gewinnen. Die Ausbuchtungen oder sogenannten Jahresringe stehen bei dem amerikanischen Schafe sehr einzeln und lassen nur undeutliche, oft unterbrochene, schwache und schmale Querfurchen erken- nen, während die Wülste bei dem Argali sich sehr nahe stehen und viel weiter über das Horn bis zu etwa vier Fünftel der Gesammtlänge desselben sich erstrecken. Das Gehörn des Argali ist außerdem gewöhnlich noch stärker, als der Hauptschmuck seines Verwandten. Das Gehörn des Schafes ist selbstverständlich bedeutend schwächer und ziegenähnlich. Die Hörner biegen sich in einem einfachen Bogen nach oben, hinten und außen und sind scharf und zugespitzt.
Das Haar ist kaum anders, als beim europäischen Steinbock. Es hat keine Aehnlichkeit mit Wolle, ist hart, obwohl sanft anzufühlen, leicht gewellt und höchstens zwei Zoll lang. Die Farbe ist ein schmuziges Graubraun, ebenfalls wie bei dem Steinbock, die Rückenlinie ist ein wenig dunkler. Der Bauch, die innere und hintere Seite der Beine, die Hinterschenkel und ein Streifen über dem Schwanze nach dem Rücken zu, welcher mit dem Spiegel mancher Hirscharten verglichen werden kann, das Kinn und ein Fleck auf graubraunem Grunde in der Gegend des Kehlkopfes sind weiß; die Vor- derseite der Läufe ist dunkler, als der Rücken, schwärzlichgraubraun nämlich, der Kopf hellaschgrau, das Ohr außen dem Kopf gleich, innen dagegen weißlich, der Schwanzrücken lichter, als der Rücken- streifen. Alte Böcke sind oft sehr hellgrau gefärbt, manchmal fast weißlich. Jm Herbst und Winter mischt sich viel Braun in das Grau ein, der Hinterrücken und die Einfassung der Schenkel aber blei- ben immer reinweiß.
Die erste Nachricht über das Dickhorn gaben zwei Sendboten zur Bekehrung der Wilden in Ka- lifornien um das Jahr 1697. "Wir fanden," sagt Pater Picollo, "in diesem Lande zwei Arten von Thieren, welche wir noch nicht kannten und haben sie Schafe genannt, weil sie einigermaßen die- sen ähneln. Die eine Art ist so groß, wie ein ein- oder zweijähriges Kalb; sein Haupt ist aber dem eines Hirsches ähnlich und seine Hörner, welche sehr lang sind, wiederum denen eines Widders. Der Schwanz und das Haar sind gesprenkelt, aber kürzer, als beim Hirsch, die Hufe dagegen sind groß, rund und gespalten, wie beim Ochsen. Jch habe von diesem Vieh gegessen: sein Fleisch ist sehr zart und schmackvoll. Die andere Art von Schafen, von denen einige weiß und andere schwarz sind, unterscheiden sich wenig von den unserigen; sie sind etwas größer, haben auch eine gute Menge mehr Wolle, und diese ist sehr gut, läßt sich leicht spinnen und weben." Seitdem berichteten fast alle Reisenden, welche in die Heimat des Dickhorns gelangt, von ihm.
Gegenwärtig wissen wir, daß das amerikanische Bergschaf an geeigneten Stellen noch ziemlich häufig vorkommt. Der Prinz von Wied sah am Yellow-Stonefluß noch Rudel von funfzig, achtzig und mehr Stücken, Audubon in derselben Gegend eine Herde von zweiundzwanzig; Richard- son gibt an, daß die Thiere gewöhnlich in Trupps von drei bis dreißig vereinigt sind. Die Schafe und ihre Lämmer pflegen besondere Herden zu bilden, während die alten Widder sich, mit Ausnahme der Brunstzeit, in besonderen Gesellschaften zusammenhalten oder auch wohl einsiedeln. Jm Dezember finden sie sich bei den Schafen ein, und dann kommt es, wie bei anderen gleichstrebenden Böcken, auch zu furchtbaren Kämpfen zwischen den Stärksten. Sonst aber leben die Thiere friedlich unter einander, nach Art unserer Hausschafe, denen sie überhaupt in ihrem Wesen sehr ähneln.
