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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhasen.

Nach Gould bewohnt das nette Geschöpf buschreiche Gegenden in der Nähe der Moritonbai
und lebt hier einzeln und in kleinen Trupps, wegen seines zarten, höchst wohlschmeckenden Fleisches,
welches dem Wildpret unseres Hasen ähnelt, eifrig verfolgt von Eingeborenen und von den Ansied-
lern. Jn seiner Lebensweise ähnelt es ganz seinen Verwandten.

An Gefangenen ist mir aufgefallen, daß sie ihre Vorderhände beim Springen ziemlich ausge-
breitet, seitlich vom Leibe ab tragen, während andere Arten sie zusammenhalten. Durch diese Eigen-
thümlichkeit unterscheidet man das Pademelon auf den ersten Blick von anderen, ihm sehr nahe ver-
wandten Arten.

Ein Pärchen, welches der hamburger Thiergarten besitzt, verträgt sich, wie die meisten Spring-
beutler, ausgezeichnet, nicht aber mit verwandten Arten. Ein männliches Wallaby (Halmaturus
Billardierii
), welches gelegentlich in sein Gehege kam, mochte vom männlichen Pademelon aus Eifer-

[Abbildung] Das Pademelon (Halmaturus Thelidis).
sucht angegriffen worden sein und hatte den Kampf erfolgreich aufgenommen. Das Ergebniß war,
daß unser Pademelon im eigentlichen Sinne des Wortes viel Haare lassen mußte. Sein Hinterrücken
war, als wir von dem ausgefochtenen Streit Kenntniß erhielten, fast gänzlich kahl gekratzt und hier
und da nicht unbeträchtlich geschrammt. Man ersah aus den Verletzungen, daß es vom Wallaby zu
Boden geworfen und mit den Hinterfüßen mißhandelt sein mußte. Das weibliche Pademelon war
auch etwas zerkratzt, wahrscheinlich, weil es sich geweigert hatte, den stürmischen Bewerbungen des
bisher unbeweibten Wallabys Gewähr zu schenken.



Gould trennt von den wahren Kängurus eine kleinere Art, den Hasenspringer (Lagor-
chestes leporoides
), so genannt, weil es in Wesen und Färbung vielfach an einen wirklichen Hasen
erinnert. Seine Länge beträgt 2 Fuß, wovon etwa 13 Zoll auf den Schwanz kommen. Sein
Leibesbau ist gestreckt, die Läufe und Klauen sind schlank, die kleinen Vorderpfoten mit scharfen,

Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhaſen.

Nach Gould bewohnt das nette Geſchöpf buſchreiche Gegenden in der Nähe der Moritonbai
und lebt hier einzeln und in kleinen Trupps, wegen ſeines zarten, höchſt wohlſchmeckenden Fleiſches,
welches dem Wildpret unſeres Haſen ähnelt, eifrig verfolgt von Eingeborenen und von den Anſied-
lern. Jn ſeiner Lebensweiſe ähnelt es ganz ſeinen Verwandten.

An Gefangenen iſt mir aufgefallen, daß ſie ihre Vorderhände beim Springen ziemlich ausge-
breitet, ſeitlich vom Leibe ab tragen, während andere Arten ſie zuſammenhalten. Durch dieſe Eigen-
thümlichkeit unterſcheidet man das Pademelon auf den erſten Blick von anderen, ihm ſehr nahe ver-
wandten Arten.

