Die Hirsche. -- Der braune Spießhirsch. Der Muntjak oder Kidang.
früher entflohen war, in seiner heimatlichen Wohnung Schutz suchen, als er von einigen Hunden verfolgt wurde.
Jm hamburger Thiergarten haben wir eine Zeit lang ein Thier des Spießhirsches verpflegt. Es war ein überaus anmuthiges, liebenswürdiges Geschöpf! Wahrscheinlich hatte es von Jugend auf in Gesellschaft des Menschen gelebt; es bewies diesem wenigstens sein Vertrauen und seine An- hänglichkeit bei jeder Gelegenheit. Wir durften es berühren, streicheln, vom Boden aufheben, weg- tragen, ohne daß es auch nur einen Versuch zur Flucht, zum Widerstande machte. Jhm gespendete Liebkosungen erwiderte es durch Belecken der ihm schmeichelnden Hand oder des Gesichtes seiner Freunde. Mit anderen Hirschen vertrug es sich ausgezeichnet; wir haben es überhaupt nur als ein friedfertiges, sanftes, ja zärtliches Wesen kennen gelernt. Das rauhe Klima Norddeutschlands be- hagte ihm wenig; doch zeigte es sich minder frostig, als ich erwartet hatte. Regen fürchtete es nicht; es ließ sich vielmehr öfters tüchtig einnässen. Dagegen fuhlte es sich nie: schmuzige Feuchtigkeit schien ihm verhaßt zu sein. Scharfe Winde mied es ängstlich, und vor ihnen suchte es stets im Jnneren seines Stalles Schutz. Von den in seinem Gehege wachsenden Gräsern nahm es nur selten ein Hälmchen an; es bevorzugte trockene Aeßung und, wohl in Folge der Angewöhnung, vor Allem Brod und Zwieback.
Leider konnte ich das prächtige Thier nur kurze Zeit pflegen und beobachten. Es war bestimmt, den Kindern des Kronprinzen von Preußen zum Spielzeuge zu dienen und konnte deshalb zu meinem aufrichtigen Bedauern von uns nicht erworben werden.
Die Jagd beider Spießhirsche ist sehr einfach. Man hetzt sie mit Hunden oder schießt sie auf dem Anstand, welcher dem Jäger den meisten Erfolg verspricht. Außer dem Menschen stellen die großen Katzenarten den erwachsenen und kleinen, sowie die wilden Hunde den jungen Spießhirschen eifrig nach. Das Fell wird höchstens zu Satteldecken benutzt, das Wildpret gern gegessen.
Zum Schluß werfen wir noch einen Blick auf die Gruppe der Muntjakhirsche (Prox), welche sich durch ihre geringe Größe, das sehr kurze, unvollkommene Geweih, die auffallend großen Eckzähne, die tieferen und breiten Thränengruben und den Mangel der Haarbürste an den Hinter- füßen kennzeichnen. Die hierher gehörigen Arten bewohnen Jndien und die Sundainseln.
Der Muntjak oder Kidang (Prox Muntjae) ist wohl die bekannteste Art dieser Gruppe. Er erreicht etwa die Größe unseres Rehbocks; seine Länge beträgt vier Fuß, seine Höhe am Widerrist 26 und die am Kreuz 29 Zoll. Die Geweihstangen des Männchens sitzen auf sehr langen Rosenstöcken auf und sind schräg nach rückwärts gerichtet. Sie biegen sich anfangs etwas nach außen und vor- wärts und krümmen sich dann plötzlich gegen die Spitze hackenförmig nach rück- und einwärts. Zuerst sind sie nur einfach, später erhalten sie eine kurze, starke, spitze, nach vor- und aufwärts gerichtete Augensprosse. Sehr eigenthümlich sind die Rosenstöcke, welche ziemlich nahe an einanderstehen, sich aber bald von einander entfernen, etwa drei Zoll hoch aufsteigen, bis zur Rose von einer dicht behaarten Haut, welche längs der Rosenkante einen büschelförmigen Haarwuchs trägt, überdeckt werden und mit einer sehr niederen, einfachen Reihe großer Perlen gebildeten Rose endigen. Mit zunehmendem Alter wird der Rosenstock stärker, wie sich auch die Zahl der Perlen an der Rose ver- mehrt. An den Stangen selbst sieht man wohl tiefe Längsfurchen, aber keine Perlen.
