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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der gemeine Büffel.

Die Tudas, ein indischer Volksstamm, welcher die Nilgerri höhen bewohnt und sich in den
Glaubenssachen und Sitten wesentlich von den Hindus unterscheidet, denken von dem Büffel freilich
anders, als die Türken. Sie verehren ihn fast göttlich. Zahlreiche Herden der schönsten Rassen
werden von ihnen gehalten und als die wichtigsten Hausthiere betrachtet. Jhren Göttern bringen sie
als das Heiligste Büffelmilch dar, und ganze Herden werden nur für die Tempel benutzt und in den
heiligen Hainen geweidet. Der Zebu dagegen, welcher den übrigen Jndern als besonders wichtiges
Thier erscheint, wird von ihnen nicht geachtet. Nach der Ansicht dieser Leute ist das Büffelkalb
der allgemeine Sündenbock, wie nach der sinnbildlichen Redeweise unserer Priester das Lamm der
Träger für christliche Sünden ist. Die Meinungen der Tudas unterscheiden sich aber etwas von
denen der christlichen Geistlichkeit. Man schlachtet nämlich bei dem Tode eines wohlhabenden Mannes
einen Büffelstier, damit dieser den biedern Tuda in die andere Welt begleite und auch dort freundlichst
dessen Sündenlast auf sich nähme; das Kalb dagegen muß die Sünden der ganzen Gemeinde tragen.
Demungeachtet wird der Büffel auch von den Tudas während seiner Lebzeiten gehörig benutzt und oft
mit schweren Bürden beladen, wahrscheinlich in der guten Absicht, daß er sich hier für die noch
schwerere Sündenlast gehörig vorbereiten möge.

Der Büffel ist ein schweigsames Geschöpf. Wenn er in seinem kühlen Wasserbade ruht, thut er
das Maul nicht auf, und auch während er weidet oder arbeitet, geht er still und ruhig seines Weges.
Nur Kühe, welche säugende Kälber haben, oder Stiere, welche in große Wuth versetzt worden sind,
lassen ihre Stimme zuweilen ertönen. Sie ist ein höchst unangenehmes und widriges, lautes Gebrüll,
ungefähr ein Mittelding zwischen dem bekannten Geschrei unseres Rindes und dem Grunzen des
Schweines.

Jn den nördlicheren Gegenden paart sich der Büffel, wenn er sich selbst überlassen wird, in den
Frühlingsmonaten, namentlich im April und Mai. Zehn Monate nach der Paarung kalbt die Kuh.
Das Junge ist ein höchst ungestaltetes Geschöpf; es wird aber von der Mutter zärtlich geliebt und
bei Gefahr mit dem bekannten Heldenmuthe der Rinder vertheidigt. Jm vierten oder fünften Jahre
ist es erwachsen. Sein Alter bringt es auf etwa 18 bis 20 Jahre. Mit dem Buckelochsen oder Zebu
paart sich der Büffel ohne große Umstände, mit dem zahmen Rinde jedoch nur höchst ungern und nie-
mals freiwillig. Solche Kreuzung hat bisjetzt auch noch keinen Erfolg gehabt, weil das Junge,
dessen Vater der Büffelstier ist, schon im Mutterleibe so groß wird, daß es bei der Geburt entweder
getödtet wird oder aber die Mutter gefährdet.

Verhältnißmäßig ist der Nutzen des Büffels größer, als der unseres Rindes, weil das Thier
ebensogut als gar keine Pflege beansprucht und sich mit Pflanzen sättigt, welche von allen übrigen
Hausthieren verschmäht werden. Für Sumpfgegenden ist der Büffel ein ausgezeichnet nützliches Ge-
schöpf auch zum Bestellen der Feldarbeiten; denn was ihm an Verstand abgeht, ersetzt er durch seine
gewaltige Kraft. Das Büffelfleisch ist hart und zähe, auch durch den Moschusgeruch unangenehm;
das der Büffelkälber aber wird fast überall gern gegessen. Recht gut soll das Fett sein; man
stellt es an Wohlgeschmack und Zartheit dem Schweinsfette fast gleich. Die dicke, starke Haut ist sehr
geschätzt, und aus den Hörnern macht man vortreffliche und dauerhafte Geräthschaften aller Art.