Die Schafe lammen im Juni oder Juli, zuerst ein einziges, später regelmäßig zwei Junge, welche schon nach wenig Tagen ihren Müttern überall hin folgen können, und von diesen sehr bald in die unzugänglichsten Höhen geführt werden.
Jn ihrer Lebensart unterscheiden sich die amerikanischen Wildschafe nicht von ihren Verwandten oder von den Steinböcken. Wie diese sind sie unübertreffliche Meister im Gebirgsteigen. Sie bilden sich, wie bemerkt, Wege rund um ihre Felskegel, gar nicht selten an Stellen, wo die Wand Hun- derte von Fußen jach abfällt. Vorsprünge von nur höchstens einen Fuß Breite werden für die schwin- delfreien Thiere zur gebahnten Straße. Hier rennen sie in voller Flucht dahin, zum größten Erstau- nen des Menschen, welcher es nicht begreifen kann, daß ein Thier dort noch sich zu erhalten vermag. Sobald sie etwas Fremdartiges gewahren, flüchten sie zu steilen Höhen empor und stellen sich dort
Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn.
gewinnen. Die Ausbuchtungen oder ſogenannten Jahresringe ſtehen bei dem amerikaniſchen Schafe ſehr einzeln und laſſen nur undeutliche, oft unterbrochene, ſchwache und ſchmale Querfurchen erken- nen, während die Wülſte bei dem Argali ſich ſehr nahe ſtehen und viel weiter über das Horn bis zu etwa vier Fünftel der Geſammtlänge deſſelben ſich erſtrecken. Das Gehörn des Argali iſt außerdem gewöhnlich noch ſtärker, als der Hauptſchmuck ſeines Verwandten. Das Gehörn des Schafes iſt ſelbſtverſtändlich bedeutend ſchwächer und ziegenähnlich. Die Hörner biegen ſich in einem einfachen Bogen nach oben, hinten und außen und ſind ſcharf und zugeſpitzt.
Das Haar iſt kaum anders, als beim europäiſchen Steinbock. Es hat keine Aehnlichkeit mit Wolle, iſt hart, obwohl ſanft anzufühlen, leicht gewellt und höchſtens zwei Zoll lang. Die Farbe iſt ein ſchmuziges Graubraun, ebenfalls wie bei dem Steinbock, die Rückenlinie iſt ein wenig dunkler. Der Bauch, die innere und hintere Seite der Beine, die Hinterſchenkel und ein Streifen über dem Schwanze nach dem Rücken zu, welcher mit dem Spiegel mancher Hirſcharten verglichen werden kann, das Kinn und ein Fleck auf graubraunem Grunde in der Gegend des Kehlkopfes ſind weiß; die Vor- derſeite der Läufe iſt dunkler, als der Rücken, ſchwärzlichgraubraun nämlich, der Kopf hellaſchgrau, das Ohr außen dem Kopf gleich, innen dagegen weißlich, der Schwanzrücken lichter, als der Rücken- ſtreifen. Alte Böcke ſind oft ſehr hellgrau gefärbt, manchmal faſt weißlich. Jm Herbſt und Winter miſcht ſich viel Braun in das Grau ein, der Hinterrücken und die Einfaſſung der Schenkel aber blei- ben immer reinweiß.
