Masse verwandelt, und nur die rollenden Augen sind im vollsten Sinne des Worts das Einzige, was an dem wandernden Erdhaufen von dem stattlichen Büffel geblieben. Kaum ist der Pfuhl vom Ersten verlassen, so nimmt ein Anderer den Platz ein, und dieser stellt ihn wieder einem Dritten zur Verfügung. So treibt die Herde es fort, bis jeder der Anwesenden die Merkmale dieses eigenthüm- lichen Bades auf seinen Schultern trägt. Dort trocknen sie in eine feste Kruste zusammen, welche erst durch Wälzen im Grase oder durch den nächsten Regen allgemach entfernt wird."
Die Brunst währt ungefähr einen Monat lang; Stiere aber, welche ihren Trieb nicht befriedi- gen können, bleiben noch Wochen lang nach der eigentlichen Brunstzeit wüthend und bösartig. Sie greifen dann sogar den Menschen, welchen sie sonst immer fliehen, rücksichtslos an. Ein unaus- stehlicher Moschusgeruch macht sie auch dem Jäger schon von weitem kenntlich. Er erfüllt die Luft und durchdringt das Wildpret in einem Grade, daß es, für Europäer wenigstens, vollkommen unge- nießbar wird. Die heftige Erregung bringt das Thier außerdem sehr vom Leibe; es vergißt selbst sich zu äßen, magert ab und wird schließlich ganz entkräftet. Dann bleibt es hinter den eigentlichen Herden zurück, und nun erst kommt es nach und nach wieder zur Besinnung. Die Einsamkeit beruhigt, die Aeßung kräftigt, und gegen den Herbst hin ist die unglückliche Liebe vergessen.
Neun volle Monate nach der Paarung, gewöhnlich in der Mitte des März oder im April, bringt die Kuh ihr Kalb zur Welt. Schon früher hat sie sich von dem Stier getrennt, mit welchem sie vorher wochenlang zusammenlebte, und dafür sich anderen hochbeschlagenen Kühen angeschlossen. Diese Trupps der Mutterthiere wählen sich, wenn die Zeit des Kalbens herannaht, die saftigsten Weideplätze aus und verweilen auf ihnen mit den Kälbern, solange sich Weide findet. Die Kälber werden von den Müttern überaus zärtlich behandelt und gegen alle Feinde mit großem Muth ver- theidigt. Sie verdienen aber auch solche Liebe; denn sie sind äußerst liebliche Geschöpfe, munter, beweglich, spiellustig, zu heiteren Sprüngen und zu neckischen Scherzen jederzeit aufgelegt. Ueber- haupt ist der Bison keineswegs ein so faules und der Bewegung abholdes Wesen, als einzelne Be- schreiber behauptet haben. Das uns plump erscheinende Thier bewegt sich mit einer überraschenden Leichtigkeit. Der genaue Beobachter findet, daß es oft mit seiner eigenen Kraft zu scherzen und zu spielen scheint. Namentlich in den Morgen- und Abendstunden sind die Bisonten sehr lebendig; die Jungen ergötzen sich dann in lustigen Spielen, und die Alten sehen solchem Treiben vergnügt zu, nehmen auch wohl Theil daran. Ungeachtet seiner kurzen Läufe durchmißt der Bison rasch bedeutende Strecken. Er geht niemals in der faulen Weise, wie ein zahmes Rind, langsam dahin, sondern stets eiligen Schrittes. Er trabt rasch und ausdauernd und bewegt sich im Galopp mit so großer Schnelle, daß ein gutes Pferd sich anstrengen muß, um mit ihm fortzukommen. Einen Menschen überholt er schon trabend mit Leichtigkeit. Seine Bewegungen sind eigenthümlich, kurz abgebrochen, und na- mentlich der galoppirende Bison bewegt sich in sonderbaren Wellenlinien, welche dadurch entstehen, daß er die Masse des Leibes bald vorn, bald hinten aufwirft. Aber plump und ungeschickt ist er durchaus nicht, vielmehr gewandt und behend in einer Weise, welche außer allem Verhältniß zu sei- nem Leibesbau zu stehen scheint: -- das wüthende Thier stürzt in rasender Eile dahin. Das Schwim- men übt der Bison mit derselben Kraft und Ausdauer, welche seine Bewegungen überhaupt kenn- zeichnet. Er nimmt nicht den geringsten Anstand, sich in das Wasser zu begeben. Clarke sah eine Herde über den Missouri setzen, da, wo der Strom über eine englische Meile breit war. Jn unun- terbrochener Reihe zogen die Thiere mit großer Schnelligkeit durch das Wasser, eins dicht hinter dem anderen, und während die Ersten drüben bereits wieder festen Fuß gefaßt hatten, stürzten sich hüben die Letzten noch immer ins Wasser.
