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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Girafe.
dieser Weise kämpfen die verliebten Männchen unter sich um die Weibchen. Durch Ausschlagen
beschützt die Girafenmutter ihr Junges vor der tückisch herbeischleichenden Katze, und die Kraft des
Schlages ist so gewaltig, daß er selbst einen Löwen fällen kann. Wärter in den Thiergärten müssen
sich manchmal sehr in Acht nehmen vor den Girafen, obgleich sie sonst recht gut mit ihren Schutzbe-
fohlenen auskommen.

Ueber die Fortpflanzung der Girafe hat erst die Neuzeit uns belehrt. Die seltenen Thiere
haben in den Thiergärten von London und Wien Junge geworfen. Aus den bisherigen Beob-
achtungen geht hervor, daß die Paarung im März oder Anfangs April, der Wurf im Mai oder
Juni stattfindet, die Dauer der Tragzeit also 431 bis 444 Tage, oder 141/4 bis 141/2 Monate be-
trägt. Während der Paarungszeit vernahm man von beiden Geschlechtern ein sanftes Blöcken. Die
Männchen sprangen ohne besondere Heftigkeit auf einander los und rieben sich gegenseitig mit ihren
Stirnzapfen den Rücken und die Seiten. Zu ernstlichen Kämpfen kam es nicht. Die Geburt ging
schnell und leicht von statten. Das junge Thier kam zuerst mit den Vorderfüßen und Kopf
zur Welt. Nach seiner Geburt lag es etwa eine Minute bewegungslos, dann begann die Ath-
mung; nach einer halben Stunde versuchte es aufzustehen, zwanzig Minuten später wankte es nach
der Mutter hin. Diese blickte nur ziemlich gleichgiltig auf ihren Sprößling herab, und man mußte
am anderen Tage eine Kuh herbeibringen, an welcher die junge Girafe dann etwa einen Monat
lang saugte. Zehn Stunden nach der Geburt lief das Junge herum; am dritten Lebenstage übte es
sich bereits in Sätzen. Leider starb es aber nach Monatsfrist. Bei seiner Geburt war es 6 Fuß
10 Zoll lang, die Vorderglieder hatten eine Höhe von 5 Fuß, der Schwanz war bereits 11/2 Fuß
lang. -- Etwa neun Monate nach der Geburt dieses Jungen nahm die Mutter das Männchen wieder
an und warf nach 431 Tagen wiederum ein Junges, welches zwölf Stunden nach seiner Geburt
kräftig an dem Euter der Alten saugte. Nach drei Wochen genoß es Pflanzen und mit dem Alter
von vier Monaten begann es wiederzukäuen. Jn der ersten Woche seines Lebens war es 6, nach 9
Monaten bereits 91/2 Fuß hoch. -- Jm kaiserlichen Thiergarten lebt gegenwärtig eine dort am
20. Juli 1858 geworfene Girafe im besten Wohlsein. Fitzinger, welcher über den Fall berichtete,
bestätigt, daß von Anhänglichkeit der Mutter für ihr Junges nichts Besonderes zu bemerken war.
Nachdem sie das Kalb einige Male am Kopfe beleckt, wandte sie sich von ihm hinweg, ohne sich fer-
ner um ihr Kind zu bekümmern. Man war gezwungen, die Alte zu melken und das Junge mit
Hilfe eines Saugglases zu erziehen. Das Melken ließ sich die Alte gefallen; allein ihr Euter war so
milcharm, daß man schon nach wenigen Tagen eine Kuh als Amme verwenden mußte.

Jagd und Fang alter Girafen haben ihre großen Schwierigkeiten. Der Franzose Thibaut,
ein mir wohlbekannter Bewohner Kordosahns, brachte im Jahre 1834 seit vielen Jahrhunderten
wieder die ersten lebenden Girafen nach Europa. Er hatte die Thiere in den Steppen Kordofahns
gejagt und gefangen. Die Jungen bekam er erst in seine Gewalt, nachdem er die Mütter getödtet
hatte. Nach seinen Berichten verursacht der Fang unglaubliche Mühen und Beschwerden. Man
muß wochenlang in den Steppen verweilen, vortreffliche Pferde, Kamele und Kühe mit sich nehmen
und sich das Geleit eingeborener Araber zu verschaffen suchen, weil man sonst doch vergeblich aus-
ziehen würde. Die jung gefangenen ergeben sich ohne Umstände in ihr Schicksal, verlangen aber
anfänglich die sorgfältigste Behandlung, und deshalb eben nimmt man melkende Kühe mit auf die
Jagd, um den jung gefangenen Girafen sogleich geeignete Nahrung bieten zu können. Vom inneren
Afrika aus führt man dann die bald zahm gewordenen Girafen in kleinen Tagereisen nebst ihren
Ammen, den Kühen, der Küste zu, wo eigene Kasten für die Ueberfahrt hergerichtet werden müssen.