Die erſte Nachricht über das Dickhorn gaben zwei Sendboten zur Bekehrung der Wilden in Ka- lifornien um das Jahr 1697. „Wir fanden,‟ ſagt Pater Picollo, „in dieſem Lande zwei Arten von Thieren, welche wir noch nicht kannten und haben ſie Schafe genannt, weil ſie einigermaßen die- ſen ähneln. Die eine Art iſt ſo groß, wie ein ein- oder zweijähriges Kalb; ſein Haupt iſt aber dem eines Hirſches ähnlich und ſeine Hörner, welche ſehr lang ſind, wiederum denen eines Widders. Der Schwanz und das Haar ſind geſprenkelt, aber kürzer, als beim Hirſch, die Hufe dagegen ſind groß, rund und geſpalten, wie beim Ochſen. Jch habe von dieſem Vieh gegeſſen: ſein Fleiſch iſt ſehr zart und ſchmackvoll. Die andere Art von Schafen, von denen einige weiß und andere ſchwarz ſind, unterſcheiden ſich wenig von den unſerigen; ſie ſind etwas größer, haben auch eine gute Menge mehr Wolle, und dieſe iſt ſehr gut, läßt ſich leicht ſpinnen und weben.‟ Seitdem berichteten faſt alle Reiſenden, welche in die Heimat des Dickhorns gelangt, von ihm.
Gegenwärtig wiſſen wir, daß das amerikaniſche Bergſchaf an geeigneten Stellen noch ziemlich häufig vorkommt. Der Prinz von Wied ſah am Yellow-Stonefluß noch Rudel von funfzig, achtzig und mehr Stücken, Audubon in derſelben Gegend eine Herde von zweiundzwanzig; Richard- ſon gibt an, daß die Thiere gewöhnlich in Trupps von drei bis dreißig vereinigt ſind. Die Schafe und ihre Lämmer pflegen beſondere Herden zu bilden, während die alten Widder ſich, mit Ausnahme der Brunſtzeit, in beſonderen Geſellſchaften zuſammenhalten oder auch wohl einſiedeln. Jm Dezember finden ſie ſich bei den Schafen ein, und dann kommt es, wie bei anderen gleichſtrebenden Böcken, auch zu furchtbaren Kämpfen zwiſchen den Stärkſten. Sonſt aber leben die Thiere friedlich unter einander, nach Art unſerer Hausſchafe, denen ſie überhaupt in ihrem Weſen ſehr ähneln.
Die Schafe lammen im Juni oder Juli, zuerſt ein einziges, ſpäter regelmäßig zwei Junge, welche ſchon nach wenig Tagen ihren Müttern überall hin folgen können, und von dieſen ſehr bald in die unzugänglichſten Höhen geführt werden.
Jn ihrer Lebensart unterſcheiden ſich die amerikaniſchen Wildſchafe nicht von ihren Verwandten oder von den Steinböcken. Wie dieſe ſind ſie unübertreffliche Meiſter im Gebirgſteigen. Sie bilden ſich, wie bemerkt, Wege rund um ihre Felskegel, gar nicht ſelten an Stellen, wo die Wand Hun- derte von Fußen jach abfällt. Vorſprünge von nur höchſtens einen Fuß Breite werden für die ſchwin- delfreien Thiere zur gebahnten Straße. Hier rennen ſie in voller Flucht dahin, zum größten Erſtau- nen des Menſchen, welcher es nicht begreifen kann, daß ein Thier dort noch ſich zu erhalten vermag. Sobald ſie etwas Fremdartiges gewahren, flüchten ſie zu ſteilen Höhen empor und ſtellen ſich dort
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0638"n="608"/><fwplace="top"type="header">Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn.</fw><lb/>
gewinnen. Die Ausbuchtungen oder ſogenannten Jahresringe ſtehen bei dem amerikaniſchen Schafe<lb/>ſehr einzeln und laſſen nur undeutliche, oft unterbrochene, ſchwache und ſchmale Querfurchen erken-<lb/>
