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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hirsche. -- Der Pampashirsch.

Nühmenswerth ist die Gutmüthigkeit des erwähnten Thieres, sowie auch seine hingebende Zärt-
lichkeit dem ihm wohlwollenden Menschen gegenüber. Jch habe wenige Hirsche unter meiner Pflege
gehabt, welche hierin den Mazamahirschen ähnelten, und keinen, welcher gedachtem Thiere gleichge-
kommen wäre. Dieses hat sich nicht blos meine Liebe erworben, sondern auch und in hohem Maße
die Zuneigung aller regelmäßigen Besucher des Gartens.



Bei den Sprossen- oder Pampashirschen (Blastoceros), deren Heimat Südamerika
ist, sind die aufrechtstehenden Geweihe in drei bis fünf Sprossen verästelt, von denen eine
nach vorwärts sich richtet; die Eis- und Mittelsprossen fehlen. Die bekannteste Art, der Pam-
pashirsch
(Blastoceros campestris), ist ein für unsere Familie mittelgroßes Thier von 31/2
Fuß Leibeslänge und 4 Zoll Schwanzlänge, am Widerrist 2 1/6 Fuß, am Kreuz 2 1/3 Fuß hoch.
Jn seltenen Fällen werden recht alte Hirsche auch 4 Fuß lang. Das Weibchen ist, wie zu er-
warten, kleiner. Der Pampashirsch oder "Gua-zu-y" der Guaraner hat echte Hirschgestalt
und Färbung. Sein Geweih erinnert an das unseres Rehes, ist aber schlanker, feiner und
durch die längeren Sprossen unterschieden. Es krümmt sich nur wenig nach rückwärts, in der un-
teren Hälfte etwas nach außen, in der oberen wieder nach innen. Die Augensprosse entspringt
gegen zwei Zoll über der Rose und ist etwa 4 Zoll lang; oben bildet sich aus der Stange eine zwei-
zackige Gabel, deren Sprosse gerade nach aufwärts gerichtet ist, während sich das Ende der Gabel
nach rückwärts kehrt. Zuweilen finden sich Geweihe, auf deren Stange an der Vorderseite noch eine
zweite nach vorwärts gekehrte Sprosse entspringt. Die Länge des Geweihes beträgt selten mehr als
10 Zoll; Stangen von einem Fuß Länge gehören zu den Ausnahmen. Das Haar ist dick, glänzend,
rauh und brüchig, auf der Ober- und Außenseite lichtröthlichbraun oder fahlgelbbraun; an den
Seiten, am Vorderhals und auf der Jnnenseite der Gliedmaßen am lichtesten. Die einzelnen Haare
sind an der Wurzel dunkelbraun geringelt. Die Unterseite, also Kinn, Kehle, die Brust und die
Längsstreifen an der Jnnenseite der Schenkel sind schmuzig-, der Bauch, die Hinterseite der Schenkel,
die Unterseite des Schwanzes und die Schwanzspitze reinweiß, die Ohren außen lichtröthlichbraun,
innen weißfleckig. Ein weißer Ring umgibt das Auge und weiße Flecken stehen an der Spitze der
Oberlippe.

