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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Klippschliefer.
Dann gibt es nirgends einen Tropfen Wasser, und höchstens der Nachtthau, mit welchem ja bekannt-
lich viele Thiere sich begnügen, bleibt noch zur Erfrischung übrig.

Man glaubt, daß die Klippschliefer eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen, und
zwar hauptfächlich, weil das Weibchen sechs Zitzen hat. Jch bezweifle die Richtigkeit dieser Ansicht.
Unter den zahlreichen Gesellschaften, welche ich sah, gab es so außerordentlich wenig Junge, daß man
hätte annehmen müssen, es befänden sich unter der ganzen Menge nur zwei oder drei fortpflanzungs-
fähige Weibchen, und Dies war doch entschieden nicht der Fall. Auch habe ich niemals gesehen, daß
eine Alte von mehreren Kleinen umringt gewesen wäre. Jch glaube annehmen zu dürfen, daß jedes
Weibchen nur ein Junges wirft, kann aber meine Ansicht freilich nicht anders, als vorstehend begrün-
den. Die Eingeborenen wußten mir gar Nichts zu sagen.

Die Jagd der Klippdachse hat keine Schwierigkeiten, falls man die ängftlichen Geschöpfe nicht
bereits und wiederholt verfolgt hat. Es gelingt dem Jäger gewöhnlich, eine der in geeigneter Ent-
fernung sitzenden Wachen herabzudonnern. Nach einigen Schüffen wird die Herde freilich sehr ängst-
lich; sie flieht dann schon von weitem vor jedem Menschen und zeigt sich nur in den höchsten Spalten
des Felsens. Unglaublich groß ist die Lebenszähigkeit der kleinen Gesellen; selbst sehr stark verwun-
dete wissen noch eine Ritze zu erreichen, und dann ist gewöhnlich jedes weitere Nachsuchen vergebens.

Nur in Arabien und am Vorgebirge der guten Hoffnung werden die Klippschliefer gefangen und
verwendet; die Abissinier verfolgen sie nie. Auf der Halbinsel des Sinai tiefen die Beduinen eine
Grube ab, füttern sie mit Steinplatten gut aus und richten einen steinernen Falldeckel mit Stell-
pflöcken her. Ein Tamariskenzweig, welcher als Lockspeise dient, hebt, sobald er bewegt, bezüglich an-
gefressen wird, die Stellpflöcke aus; der Deckel schlägt nieder, -- und der unschlaue Gebirgsbewohner
sitzt in einem Kerker, dessen Wände seinen schwachbekrallten, zum Graben unfähigen Pfoten einen un-
besieglichen Widerstand leisten. Auf diese Weise bekam Ehrenberg während seines Anfenthalts
im steinigten Arabien sieben Stück lebendig in seine Gewalt. -- Die Kaffern fangen, wie Kolbe
berichtet, Klippdachse mit den Händen (?). Der Gastfreund jenes alten guten Beobachters besaß
einen neunjährigen Sklaven, welcher das Vieh hütete und dabei die Steinberge oft bestieg. Er
brachte oft so viel von seinem Lieblingswild nach Hause, daß er es kaum tragen konnte und allgemeine
Verwunderung erregte, weil man die zum Fange so behender Geschöpfe nothwendige Geschicklichkeit sich
nicht erklären konnte. Später richtete sich der Knabe einen Hund ab, welcher ihm mit fangen half. --
Tellereisen vor die Ausgänge mancher besond ers beliebten Spalten gelegt, würden wohl auch gute
Dienste leisten.