nen, während die Wülſte bei dem Argali ſich ſehr nahe ſtehen und viel weiter über das Horn bis zu<lb/>
etwa vier Fünftel der Geſammtlänge deſſelben ſich erſtrecken. Das Gehörn des Argali iſt außerdem<lb/>
gewöhnlich noch ſtärker, als der Hauptſchmuck ſeines Verwandten. Das Gehörn des Schafes iſt<lb/>ſelbſtverſtändlich bedeutend ſchwächer und ziegenähnlich. Die Hörner biegen ſich in einem einfachen<lb/>
Bogen nach oben, hinten und außen und ſind ſcharf und zugeſpitzt.</p><lb/><p>Das Haar iſt kaum anders, als beim europäiſchen Steinbock. Es hat keine Aehnlichkeit mit<lb/>
Wolle, iſt hart, obwohl ſanft anzufühlen, leicht gewellt und höchſtens zwei Zoll lang. Die Farbe<lb/>
iſt ein ſchmuziges Graubraun, ebenfalls wie bei dem Steinbock, die Rückenlinie iſt ein wenig dunkler.<lb/>
Der Bauch, die innere und hintere Seite der Beine, die Hinterſchenkel und ein Streifen über dem<lb/>
Schwanze nach dem Rücken zu, welcher mit dem Spiegel mancher Hirſcharten verglichen werden kann,<lb/>
das Kinn und ein Fleck auf graubraunem Grunde in der Gegend des Kehlkopfes ſind weiß; die Vor-<lb/>
derſeite der Läufe iſt dunkler, als der Rücken, ſchwärzlichgraubraun nämlich, der Kopf hellaſchgrau,<lb/>
das Ohr außen dem Kopf gleich, innen dagegen weißlich, der Schwanzrücken lichter, als der Rücken-<lb/>ſtreifen. Alte Böcke ſind oft ſehr hellgrau gefärbt, manchmal faſt weißlich. Jm Herbſt und Winter<lb/>
miſcht ſich viel Braun in das Grau ein, der Hinterrücken und die Einfaſſung der Schenkel aber blei-<lb/>
ben immer reinweiß.</p><lb/><p>Die erſte Nachricht über das Dickhorn gaben zwei Sendboten zur Bekehrung der Wilden in Ka-<lb/>
lifornien um das Jahr 1697. „Wir fanden,‟ſagt Pater <hirendition="#g">Picollo,</hi>„in dieſem Lande zwei Arten<lb/>
von Thieren, welche wir noch nicht kannten und haben ſie Schafe genannt, weil ſie einigermaßen die-<lb/>ſen ähneln. Die eine Art iſt ſo groß, wie ein ein- oder zweijähriges Kalb; ſein Haupt iſt aber dem<lb/>
eines Hirſches ähnlich und ſeine Hörner, welche ſehr lang ſind, wiederum denen eines Widders.<lb/>
Der Schwanz und das Haar ſind geſprenkelt, aber kürzer, als beim Hirſch, die Hufe dagegen ſind<lb/>
groß, rund und geſpalten, wie beim Ochſen. Jch habe von dieſem Vieh gegeſſen: ſein Fleiſch iſt<lb/>ſehr zart und ſchmackvoll. Die andere Art von Schafen, von denen einige weiß und andere ſchwarz<lb/>ſind, unterſcheiden ſich wenig von den unſerigen; ſie ſind etwas größer, haben auch eine gute Menge<lb/>
mehr Wolle, und dieſe iſt ſehr gut, läßt ſich leicht ſpinnen und weben.‟ Seitdem berichteten faſt alle<lb/>
Reiſenden, welche in die Heimat des Dickhorns gelangt, von ihm.</p><lb/><p>Gegenwärtig wiſſen wir, daß das amerikaniſche Bergſchaf an geeigneten Stellen noch ziemlich<lb/>
häufig vorkommt. Der <hirendition="#g">Prinz von Wied</hi>ſah am Yellow-Stonefluß noch Rudel von funfzig,<lb/>
achtzig und mehr Stücken, <hirendition="#g">Audubon</hi> in derſelben Gegend eine Herde von zweiundzwanzig; <hirendition="#g">Richard-<lb/>ſon</hi> gibt an, daß die Thiere gewöhnlich in Trupps von drei bis dreißig vereinigt ſind. Die Schafe<lb/>
und ihre Lämmer pflegen beſondere Herden zu bilden, während die alten Widder ſich, mit Ausnahme<lb/>