Der größte Theil Südamerikas ist die Heimat dieses Hirsches. Er ist überall häufig. Nach
Rengger kommt er hauptsächlich auf offenen und trockenen Feldern in den wenig bevölkerten Ge-
genden vor, während er die Nähe von Sümpfen und die Wälder meidet, selbst wenn er heftig ver-
folgt wird. Er lebt paarweise und in kleinen Rudeln; alte Böcke einsiedeln. Bei Tage ruht
er im hohen Grase und hält sich so still in seinem Bett, daß man dicht neben ihm vorbeireiten kann,
ohne daß er sich bewegt. Dies thut er, weil er sich dadurch zu verbergen sucht; denn seine Sinne
sind schärfer und seine Bewegungen schneller und gewandter, als bei anderen Hirschen. Nur sehr
gute Pferde können ihn einholen; wenn er aber einigen Vorsprung hat, vermag ihn auch der beste
Renner nicht zu erreichen. Nach Sonnenuntergang zieht er auf Aeßung aus und streift dann die
ganze Nacht umher. Das Thier setzt nur ein Kalb, entweder im Frühling oder im Herbst. Nach
wenigen Tagen führt es dasselbe dem Hirsch zu, und beide Eltern zeigen große Sorgfalt und Liebe
für das Kleine. Sobald Gefahr droht, verstecken sie es im hohen Grase, zeigen sich selbst dem Jäger,
führen ihn von der Spur des Kalbes ab und kehren dann auf Umwegen wieder zu diesem zurück.
Wird das Junge gefangen, so entfernen sie sich, weil sie nicht von den Hunden verfolgt werden, nie-
mals weit von dem Jäger, sondern gehen unruhig in großen Kreisen um ihn herum und nähern
sich, wenn sie die meckernde Stimme des Kalbes vernehmen, sogar auf Schußweite. Ein Paar
dieser Hirsche verfolgte Rengger, welcher ein Junges mit sich wegführte, einmal eine halbe
Stunde lang.

Die Hirſche. — Der Pampashirſch.

Nühmenswerth iſt die Gutmüthigkeit des erwähnten Thieres, ſowie auch ſeine hingebende Zärt-
lichkeit dem ihm wohlwollenden Menſchen gegenüber. Jch habe wenige Hirſche unter meiner Pflege
gehabt, welche hierin den Mazamahirſchen ähnelten, und keinen, welcher gedachtem Thiere gleichge-
kommen wäre. Dieſes hat ſich nicht blos meine Liebe erworben, ſondern auch und in hohem Maße
die Zuneigung aller regelmäßigen Beſucher des Gartens.



Bei den Sproſſen- oder Pampashirſchen (Blastoceros), deren Heimat Südamerika
iſt, ſind die aufrechtſtehenden Geweihe in drei bis fünf Sproſſen veräſtelt, von denen eine
nach vorwärts ſich richtet; die Eis- und Mittelſproſſen fehlen. Die bekannteſte Art, der Pam-
pashirſch
(Blastoceros campestris), iſt ein für unſere Familie mittelgroßes Thier von 3½
Fuß Leibeslänge und 4 Zoll Schwanzlänge, am Widerriſt 2⅙ Fuß, am Kreuz 2⅓ Fuß hoch.
Jn ſeltenen Fällen werden recht alte Hirſche auch 4 Fuß lang. Das Weibchen iſt, wie zu er-
warten, kleiner. Der Pampashirſch oder „Gua-zu-y‟ der Guaraner hat echte Hirſchgeſtalt
und Färbung. Sein Geweih erinnert an das unſeres Rehes, iſt aber ſchlanker, feiner und
durch die längeren Sproſſen unterſchieden. Es krümmt ſich nur wenig nach rückwärts, in der un-
teren Hälfte etwas nach außen, in der oberen wieder nach innen. Die Augenſproſſe entſpringt
gegen zwei Zoll über der Roſe und iſt etwa 4 Zoll lang; oben bildet ſich aus der Stange eine zwei-
zackige Gabel, deren Sproſſe gerade nach aufwärts gerichtet iſt, während ſich das Ende der Gabel
nach rückwärts kehrt. Zuweilen finden ſich Geweihe, auf deren Stange an der Vorderſeite noch eine
zweite nach vorwärts gekehrte Sproſſe entſpringt. Die Länge des Geweihes beträgt ſelten mehr als
10 Zoll; Stangen von einem Fuß Länge gehören zu den Ausnahmen. Das Haar iſt dick, glänzend,
rauh und brüchig, auf der Ober- und Außenſeite lichtröthlichbraun oder fahlgelbbraun; an den
Seiten, am Vorderhals und auf der Jnnenſeite der Gliedmaßen am lichteſten. Die einzelnen Haare
ſind an der Wurzel dunkelbraun geringelt. Die Unterſeite, alſo Kinn, Kehle, die Bruſt und die
Längsſtreifen an der Jnnenſeite der Schenkel ſind ſchmuzig-, der Bauch, die Hinterſeite der Schenkel,
die Unterſeite des Schwanzes und die Schwanzſpitze reinweiß, die Ohren außen lichtröthlichbraun,
innen weißfleckig. Ein weißer Ring umgibt das Auge und weiße Flecken ſtehen an der Spitze der
Oberlippe.

