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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Schweine.

Mit Ausnahme von Neuholland bewohnen die Borstenthiere fast alle Länder der übrigen Erd-
theile. Große, feuchte, sumpfige Wälder in bergigen oder ebenen Gegenden, Dickichte, Gestrüppe,
mit hohem Gras bedeckte, feuchte Flächen und Felder bilden ihre Aufenthaltsorte. Alle lieben die
Nähe des Wassers oder mit anderen Worten Sümpfe, Lachen und die Ufer der Flüsse und
Seen, wühlen sich hier im Schlamm oder Morast ein Lager aus und liegen in diesen, oft halb im
Wasser, während der Zeit ihrer Ruhe. Eine Art sucht auch in großen Löchern unter Baumwurzeln
Schutz. Die meisten sind gesellige Thiere; doch erreichen die Rudel, welche sie bilden, selten eine
große Stärke. Eine Art soll paarweise leben. Jhre Lebensweise ist eine nächtliche; denn auch
an Orten, wo sie keine Gefahr zu befürchten brauchen, beginnen sie erst mit Anbruch der Däm-
merung ihr Treiben. Sie sind keineswegs so plump und unbeholfen, als sie erscheinen. Jhre
Bewegungen sind verhältnißmäßig leicht, ihr Gang ist ziemlich rasch, ihr Lauf schnell. Jm Was-
ser schwimmen alle vortrefflich, wenn auch nicht mit besonderer Ausdauer; eine Art setzt aber
doch über Meeresarme, um von einer Jnsel zu der anderen zu gelangen. Jhr Galopp ist eine
Reihe eigenthümlicher Sätze, von denen jeder mit einem ausdrucksvollen Grunzen begleitet wird.
Auch die Sinne der Schweine sind gut ausgebildet, namentlich Geruch und Gehör. Sie wittern und
vernehmen ausgezeichnet. Das kleine und blöde Auge dagegen scheint nicht besonders scharf zu sehen,
und Geschmack und Gefühl sind auch nicht eben sehr ausgebildet. Alle Arten sind vorsichtig und
manche scheu. Sie entfliehen Gefahren, stellen sich aber, sobald sie gedrängt werden, tapfer zur
Wehr, und die alten Keuler greifen oft ohne alle Umstände ihre Gegner an. Dabei suchen sie diese
umzurennen und mit ihren scharfen Hauern zu verletzen, und sie verstehen diese furchtbare Waffe mit
so großem Geschick und so bedeutender Kraft zu gebrauchen, daß sie sehr gefährlich werden können.
Alle Keuler vertheidigen ihre Bachen und diese ihre Kinder mit vieler Aufopferung. Jhre geistigen
Fähigkeiten sind gering. Sie sind ungelehrig, störrisch und nicht zu höherer Zähmung geeignet, wie
überhaupt ihre Eigenschaften nicht eben ansprechend genannt werden dürfen.

Die Stimme der Schweine ist ein sonderbares Grunzen, welches zwar nicht wohllautend genannt
werden kann, im ganzen aber doch viel Behäbigkeit und Selbstzufriedenheit oder Gemüthlichkeit aus-
drückt. Bei den alten Keulern vernimmt man auch ein tiefes Brummen.

Die Schweine sind Allesfresser in des Wortes vollster Bedeutung. Was nur irgend genießbar
ist, erscheint ihnen recht. Nur wenige ernähren sich ausschließlich von Pflanzenstoffen, Wurzeln,
Kräutern, Feld- und Baumfrüchten, Zwiebeln, Pilzen etc., die übrigen verzehren nebenbei auch
Kerbthiere und deren Larven, Schnecken, Würmer, Lurche, Mäuse, ja selbst Fische, und mit Ver-
gnügen Aas. Das Wasser ist für Alle unentbehrlich. Jhre Gefräßigkeit ist so bekannt, daß darüber
Nichts gesagt zu werden braucht; in ihr gehen eigentlich alle übrigen Eigenschaften unter, mit alleini-
ger Ausnahme der beispiellosen Unreinlichkeit, welche ihnen die Mißachtung des Menschen einge-
tragen hat.

