höchst selten an, und Gesellschaften von mehr als drei Stücken sind bisjetzt nur da beobachtet worden, wo eine besonders fette, gute Weide zufällig verschiedene Tapire vereinigt hat. Doch bemerkt Tschudi, daß sie haufenweise an die Ufer der Flüsse kämen, um sich hier zu baden und um zu saufen.
Jn ihren Bewegungen erinnern die Tapire an die Schweine. Der Gang ist langsam und be- dächtig: ein Bein wird gemächlich vor das andere gesetzt, der Kopf dabei zur Erde herabgebogen, und nur der beständig sich hin und her drehende, schnüffelnde Rüssel, sowie die fortwährend spielenden Ohren beleben die sonst äußerst träg erscheinende Gestalt. So geht der Tapir ruhig seines Weges da- hin. Der geringste Verdacht aber macht ihn stutzen; Rüssel und Ohren drehen und bewegen sich kurze Zeit fieberisch schnell, und plötzlich fällt das Thier in eilige Flucht. Es beugt den Kopf tief zur Erde herab und stürzt in gerader Richtung blindlings vorwärts, durch das Dickicht ebenso rasch, als durch Sumpf oder Wasser. "Begegnet man," sagt der Prinz, "zufällig einem solchen Thier im Walde, so pflegt es heftig zu erschrecken und schnell mit großem Geräusch zu entfliehen. Auf eine kurze Ent- fernung ist es ziemlich flüchtig; doch kann es einem raschen Hunde nicht entgehen und pflegt sich bald vor diesem zu stellen." Der Tapir ist ein ganz vortrefflicher Schwimmer und ein noch vorzüglicherer Taucher, welcher ohne Besinnen über die breitesten Flüsse setzt und zwar nicht blos auf der Flucht, sondern bei jeder Gelegenheit. Dies ist früher bezweifelt worden; alle neueren Beobachter aber stim- men darin vollständig überein, und der Prinz behauptet geradezu, daß die Aeußerung eines Reisen- den, welcher sagt, der Tapir gehe nur selten und blos auf der Flucht ins Wasser, hinlänglich zeige, daß sie aus einer mit der Natur dieser Thiere völlig unbekannten Quelle geflossen sei. Wahrscheinlich läuft der Tapir auch längere Zeit, wie das Flußpferd, auf dem Grunde der Gewässer hin; wenig- stens beobachtete man Dies an dem gefangenen Schabrackentapir zu Barakpoore, welchen man oft in dieser Weise sein Wasserbecken durchschreiten sah, während er hier niemals wirklich schwamm. Das Wasserbecken, welches unserem Gefangenen zur Verfügung steht, ist nicht tief genug, als daß ich diese immerhin auffällige Angabe durch weitere Beobachtung prüfen könnte.
Unter den Sinnen des Tapirs stehen Geruch und Gehör entschieden oben an und wahrscheinlich auf gleicher Stufe; das Gesicht hingegen ist schwach, wie man schon aus dem kleinen Auge schließen kann. Ueber den Geschmack ist schwer ein Urtheil zu fällen; doch habe ich an unseren Gefangenen beobachtet, daß sie zwischen den Nahrungsmitteln sehr scharf zu unterscheiden wissen und besondere Leckerbissen wohl zu würdigen verstehen. Das Gefühl bekundet sich als Tastsinn und als Empfin- dung. Der Rüssel ist ein sehr seines Tastwerkzeug und findet als solches vielfache Verwendung. Ge- fühl beweist der Tapir nicht blos durch seine Furcht vor den Sonnenstrahlen und Mücken, sondern auch durch Kundgeben einer ersichtlichen Behaglichkeit, wenn seine Dickhaut an irgend einer Stelle des Leibes gekraut wird. Unsere Gefangenen legen sich, wenn wir sie bürsten oder abreiben, sofort nieder und zeigen sich willig wie ein Kind, wenn ihnen diese Liebkosungen werden. Wir können sie dann nach allen Seiten hin drehen und wenden, ja auch zum Aufstehen bringen, je nachdem wir die Bürste an dieser oder jener Stelle des Leibes anwenden.
