriche nicht ertragen. Auch Gebirgsgegenden sagen dem Thier nicht zu, obwohl es hier noch recht gut benutzt werden kann.
Bisjetzt hat man noch wenig Versuche gemacht, das nützliche Thier außerhalb nördlich des großen Wüstenzuges anzusiedeln; doch darf man schwerlich bezweifeln, daß es noch etwa bis zum 40. Grade nördl. Breite hin gedeihen werde. Jm Jahre 1622 ließ Ferdinand der Zweite von Medicis in Toskana Trampelthiere einführen, und bis zur Stunde hat sich die Zucht dieser Thiere dort erhalten. Jm Gebiet von San Rossore bei Pisa befinden sich die Kamele auf einer großen sandigen Ebene sehr wohl und leben ganz wie in ihrer Heimat. Jm Jahre 1810 zählte man 170 und 1840 171 Stück. Vonhieraus hat man bis zur Stunde alle Thiergärten und Thierschaubuden versehen. Jn Süd- spanien hat man in der Neuzeit auch daran gedacht, Kamele zu züchten und über alle Erwartung günstige Ergebnisse erhalten. Die Kamele gedeihen dort ganz vortrefflich, und die Bedingungen sind auch entschieden sehr günstige. Gegenwärtig geht man mit dem Plane um, das Wüstenschiff nach der neuen Welt und zwar nach Mejiko zu versetzen. Jn Tejas wandern seit 1858 hundert Kamele vom Mississippi durch pfadlose Wildnisse nach dem stillen Weltmeere; die Regierung von Bolivia hat Kamele in die Cordilleren kommen lassen; auf Cuba gab es schon im Jahre 1841 siebzig Stück.
Jm ganzen Norden und Osten Afrikas wird das Kamel gegenwärtig in ungeheurer Anzahl gezüchtet. Manche Araberstämme besitzen Tausende und Hunderttausende. Jn Sudahn lernte ich Häuptlinge kennen, welche allein 500 bis 2000 Stück Kamele zu eigen hatten; in den Steppen Kor- dofahns sah ich Herden von mindestens anderthalbtausend Stück auf der Weide. Die einzige Wüsten- straße zwischen Korosko und Abu Hammed in Nubien setzt mehrere Tausend von Kamelen in Bewegung. Ehe die Eisenbahn von Kairo nach Sues fertig war, vermittelten ungefähr sechshundert Kamele, welche täglich unterwegs waren, den Verkehr. Bei Ankunft der ostindischen Post sah man Züge von je zwei- bis dreihundert Stück mehrere Stunden nach einander aus den Thoren der einen oder der anderen Stadt ziehen. Geradezu unschätzbar ist die Anzahl der Kamele, welche auf den großen Wüstenstraßen zwischen den Nigerländern und dem Norden Afrikas in Bewegung sind. Der Stamm der Tibbo allein mag ein paarmal hunderttausend Kamele besitzen; die Berbern haben sicherlich mehr als eine Million. Auch im glücklichen und steinigen Arabien werden viele Kamele gezogen, und namentlich das Land Nedjed gilt als das reichste an diesen Thieren. Es versorgt Syrien, den Hedjas und Jemen mit ihnen, und liefert jährlich viele Tausend allein nach Anatolien. Die Zahl der Kamele, welche jährlich an den Wüstenstraßen zu Grunde gehen, ist nicht zu berechnen; wie groß sie aber ist, kann man am besten ersehen, wenn man selbst durch die Wüste reist. Jn der nubischen Wüste sowohl, wie in der Bahinda, sand ich am Ein- und Ausgange der vorhin genannten Straßen auf viele Meilen hin ein Kamelgerippe so dicht an dem anderen, daß die Straße durch die weiß-
Brehm, Thierleben. II. 25
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
eigentlich ſtammt. Ganz wilde oder verwilderte Kamele finden ſich nirgends mehr, weder in Afrika, noch in Aſien.