Mehrere Reisende berichten von Gefangenen, welche sie besaßen; einzelne sind auch bereits
lebend nach Europa gekommen. Graf Mellin vergleicht einen von ihm gezähmten Klippschliefer mit
einem Bären, welcher nicht größer als ein Kaninchen ist. Er nennt ihn ein vollkommen wehr-
loses Wesen, welches sich weder durch eine schnelle Flucht retten, noch durch seine Zähne oder Klauen
vertheidigen kann. Jch stimme dieser Angabe, nach Dem, was ich an verwundeten (angeschossenen)
Klippschliefern beobachtete, vollkommen bei; Ehrenberg dagegen versichert, daß der "Wabbr" sehr
bissig wäre. Mellins Gefangener biß sich zwar manchmal knurrend mit einem kleinen Schoßhündchen
herum, konnte diesem aber Nichts anhaben. Wenn man ihn in den Hof brachte, suchte er gleich einen
finsteren Winkel aus, am liebsten einen Haufen Mauersteine, zwischen welchen er einen Schlupfwinkel
suchte. Das Fenster war sein Lieblingsaufenthalt, obgleich er hier oft großes Leid auszuhalten hatte;
denn, wenn nur eine Krähe oder eine Taube vorbeiflog, gerieth er in Angst und lief eilend seinem
Kasten zu, um dort sich zu verstecken. Niemals nagte er an den Sprossen seines Käfigs oder an dem
Bande, woran er befestigt worden war. Manchmal sprang er auf die Tische, dort benahm er sich aber
so vorsichtig, daß er Nichts umwarf, auch wenn der ganze Tisch voll Geschirr war. Brod, Obst, Kar-
toffeln, sowohl rohe als gekochte Gemüse fraß er gern; Haselnüsse, welche man ihm aber auffchlagen
mußte, schienen eine besondere Leckerei für ihn zu bilden. Stets hielt er sich sehr reinlich. Harn und
Losung ließ er immer an demselben Orte und verscharrte beides, wie die Katzen. Wenn man ihm

Die Klippſchliefer.
Dann gibt es nirgends einen Tropfen Waſſer, und höchſtens der Nachtthau, mit welchem ja bekannt-
lich viele Thiere ſich begnügen, bleibt noch zur Erfriſchung übrig.

Man glaubt, daß die Klippſchliefer eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen, und
zwar hauptfächlich, weil das Weibchen ſechs Zitzen hat. Jch bezweifle die Richtigkeit dieſer Anſicht.
Unter den zahlreichen Geſellſchaften, welche ich ſah, gab es ſo außerordentlich wenig Junge, daß man
hätte annehmen müſſen, es befänden ſich unter der ganzen Menge nur zwei oder drei fortpflanzungs-
fähige Weibchen, und Dies war doch entſchieden nicht der Fall. Auch habe ich niemals geſehen, daß
eine Alte von mehreren Kleinen umringt geweſen wäre. Jch glaube annehmen zu dürfen, daß jedes
Weibchen nur ein Junges wirft, kann aber meine Anſicht freilich nicht anders, als vorſtehend begrün-
den. Die Eingeborenen wußten mir gar Nichts zu ſagen.

Die Jagd der Klippdachſe hat keine Schwierigkeiten, falls man die ängftlichen Geſchöpfe nicht
bereits und wiederholt verfolgt hat. Es gelingt dem Jäger gewöhnlich, eine der in geeigneter Ent-
fernung ſitzenden Wachen herabzudonnern. Nach einigen Schüffen wird die Herde freilich ſehr ängſt-
lich; ſie flieht dann ſchon von weitem vor jedem Menſchen und zeigt ſich nur in den höchſten Spalten
des Felſens. Unglaublich groß iſt die Lebenszähigkeit der kleinen Geſellen; ſelbſt ſehr ſtark verwun-
dete wiſſen noch eine Ritze zu erreichen, und dann iſt gewöhnlich jedes weitere Nachſuchen vergebens.

Nur in Arabien und am Vorgebirge der guten Hoffnung werden die Klippſchliefer gefangen und
verwendet; die Abiſſinier verfolgen ſie nie. Auf der Halbinſel des Sinai tiefen die Beduinen eine
Grube ab, füttern ſie mit Steinplatten gut aus und richten einen ſteinernen Falldeckel mit Stell-
pflöcken her. Ein Tamariskenzweig, welcher als Lockſpeiſe dient, hebt, ſobald er bewegt, bezüglich an-
gefreſſen wird, die Stellpflöcke aus; der Deckel ſchlägt nieder, — und der unſchlaue Gebirgsbewohner
ſitzt in einem Kerker, deſſen Wände ſeinen ſchwachbekrallten, zum Graben unfähigen Pfoten einen un-
beſieglichen Widerſtand leiſten. Auf dieſe Weiſe bekam Ehrenberg während ſeines Anfenthalts
im ſteinigten Arabien ſieben Stück lebendig in ſeine Gewalt. — Die Kaffern fangen, wie Kolbe
berichtet, Klippdachſe mit den Händen (?). Der Gaſtfreund jenes alten guten Beobachters beſaß
einen neunjährigen Sklaven, welcher das Vieh hütete und dabei die Steinberge oft beſtieg. Er
brachte oft ſo viel von ſeinem Lieblingswild nach Hauſe, daß er es kaum tragen konnte und allgemeine
Verwunderung erregte, weil man die zum Fange ſo behender Geſchöpfe nothwendige Geſchicklichkeit ſich
nicht erklären konnte. Später richtete ſich der Knabe einen Hund ab, welcher ihm mit fangen half. —
Tellereiſen vor die Ausgänge mancher beſond ers beliebten Spalten gelegt, würden wohl auch gute
Dienſte leiſten.