Jm übrigen ist der Kidang ein ziemlich schlank gebauter, kräftiger Hirsch von gedrungenem Leib, mit mittellangem Hals, kurzem Kopf, hohen und schlanken Läufen und einem kurzen, flockig behaarten Wedel. Die Behaarung ist kurz, glatt und dicht; das Haar dünn, glänzend und spröde, die Fär- bung auf der Oberseite gesättigt gelbbraun, nach der Mitte des Rückens dunkler, bis ins Kastanien- braun, am Hinterhalse mehr zimmtbraun, an der Schnauze gelbbraun, längs der Vorderseite der Rosenstöcke dunkelbraun gestreift, auf der Außenseite der Ohren dunkelgelbbraun, auf der Jnnenseite
Die Hirſche. — Der braune Spießhirſch. Der Muntjak oder Kidang.
früher entflohen war, in ſeiner heimatlichen Wohnung Schutz ſuchen, als er von einigen Hunden verfolgt wurde.
Jm hamburger Thiergarten haben wir eine Zeit lang ein Thier des Spießhirſches verpflegt. Es war ein überaus anmuthiges, liebenswürdiges Geſchöpf! Wahrſcheinlich hatte es von Jugend auf in Geſellſchaft des Menſchen gelebt; es bewies dieſem wenigſtens ſein Vertrauen und ſeine An- hänglichkeit bei jeder Gelegenheit. Wir durften es berühren, ſtreicheln, vom Boden aufheben, weg- tragen, ohne daß es auch nur einen Verſuch zur Flucht, zum Widerſtande machte. Jhm geſpendete Liebkoſungen erwiderte es durch Belecken der ihm ſchmeichelnden Hand oder des Geſichtes ſeiner Freunde. Mit anderen Hirſchen vertrug es ſich ausgezeichnet; wir haben es überhaupt nur als ein friedfertiges, ſanftes, ja zärtliches Weſen kennen gelernt. Das rauhe Klima Norddeutſchlands be- hagte ihm wenig; doch zeigte es ſich minder froſtig, als ich erwartet hatte. Regen fürchtete es nicht; es ließ ſich vielmehr öfters tüchtig einnäſſen. Dagegen fuhlte es ſich nie: ſchmuzige Feuchtigkeit ſchien ihm verhaßt zu ſein. Scharfe Winde mied es ängſtlich, und vor ihnen ſuchte es ſtets im Jnneren ſeines Stalles Schutz. Von den in ſeinem Gehege wachſenden Gräſern nahm es nur ſelten ein Hälmchen an; es bevorzugte trockene Aeßung und, wohl in Folge der Angewöhnung, vor Allem Brod und Zwieback.
Leider konnte ich das prächtige Thier nur kurze Zeit pflegen und beobachten. Es war beſtimmt, den Kindern des Kronprinzen von Preußen zum Spielzeuge zu dienen und konnte deshalb zu meinem aufrichtigen Bedauern von uns nicht erworben werden.
Die Jagd beider Spießhirſche iſt ſehr einfach. Man hetzt ſie mit Hunden oder ſchießt ſie auf dem Anſtand, welcher dem Jäger den meiſten Erfolg verſpricht. Außer dem Menſchen ſtellen die großen Katzenarten den erwachſenen und kleinen, ſowie die wilden Hunde den jungen Spießhirſchen eifrig nach. Das Fell wird höchſtens zu Satteldecken benutzt, das Wildpret gern gegeſſen.
Zum Schluß werfen wir noch einen Blick auf die Gruppe der Muntjakhirſche (Prox), welche ſich durch ihre geringe Größe, das ſehr kurze, unvollkommene Geweih, die auffallend großen Eckzähne, die tieferen und breiten Thränengruben und den Mangel der Haarbürſte an den Hinter- füßen kennzeichnen. Die hierher gehörigen Arten bewohnen Jndien und die Sundainſeln.
