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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Das Wildschwein
theil des Gesichts ist das Borstenhaar gewöhnlich gesprenkelt. Die rostfarbenen und weißgefleckten
oder halbschwarzen und halbweißen Schweine hält man für Abkömmlinge verwildeter zahmer Schweine,
welche in früheren Zeiten ausgesetzt wurden, um diese Wildart zu vermehren.

Der Waidmann nenut unser Thier Sau, das männliche Wildschwein, wenn es erwachsen
ist, Schwein, das weibliche Bache. Junge Thiere heißen Frischlinge bis zum zweiten Jahre,
später bezeichnet man die Weibchen als zweijährige, starke und grobe Bachen, das Schwein
aber als zweijähriger Bacher oder Keuler, dann als dreijähriger Keuler, vom vierten
Jahre an als angehendes, vom fünften Jahre als hauendes oder gutes, vom siebenten Jahre
an als Haupt- und grobes Schwein. Der Rüssel heißt Gebreche, die Hauzähne nennt man
Gewehre, die der Bache Haken; das gewöhnliche Haar Borste, das längere auf dem Rücken
Feder, die dicke Haut auf den Schulterblättern Schild, den Schwanz Pürzel oder Federlein.
Das Schwein liegt in einem Revier, es gräbt sich in das Lager oder in den Kessel ein; es stellt
sich dem Hund, wird von diesem gedeckt oder festgemacht, streitet mit den Hunden, schlägt
sie, schlägt sich los (geht durch). Die Bache frischt oder setzt Junge. Die einzelne Sau
hat ein Lager, das Rudel einen Kessel. Der durchwühlte Erdboden heißt Gebräche u. s. w.

Feuchte und sumpfige Gegenden bilden unter allen Umständen den Aufenthaltsort des Schweins,
gleichviel, ob hier ausgedehnte Waldungen sich finden oder die Gegend blos mit Sumpfgräsern bestan-
den ist. Jn Europa wohnt das Thier vorzugsweise in großen Waldungen, in Afrika und Asien da-
gegen bricht es sich sein Lager mitten im Sumpf oder in großen Feldern. An vielen Orten Egyptens
wohnen die Wildschweine jahraus jahrein in Zuckerrohrfeldern, ohne diese einmal zu verlassen. Sie
fressen dort gleich die Rohrstengel, suhlen sich in dem Wasser, welches über die Felder geleitet wird
und befinden sich im Dickicht so wohl, daß sie durch keine Anstrengungen zu vertreiben sind. Jm
Delta lagern sie sich auf den feuchten, mit Riedgras bestandenen Stellen und an den unteregyptischen
Strandseen in dem Röhricht der ausgedehnten Brüche. Jn den Wäldern wählen sie sich gewöhnlich
die Dickichte, namentlich solche, deren Grund feucht ist. Jn Jndien bewohnen sie undurchdringliche
Dickungen dorniger Gewächse, aus denen sie ebenfalls nicht vertrieben werden können. Hier bricht
sich das Schwein eine Vertiefung auf, gerade groß genug, um seinen ganzen Leib aufzunehmen. Wenn
es sein kann, füttert es dieses Lager mit Mos, treckenem Gras und Laub aus und legt sich hier so
bequem als möglich nieder. Das Rudel bereitet sich an ähnlichen Orten den Kessel, pflegt sich aber
so in ihm einzuschieben, daß Aller Köpfe nach der Mitte hin gerichtet sind. Der Wärme wegen be-
nutzen die wilden Sauen im Winter gern zusammengerechte Streu- oder Schilfhaufen anstatt der
Lager und Kessel, um sich darunter einzuschieben, und der Jäger, welcher solchen Ort besucht, kann
dann das sonderbare Schauspiel genießen, daß der ganze Haufen, dem man sich, ohne Etwas zu
ahnen, näherte, mit einem Mal beweglich zu werden anfängt und ein ganzes Rudel Sauen aussen-
det. Das Schwein und jede andere starke Sau sucht sich fast täglich das Lager wieder auf; das Ru-
del dagegen nimmt seinen Kessel gewöhnlich nur im Winter wieder an, wo alle Sauen ihr Gebreche
so viel als möglich schonen. Jm Sommer brechen sie sich einen neuen Kessel aus, und gerade hierdurch
werden sie oft sehr schädlich.