Das Kamel iſt ein eigentliches Wüſtenthier und befindet ſich blos in den trockenſten und heißeſten Landſtrichen wohl; im angebauten und feuchten Lande verliert es ſein eigentliches Weſen. Jn Egypten hat man wahrſcheinlich durch das reichlichere Futter nach und nach ſehr große und ſchwere Kamele gezogen; aber dieſe haben eine der ſchätzbarſten Eigenſchaften, die Leichtigkeit ihres Ganges, ihre Ausdauer und ihre Enthaltſamkeit verloren und werden deshalb von den Arabern der Wüſte ſehr verachtet. Jn den eigentlichen Tropenländern Afrikas aber, da, wo die Pflanzenwelt ganz das Gepräge der ſüdamerikaniſchen und ſüdaſiatiſchen Wendekreisländer annimmt, gedeiht das Kamel nicht mehr. Vielfache Verſuche, die man gemacht hat, um mit ihm nach dem eigentlichen Herzen von Afrika vorzudringen, ſind geſcheitert. Bis zum 12. Grade beſindet ſich das Thier wohl und gedeiht vortrefflich; weiter ſüdlich gegen den Gleicher hin, wird es ſchwächlich, und wenn man es noch ein paar Grade ſüdlicher führt, erliegt es bei dem reichlichſten Futter, ohne eigentlich erklärliche Urſache. Zwar behaupten die Araber, daß eine Fliege, die ſie außerordentlich fürchten, die Schuld an dem zu Grunde gehen ihrer Kamele trage; doch beruht dieſe Meinung entſchieden auf einem Jrrthum: das Kamel kann die waſſerreichen Landſtriche nicht ertragen. Auch Gebirgsgegenden ſagen dem Thier nicht zu, obwohl es hier noch recht gut benutzt werden kann.
Bisjetzt hat man noch wenig Verſuche gemacht, das nützliche Thier außerhalb nördlich des großen Wüſtenzuges anzuſiedeln; doch darf man ſchwerlich bezweifeln, daß es noch etwa bis zum 40. Grade nördl. Breite hin gedeihen werde. Jm Jahre 1622 ließ Ferdinand der Zweite von Medicis in Toskana Trampelthiere einführen, und bis zur Stunde hat ſich die Zucht dieſer Thiere dort erhalten. Jm Gebiet von San Roſſore bei Piſa befinden ſich die Kamele auf einer großen ſandigen Ebene ſehr wohl und leben ganz wie in ihrer Heimat. Jm Jahre 1810 zählte man 170 und 1840 171 Stück. Vonhieraus hat man bis zur Stunde alle Thiergärten und Thierſchaubuden verſehen. Jn Süd- ſpanien hat man in der Neuzeit auch daran gedacht, Kamele zu züchten und über alle Erwartung günſtige Ergebniſſe erhalten. Die Kamele gedeihen dort ganz vortrefflich, und die Bedingungen ſind auch entſchieden ſehr günſtige. Gegenwärtig geht man mit dem Plane um, das Wüſtenſchiff nach der neuen Welt und zwar nach Mejiko zu verſetzen. Jn Tejas wandern ſeit 1858 hundert Kamele vom Miſſiſſippi durch pfadloſe Wildniſſe nach dem ſtillen Weltmeere; die Regierung von Bolivia hat Kamele in die Cordilleren kommen laſſen; auf Cuba gab es ſchon im Jahre 1841 ſiebzig Stück.