Die Schweine gehören zu den fruchtbarsten Thieren; denn die Zahl ihrer Jungen schwankt
zwischen 1 bis 24. Nur bei den wenigsten Arten wirft die Bache eine kleine Schar von Ferkeln.
Diese sind allerliebste, lustige, bewegliche Geschöpfe, welche Jedermann entzücken würden, wenn sie
nicht die Unreinlichkeit der Alten vom ersten Tage ihres Lebens an zeigten.

Alle Wildschweine fügen dem gebildeten, ackerbautreibenden Menschen oft großen Schaden zu
und vertragen sich nicht mit dem Aubau des Bodens. Sie sind deshalb auch in Europa fast ausge-
rottet und werden überall aufs eifrigste verfolgt, wo der Mensch zur Herrschaft gelangte. Jhre
Jagd gilt als eins der edelsten Vergnügen und hat auch außerordentlich viel Anziehendes, weil es sich
hier um Geschöpfe handelt, welche ihr Leben unter Umständen sehr theuer zu verkaufen wissen. Bei den
wildlebenden Arten übertrifft der Schaden den Nutzen, welchen sie durch Fleisch und Fell bringen, bei
weitem. Die in der Gefangenschaft lebenden Arten aber sind uns fast unentbehrlich geworden und
zählen mit Recht zu unseren geschätztesten Hausthieren.

Die Schweine.

Mit Ausnahme von Neuholland bewohnen die Borſtenthiere faſt alle Länder der übrigen Erd-
theile. Große, feuchte, ſumpfige Wälder in bergigen oder ebenen Gegenden, Dickichte, Geſtrüppe,
mit hohem Gras bedeckte, feuchte Flächen und Felder bilden ihre Aufenthaltsorte. Alle lieben die
Nähe des Waſſers oder mit anderen Worten Sümpfe, Lachen und die Ufer der Flüſſe und
Seen, wühlen ſich hier im Schlamm oder Moraſt ein Lager aus und liegen in dieſen, oft halb im
Waſſer, während der Zeit ihrer Ruhe. Eine Art ſucht auch in großen Löchern unter Baumwurzeln
Schutz. Die meiſten ſind geſellige Thiere; doch erreichen die Rudel, welche ſie bilden, ſelten eine
große Stärke. Eine Art ſoll paarweiſe leben. Jhre Lebensweiſe iſt eine nächtliche; denn auch
an Orten, wo ſie keine Gefahr zu befürchten brauchen, beginnen ſie erſt mit Anbruch der Däm-
merung ihr Treiben. Sie ſind keineswegs ſo plump und unbeholfen, als ſie erſcheinen. Jhre
Bewegungen ſind verhältnißmäßig leicht, ihr Gang iſt ziemlich raſch, ihr Lauf ſchnell. Jm Waſ-
ſer ſchwimmen alle vortrefflich, wenn auch nicht mit beſonderer Ausdauer; eine Art ſetzt aber
doch über Meeresarme, um von einer Jnſel zu der anderen zu gelangen. Jhr Galopp iſt eine
Reihe eigenthümlicher Sätze, von denen jeder mit einem ausdrucksvollen Grunzen begleitet wird.
Auch die Sinne der Schweine ſind gut ausgebildet, namentlich Geruch und Gehör. Sie wittern und
vernehmen ausgezeichnet. Das kleine und blöde Auge dagegen ſcheint nicht beſonders ſcharf zu ſehen,
und Geſchmack und Gefühl ſind auch nicht eben ſehr ausgebildet. Alle Arten ſind vorſichtig und
manche ſcheu. Sie entfliehen Gefahren, ſtellen ſich aber, ſobald ſie gedrängt werden, tapfer zur
Wehr, und die alten Keuler greifen oft ohne alle Umſtände ihre Gegner an. Dabei ſuchen ſie dieſe
umzurennen und mit ihren ſcharfen Hauern zu verletzen, und ſie verſtehen dieſe furchtbare Waffe mit
ſo großem Geſchick und ſo bedeutender Kraft zu gebrauchen, daß ſie ſehr gefährlich werden können.
Alle Keuler vertheidigen ihre Bachen und dieſe ihre Kinder mit vieler Aufopferung. Jhre geiſtigen
Fähigkeiten ſind gering. Sie ſind ungelehrig, ſtörriſch und nicht zu höherer Zähmung geeignet, wie
überhaupt ihre Eigenſchaften nicht eben anſprechend genannt werden dürfen.