Die Stimme ist ein eigenthümliches, schrillendes Pfeifen, welches, wie Azara sagt, in gar keinem Verhältnisse mit dem großen Körper des Thieres steht. Derselbe Naturforscher behauptet, daß man es von dem freilebenden Tapir nur während der Paarungszeit vernehme, und Schom- burgk glaubt, daß es blos von jungen Thieren ausgestoßen werde. Beides ist falsch; unsere Ge- fangenen wenigstens haben dieses Pfeifen schon wiederholt und auch außer der Brunstzeit vernehmen lassen -- der Schabrackentapir ebenso gut, wie der amerikanische. Von dem erstgenannten hört man, wenn man ihn stört, noch ein ärgerliches Schnauben, welches mit Worten nicht beschrieben werden kann.
Alle Tapire scheinen gutmüthige, furchtsame und friedliche Gesellen zu sein, welche nur im höchsten Nothfalle von ihren Waffen Gebrauch machen. Sie fliehen vor jedem Feinde, auch vor dem kleinsten Hunde, am ängstlichsten aber vor dem Menschen, dessen Uebermacht sie wohl erkannt haben.
Allgemeines.
höchſt ſelten an, und Geſellſchaften von mehr als drei Stücken ſind bisjetzt nur da beobachtet worden, wo eine beſonders fette, gute Weide zufällig verſchiedene Tapire vereinigt hat. Doch bemerkt Tſchudi, daß ſie haufenweiſe an die Ufer der Flüſſe kämen, um ſich hier zu baden und um zu ſaufen.
Jn ihren Bewegungen erinnern die Tapire an die Schweine. Der Gang iſt langſam und be- dächtig: ein Bein wird gemächlich vor das andere geſetzt, der Kopf dabei zur Erde herabgebogen, und nur der beſtändig ſich hin und her drehende, ſchnüffelnde Rüſſel, ſowie die fortwährend ſpielenden Ohren beleben die ſonſt äußerſt träg erſcheinende Geſtalt. So geht der Tapir ruhig ſeines Weges da- hin. Der geringſte Verdacht aber macht ihn ſtutzen; Rüſſel und Ohren drehen und bewegen ſich kurze Zeit fieberiſch ſchnell, und plötzlich fällt das Thier in eilige Flucht. Es beugt den Kopf tief zur Erde herab und ſtürzt in gerader Richtung blindlings vorwärts, durch das Dickicht ebenſo raſch, als durch Sumpf oder Waſſer. „Begegnet man,‟ ſagt der Prinz, „zufällig einem ſolchen Thier im Walde, ſo pflegt es heftig zu erſchrecken und ſchnell mit großem Geräuſch zu entfliehen. Auf eine kurze Ent- fernung iſt es ziemlich flüchtig; doch kann es einem raſchen Hunde nicht entgehen und pflegt ſich bald vor dieſem zu ſtellen.‟ Der Tapir iſt ein ganz vortrefflicher Schwimmer und ein noch vorzüglicherer Taucher, welcher ohne Beſinnen über die breiteſten Flüſſe ſetzt und zwar nicht blos auf der Flucht, ſondern bei jeder Gelegenheit. Dies iſt früher bezweifelt worden; alle neueren Beobachter aber ſtim- men darin vollſtändig überein, und der Prinz behauptet geradezu, daß die Aeußerung eines Reiſen- den, welcher ſagt, der Tapir gehe nur ſelten und blos auf der Flucht ins Waſſer, hinlänglich zeige, daß ſie aus einer mit der Natur dieſer Thiere völlig unbekannten Quelle gefloſſen ſei. Wahrſcheinlich läuft der Tapir auch längere Zeit, wie das Flußpferd, auf dem Grunde der Gewäſſer hin; wenig- ſtens beobachtete man Dies an dem gefangenen Schabrackentapir zu Barakpoore, welchen man oft in dieſer Weiſe ſein Waſſerbecken durchſchreiten ſah, während er hier niemals wirklich ſchwamm. Das Waſſerbecken, welches unſerem Gefangenen zur Verfügung ſteht, iſt nicht tief genug, als daß ich dieſe immerhin auffällige Angabe durch weitere Beobachtung prüfen könnte.