Jm ganzen Norden und Oſten Afrikas wird das Kamel gegenwärtig in ungeheurer Anzahl gezüchtet. Manche Araberſtämme beſitzen Tauſende und Hunderttauſende. Jn Sudahn lernte ich Häuptlinge kennen, welche allein 500 bis 2000 Stück Kamele zu eigen hatten; in den Steppen Kor- dofahns ſah ich Herden von mindeſtens anderthalbtauſend Stück auf der Weide. Die einzige Wüſten- ſtraße zwiſchen Korosko und Abu Hammed in Nubien ſetzt mehrere Tauſend von Kamelen in Bewegung. Ehe die Eiſenbahn von Kairo nach Sues fertig war, vermittelten ungefähr ſechshundert Kamele, welche täglich unterwegs waren, den Verkehr. Bei Ankunft der oſtindiſchen Poſt ſah man Züge von je zwei- bis dreihundert Stück mehrere Stunden nach einander aus den Thoren der einen oder der anderen Stadt ziehen. Geradezu unſchätzbar iſt die Anzahl der Kamele, welche auf den großen Wüſtenſtraßen zwiſchen den Nigerländern und dem Norden Afrikas in Bewegung ſind. Der Stamm der Tibbo allein mag ein paarmal hunderttauſend Kamele beſitzen; die Berbern haben ſicherlich mehr als eine Million. Auch im glücklichen und ſteinigen Arabien werden viele Kamele gezogen, und namentlich das Land Nedjed gilt als das reichſte an dieſen Thieren. Es verſorgt Syrien, den Hedjas und Jemen mit ihnen, und liefert jährlich viele Tauſend allein nach Anatolien. Die Zahl der Kamele, welche jährlich an den Wüſtenſtraßen zu Grunde gehen, iſt nicht zu berechnen; wie groß ſie aber iſt, kann man am beſten erſehen, wenn man ſelbſt durch die Wüſte reiſt. Jn der nubiſchen Wüſte ſowohl, wie in der Bahinda, ſand ich am Ein- und Ausgange der vorhin genannten Straßen auf viele Meilen hin ein Kamelgerippe ſo dicht an dem anderen, daß die Straße durch die weiß-
Brehm, Thierleben. II. 25
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Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
eigentlich ſtammt. Ganz wilde oder verwilderte Kamele finden ſich nirgends mehr, weder in Afrika,
noch in Aſien.
Das Kamel iſt ein eigentliches Wüſtenthier und befindet ſich blos in den trockenſten und heißeſten
Landſtrichen wohl; im angebauten und feuchten Lande verliert es ſein eigentliches Weſen. Jn
Egypten hat man wahrſcheinlich durch das reichlichere Futter nach und nach ſehr große und ſchwere
Kamele gezogen; aber dieſe haben eine der ſchätzbarſten Eigenſchaften, die Leichtigkeit ihres Ganges,
ihre Ausdauer und ihre Enthaltſamkeit verloren und werden deshalb von den Arabern der Wüſte ſehr
verachtet. Jn den eigentlichen Tropenländern Afrikas aber, da, wo die Pflanzenwelt ganz das
Gepräge der ſüdamerikaniſchen und ſüdaſiatiſchen Wendekreisländer annimmt, gedeiht das Kamel
nicht mehr. Vielfache Verſuche, die man gemacht hat, um mit ihm nach dem eigentlichen Herzen von
Afrika vorzudringen, ſind geſcheitert. Bis zum 12. Grade beſindet ſich das Thier wohl und gedeiht
vortrefflich; weiter ſüdlich gegen den Gleicher hin, wird es ſchwächlich, und wenn man es noch ein paar
Grade ſüdlicher führt, erliegt es bei dem reichlichſten Futter, ohne eigentlich erklärliche Urſache. Zwar
behaupten die Araber, daß eine Fliege, die ſie außerordentlich fürchten, die Schuld an dem zu Grunde
gehen ihrer Kamele trage; doch beruht dieſe Meinung entſchieden auf einem Jrrthum: das Kamel
kann die waſſerreichen Landſtriche nicht ertragen. Auch Gebirgsgegenden ſagen dem Thier nicht zu,
obwohl es hier noch recht gut benutzt werden kann.