Die Jagd schildert Gordon Cumming in sehr lebendiger Weise. "Keine Feder und keine
Worte," sagt er, "können dem Jagdfreund beschreiben, was es heißt, in der Mitte eines Trupps
riesenhafter Girafen zu reiten; man muß Das selbst erfahren, um es zu verstehen. Gewöhnlich
eilen die verfolgten Girafen durch die dornigen Gebüsche aller Art, und die Arme und Beine des
verfolgenden Jägers sind lange bevor er den Girafen nachkommt, mit Blut bedeckt. Bei meiner ersten

Die Girafe.
dieſer Weiſe kämpfen die verliebten Männchen unter ſich um die Weibchen. Durch Ausſchlagen
beſchützt die Girafenmutter ihr Junges vor der tückiſch herbeiſchleichenden Katze, und die Kraft des
Schlages iſt ſo gewaltig, daß er ſelbſt einen Löwen fällen kann. Wärter in den Thiergärten müſſen
ſich manchmal ſehr in Acht nehmen vor den Girafen, obgleich ſie ſonſt recht gut mit ihren Schutzbe-
fohlenen auskommen.

Ueber die Fortpflanzung der Girafe hat erſt die Neuzeit uns belehrt. Die ſeltenen Thiere
haben in den Thiergärten von London und Wien Junge geworfen. Aus den bisherigen Beob-
achtungen geht hervor, daß die Paarung im März oder Anfangs April, der Wurf im Mai oder
Juni ſtattfindet, die Dauer der Tragzeit alſo 431 bis 444 Tage, oder 14¼ bis 14½ Monate be-
trägt. Während der Paarungszeit vernahm man von beiden Geſchlechtern ein ſanftes Blöcken. Die
Männchen ſprangen ohne beſondere Heftigkeit auf einander los und rieben ſich gegenſeitig mit ihren
Stirnzapfen den Rücken und die Seiten. Zu ernſtlichen Kämpfen kam es nicht. Die Geburt ging
ſchnell und leicht von ſtatten. Das junge Thier kam zuerſt mit den Vorderfüßen und Kopf
zur Welt. Nach ſeiner Geburt lag es etwa eine Minute bewegungslos, dann begann die Ath-
mung; nach einer halben Stunde verſuchte es aufzuſtehen, zwanzig Minuten ſpäter wankte es nach
der Mutter hin. Dieſe blickte nur ziemlich gleichgiltig auf ihren Sprößling herab, und man mußte
am anderen Tage eine Kuh herbeibringen, an welcher die junge Girafe dann etwa einen Monat
lang ſaugte. Zehn Stunden nach der Geburt lief das Junge herum; am dritten Lebenstage übte es
ſich bereits in Sätzen. Leider ſtarb es aber nach Monatsfriſt. Bei ſeiner Geburt war es 6 Fuß
10 Zoll lang, die Vorderglieder hatten eine Höhe von 5 Fuß, der Schwanz war bereits 1½ Fuß
lang. — Etwa neun Monate nach der Geburt dieſes Jungen nahm die Mutter das Männchen wieder
an und warf nach 431 Tagen wiederum ein Junges, welches zwölf Stunden nach ſeiner Geburt
kräftig an dem Euter der Alten ſaugte. Nach drei Wochen genoß es Pflanzen und mit dem Alter
von vier Monaten begann es wiederzukäuen. Jn der erſten Woche ſeines Lebens war es 6, nach 9
Monaten bereits 9½ Fuß hoch. — Jm kaiſerlichen Thiergarten lebt gegenwärtig eine dort am
20. Juli 1858 geworfene Girafe im beſten Wohlſein. Fitzinger, welcher über den Fall berichtete,
beſtätigt, daß von Anhänglichkeit der Mutter für ihr Junges nichts Beſonderes zu bemerken war.