Nur in Jndien und vielleicht in Persien noch hat der Büffel Feinde, welche ihm schaden können.
Es wird wohl nur sehr selten vorkommen, daß einmal eine Meute Wölfe in den Donautiefländern
über einen Büffel herfällt, und dieser muß schon irgendwie abgeschwächt oder abgehetzt sein, wenn die
bösen Feinde Etwas ausrichten sollen; denn ein gereizter Büffel ist dem Wolf gegenüber ein gar zu
gewaltiger Gegner. Ganz ähnlich verhält es sich in Jndien, obgleich hier dem zahmen Büffel derselbe
Feind entgegentritt, welcher dem wilden oft Schaden zufügt, der Tiger nämlich. Es ist wohl richtig,
daß sich dieses furchtbare Raubthier einen guten Theil seiner Mahlzeiten aus den Büffelherden
nimmt; aber ebenso sicher scheint es zu sein, daß eine Büffel herde jeden Tiger in die Flucht schlägt:
die Hirten wenigstens betrachten sich nicht im geringsten gefährdet, wenn sie, auf ihren Büffeln rei-
tend, durch Wälder ziehen, in denen Tiger hausen.

Der gemeine Büffel.

Die Tudas, ein indiſcher Volksſtamm, welcher die Nilgerri höhen bewohnt und ſich in den
Glaubensſachen und Sitten weſentlich von den Hindus unterſcheidet, denken von dem Büffel freilich
anders, als die Türken. Sie verehren ihn faſt göttlich. Zahlreiche Herden der ſchönſten Raſſen
werden von ihnen gehalten und als die wichtigſten Hausthiere betrachtet. Jhren Göttern bringen ſie
als das Heiligſte Büffelmilch dar, und ganze Herden werden nur für die Tempel benutzt und in den
heiligen Hainen geweidet. Der Zebu dagegen, welcher den übrigen Jndern als beſonders wichtiges
Thier erſcheint, wird von ihnen nicht geachtet. Nach der Anſicht dieſer Leute iſt das Büffelkalb
der allgemeine Sündenbock, wie nach der ſinnbildlichen Redeweiſe unſerer Prieſter das Lamm der
Träger für chriſtliche Sünden iſt. Die Meinungen der Tudas unterſcheiden ſich aber etwas von
denen der chriſtlichen Geiſtlichkeit. Man ſchlachtet nämlich bei dem Tode eines wohlhabenden Mannes
einen Büffelſtier, damit dieſer den biedern Tuda in die andere Welt begleite und auch dort freundlichſt
deſſen Sündenlaſt auf ſich nähme; das Kalb dagegen muß die Sünden der ganzen Gemeinde tragen.
Demungeachtet wird der Büffel auch von den Tudas während ſeiner Lebzeiten gehörig benutzt und oft
mit ſchweren Bürden beladen, wahrſcheinlich in der guten Abſicht, daß er ſich hier für die noch
ſchwerere Sündenlaſt gehörig vorbereiten möge.

Der Büffel iſt ein ſchweigſames Geſchöpf. Wenn er in ſeinem kühlen Waſſerbade ruht, thut er
das Maul nicht auf, und auch während er weidet oder arbeitet, geht er ſtill und ruhig ſeines Weges.
Nur Kühe, welche ſäugende Kälber haben, oder Stiere, welche in große Wuth verſetzt worden ſind,
laſſen ihre Stimme zuweilen ertönen. Sie iſt ein höchſt unangenehmes und widriges, lautes Gebrüll,
ungefähr ein Mittelding zwiſchen dem bekannten Geſchrei unſeres Rindes und dem Grunzen des
Schweines.

Jn den nördlicheren Gegenden paart ſich der Büffel, wenn er ſich ſelbſt überlaſſen wird, in den
Frühlingsmonaten, namentlich im April und Mai. Zehn Monate nach der Paarung kalbt die Kuh.
Das Junge iſt ein höchſt ungeſtaltetes Geſchöpf; es wird aber von der Mutter zärtlich geliebt und
bei Gefahr mit dem bekannten Heldenmuthe der Rinder vertheidigt. Jm vierten oder fünften Jahre
iſt es erwachſen. Sein Alter bringt es auf etwa 18 bis 20 Jahre. Mit dem Buckelochſen oder Zebu
paart ſich der Büffel ohne große Umſtände, mit dem zahmen Rinde jedoch nur höchſt ungern und nie-
mals freiwillig. Solche Kreuzung hat bisjetzt auch noch keinen Erfolg gehabt, weil das Junge,
deſſen Vater der Büffelſtier iſt, ſchon im Mutterleibe ſo groß wird, daß es bei der Geburt entweder
getödtet wird oder aber die Mutter gefährdet.