Bisjetzt hat man noch wenig Verſuche gemacht, das nützliche Thier außerhalb nördlich des großen
Wüſtenzuges anzuſiedeln; doch darf man ſchwerlich bezweifeln, daß es noch etwa bis zum 40. Grade
nördl. Breite hin gedeihen werde. Jm Jahre 1622 ließ Ferdinand der Zweite von Medicis in
Toskana Trampelthiere einführen, und bis zur Stunde hat ſich die Zucht dieſer Thiere dort erhalten.
Jm Gebiet von San Roſſore bei Piſa befinden ſich die Kamele auf einer großen ſandigen Ebene ſehr
wohl und leben ganz wie in ihrer Heimat. Jm Jahre 1810 zählte man 170 und 1840 171 Stück.
Vonhieraus hat man bis zur Stunde alle Thiergärten und Thierſchaubuden verſehen. Jn Süd-
ſpanien hat man in der Neuzeit auch daran gedacht, Kamele zu züchten und über alle Erwartung
günſtige Ergebniſſe erhalten. Die Kamele gedeihen dort ganz vortrefflich, und die Bedingungen ſind
auch entſchieden ſehr günſtige. Gegenwärtig geht man mit dem Plane um, das Wüſtenſchiff nach
der neuen Welt und zwar nach Mejiko zu verſetzen. Jn Tejas wandern ſeit 1858 hundert Kamele
vom Miſſiſſippi durch pfadloſe Wildniſſe nach dem ſtillen Weltmeere; die Regierung von Bolivia hat
Kamele in die Cordilleren kommen laſſen; auf Cuba gab es ſchon im Jahre 1841 ſiebzig Stück.
Jm ganzen Norden und Oſten Afrikas wird das Kamel gegenwärtig in ungeheurer Anzahl
gezüchtet. Manche Araberſtämme beſitzen Tauſende und Hunderttauſende. Jn Sudahn lernte ich
Häuptlinge kennen, welche allein 500 bis 2000 Stück Kamele zu eigen hatten; in den Steppen Kor-
dofahns ſah ich Herden von mindeſtens anderthalbtauſend Stück auf der Weide. Die einzige Wüſten-
ſtraße zwiſchen Korosko und Abu Hammed in Nubien ſetzt mehrere Tauſend von Kamelen in
Bewegung. Ehe die Eiſenbahn von Kairo nach Sues fertig war, vermittelten ungefähr ſechshundert
Kamele, welche täglich unterwegs waren, den Verkehr. Bei Ankunft der oſtindiſchen Poſt ſah man
Züge von je zwei- bis dreihundert Stück mehrere Stunden nach einander aus den Thoren der einen
oder der anderen Stadt ziehen. Geradezu unſchätzbar iſt die Anzahl der Kamele, welche auf den
großen Wüſtenſtraßen zwiſchen den Nigerländern und dem Norden Afrikas in Bewegung ſind.
Der Stamm der Tibbo allein mag ein paarmal hunderttauſend Kamele beſitzen; die Berbern haben
ſicherlich mehr als eine Million. Auch im glücklichen und ſteinigen Arabien werden viele Kamele
gezogen, und namentlich das Land Nedjed gilt als das reichſte an dieſen Thieren. Es verſorgt
Syrien, den Hedjas und Jemen mit ihnen, und liefert jährlich viele Tauſend allein nach Anatolien.
Die Zahl der Kamele, welche jährlich an den Wüſtenſtraßen zu Grunde gehen, iſt nicht zu berechnen;
wie groß ſie aber iſt, kann man am beſten erſehen, wenn man ſelbſt durch die Wüſte reiſt. Jn der
nubiſchen Wüſte ſowohl, wie in der Bahinda, ſand ich am Ein- und Ausgange der vorhin genannten
Straßen auf viele Meilen hin ein Kamelgerippe ſo dicht an dem anderen, daß die Straße durch die weiß-
Brehm, Thierleben. II. 25
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/409>, abgerufen am 23.11.2024.
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