Mehrere Reiſende berichten von Gefangenen, welche ſie beſaßen; einzelne ſind auch bereits
lebend nach Europa gekommen. Graf Mellin vergleicht einen von ihm gezähmten Klippſchliefer mit
einem Bären, welcher nicht größer als ein Kaninchen iſt. Er nennt ihn ein vollkommen wehr-
loſes Weſen, welches ſich weder durch eine ſchnelle Flucht retten, noch durch ſeine Zähne oder Klauen
vertheidigen kann. Jch ſtimme dieſer Angabe, nach Dem, was ich an verwundeten (angeſchoſſenen)
Klippſchliefern beobachtete, vollkommen bei; Ehrenberg dagegen verſichert, daß der „Wabbr‟ ſehr
biſſig wäre. Mellins Gefangener biß ſich zwar manchmal knurrend mit einem kleinen Schoßhündchen
herum, konnte dieſem aber Nichts anhaben. Wenn man ihn in den Hof brachte, ſuchte er gleich einen
finſteren Winkel aus, am liebſten einen Haufen Mauerſteine, zwiſchen welchen er einen Schlupfwinkel
ſuchte. Das Fenſter war ſein Lieblingsaufenthalt, obgleich er hier oft großes Leid auszuhalten hatte;
denn, wenn nur eine Krähe oder eine Taube vorbeiflog, gerieth er in Angſt und lief eilend ſeinem
Kaſten zu, um dort ſich zu verſtecken. Niemals nagte er an den Sproſſen ſeines Käfigs oder an dem
Bande, woran er befeſtigt worden war. Manchmal ſprang er auf die Tiſche, dort benahm er ſich aber
ſo vorſichtig, daß er Nichts umwarf, auch wenn der ganze Tiſch voll Geſchirr war. Brod, Obſt, Kar-
toffeln, ſowohl rohe als gekochte Gemüſe fraß er gern; Haſelnüſſe, welche man ihm aber auffchlagen
mußte, ſchienen eine beſondere Leckerei für ihn zu bilden. Stets hielt er ſich ſehr reinlich. Harn und
Loſung ließ er immer an demſelben Orte und verſcharrte beides, wie die Katzen. Wenn man ihm