Verhältnißmäßig iſt der Nutzen des Büffels größer, als der unſeres Rindes, weil das Thier
ebenſogut als gar keine Pflege beanſprucht und ſich mit Pflanzen ſättigt, welche von allen übrigen
Hausthieren verſchmäht werden. Für Sumpfgegenden iſt der Büffel ein ausgezeichnet nützliches Ge-
ſchöpf auch zum Beſtellen der Feldarbeiten; denn was ihm an Verſtand abgeht, erſetzt er durch ſeine
gewaltige Kraft. Das Büffelfleiſch iſt hart und zähe, auch durch den Moſchusgeruch unangenehm;
das der Büffelkälber aber wird faſt überall gern gegeſſen. Recht gut ſoll das Fett ſein; man
ſtellt es an Wohlgeſchmack und Zartheit dem Schweinsfette faſt gleich. Die dicke, ſtarke Haut iſt ſehr
geſchätzt, und aus den Hörnern macht man vortreffliche und dauerhafte Geräthſchaften aller Art.

Nur in Jndien und vielleicht in Perſien noch hat der Büffel Feinde, welche ihm ſchaden können.
Es wird wohl nur ſehr ſelten vorkommen, daß einmal eine Meute Wölfe in den Donautiefländern
über einen Büffel herfällt, und dieſer muß ſchon irgendwie abgeſchwächt oder abgehetzt ſein, wenn die
böſen Feinde Etwas ausrichten ſollen; denn ein gereizter Büffel iſt dem Wolf gegenüber ein gar zu
gewaltiger Gegner. Ganz ähnlich verhält es ſich in Jndien, obgleich hier dem zahmen Büffel derſelbe
Feind entgegentritt, welcher dem wilden oft Schaden zufügt, der Tiger nämlich. Es iſt wohl richtig,
daß ſich dieſes furchtbare Raubthier einen guten Theil ſeiner Mahlzeiten aus den Büffelherden
nimmt; aber ebenſo ſicher ſcheint es zu ſein, daß eine Büffel herde jeden Tiger in die Flucht ſchlägt:
die Hirten wenigſtens betrachten ſich nicht im geringſten gefährdet, wenn ſie, auf ihren Büffeln rei-
tend, durch Wälder ziehen, in denen Tiger hauſen.