der Brunſtzeit, in beſonderen Geſellſchaften zuſammenhalten oder auch wohl einſiedeln. Jm Dezember<lb/>
finden ſie ſich bei den Schafen ein, und dann kommt es, wie bei anderen gleichſtrebenden Böcken,<lb/>
auch zu furchtbaren Kämpfen zwiſchen den Stärkſten. Sonſt aber leben die Thiere friedlich unter<lb/>
einander, nach Art unſerer Hausſchafe, denen ſie überhaupt in ihrem Weſen ſehr ähneln.</p><lb/><p>Die Schafe lammen im Juni oder Juli, zuerſt ein einziges, ſpäter regelmäßig zwei Junge,<lb/>
welche ſchon nach wenig Tagen ihren Müttern überall hin folgen können, und von dieſen ſehr bald in<lb/>
die unzugänglichſten Höhen geführt werden.</p><lb/><p>Jn ihrer Lebensart unterſcheiden ſich die amerikaniſchen Wildſchafe nicht von ihren Verwandten<lb/>
oder von den Steinböcken. Wie dieſe ſind ſie unübertreffliche Meiſter im Gebirgſteigen. Sie bilden<lb/>ſich, wie bemerkt, Wege rund um ihre Felskegel, gar nicht ſelten an Stellen, wo die Wand Hun-<lb/>
derte von Fußen jach abfällt. Vorſprünge von nur höchſtens einen Fuß Breite werden für die ſchwin-<lb/>
delfreien Thiere zur gebahnten Straße. Hier rennen ſie in voller Flucht dahin, zum größten Erſtau-<lb/>
nen des Menſchen, welcher es nicht begreifen kann, daß ein Thier dort noch ſich zu erhalten vermag.<lb/>
Sobald ſie etwas Fremdartiges gewahren, flüchten ſie zu ſteilen Höhen empor und ſtellen ſich dort<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[608/0638]
Die Schafe. — Das Big-Horn oder Dickhorn.
gewinnen. Die Ausbuchtungen oder ſogenannten Jahresringe ſtehen bei dem amerikaniſchen Schafe
ſehr einzeln und laſſen nur undeutliche, oft unterbrochene, ſchwache und ſchmale Querfurchen erken-
nen, während die Wülſte bei dem Argali ſich ſehr nahe ſtehen und viel weiter über das Horn bis zu
etwa vier Fünftel der Geſammtlänge deſſelben ſich erſtrecken. Das Gehörn des Argali iſt außerdem
gewöhnlich noch ſtärker, als der Hauptſchmuck ſeines Verwandten. Das Gehörn des Schafes iſt
ſelbſtverſtändlich bedeutend ſchwächer und ziegenähnlich. Die Hörner biegen ſich in einem einfachen
Bogen nach oben, hinten und außen und ſind ſcharf und zugeſpitzt.
Das Haar iſt kaum anders, als beim europäiſchen Steinbock. Es hat keine Aehnlichkeit mit
Wolle, iſt hart, obwohl ſanft anzufühlen, leicht gewellt und höchſtens zwei Zoll lang. Die Farbe
iſt ein ſchmuziges Graubraun, ebenfalls wie bei dem Steinbock, die Rückenlinie iſt ein wenig dunkler.
Der Bauch, die innere und hintere Seite der Beine, die Hinterſchenkel und ein Streifen über dem
Schwanze nach dem Rücken zu, welcher mit dem Spiegel mancher Hirſcharten verglichen werden kann,
das Kinn und ein Fleck auf graubraunem Grunde in der Gegend des Kehlkopfes ſind weiß; die Vor-
derſeite der Läufe iſt dunkler, als der Rücken, ſchwärzlichgraubraun nämlich, der Kopf hellaſchgrau,
das Ohr außen dem Kopf gleich, innen dagegen weißlich, der Schwanzrücken lichter, als der Rücken-
ſtreifen. Alte Böcke ſind oft ſehr hellgrau gefärbt, manchmal faſt weißlich. Jm Herbſt und Winter
miſcht ſich viel Braun in das Grau ein, der Hinterrücken und die Einfaſſung der Schenkel aber blei-
ben immer reinweiß.