Der größte Theil Südamerikas iſt die Heimat dieſes Hirſches. Er iſt überall häufig. Nach
Rengger kommt er hauptſächlich auf offenen und trockenen Feldern in den wenig bevölkerten Ge-
genden vor, während er die Nähe von Sümpfen und die Wälder meidet, ſelbſt wenn er heftig ver-
folgt wird. Er lebt paarweiſe und in kleinen Rudeln; alte Böcke einſiedeln. Bei Tage ruht
er im hohen Graſe und hält ſich ſo ſtill in ſeinem Bett, daß man dicht neben ihm vorbeireiten kann,
ohne daß er ſich bewegt. Dies thut er, weil er ſich dadurch zu verbergen ſucht; denn ſeine Sinne
ſind ſchärfer und ſeine Bewegungen ſchneller und gewandter, als bei anderen Hirſchen. Nur ſehr
gute Pferde können ihn einholen; wenn er aber einigen Vorſprung hat, vermag ihn auch der beſte
Renner nicht zu erreichen. Nach Sonnenuntergang zieht er auf Aeßung aus und ſtreift dann die
ganze Nacht umher. Das Thier ſetzt nur ein Kalb, entweder im Frühling oder im Herbſt. Nach
wenigen Tagen führt es daſſelbe dem Hirſch zu, und beide Eltern zeigen große Sorgfalt und Liebe
für das Kleine. Sobald Gefahr droht, verſtecken ſie es im hohen Graſe, zeigen ſich ſelbſt dem Jäger,
führen ihn von der Spur des Kalbes ab und kehren dann auf Umwegen wieder zu dieſem zurück.
Wird das Junge gefangen, ſo entfernen ſie ſich, weil ſie nicht von den Hunden verfolgt werden, nie-
mals weit von dem Jäger, ſondern gehen unruhig in großen Kreiſen um ihn herum und nähern
ſich, wenn ſie die meckernde Stimme des Kalbes vernehmen, ſogar auf Schußweite. Ein Paar
dieſer Hirſche verfolgte Rengger, welcher ein Junges mit ſich wegführte, einmal eine halbe
Stunde lang.