Die Stimme der Schweine iſt ein ſonderbares Grunzen, welches zwar nicht wohllautend genannt
werden kann, im ganzen aber doch viel Behäbigkeit und Selbſtzufriedenheit oder Gemüthlichkeit aus-
drückt. Bei den alten Keulern vernimmt man auch ein tiefes Brummen.

Die Schweine ſind Allesfreſſer in des Wortes vollſter Bedeutung. Was nur irgend genießbar
iſt, erſcheint ihnen recht. Nur wenige ernähren ſich ausſchließlich von Pflanzenſtoffen, Wurzeln,
Kräutern, Feld- und Baumfrüchten, Zwiebeln, Pilzen ꝛc., die übrigen verzehren nebenbei auch
Kerbthiere und deren Larven, Schnecken, Würmer, Lurche, Mäuſe, ja ſelbſt Fiſche, und mit Ver-
gnügen Aas. Das Waſſer iſt für Alle unentbehrlich. Jhre Gefräßigkeit iſt ſo bekannt, daß darüber
Nichts geſagt zu werden braucht; in ihr gehen eigentlich alle übrigen Eigenſchaften unter, mit alleini-
ger Ausnahme der beiſpielloſen Unreinlichkeit, welche ihnen die Mißachtung des Menſchen einge-
tragen hat.

Die Schweine gehören zu den fruchtbarſten Thieren; denn die Zahl ihrer Jungen ſchwankt
zwiſchen 1 bis 24. Nur bei den wenigſten Arten wirft die Bache eine kleine Schar von Ferkeln.
Dieſe ſind allerliebſte, luſtige, bewegliche Geſchöpfe, welche Jedermann entzücken würden, wenn ſie
nicht die Unreinlichkeit der Alten vom erſten Tage ihres Lebens an zeigten.

Alle Wildſchweine fügen dem gebildeten, ackerbautreibenden Menſchen oft großen Schaden zu
und vertragen ſich nicht mit dem Aubau des Bodens. Sie ſind deshalb auch in Europa faſt ausge-
rottet und werden überall aufs eifrigſte verfolgt, wo der Menſch zur Herrſchaft gelangte. Jhre
Jagd gilt als eins der edelſten Vergnügen und hat auch außerordentlich viel Anziehendes, weil es ſich
hier um Geſchöpfe handelt, welche ihr Leben unter Umſtänden ſehr theuer zu verkaufen wiſſen. Bei den
wildlebenden Arten übertrifft der Schaden den Nutzen, welchen ſie durch Fleiſch und Fell bringen, bei
weitem. Die in der Gefangenſchaft lebenden Arten aber ſind uns faſt unentbehrlich geworden und
zählen mit Recht zu unſeren geſchätzteſten Hausthieren.