Nachdem ſie das Kalb einige Male am Kopfe beleckt, wandte ſie ſich von ihm hinweg, ohne ſich fer-
ner um ihr Kind zu bekümmern. Man war gezwungen, die Alte zu melken und das Junge mit
Hilfe eines Saugglaſes zu erziehen. Das Melken ließ ſich die Alte gefallen; allein ihr Euter war ſo
milcharm, daß man ſchon nach wenigen Tagen eine Kuh als Amme verwenden mußte.

Jagd und Fang alter Girafen haben ihre großen Schwierigkeiten. Der Franzoſe Thibaut,
ein mir wohlbekannter Bewohner Kordoſahns, brachte im Jahre 1834 ſeit vielen Jahrhunderten
wieder die erſten lebenden Girafen nach Europa. Er hatte die Thiere in den Steppen Kordofahns
gejagt und gefangen. Die Jungen bekam er erſt in ſeine Gewalt, nachdem er die Mütter getödtet
hatte. Nach ſeinen Berichten verurſacht der Fang unglaubliche Mühen und Beſchwerden. Man
muß wochenlang in den Steppen verweilen, vortreffliche Pferde, Kamele und Kühe mit ſich nehmen
und ſich das Geleit eingeborener Araber zu verſchaffen ſuchen, weil man ſonſt doch vergeblich aus-
ziehen würde. Die jung gefangenen ergeben ſich ohne Umſtände in ihr Schickſal, verlangen aber
anfänglich die ſorgfältigſte Behandlung, und deshalb eben nimmt man melkende Kühe mit auf die
Jagd, um den jung gefangenen Girafen ſogleich geeignete Nahrung bieten zu können. Vom inneren
Afrika aus führt man dann die bald zahm gewordenen Girafen in kleinen Tagereiſen nebſt ihren
Ammen, den Kühen, der Küſte zu, wo eigene Kaſten für die Ueberfahrt hergerichtet werden müſſen.
Die Jagd ſchildert Gordon Cumming in ſehr lebendiger Weiſe. „Keine Feder und keine
Worte,‟ ſagt er, „können dem Jagdfreund beſchreiben, was es heißt, in der Mitte eines Trupps
rieſenhafter Girafen zu reiten; man muß Das ſelbſt erfahren, um es zu verſtehen. Gewöhnlich
eilen die verfolgten Girafen durch die dornigen Gebüſche aller Art, und die Arme und Beine des
verfolgenden Jägers ſind lange bevor er den Girafen nachkommt, mit Blut bedeckt. Bei meiner erſten

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[493/0521] Die Girafe. dieſer Weiſe kämpfen die verliebten Männchen unter ſich um die Weibchen. Durch Ausſchlagen beſchützt die Girafenmutter ihr Junges vor der tückiſch herbeiſchleichenden Katze, und die Kraft des Schlages iſt ſo gewaltig, daß er ſelbſt einen Löwen fällen kann. Wärter in den Thiergärten müſſen ſich manchmal ſehr in Acht nehmen vor den Girafen, obgleich ſie ſonſt recht gut mit ihren Schutzbe- fohlenen auskommen. Ueber die Fortpflanzung der Girafe hat erſt die Neuzeit uns belehrt. Die ſeltenen Thiere haben in den Thiergärten von London und Wien Junge geworfen. Aus den bisherigen Beob- achtungen geht hervor, daß die Paarung im März oder Anfangs April, der Wurf im Mai oder Juni ſtattfindet, die Dauer der Tragzeit alſo 431 bis 444 Tage, oder 14¼ bis 14½ Monate be- trägt. Während der Paarungszeit vernahm man von beiden Geſchlechtern ein ſanftes Blöcken. Die Männchen ſprangen ohne beſondere Heftigkeit auf einander los und rieben ſich gegenſeitig mit ihren Stirnzapfen den Rücken und die Seiten. Zu ernſtlichen Kämpfen kam es nicht. Die Geburt ging ſchnell und leicht von ſtatten. Das junge Thier kam zuerſt mit den Vorderfüßen und Kopf zur Welt. Nach ſeiner Geburt lag es etwa eine Minute bewegungslos, dann begann