Ein Pärchen, welches der hamburger Thiergarten beſitzt, verträgt ſich, wie die meiſten Spring-
beutler, ausgezeichnet, nicht aber mit verwandten Arten. Ein männliches Wallaby (Halmaturus
Billardierii
), welches gelegentlich in ſein Gehege kam, mochte vom männlichen Pademelon aus Eifer-

[Abbildung] Das Pademelon (Halmaturus Thelidis).
ſucht angegriffen worden ſein und hatte den Kampf erfolgreich aufgenommen. Das Ergebniß war,
daß unſer Pademelon im eigentlichen Sinne des Wortes viel Haare laſſen mußte. Sein Hinterrücken
war, als wir von dem ausgefochtenen Streit Kenntniß erhielten, faſt gänzlich kahl gekratzt und hier
und da nicht unbeträchtlich geſchrammt. Man erſah aus den Verletzungen, daß es vom Wallaby zu
Boden geworfen und mit den Hinterfüßen mißhandelt ſein mußte. Das weibliche Pademelon war
auch etwas zerkratzt, wahrſcheinlich, weil es ſich geweigert hatte, den ſtürmiſchen Bewerbungen des
bisher unbeweibten Wallabys Gewähr zu ſchenken.



Gould trennt von den wahren Kängurus eine kleinere Art, den Haſenſpringer (Lagor-
chestes leporoides
), ſo genannt, weil es in Weſen und Färbung vielfach an einen wirklichen Haſen
erinnert. Seine Länge beträgt 2 Fuß, wovon etwa 13 Zoll auf den Schwanz kommen. Sein
Leibesbau iſt geſtreckt, die Läufe und Klauen ſind ſchlank, die kleinen Vorderpfoten mit ſcharfen,

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[50/0064] Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhaſen. Nach Gould bewohnt das nette Geſchöpf buſchreiche Gegenden in der Nähe der Moritonbai und lebt hier einzeln und in kleinen Trupps, wegen ſeines zarten, höchſt wohlſchmeckenden Fleiſches, welches dem Wildpret unſeres Haſen ähnelt, eifrig verfolgt von Eingeborenen und von den Anſied- lern. Jn ſeiner Lebensweiſe ähnelt es ganz ſeinen Verwandten. An Gefangenen iſt mir aufgefallen, daß ſie ihre Vorderhände beim Springen ziemlich ausge- breitet, ſeitlich vom Leibe ab tragen, während andere Arten ſie zuſammenhalten. Durch dieſe Eigen- thümlichkeit unterſcheidet man das Pademelon auf den erſten Blick von anderen, ihm ſehr nahe ver- wandten Arten. Ein Pärchen, welches der hamburger Thiergarten beſitzt, verträgt ſich, wie die meiſten Spring- beutler, ausgezeichnet, nicht aber mit verwandten Arten. Ein männliches Wallaby (Halmaturus Billardierii), welches gelegentlich in ſein Gehege kam, mochte vom männlichen Pademelon aus Eifer- [Abbildung Das Pademelon (Halmaturus Thelidis).] ſucht angegriffen worden ſein und hatte den Kampf erfolgreich aufgenommen. Das Ergebniß war, daß unſer Pademelon im eigentlichen Sinne des Wortes viel Haare laſſen mußte. Sein Hinterrücken war, als wir von dem ausgefochtenen Streit Kenntniß erhielten, faſt gänzlich kahl gekratzt und hier und da nicht unbeträchtlich geſchrammt. Man erſah aus den Verletzungen, daß es vom Wallaby zu Boden geworfen und mit den Hinterfüßen mißhandelt ſein mußte. Das weibliche Pademelon war auch etwas zerkratzt, wahrſcheinlich, weil es ſich geweigert hatte, den ſtürmiſchen Bewerbungen des bisher unbeweibten Wallabys Gewähr zu ſchenken. Gould trennt von den wahren Kängurus eine kleinere Art, den Haſenſpringer (Lagor- chestes leporoides), ſo genannt, weil es in Weſen und Färbung vielfach an einen wirklichen Haſen erinnert. Seine Länge beträgt 2 Fuß, wovon etwa 13 Zoll auf den Schwanz kommen. Sein Leibesbau iſt geſtreckt, die Läufe und Klauen ſind ſchlank, die kleinen Vorderpfoten mit ſcharfen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/64>, abgerufen am 27.11.2024.