Unter den Sinnen stehen Geruch und Gehör obenan. Der Bison wittert vorzüglich und ver- nimmt auf weite Strecken hin. Das Gesicht wird von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt: es soll schlecht sein. Von Unvollkommenheit des Sinneswerkzeugs aber darf man schwerlich reden; denn das Ange ist wohlgebildet und unterscheidet sich wohl kaum von dem anderer Wiederkäuer; der dichte Haarfilz aber, welcher gerade den Kopf umgibt, hindert den Bison am Sehen.
Die Rinder. — Der Biſon.
Maſſe verwandelt, und nur die rollenden Augen ſind im vollſten Sinne des Worts das Einzige, was an dem wandernden Erdhaufen von dem ſtattlichen Büffel geblieben. Kaum iſt der Pfuhl vom Erſten verlaſſen, ſo nimmt ein Anderer den Platz ein, und dieſer ſtellt ihn wieder einem Dritten zur Verfügung. So treibt die Herde es fort, bis jeder der Anweſenden die Merkmale dieſes eigenthüm- lichen Bades auf ſeinen Schultern trägt. Dort trocknen ſie in eine feſte Kruſte zuſammen, welche erſt durch Wälzen im Graſe oder durch den nächſten Regen allgemach entfernt wird.‟
Die Brunſt währt ungefähr einen Monat lang; Stiere aber, welche ihren Trieb nicht befriedi- gen können, bleiben noch Wochen lang nach der eigentlichen Brunſtzeit wüthend und bösartig. Sie greifen dann ſogar den Menſchen, welchen ſie ſonſt immer fliehen, rückſichtslos an. Ein unaus- ſtehlicher Moſchusgeruch macht ſie auch dem Jäger ſchon von weitem kenntlich. Er erfüllt die Luft und durchdringt das Wildpret in einem Grade, daß es, für Europäer wenigſtens, vollkommen unge- nießbar wird. Die heftige Erregung bringt das Thier außerdem ſehr vom Leibe; es vergißt ſelbſt ſich zu äßen, magert ab und wird ſchließlich ganz entkräftet. Dann bleibt es hinter den eigentlichen Herden zurück, und nun erſt kommt es nach und nach wieder zur Beſinnung. Die Einſamkeit beruhigt, die Aeßung kräftigt, und gegen den Herbſt hin iſt die unglückliche Liebe vergeſſen.
Neun volle Monate nach der Paarung, gewöhnlich in der Mitte des März oder im April, bringt die Kuh ihr Kalb zur Welt. Schon früher hat ſie ſich von dem Stier getrennt, mit welchem ſie vorher wochenlang zuſammenlebte, und dafür ſich anderen hochbeſchlagenen Kühen angeſchloſſen. Dieſe Trupps der Mutterthiere wählen ſich, wenn die Zeit des Kalbens herannaht, die ſaftigſten Weideplätze aus und verweilen auf ihnen mit den Kälbern, ſolange ſich Weide findet. Die Kälber werden von den Müttern überaus zärtlich behandelt und gegen alle Feinde mit großem Muth ver- theidigt. Sie verdienen aber auch ſolche Liebe; denn ſie ſind äußerſt liebliche Geſchöpfe, munter, beweglich, ſpielluſtig, zu heiteren Sprüngen und zu neckiſchen Scherzen jederzeit aufgelegt. Ueber- haupt iſt der Biſon keineswegs ein ſo faules und der Bewegung abholdes Weſen, als einzelne Be- ſchreiber behauptet haben. Das uns plump erſcheinende Thier bewegt ſich mit einer überraſchenden Leichtigkeit. Der genaue Beobachter findet, daß es oft mit ſeiner eigenen Kraft zu ſcherzen und zu ſpielen ſcheint. Namentlich in den Morgen- und Abendſtunden ſind die Biſonten ſehr lebendig; die Jungen ergötzen ſich dann in luſtigen Spielen, und die Alten ſehen ſolchem Treiben vergnügt zu, nehmen auch wohl Theil daran. Ungeachtet ſeiner kurzen Läufe durchmißt der Biſon raſch