Alle Wildschweine sind sehr gesellige Thiere. Bis zur Fortpflanzungszeit halten sich immer
mehrere Bachen und schwache Keuler zusammen, nur die groben Schweine leben als Murrköpfe für
sich. Bei Tage liegen die Rudel still und faul im Kessel; gegen Abend erheben sie sich, um nach
Fraß auszugehen. Zuerst gehen sie, wie der Waidmann sagt, im Holz und auf den Wiesen ins
Gebräche, d. h. stoßen brechend den Boden auf oder laufen einer Suhle zu, in welcher sie sich ein
halbes Stündchen wälzen. Diese Abkühlung scheint ihnen unentbehrlich zu sein, denn sie laufen oft
meilenweit nach dem Bade. Erst wenn Alles ruhig wird, nehmen sie die Felder an und wo sie sich
festgesetzt haben, lassen sie sich nicht so leicht vertreiben. Wenn das Getreide Körner bekommt, hält es
sehr schwer, sie aus dem Felde zu scheuchen. Und dabei fressen die Sauen weit weniger, als sie sonst
durch beständiges Sichherumdrehen verwüsten. Sie machen oft genug große Flächen vollkommen der

Das Wildſchwein
theil des Geſichts iſt das Borſtenhaar gewöhnlich geſprenkelt. Die roſtfarbenen und weißgefleckten
oder halbſchwarzen und halbweißen Schweine hält man für Abkömmlinge verwildeter zahmer Schweine,
welche in früheren Zeiten ausgeſetzt wurden, um dieſe Wildart zu vermehren.

Der Waidmann nenut unſer Thier Sau, das männliche Wildſchwein, wenn es erwachſen
iſt, Schwein, das weibliche Bache. Junge Thiere heißen Friſchlinge bis zum zweiten Jahre,
ſpäter bezeichnet man die Weibchen als zweijährige, ſtarke und grobe Bachen, das Schwein
aber als zweijähriger Bacher oder Keuler, dann als dreijähriger Keuler, vom vierten
Jahre an als angehendes, vom fünften Jahre als hauendes oder gutes, vom ſiebenten Jahre
an als Haupt- und grobes Schwein. Der Rüſſel heißt Gebreche, die Hauzähne nennt man
Gewehre, die der Bache Haken; das gewöhnliche Haar Borſte, das längere auf dem Rücken
Feder, die dicke Haut auf den Schulterblättern Schild, den Schwanz Pürzel oder Federlein.
Das Schwein liegt in einem Revier, es gräbt ſich in das Lager oder in den Keſſel ein; es ſtellt
ſich dem Hund, wird von dieſem gedeckt oder feſtgemacht, ſtreitet mit den Hunden, ſchlägt
ſie, ſchlägt ſich los (geht durch). Die Bache friſcht oder ſetzt Junge. Die einzelne Sau
hat ein Lager, das Rudel einen Keſſel. Der durchwühlte Erdboden heißt Gebräche u. ſ. w.