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[725/0765] Die Klippſchliefer. Dann gibt es nirgends einen Tropfen Waſſer, und höchſtens der Nachtthau, mit welchem ja bekannt- lich viele Thiere ſich begnügen, bleibt noch zur Erfriſchung übrig. Man glaubt, daß die Klippſchliefer eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen, und zwar hauptfächlich, weil das Weibchen ſechs Zitzen hat. Jch bezweifle die Richtigkeit dieſer Anſicht. Unter den zahlreichen Geſellſchaften, welche ich ſah, gab es ſo außerordentlich wenig Junge, daß man hätte annehmen müſſen, es befänden ſich unter der ganzen Menge nur zwei oder drei fortpflanzungs- fähige Weibchen, und Dies war doch entſchieden nicht der Fall. Auch habe ich niemals geſehen, daß eine Alte von mehreren Kleinen umringt geweſen wäre. Jch glaube annehmen zu dürfen, daß jedes Weibchen nur ein Junges wirft, kann aber meine Anſicht freilich nicht anders, als vorſtehend begrün- den. Die Eingeborenen wußten mir gar Nichts zu ſagen. Die Jagd der Klippdachſe hat keine Schwierigkeiten, falls man die ängftlichen Geſchöpfe nicht bereits und wiederholt verfolgt hat. Es gelingt dem Jäger gewöhnlich, eine der in geeigneter Ent- fernung ſitzenden Wachen herabzudonnern. Nach einigen Schüffen wird die Herde freilich ſehr ängſt- lich; ſie flieht dann ſchon von weitem vor jedem Menſchen und zeigt ſich nur in den höchſten Spalten des Felſens. Unglaublich groß iſt die Lebenszähigkeit der kleinen Geſellen; ſelbſt ſehr ſtark verwun- dete wiſſen noch eine Ritze zu erreichen, und dann iſt gewöhnlich jedes weitere Nachſuchen vergebens. Nur in Arabien und am Vorgebirge der guten Hoffnung werden die Klippſchliefer gefangen und verwendet; die Abiſſinier verfolgen ſie nie. Auf der Halbinſel des Sinai tiefen die Beduinen eine Grube ab, füttern ſie mit Steinplatten gut aus und richten einen ſteinernen Falldeckel mit Stell- pflöcken her. Ein Tamariskenzweig, welcher als Lockſpeiſe dient, hebt, ſobald er bewegt, bezüglich an- gefreſſen wird, die Stellpflöcke aus; der Deckel ſchlägt nieder, — und der unſchlaue Gebirgsbewohner ſitzt in einem Kerker, deſſen Wände ſeinen ſchwachbekrallten, zum Graben unfähigen Pfoten einen un- beſieglichen Widerſtand leiſten. Auf dieſe Weiſe bekam Ehrenberg während ſeines Anfenthalts im ſteinigten Arabien ſieben Stück lebendig in ſeine Gewalt. — Die Kaffern fangen, wie Kolbe berichtet, Klippdachſe mit den Händen (?). Der Gaſtfreund jenes alten guten Beobachters beſaß einen neunjährigen Sklaven, welcher das Vieh hütete und dabei die Steinberge oft beſtieg. Er brachte oft ſo viel von ſeinem Lieblingswild nach Hauſe, daß er es kaum tragen konnte und allgemeine Verwunderung erregte, weil man die zum Fange ſo behender Geſchöpfe nothwendige Geſchicklichkeit ſich nicht erklären konnte. Später richtete ſich der Knabe einen Hund ab, welcher ihm mit fangen half. — Tellereiſen vor die Ausgänge mancher beſond ers beliebten Spalten gelegt, würden wohl auch gute Dienſte leiſten. Mehrere Reiſende berichten von Gefangenen, welche ſie beſaßen; einzelne ſind auch bereits lebend nach Europa gekommen. Graf Mellin vergleicht einen von ihm gezähmten Klippſchliefer mit einem Bären, welcher nicht größer als ein Kaninchen iſt. Er nennt ihn ein vollkommen wehr- loſes Weſen, welches ſich weder durch eine ſchnelle Flucht retten, noch durch ſeine Zähne oder Klauen vertheidigen kann. Jch ſtimme dieſer Angabe, nach Dem, was ich an verwundeten (angeſchoſſenen) Klippſchliefern beobachtete, vollkommen bei; Ehrenberg dagegen verſichert, daß der „Wabbr‟ ſehr biſſig wäre. Mellins Gefangener biß ſich zwar manchmal knurrend mit einem kleinen Schoßhündchen herum, konnte dieſem aber Nichts anhaben. Wenn man ihn in den Hof brachte, ſuchte er gleich einen finſteren Winkel aus, am liebſten einen Haufen Mauerſteine, zwiſchen welchen er einen Schlupfwinkel ſuchte. Das Fenſter war ſein Lieblingsaufenthalt, obgleich er hier oft großes Leid auszuhalten hatte; denn, wenn nur eine Krähe oder eine Taube vorbeiflog, gerieth er in Angſt und lief eilend ſeinem Kaſten zu, um dort ſich zu verſtecken. Niemals nagte er an den Sproſſen ſeines Käfigs oder an dem Bande, woran er befeſtigt worden war. Manchmal ſprang er auf die Tiſche, dort benahm er ſich aber ſo vorſichtig, daß er Nichts umwarf, auch wenn der ganze Tiſch voll Geſchirr war. Brod, Obſt, Kar- toffeln, ſowohl rohe als gekochte Gemüſe fraß er gern; Haſelnüſſe, welche man ihm aber auffchlagen mußte, ſchienen eine beſondere Leckerei für ihn zu bilden. Stets hielt er ſich ſehr reinlich. Harn und Loſung ließ er immer an demſelben Orte und verſcharrte beides, wie die Katzen. Wenn man ihm

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/765>, abgerufen am 23.11.2024.