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[727/0767] Die Schweine. Mit Ausnahme von Neuholland bewohnen die Borſtenthiere faſt alle Länder der übrigen Erd- theile. Große, feuchte, ſumpfige Wälder in bergigen oder ebenen Gegenden, Dickichte, Geſtrüppe, mit hohem Gras bedeckte, feuchte Flächen und Felder bilden ihre Aufenthaltsorte. Alle lieben die Nähe des Waſſers oder mit anderen Worten Sümpfe, Lachen und die Ufer der Flüſſe und Seen, wühlen ſich hier im Schlamm oder Moraſt ein Lager aus und liegen in dieſen, oft halb im Waſſer, während der Zeit ihrer Ruhe. Eine Art ſucht auch in großen Löchern unter Baumwurzeln Schutz. Die meiſten ſind geſellige Thiere; doch erreichen die Rudel, welche ſie bilden, ſelten eine große Stärke. Eine Art ſoll paarweiſe leben. Jhre Lebensweiſe iſt eine nächtliche; denn auch an Orten, wo ſie keine Gefahr zu befürchten brauchen, beginnen ſie erſt mit Anbruch der Däm- merung ihr Treiben. Sie ſind keineswegs ſo plump und unbeholfen, als ſie erſcheinen. Jhre Bewegungen ſind verhältnißmäßig leicht, ihr Gang iſt ziemlich raſch, ihr Lauf ſchnell. Jm Waſ- ſer ſchwimmen alle vortrefflich, wenn auch nicht mit beſonderer Ausdauer; eine Art ſetzt aber doch über Meeresarme, um von einer Jnſel zu der anderen zu gelangen. Jhr Galopp iſt eine Reihe eigenthümlicher Sätze, von denen jeder mit einem ausdrucksvollen Grunzen begleitet wird. Auch die Sinne der Schweine ſind gut ausgebildet, namentlich Geruch und Gehör. Sie wittern und vernehmen ausgezeichnet. Das kleine und blöde Auge dagegen ſcheint nicht beſonders ſcharf zu ſehen, und Geſchmack und Gefühl ſind auch nicht eben ſehr ausgebildet. Alle Arten ſind vorſichtig und manche ſcheu. Sie entfliehen Gefahren, ſtellen ſich aber, ſobald ſie gedrängt werden, tapfer zur Wehr, und die alten Keuler greifen oft ohne alle Umſtände ihre Gegner an. Dabei ſuchen ſie dieſe umzurennen und mit ihren ſcharfen Hauern zu verletzen, und ſie verſtehen dieſe furchtbare Waffe mit ſo großem Geſchick und ſo bedeutender Kraft zu gebrauchen, daß ſie ſehr gefährlich werden können. Alle Keuler vertheidigen ihre Bachen und dieſe ihre Kinder mit vieler Aufopferung. Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering. Sie ſind ungelehrig, ſtörriſch und nicht zu höherer Zähmung geeignet, wie überhaupt ihre Eigenſchaften nicht eben anſprechend genannt werden dürfen. Die Stimme der Schweine iſt ein ſonderbares Grunzen, welches zwar nicht wohllautend genannt werden kann, im ganzen aber doch viel Behäbigkeit und Selbſtzufriedenheit oder Gemüthlichkeit aus- drückt. Bei den alten Keulern vernimmt man auch ein tiefes Brummen. Die Schweine ſind Allesfreſſer in des Wortes vollſter Bedeutung. Was nur irgend genießbar iſt, erſcheint ihnen recht. Nur wenige ernähren ſich ausſchließlich von Pflanzenſtoffen, Wurzeln, Kräutern, Feld- und Baumfrüchten, Zwiebeln, Pilzen ꝛc., die übrigen verzehren nebenbei auch Kerbthiere und deren Larven, Schnecken, Würmer, Lurche, Mäuſe, ja ſelbſt Fiſche, und mit Ver- gnügen Aas. Das Waſſer iſt für Alle unentbehrlich. Jhre Gefräßigkeit iſt ſo bekannt, daß darüber Nichts geſagt zu werden braucht; in ihr gehen eigentlich alle übrigen Eigenſchaften unter, mit alleini- ger Ausnahme der beiſpielloſen Unreinlichkeit, welche ihnen die Mißachtung des Menſchen einge- tragen hat. Die Schweine gehören zu den fruchtbarſten Thieren; denn die Zahl ihrer Jungen ſchwankt zwiſchen 1 bis 24. Nur bei den wenigſten Arten wirft die Bache eine kleine Schar von Ferkeln. Dieſe ſind allerliebſte, luſtige, bewegliche Geſchöpfe, welche Jedermann entzücken würden, wenn ſie nicht die Unreinlichkeit der Alten vom erſten Tage ihres Lebens an zeigten. Alle Wildſchweine fügen dem gebildeten, ackerbautreibenden Menſchen oft großen Schaden zu und vertragen ſich nicht mit dem Aubau des Bodens. Sie ſind deshalb auch in Europa faſt ausge- rottet und werden überall aufs eifrigſte verfolgt, wo der Menſch zur Herrſchaft gelangte. Jhre Jagd gilt als eins der edelſten Vergnügen und hat auch außerordentlich viel Anziehendes, weil es ſich hier um Geſchöpfe handelt, welche ihr Leben unter Umſtänden ſehr theuer zu verkaufen wiſſen. Bei den wildlebenden Arten übertrifft der Schaden den Nutzen, welchen ſie durch Fleiſch und Fell bringen, bei weitem. Die in der Gefangenſchaft lebenden Arten aber ſind uns faſt unentbehrlich geworden und zählen mit Recht zu unſeren geſchätzteſten Hausthieren.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 727. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/767>, abgerufen am 23.11.2024.