die Ath- mung; nach einer halben Stunde verſuchte es aufzuſtehen, zwanzig Minuten ſpäter wankte es nach der Mutter hin. Dieſe blickte nur ziemlich gleichgiltig auf ihren Sprößling herab, und man mußte am anderen Tage eine Kuh herbeibringen, an welcher die junge Girafe dann etwa einen Monat lang ſaugte. Zehn Stunden nach der Geburt lief das Junge herum; am dritten Lebenstage übte es ſich bereits in Sätzen. Leider ſtarb es aber nach Monatsfriſt. Bei ſeiner Geburt war es 6 Fuß 10 Zoll lang, die Vorderglieder hatten eine Höhe von 5 Fuß, der Schwanz war bereits 1½ Fuß lang. — Etwa neun Monate nach der Geburt dieſes Jungen nahm die Mutter das Männchen wieder an und warf nach 431 Tagen wiederum ein Junges, welches zwölf Stunden nach ſeiner Geburt kräftig an dem Euter der Alten ſaugte. Nach drei Wochen genoß es Pflanzen und mit dem Alter von vier Monaten begann es wiederzukäuen. Jn der erſten Woche ſeines Lebens war es 6, nach 9 Monaten bereits 9½ Fuß hoch. — Jm kaiſerlichen Thiergarten lebt gegenwärtig eine dort am 20. Juli 1858 geworfene Girafe im beſten Wohlſein. Fitzinger, welcher über den Fall berichtete, beſtätigt, daß von Anhänglichkeit der Mutter für ihr Junges nichts Beſonderes zu bemerken war. Nachdem ſie das Kalb einige Male am Kopfe beleckt, wandte ſie ſich von ihm hinweg, ohne ſich fer- ner um ihr Kind zu bekümmern. Man war gezwungen, die Alte zu melken und das Junge mit Hilfe eines Saugglaſes zu erziehen. Das Melken ließ ſich die Alte gefallen; allein ihr Euter war ſo milcharm, daß man ſchon nach wenigen Tagen eine Kuh als Amme verwenden mußte. Jagd und Fang alter Girafen haben ihre großen Schwierigkeiten. Der Franzoſe Thibaut, ein mir wohlbekannter Bewohner Kordoſahns, brachte im Jahre 1834 ſeit vielen Jahrhunderten wieder die erſten lebenden Girafen nach Europa. Er hatte die Thiere in den Steppen Kordofahns gejagt und gefangen. Die Jungen bekam er erſt in ſeine Gewalt, nachdem er die Mütter getödtet hatte. Nach ſeinen Berichten verurſacht der Fang unglaubliche Mühen und Beſchwerden. Man muß wochenlang in den Steppen verweilen, vortreffliche Pferde, Kamele und Kühe mit ſich nehmen und ſich das Geleit eingeborener Araber zu verſchaffen ſuchen, weil man ſonſt doch vergeblich aus- ziehen würde. Die jung gefangenen ergeben ſich ohne Umſtände in ihr Schickſal, verlangen aber anfänglich die ſorgfältigſte Behandlung, und deshalb eben nimmt man melkende Kühe mit auf die Jagd, um den jung gefangenen Girafen ſogleich geeignete Nahrung bieten zu können. Vom inneren Afrika aus führt man dann die bald zahm gewordenen Girafen in kleinen Tagereiſen nebſt ihren Ammen, den Kühen, der Küſte zu, wo eigene Kaſten für die Ueberfahrt hergerichtet werden müſſen. Die Jagd ſchildert Gordon Cumming in ſehr lebendiger Weiſe. „Keine Feder und keine Worte,‟ ſagt er, „können dem Jagdfreund beſchreiben, was es heißt, in der Mitte eines Trupps rieſenhafter Girafen zu reiten; man muß Das ſelbſt erfahren, um es zu verſtehen. Gewöhnlich eilen die verfolgten Girafen durch die dornigen Gebüſche aller Art, und die Arme und Beine des verfolgenden Jägers ſind lange bevor er den Girafen nachkommt, mit Blut bedeckt. Bei meiner erſten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/521>, abgerufen am 16.07.2024.