bedeutende Strecken. Er geht niemals in der faulen Weiſe, wie ein zahmes Rind, langſam dahin, ſondern ſtets eiligen Schrittes. Er trabt raſch und ausdauernd und bewegt ſich im Galopp mit ſo großer Schnelle, daß ein gutes Pferd ſich anſtrengen muß, um mit ihm fortzukommen. Einen Menſchen überholt er ſchon trabend mit Leichtigkeit. Seine Bewegungen ſind eigenthümlich, kurz abgebrochen, und na- mentlich der galoppirende Biſon bewegt ſich in ſonderbaren Wellenlinien, welche dadurch entſtehen, daß er die Maſſe des Leibes bald vorn, bald hinten aufwirft. Aber plump und ungeſchickt iſt er durchaus nicht, vielmehr gewandt und behend in einer Weiſe, welche außer allem Verhältniß zu ſei- nem Leibesbau zu ſtehen ſcheint: — das wüthende Thier ſtürzt in raſender Eile dahin. Das Schwim- men übt der Biſon mit derſelben Kraft und Ausdauer, welche ſeine Bewegungen überhaupt kenn- zeichnet. Er nimmt nicht den geringſten Anſtand, ſich in das Waſſer zu begeben. Clarke ſah eine Herde über den Miſſouri ſetzen, da, wo der Strom über eine engliſche Meile breit war. Jn unun- terbrochener Reihe zogen die Thiere mit großer Schnelligkeit durch das Waſſer, eins dicht hinter dem anderen, und während die Erſten drüben bereits wieder feſten Fuß gefaßt hatten, ſtürzten ſich hüben die Letzten noch immer ins Waſſer.
Unter den Sinnen ſtehen Geruch und Gehör obenan. Der Biſon wittert vorzüglich und ver- nimmt auf weite Strecken hin. Das Geſicht wird von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt: es ſoll ſchlecht ſein. Von Unvollkommenheit des Sinneswerkzeugs aber darf man ſchwerlich reden; denn das Ange iſt wohlgebildet und unterſcheidet ſich wohl kaum von dem anderer Wiederkäuer; der dichte Haarfilz aber, welcher gerade den Kopf umgibt, hindert den Biſon am Sehen.
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Maſſe verwandelt, und nur die rollenden Augen ſind im vollſten Sinne des Worts das Einzige, was
an dem wandernden Erdhaufen von dem ſtattlichen Büffel geblieben. Kaum iſt der Pfuhl vom
Erſten verlaſſen, ſo nimmt ein Anderer den Platz ein, und dieſer ſtellt ihn wieder einem Dritten zur
Verfügung. So treibt die Herde es fort, bis jeder der Anweſenden die Merkmale dieſes eigenthüm-
lichen Bades auf ſeinen Schultern trägt. Dort trocknen ſie in eine feſte Kruſte zuſammen, welche
erſt durch Wälzen im Graſe oder durch den nächſten Regen allgemach entfernt wird.‟
Die Brunſt währt ungefähr einen Monat lang; Stiere aber, welche ihren Trieb nicht befriedi-
gen können, bleiben noch Wochen lang nach der eigentlichen Brunſtzeit wüthend und bösartig. Sie
greifen dann ſogar den Menſchen, welchen ſie ſonſt immer fliehen, rückſichtslos an. Ein unaus-
ſtehlicher Moſchusgeruch macht ſie auch dem Jäger ſchon von weitem kenntlich. Er erfüllt die Luft
und durchdringt das Wildpret in einem Grade, daß es, für Europäer wenigſtens, vollkommen unge-
nießbar wird. Die heftige Erregung bringt das Thier außerdem ſehr vom Leibe; es vergißt ſelbſt ſich
zu äßen, magert ab und wird ſchließlich ganz entkräftet. Dann bleibt es hinter den eigentlichen
Herden zurück, und nun erſt kommt es nach und nach wieder zur Beſinnung. Die Einſamkeit
beruhigt, die Aeßung kräftigt, und gegen den Herbſt hin iſt die unglückliche Liebe vergeſſen.