Feuchte und ſumpfige Gegenden bilden unter allen Umſtänden den Aufenthaltsort des Schweins,
gleichviel, ob hier ausgedehnte Waldungen ſich finden oder die Gegend blos mit Sumpfgräſern beſtan-
den iſt. Jn Europa wohnt das Thier vorzugsweiſe in großen Waldungen, in Afrika und Aſien da-
gegen bricht es ſich ſein Lager mitten im Sumpf oder in großen Feldern. An vielen Orten Egyptens
wohnen die Wildſchweine jahraus jahrein in Zuckerrohrfeldern, ohne dieſe einmal zu verlaſſen. Sie
freſſen dort gleich die Rohrſtengel, ſuhlen ſich in dem Waſſer, welches über die Felder geleitet wird
und befinden ſich im Dickicht ſo wohl, daß ſie durch keine Anſtrengungen zu vertreiben ſind. Jm
Delta lagern ſie ſich auf den feuchten, mit Riedgras beſtandenen Stellen und an den unteregyptiſchen
Strandſeen in dem Röhricht der ausgedehnten Brüche. Jn den Wäldern wählen ſie ſich gewöhnlich
die Dickichte, namentlich ſolche, deren Grund feucht iſt. Jn Jndien bewohnen ſie undurchdringliche
Dickungen dorniger Gewächſe, aus denen ſie ebenfalls nicht vertrieben werden können. Hier bricht
ſich das Schwein eine Vertiefung auf, gerade groß genug, um ſeinen ganzen Leib aufzunehmen. Wenn
es ſein kann, füttert es dieſes Lager mit Mos, treckenem Gras und Laub aus und legt ſich hier ſo
bequem als möglich nieder. Das Rudel bereitet ſich an ähnlichen Orten den Keſſel, pflegt ſich aber
ſo in ihm einzuſchieben, daß Aller Köpfe nach der Mitte hin gerichtet ſind. Der Wärme wegen be-
nutzen die wilden Sauen im Winter gern zuſammengerechte Streu- oder Schilfhaufen anſtatt der
Lager und Keſſel, um ſich darunter einzuſchieben, und der Jäger, welcher ſolchen Ort beſucht, kann
dann das ſonderbare Schauſpiel genießen, daß der ganze Haufen, dem man ſich, ohne Etwas zu
ahnen, näherte, mit einem Mal beweglich zu werden anfängt und ein ganzes Rudel Sauen ausſen-
det. Das Schwein und jede andere ſtarke Sau ſucht ſich faſt täglich das Lager wieder auf; das Ru-
del dagegen nimmt ſeinen Keſſel gewöhnlich nur im Winter wieder an, wo alle Sauen ihr Gebreche
ſo viel als möglich ſchonen. Jm Sommer brechen ſie ſich einen neuen Keſſel aus, und gerade hierdurch
werden ſie oft ſehr ſchädlich.