Der Muntjak oder Kidang (Prox Muntjae) iſt wohl die bekannteſte Art dieſer Gruppe. Er erreicht etwa die Größe unſeres Rehbocks; ſeine Länge beträgt vier Fuß, ſeine Höhe am Widerriſt 26 und die am Kreuz 29 Zoll. Die Geweihſtangen des Männchens ſitzen auf ſehr langen Roſenſtöcken auf und ſind ſchräg nach rückwärts gerichtet. Sie biegen ſich anfangs etwas nach außen und vor- wärts und krümmen ſich dann plötzlich gegen die Spitze hackenförmig nach rück- und einwärts. Zuerſt ſind ſie nur einfach, ſpäter erhalten ſie eine kurze, ſtarke, ſpitze, nach vor- und aufwärts gerichtete Augenſproſſe. Sehr eigenthümlich ſind die Roſenſtöcke, welche ziemlich nahe an einanderſtehen, ſich aber bald von einander entfernen, etwa drei Zoll hoch aufſteigen, bis zur Roſe von einer dicht behaarten Haut, welche längs der Roſenkante einen büſchelförmigen Haarwuchs trägt, überdeckt werden und mit einer ſehr niederen, einfachen Reihe großer Perlen gebildeten Roſe endigen. Mit zunehmendem Alter wird der Roſenſtock ſtärker, wie ſich auch die Zahl der Perlen an der Roſe ver- mehrt. An den Stangen ſelbſt ſieht man wohl tiefe Längsfurchen, aber keine Perlen.
Jm übrigen iſt der Kidang ein ziemlich ſchlank gebauter, kräftiger Hirſch von gedrungenem Leib, mit mittellangem Hals, kurzem Kopf, hohen und ſchlanken Läufen und einem kurzen, flockig behaarten Wedel. Die Behaarung iſt kurz, glatt und dicht; das Haar dünn, glänzend und ſpröde, die Fär- bung auf der Oberſeite geſättigt gelbbraun, nach der Mitte des Rückens dunkler, bis ins Kaſtanien- braun, am Hinterhalſe mehr zimmtbraun, an der Schnauze gelbbraun, längs der Vorderſeite der Roſenſtöcke dunkelbraun geſtreift, auf der Außenſeite der Ohren dunkelgelbbraun, auf der Jnnenſeite
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Die Hirſche. — Der braune Spießhirſch. Der Muntjak oder Kidang.
früher entflohen war, in ſeiner heimatlichen Wohnung Schutz ſuchen, als er von einigen Hunden
verfolgt wurde.
Jm hamburger Thiergarten haben wir eine Zeit lang ein Thier des Spießhirſches verpflegt.
Es war ein überaus anmuthiges, liebenswürdiges Geſchöpf! Wahrſcheinlich hatte es von Jugend
auf in Geſellſchaft des Menſchen gelebt; es bewies dieſem wenigſtens ſein Vertrauen und ſeine An-
hänglichkeit bei jeder Gelegenheit. Wir durften es berühren, ſtreicheln, vom Boden aufheben, weg-
tragen, ohne daß es auch nur einen Verſuch zur Flucht, zum Widerſtande machte. Jhm geſpendete
Liebkoſungen erwiderte es durch Belecken der ihm ſchmeichelnden Hand oder des Geſichtes ſeiner
Freunde. Mit anderen Hirſchen vertrug es ſich ausgezeichnet; wir haben es überhaupt nur als ein
friedfertiges, ſanftes, ja zärtliches Weſen kennen gelernt. Das rauhe Klima Norddeutſchlands be-
hagte ihm wenig; doch zeigte es ſich minder froſtig, als ich erwartet hatte. Regen fürchtete es nicht; es
ließ ſich vielmehr öfters tüchtig einnäſſen. Dagegen fuhlte es ſich nie: ſchmuzige Feuchtigkeit ſchien
ihm verhaßt zu ſein. Scharfe Winde mied es ängſtlich, und vor ihnen ſuchte es ſtets im Jnneren
ſeines Stalles Schutz. Von den in ſeinem Gehege wachſenden Gräſern nahm es nur ſelten ein
Hälmchen an; es bevorzugte trockene Aeßung und, wohl in Folge der Angewöhnung, vor Allem
Brod und Zwieback.