Unter den Sinnen des Tapirs ſtehen Geruch und Gehör entſchieden oben an und wahrſcheinlich auf gleicher Stufe; das Geſicht hingegen iſt ſchwach, wie man ſchon aus dem kleinen Auge ſchließen kann. Ueber den Geſchmack iſt ſchwer ein Urtheil zu fällen; doch habe ich an unſeren Gefangenen beobachtet, daß ſie zwiſchen den Nahrungsmitteln ſehr ſcharf zu unterſcheiden wiſſen und beſondere Leckerbiſſen wohl zu würdigen verſtehen. Das Gefühl bekundet ſich als Taſtſinn und als Empfin- dung. Der Rüſſel iſt ein ſehr ſeines Taſtwerkzeug und findet als ſolches vielfache Verwendung. Ge- fühl beweiſt der Tapir nicht blos durch ſeine Furcht vor den Sonnenſtrahlen und Mücken, ſondern auch durch Kundgeben einer erſichtlichen Behaglichkeit, wenn ſeine Dickhaut an irgend einer Stelle des Leibes gekraut wird. Unſere Gefangenen legen ſich, wenn wir ſie bürſten oder abreiben, ſofort nieder und zeigen ſich willig wie ein Kind, wenn ihnen dieſe Liebkoſungen werden. Wir können ſie dann nach allen Seiten hin drehen und wenden, ja auch zum Aufſtehen bringen, je nachdem wir die Bürſte an dieſer oder jener Stelle des Leibes anwenden.
Die Stimme iſt ein eigenthümliches, ſchrillendes Pfeifen, welches, wie Azara ſagt, in gar keinem Verhältniſſe mit dem großen Körper des Thieres ſteht. Derſelbe Naturforſcher behauptet, daß man es von dem freilebenden Tapir nur während der Paarungszeit vernehme, und Schom- burgk glaubt, daß es blos von jungen Thieren ausgeſtoßen werde. Beides iſt falſch; unſere Ge- fangenen wenigſtens haben dieſes Pfeifen ſchon wiederholt und auch außer der Brunſtzeit vernehmen laſſen — der Schabrackentapir ebenſo gut, wie der amerikaniſche. Von dem erſtgenannten hört man, wenn man ihn ſtört, noch ein ärgerliches Schnauben, welches mit Worten nicht beſchrieben werden kann.
Alle Tapire ſcheinen gutmüthige, furchtſame und friedliche Geſellen zu ſein, welche nur im höchſten Nothfalle von ihren Waffen Gebrauch machen. Sie fliehen vor jedem Feinde, auch vor dem kleinſten Hunde, am ängſtlichſten aber vor dem Menſchen, deſſen Uebermacht ſie wohl erkannt haben.
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höchſt ſelten an, und Geſellſchaften von mehr als drei Stücken ſind bisjetzt nur da beobachtet worden,
wo eine beſonders fette, gute Weide zufällig verſchiedene Tapire vereinigt hat. Doch bemerkt
Tſchudi, daß ſie haufenweiſe an die Ufer der Flüſſe kämen, um ſich hier zu baden und um
zu ſaufen.
Jn ihren Bewegungen erinnern die Tapire an die Schweine. Der Gang iſt langſam und be-
dächtig: ein Bein wird gemächlich vor das andere geſetzt, der Kopf dabei zur Erde herabgebogen, und
nur der beſtändig ſich hin und her drehende, ſchnüffelnde Rüſſel, ſowie die fortwährend ſpielenden
Ohren beleben die ſonſt äußerſt träg erſcheinende Geſtalt. So geht der Tapir ruhig ſeines Weges da-
hin. Der geringſte Verdacht aber macht ihn ſtutzen; Rüſſel und Ohren drehen und bewegen ſich
kurze Zeit fieberiſch ſchnell, und plötzlich fällt das Thier in eilige Flucht. Es beugt den Kopf tief zur
Erde herab und ſtürzt in gerader Richtung blindlings vorwärts, durch das Dickicht ebenſo raſch, als
durch Sumpf oder Waſſer. „Begegnet man,‟ ſagt der Prinz, „zufällig einem ſolchen Thier im Walde,
ſo pflegt es heftig zu erſchrecken und ſchnell mit großem Geräuſch zu entfliehen. Auf eine kurze Ent-