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[476/0502] Die Hirſche. — Der Pampashirſch. Nühmenswerth iſt die Gutmüthigkeit des erwähnten Thieres, ſowie auch ſeine hingebende Zärt- lichkeit dem ihm wohlwollenden Menſchen gegenüber. Jch habe wenige Hirſche unter meiner Pflege gehabt, welche hierin den Mazamahirſchen ähnelten, und keinen, welcher gedachtem Thiere gleichge- kommen wäre. Dieſes hat ſich nicht blos meine Liebe erworben, ſondern auch und in hohem Maße die Zuneigung aller regelmäßigen Beſucher des Gartens. Bei den Sproſſen- oder Pampashirſchen (Blastoceros), deren Heimat Südamerika iſt, ſind die aufrechtſtehenden Geweihe in drei bis fünf Sproſſen veräſtelt, von denen eine nach vorwärts ſich richtet; die Eis- und Mittelſproſſen fehlen. Die bekannteſte Art, der Pam- pashirſch (Blastoceros campestris), iſt ein für unſere Familie mittelgroßes Thier von 3½ Fuß Leibeslänge und 4 Zoll Schwanzlänge, am Widerriſt 2⅙ Fuß, am Kreuz 2⅓ Fuß hoch. Jn ſeltenen Fällen werden recht alte Hirſche auch 4 Fuß lang. Das Weibchen iſt, wie zu er- warten, kleiner. Der Pampashirſch oder „Gua-zu-y‟ der Guaraner hat echte Hirſchgeſtalt und Färbung. Sein Geweih erinnert an das unſeres Rehes, iſt aber ſchlanker, feiner und durch die längeren Sproſſen unterſchieden. Es krümmt ſich nur wenig nach rückwärts, in der un- teren Hälfte etwas nach außen, in der oberen wieder nach innen. Die Augenſproſſe entſpringt gegen zwei Zoll über der Roſe und iſt etwa 4 Zoll lang; oben bildet ſich aus der Stange eine zwei- zackige Gabel, deren Sproſſe gerade nach aufwärts gerichtet iſt, während ſich das Ende der Gabel nach rückwärts kehrt. Zuweilen finden ſich Geweihe, auf deren Stange an der Vorderſeite noch eine zweite nach vorwärts gekehrte Sproſſe entſpringt. Die Länge des Geweihes beträgt ſelten mehr als 10 Zoll; Stangen von einem Fuß Länge gehören zu den Ausnahmen. Das Haar iſt dick, glänzend, rauh und brüchig, auf der Ober- und Außenſeite lichtröthlichbraun oder fahlgelbbraun; an den Seiten, am Vorderhals und auf der Jnnenſeite der Gliedmaßen am lichteſten. Die einzelnen Haare ſind an der Wurzel dunkelbraun geringelt. Die Unterſeite, alſo Kinn, Kehle, die Bruſt und die Längsſtreifen an der Jnnenſeite der Schenkel ſind ſchmuzig-, der Bauch, die Hinterſeite der Schenkel, die Unterſeite des Schwanzes und die Schwanzſpitze reinweiß, die Ohren außen lichtröthlichbraun, innen weißfleckig. Ein weißer Ring umgibt das Auge und weiße Flecken ſtehen an der Spitze der Oberlippe. Der größte Theil Südamerikas iſt die Heimat dieſes Hirſches. Er iſt überall häufig. Nach Rengger kommt er hauptſächlich auf offenen und trockenen Feldern in den wenig bevölkerten Ge- genden vor, während er die Nähe von Sümpfen und die Wälder meidet, ſelbſt wenn er heftig ver- folgt wird. Er lebt paarweiſe und in kleinen Rudeln; alte Böcke einſiedeln. Bei Tage ruht er im hohen Graſe und hält ſich ſo ſtill in ſeinem Bett, daß man dicht neben ihm vorbeireiten kann, ohne daß er ſich bewegt. Dies thut er, weil er ſich dadurch zu verbergen ſucht; denn ſeine Sinne ſind ſchärfer und ſeine Bewegungen ſchneller und gewandter, als bei anderen Hirſchen. Nur ſehr gute Pferde können ihn einholen; wenn er aber einigen Vorſprung hat, vermag ihn auch der beſte Renner nicht zu erreichen. Nach Sonnenuntergang zieht er auf Aeßung aus und ſtreift dann die ganze Nacht umher. Das Thier ſetzt nur ein Kalb, entweder im Frühling oder im Herbſt. Nach wenigen Tagen führt es daſſelbe dem Hirſch zu, und beide Eltern zeigen große Sorgfalt und Liebe für das Kleine. Sobald Gefahr droht, verſtecken ſie es im hohen Graſe, zeigen ſich ſelbſt dem Jäger, führen ihn von der Spur des Kalbes ab und kehren dann auf Umwegen wieder zu dieſem zurück. Wird das Junge gefangen, ſo entfernen ſie ſich, weil ſie nicht von den Hunden verfolgt werden, nie- mals weit von dem Jäger, ſondern gehen unruhig in großen Kreiſen um ihn herum und nähern ſich, wenn ſie die meckernde Stimme des Kalbes vernehmen, ſogar auf Schußweite. Ein Paar dieſer Hirſche verfolgte Rengger, welcher ein Junges mit ſich wegführte, einmal eine halbe Stunde lang.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/502>, abgerufen am 23.11.2024.