Alle Wildſchweine ſind ſehr geſellige Thiere. Bis zur Fortpflanzungszeit halten ſich immer
mehrere Bachen und ſchwache Keuler zuſammen, nur die groben Schweine leben als Murrköpfe für
ſich. Bei Tage liegen die Rudel ſtill und faul im Keſſel; gegen Abend erheben ſie ſich, um nach
Fraß auszugehen. Zuerſt gehen ſie, wie der Waidmann ſagt, im Holz und auf den Wieſen ins
Gebräche, d. h. ſtoßen brechend den Boden auf oder laufen einer Suhle zu, in welcher ſie ſich ein
halbes Stündchen wälzen. Dieſe Abkühlung ſcheint ihnen unentbehrlich zu ſein, denn ſie laufen oft
meilenweit nach dem Bade. Erſt wenn Alles ruhig wird, nehmen ſie die Felder an und wo ſie ſich
feſtgeſetzt haben, laſſen ſie ſich nicht ſo leicht vertreiben. Wenn das Getreide Körner bekommt, hält es
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[729/0771] Das Wildſchwein theil des Geſichts iſt das Borſtenhaar gewöhnlich geſprenkelt. Die roſtfarbenen und weißgefleckten oder halbſchwarzen und halbweißen Schweine hält man für Abkömmlinge verwildeter zahmer Schweine, welche in früheren Zeiten ausgeſetzt wurden, um dieſe Wildart zu vermehren. Der Waidmann nenut unſer Thier Sau, das männliche Wildſchwein, wenn es erwachſen iſt, Schwein, das weibliche Bache. Junge Thiere heißen Friſchlinge bis zum zweiten Jahre, ſpäter bezeichnet man die Weibchen als zweijährige, ſtarke und grobe Bachen, das Schwein aber als zweijähriger Bacher oder Keuler, dann als dreijähriger Keuler, vom vierten Jahre an als angehendes, vom fünften Jahre als hauendes oder gutes, vom ſiebenten Jahre an als Haupt- und grobes Schwein. Der Rüſſel heißt Gebreche, die Hauzähne nennt man Gewehre, die der Bache Haken; das gewöhnliche Haar Borſte, das längere auf dem Rücken Feder, die dicke Haut auf den Schulterblättern Schild, den Schwanz Pürzel oder Federlein. Das Schwein liegt in einem Revier, es gräbt ſich in das Lager oder in den Keſſel ein; es ſtellt ſich dem Hund, wird von dieſem gedeckt oder feſtgemacht, ſtreitet mit den Hunden, ſchlägt ſie, ſchlägt ſich los (geht durch). Die Bache friſcht oder ſetzt Junge. Die einzelne Sau hat ein Lager, das Rudel einen Keſſel. Der durchwühlte Erdboden heißt Gebräche u. ſ. w. Feuchte und ſumpfige Gegenden bilden unter allen Umſtänden den Aufenthaltsort des Schweins, gleichviel, ob hier ausgedehnte Waldungen ſich finden oder die Gegend blos mit Sumpfgräſern beſtan- den iſt. Jn Europa wohnt das Thier vorzugsweiſe in großen Waldungen, in Afrika und Aſien da- gegen bricht es ſich ſein Lager mitten im Sumpf oder in großen Feldern. An vielen Orten Egyptens wohnen die Wildſchweine jahraus jahrein in Zuckerrohrfeldern, ohne dieſe einmal zu verlaſſen. Sie freſſen dort gleich die Rohrſtengel, ſuhlen ſich in dem Waſſer, welches über die Felder geleitet wird und befinden ſich im Dickicht ſo wohl, daß ſie durch keine Anſtrengungen zu vertreiben ſind. Jm Delta lagern ſie ſich auf den feuchten, mit Riedgras beſtandenen Stellen und an den unteregyptiſchen Strandſeen in dem Röhricht der ausgedehnten Brüche. Jn den Wäldern wählen ſie ſich gewöhnlich die Dickichte, namentlich ſolche, deren Grund feucht iſt. Jn Jndien bewohnen ſie undurchdringliche Dickungen dorniger Gewächſe, aus denen ſie ebenfalls nicht vertrieben werden können. Hier bricht ſich das Schwein eine Vertiefung auf, gerade groß genug, um ſeinen ganzen Leib aufzunehmen. Wenn es ſein kann, füttert es dieſes Lager mit Mos, treckenem Gras und Laub aus und legt ſich hier ſo bequem als möglich nieder. Das Rudel bereitet ſich an ähnlichen Orten den Keſſel, pflegt ſich aber ſo in ihm einzuſchieben, daß Aller Köpfe nach der Mitte hin gerichtet ſind. Der Wärme wegen be- nutzen die wilden Sauen im Winter gern zuſammengerechte Streu- oder Schilfhaufen anſtatt der Lager und Keſſel, um ſich darunter einzuſchieben, und der Jäger, welcher ſolchen Ort beſucht, kann dann das ſonderbare Schauſpiel genießen, daß der ganze Haufen, dem man ſich, ohne Etwas zu ahnen, näherte, mit einem Mal beweglich zu werden anfängt und ein ganzes Rudel Sauen ausſen- det. Das Schwein und jede andere ſtarke Sau ſucht ſich faſt täglich das Lager wieder auf; das Ru- del dagegen nimmt ſeinen Keſſel gewöhnlich nur im Winter wieder an, wo alle Sauen ihr Gebreche ſo viel als möglich ſchonen. Jm Sommer brechen ſie ſich einen neuen Keſſel aus, und gerade hierdurch werden ſie oft ſehr ſchädlich. Alle Wildſchweine ſind ſehr geſellige Thiere. Bis zur Fortpflanzungszeit halten ſich immer mehrere Bachen und ſchwache Keuler zuſammen, nur die groben Schweine leben als Murrköpfe für ſich. Bei Tage liegen die Rudel ſtill und faul im Keſſel; gegen Abend erheben ſie ſich, um nach Fraß auszugehen. Zuerſt gehen ſie, wie der Waidmann ſagt, im Holz und auf den Wieſen ins Gebräche, d. h. ſtoßen brechend den Boden auf oder laufen einer Suhle zu, in welcher ſie ſich ein halbes Stündchen wälzen. Dieſe Abkühlung ſcheint ihnen unentbehrlich zu ſein, denn ſie laufen oft meilenweit nach dem Bade. Erſt wenn Alles ruhig wird, nehmen ſie die Felder an und wo ſie ſich feſtgeſetzt haben, laſſen ſie ſich nicht ſo leicht vertreiben. Wenn das Getreide Körner bekommt, hält es ſehr ſchwer, ſie aus dem Felde zu ſcheuchen. Und dabei freſſen die Sauen weit weniger, als ſie ſonſt durch beſtändiges Sichherumdrehen verwüſten. Sie machen oft genug große Flächen vollkommen der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 729. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/771>, abgerufen am 23.11.2024.