fernung iſt es ziemlich flüchtig; doch kann es einem raſchen Hunde nicht entgehen und pflegt ſich bald
vor dieſem zu ſtellen.‟ Der Tapir iſt ein ganz vortrefflicher Schwimmer und ein noch vorzüglicherer
Taucher, welcher ohne Beſinnen über die breiteſten Flüſſe ſetzt und zwar nicht blos auf der Flucht,
ſondern bei jeder Gelegenheit. Dies iſt früher bezweifelt worden; alle neueren Beobachter aber ſtim-
men darin vollſtändig überein, und der Prinz behauptet geradezu, daß die Aeußerung eines Reiſen-
den, welcher ſagt, der Tapir gehe nur ſelten und blos auf der Flucht ins Waſſer, hinlänglich zeige,
daß ſie aus einer mit der Natur dieſer Thiere völlig unbekannten Quelle gefloſſen ſei. Wahrſcheinlich
läuft der Tapir auch längere Zeit, wie das Flußpferd, auf dem Grunde der Gewäſſer hin; wenig-
ſtens beobachtete man Dies an dem gefangenen Schabrackentapir zu Barakpoore, welchen man oft in
dieſer Weiſe ſein Waſſerbecken durchſchreiten ſah, während er hier niemals wirklich ſchwamm. Das
Waſſerbecken, welches unſerem Gefangenen zur Verfügung ſteht, iſt nicht tief genug, als daß ich
dieſe immerhin auffällige Angabe durch weitere Beobachtung prüfen könnte.
Unter den Sinnen des Tapirs ſtehen Geruch und Gehör entſchieden oben an und wahrſcheinlich
auf gleicher Stufe; das Geſicht hingegen iſt ſchwach, wie man ſchon aus dem kleinen Auge ſchließen
kann. Ueber den Geſchmack iſt ſchwer ein Urtheil zu fällen; doch habe ich an unſeren Gefangenen
beobachtet, daß ſie zwiſchen den Nahrungsmitteln ſehr ſcharf zu unterſcheiden wiſſen und beſondere
Leckerbiſſen wohl zu würdigen verſtehen. Das Gefühl bekundet ſich als Taſtſinn und als Empfin-
dung. Der Rüſſel iſt ein ſehr ſeines Taſtwerkzeug und findet als ſolches vielfache Verwendung. Ge-
fühl beweiſt der Tapir nicht blos durch ſeine Furcht vor den Sonnenſtrahlen und Mücken, ſondern
auch durch Kundgeben einer erſichtlichen Behaglichkeit, wenn ſeine Dickhaut an irgend einer Stelle
des Leibes gekraut wird. Unſere Gefangenen legen ſich, wenn wir ſie bürſten oder abreiben, ſofort
nieder und zeigen ſich willig wie ein Kind, wenn ihnen dieſe Liebkoſungen werden. Wir können ſie
dann nach allen Seiten hin drehen und wenden, ja auch zum Aufſtehen bringen, je nachdem wir die
Bürſte an dieſer oder jener Stelle des Leibes anwenden.
Die Stimme iſt ein eigenthümliches, ſchrillendes Pfeifen, welches, wie Azara ſagt, in gar
keinem Verhältniſſe mit dem großen Körper des Thieres ſteht. Derſelbe Naturforſcher behauptet,
daß man es von dem freilebenden Tapir nur während der Paarungszeit vernehme, und Schom-
burgk glaubt, daß es blos von jungen Thieren ausgeſtoßen werde. Beides iſt falſch; unſere Ge-
fangenen wenigſtens haben dieſes Pfeifen ſchon wiederholt und auch außer der Brunſtzeit vernehmen
laſſen — der Schabrackentapir ebenſo gut, wie der amerikaniſche. Von dem erſtgenannten hört man,
wenn man ihn ſtört, noch ein ärgerliches Schnauben, welches mit Worten nicht beſchrieben
werden kann.
Alle Tapire ſcheinen gutmüthige, furchtſame und friedliche Geſellen zu ſein, welche nur im
höchſten Nothfalle von ihren Waffen Gebrauch machen. Sie fliehen vor jedem Feinde, auch vor dem
kleinſten Hunde, am ängſtlichſten aber vor dem Menſchen, deſſen Uebermacht ſie wohl erkannt haben.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/755>, abgerufen am 23.11.2024.
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