Neun volle Monate nach der Paarung, gewöhnlich in der Mitte des März oder im April,
bringt die Kuh ihr Kalb zur Welt. Schon früher hat ſie ſich von dem Stier getrennt, mit welchem
ſie vorher wochenlang zuſammenlebte, und dafür ſich anderen hochbeſchlagenen Kühen angeſchloſſen.
Dieſe Trupps der Mutterthiere wählen ſich, wenn die Zeit des Kalbens herannaht, die ſaftigſten
Weideplätze aus und verweilen auf ihnen mit den Kälbern, ſolange ſich Weide findet. Die Kälber
werden von den Müttern überaus zärtlich behandelt und gegen alle Feinde mit großem Muth ver-
theidigt. Sie verdienen aber auch ſolche Liebe; denn ſie ſind äußerſt liebliche Geſchöpfe, munter,
beweglich, ſpielluſtig, zu heiteren Sprüngen und zu neckiſchen Scherzen jederzeit aufgelegt. Ueber-
haupt iſt der Biſon keineswegs ein ſo faules und der Bewegung abholdes Weſen, als einzelne Be-
ſchreiber behauptet haben. Das uns plump erſcheinende Thier bewegt ſich mit einer überraſchenden
Leichtigkeit. Der genaue Beobachter findet, daß es oft mit ſeiner eigenen Kraft zu ſcherzen und zu
ſpielen ſcheint. Namentlich in den Morgen- und Abendſtunden ſind die Biſonten ſehr lebendig; die
Jungen ergötzen ſich dann in luſtigen Spielen, und die Alten ſehen ſolchem Treiben vergnügt zu,
nehmen auch wohl Theil daran. Ungeachtet ſeiner kurzen Läufe durchmißt der Biſon raſch bedeutende
Strecken. Er geht niemals in der faulen Weiſe, wie ein zahmes Rind, langſam dahin, ſondern ſtets
eiligen Schrittes. Er trabt raſch und ausdauernd und bewegt ſich im Galopp mit ſo großer Schnelle,
daß ein gutes Pferd ſich anſtrengen muß, um mit ihm fortzukommen. Einen Menſchen überholt er
ſchon trabend mit Leichtigkeit. Seine Bewegungen ſind eigenthümlich, kurz abgebrochen, und na-
mentlich der galoppirende Biſon bewegt ſich in ſonderbaren Wellenlinien, welche dadurch entſtehen,
daß er die Maſſe des Leibes bald vorn, bald hinten aufwirft. Aber plump und ungeſchickt iſt er
durchaus nicht, vielmehr gewandt und behend in einer Weiſe, welche außer allem Verhältniß zu ſei-
nem Leibesbau zu ſtehen ſcheint: — das wüthende Thier ſtürzt in raſender Eile dahin. Das Schwim-
men übt der Biſon mit derſelben Kraft und Ausdauer, welche ſeine Bewegungen überhaupt kenn-
zeichnet. Er nimmt nicht den geringſten Anſtand, ſich in das Waſſer zu begeben. Clarke ſah eine
Herde über den Miſſouri ſetzen, da, wo der Strom über eine engliſche Meile breit war. Jn unun-
terbrochener Reihe zogen die Thiere mit großer Schnelligkeit durch das Waſſer, eins dicht hinter dem
anderen, und während die Erſten drüben bereits wieder feſten Fuß gefaßt hatten, ſtürzten ſich hüben
die Letzten noch immer ins Waſſer.
Unter den Sinnen ſtehen Geruch und Gehör obenan. Der Biſon wittert vorzüglich und ver-
nimmt auf weite Strecken hin. Das Geſicht wird von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt: es
ſoll ſchlecht ſein. Von Unvollkommenheit des Sinneswerkzeugs aber darf man ſchwerlich reden; denn
das Ange iſt wohlgebildet und unterſcheidet ſich wohl kaum von dem anderer Wiederkäuer; der dichte
Haarfilz aber, welcher gerade den Kopf umgibt, hindert den Biſon am Sehen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/684>, abgerufen am 23.11.2024.
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