Leider konnte ich das prächtige Thier nur kurze Zeit pflegen und beobachten. Es war beſtimmt,
den Kindern des Kronprinzen von Preußen zum Spielzeuge zu dienen und konnte deshalb zu meinem
aufrichtigen Bedauern von uns nicht erworben werden.
Die Jagd beider Spießhirſche iſt ſehr einfach. Man hetzt ſie mit Hunden oder ſchießt ſie auf dem
Anſtand, welcher dem Jäger den meiſten Erfolg verſpricht. Außer dem Menſchen ſtellen die großen
Katzenarten den erwachſenen und kleinen, ſowie die wilden Hunde den jungen Spießhirſchen eifrig
nach. Das Fell wird höchſtens zu Satteldecken benutzt, das Wildpret gern gegeſſen.
Zum Schluß werfen wir noch einen Blick auf die Gruppe der Muntjakhirſche (Prox),
welche ſich durch ihre geringe Größe, das ſehr kurze, unvollkommene Geweih, die auffallend großen
Eckzähne, die tieferen und breiten Thränengruben und den Mangel der Haarbürſte an den Hinter-
füßen kennzeichnen. Die hierher gehörigen Arten bewohnen Jndien und die Sundainſeln.
Der Muntjak oder Kidang (Prox Muntjae) iſt wohl die bekannteſte Art dieſer Gruppe. Er
erreicht etwa die Größe unſeres Rehbocks; ſeine Länge beträgt vier Fuß, ſeine Höhe am Widerriſt 26
und die am Kreuz 29 Zoll. Die Geweihſtangen des Männchens ſitzen auf ſehr langen Roſenſtöcken
auf und ſind ſchräg nach rückwärts gerichtet. Sie biegen ſich anfangs etwas nach außen und vor-
wärts und krümmen ſich dann plötzlich gegen die Spitze hackenförmig nach rück- und einwärts. Zuerſt
ſind ſie nur einfach, ſpäter erhalten ſie eine kurze, ſtarke, ſpitze, nach vor- und aufwärts gerichtete
Augenſproſſe. Sehr eigenthümlich ſind die Roſenſtöcke, welche ziemlich nahe an einanderſtehen, ſich
aber bald von einander entfernen, etwa drei Zoll hoch aufſteigen, bis zur Roſe von einer dicht
behaarten Haut, welche längs der Roſenkante einen büſchelförmigen Haarwuchs trägt, überdeckt
werden und mit einer ſehr niederen, einfachen Reihe großer Perlen gebildeten Roſe endigen. Mit
zunehmendem Alter wird der Roſenſtock ſtärker, wie ſich auch die Zahl der Perlen an der Roſe ver-
mehrt. An den Stangen ſelbſt ſieht man wohl tiefe Längsfurchen, aber keine Perlen.
Jm übrigen iſt der Kidang ein ziemlich ſchlank gebauter, kräftiger Hirſch von gedrungenem Leib,
mit mittellangem Hals, kurzem Kopf, hohen und ſchlanken Läufen und einem kurzen, flockig behaarten
Wedel. Die Behaarung iſt kurz, glatt und dicht; das Haar dünn, glänzend und ſpröde, die Fär-
bung auf der Oberſeite geſättigt gelbbraun, nach der Mitte des Rückens dunkler, bis ins Kaſtanien-
braun, am Hinterhalſe mehr zimmtbraun, an der Schnauze gelbbraun, längs der Vorderſeite der
Roſenſtöcke dunkelbraun geſtreift, auf der Außenſeite der Ohren dunkelgelbbraun, auf der Jnnenſeite
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/512>, abgerufen am 23.11.2024.
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