Die erſte Nachricht über das Dickhorn gaben zwei Sendboten zur Bekehrung der Wilden in Ka-
lifornien um das Jahr 1697. „Wir fanden,‟ ſagt Pater Picollo, „in dieſem Lande zwei Arten
von Thieren, welche wir noch nicht kannten und haben ſie Schafe genannt, weil ſie einigermaßen die-
ſen ähneln. Die eine Art iſt ſo groß, wie ein ein- oder zweijähriges Kalb; ſein Haupt iſt aber dem
eines Hirſches ähnlich und ſeine Hörner, welche ſehr lang ſind, wiederum denen eines Widders.
Der Schwanz und das Haar ſind geſprenkelt, aber kürzer, als beim Hirſch, die Hufe dagegen ſind
groß, rund und geſpalten, wie beim Ochſen. Jch habe von dieſem Vieh gegeſſen: ſein Fleiſch iſt
ſehr zart und ſchmackvoll. Die andere Art von Schafen, von denen einige weiß und andere ſchwarz
ſind, unterſcheiden ſich wenig von den unſerigen; ſie ſind etwas größer, haben auch eine gute Menge
mehr Wolle, und dieſe iſt ſehr gut, läßt ſich leicht ſpinnen und weben.‟ Seitdem berichteten faſt alle
Reiſenden, welche in die Heimat des Dickhorns gelangt, von ihm.
Gegenwärtig wiſſen wir, daß das amerikaniſche Bergſchaf an geeigneten Stellen noch ziemlich
häufig vorkommt. Der Prinz von Wied ſah am Yellow-Stonefluß noch Rudel von funfzig,
achtzig und mehr Stücken, Audubon in derſelben Gegend eine Herde von zweiundzwanzig; Richard-
ſon gibt an, daß die Thiere gewöhnlich in Trupps von drei bis dreißig vereinigt ſind. Die Schafe
und ihre Lämmer pflegen beſondere Herden zu bilden, während die alten Widder ſich, mit Ausnahme
der Brunſtzeit, in beſonderen Geſellſchaften zuſammenhalten oder auch wohl einſiedeln. Jm Dezember
finden ſie ſich bei den Schafen ein, und dann kommt es, wie bei anderen gleichſtrebenden Böcken,
auch zu furchtbaren Kämpfen zwiſchen den Stärkſten. Sonſt aber leben die Thiere friedlich unter
einander, nach Art unſerer Hausſchafe, denen ſie überhaupt in ihrem Weſen ſehr ähneln.
Die Schafe lammen im Juni oder Juli, zuerſt ein einziges, ſpäter regelmäßig zwei Junge,
welche ſchon nach wenig Tagen ihren Müttern überall hin folgen können, und von dieſen ſehr bald in
die unzugänglichſten Höhen geführt werden.
Jn ihrer Lebensart unterſcheiden ſich die amerikaniſchen Wildſchafe nicht von ihren Verwandten
oder von den Steinböcken. Wie dieſe ſind ſie unübertreffliche Meiſter im Gebirgſteigen. Sie bilden
ſich, wie bemerkt, Wege rund um ihre Felskegel, gar nicht ſelten an Stellen, wo die Wand Hun-
derte von Fußen jach abfällt. Vorſprünge von nur höchſtens einen Fuß Breite werden für die ſchwin-
delfreien Thiere zur gebahnten Straße. Hier rennen ſie in voller Flucht dahin, zum größten Erſtau-
nen des Menſchen, welcher es nicht begreifen kann, daß ein Thier dort noch ſich zu erhalten vermag.
Sobald ſie etwas Fremdartiges gewahren, flüchten ſie zu ſteilen Höhen empor und ſtellen ſich dort
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/638>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.