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[633/0665] Der gemeine Büffel. Die Tudas, ein indiſcher Volksſtamm, welcher die Nilgerri höhen bewohnt und ſich in den Glaubensſachen und Sitten weſentlich von den Hindus unterſcheidet, denken von dem Büffel freilich anders, als die Türken. Sie verehren ihn faſt göttlich. Zahlreiche Herden der ſchönſten Raſſen werden von ihnen gehalten und als die wichtigſten Hausthiere betrachtet. Jhren Göttern bringen ſie als das Heiligſte Büffelmilch dar, und ganze Herden werden nur für die Tempel benutzt und in den heiligen Hainen geweidet. Der Zebu dagegen, welcher den übrigen Jndern als beſonders wichtiges Thier erſcheint, wird von ihnen nicht geachtet. Nach der Anſicht dieſer Leute iſt das Büffelkalb der allgemeine Sündenbock, wie nach der ſinnbildlichen Redeweiſe unſerer Prieſter das Lamm der Träger für chriſtliche Sünden iſt. Die Meinungen der Tudas unterſcheiden ſich aber etwas von denen der chriſtlichen Geiſtlichkeit. Man ſchlachtet nämlich bei dem Tode eines wohlhabenden Mannes einen Büffelſtier, damit dieſer den biedern Tuda in die andere Welt begleite und auch dort freundlichſt deſſen Sündenlaſt auf ſich nähme; das Kalb dagegen muß die Sünden der ganzen Gemeinde tragen. Demungeachtet wird der Büffel auch von den Tudas während ſeiner Lebzeiten gehörig benutzt und oft mit ſchweren Bürden beladen, wahrſcheinlich in der guten Abſicht, daß er ſich hier für die noch ſchwerere Sündenlaſt gehörig vorbereiten möge. Der Büffel iſt ein ſchweigſames Geſchöpf. Wenn er in ſeinem kühlen Waſſerbade ruht, thut er das Maul nicht auf, und auch während er weidet oder arbeitet, geht er ſtill und ruhig ſeines Weges. Nur Kühe, welche ſäugende Kälber haben, oder Stiere, welche in große Wuth verſetzt worden ſind, laſſen ihre Stimme zuweilen ertönen. Sie iſt ein höchſt unangenehmes und widriges, lautes Gebrüll, ungefähr ein Mittelding zwiſchen dem bekannten Geſchrei unſeres Rindes und dem Grunzen des Schweines. Jn den nördlicheren Gegenden paart ſich der Büffel, wenn er ſich ſelbſt überlaſſen wird, in den Frühlingsmonaten, namentlich im April und Mai. Zehn Monate nach der Paarung kalbt die Kuh. Das Junge iſt ein höchſt ungeſtaltetes Geſchöpf; es wird aber von der Mutter zärtlich geliebt und bei Gefahr mit dem bekannten Heldenmuthe der Rinder vertheidigt. Jm vierten oder fünften Jahre iſt es erwachſen. Sein Alter bringt es auf etwa 18 bis 20 Jahre. Mit dem Buckelochſen oder Zebu paart ſich der Büffel ohne große Umſtände, mit dem zahmen Rinde jedoch nur höchſt ungern und nie- mals freiwillig. Solche Kreuzung hat bisjetzt auch noch keinen Erfolg gehabt, weil das Junge, deſſen Vater der Büffelſtier iſt, ſchon im Mutterleibe ſo groß wird, daß es bei der Geburt entweder getödtet wird oder aber die Mutter gefährdet. Verhältnißmäßig iſt der Nutzen des Büffels größer, als der unſeres Rindes, weil das Thier ebenſogut als gar keine Pflege beanſprucht und ſich mit Pflanzen ſättigt, welche von allen übrigen Hausthieren verſchmäht werden. Für Sumpfgegenden iſt der Büffel ein ausgezeichnet nützliches Ge- ſchöpf auch zum Beſtellen der Feldarbeiten; denn was ihm an Verſtand abgeht, erſetzt er durch ſeine gewaltige Kraft. Das Büffelfleiſch iſt hart und zähe, auch durch den Moſchusgeruch unangenehm; das der Büffelkälber aber wird faſt überall gern gegeſſen. Recht gut ſoll das Fett ſein; man ſtellt es an Wohlgeſchmack und Zartheit dem Schweinsfette faſt gleich. Die dicke, ſtarke Haut iſt ſehr geſchätzt, und aus den Hörnern macht man vortreffliche und dauerhafte Geräthſchaften aller Art. Nur in Jndien und vielleicht in Perſien noch hat der Büffel Feinde, welche ihm ſchaden können. Es wird wohl nur ſehr ſelten vorkommen, daß einmal eine Meute Wölfe in den Donautiefländern über einen Büffel herfällt, und dieſer muß ſchon irgendwie abgeſchwächt oder abgehetzt ſein, wenn die böſen Feinde Etwas ausrichten ſollen; denn ein gereizter Büffel iſt dem Wolf gegenüber ein gar zu gewaltiger Gegner. Ganz ähnlich verhält es ſich in Jndien, obgleich hier dem zahmen Büffel derſelbe Feind entgegentritt, welcher dem wilden oft Schaden zufügt, der Tiger nämlich. Es iſt wohl richtig, daß ſich dieſes furchtbare Raubthier einen guten Theil ſeiner Mahlzeiten aus den Büffelherden nimmt; aber ebenſo ſicher ſcheint es zu ſein, daß eine Büffel herde jeden Tiger in die Flucht ſchlägt: die Hirten wenigſtens betrachten ſich nicht im geringſten gefährdet, wenn ſie, auf ihren Büffeln rei- tend, durch Wälder ziehen, in denen Tiger hauſen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/665>, abgerufen am 23.11.2024.