Die Mutter zeigt viel Liebe für ihr Junges und vertheidigt es bei Gefahr mit einem beispiel- losen Grimm gegen jeden Feind und jeden Angriff. Sie säugt es fast durch zwei Jahre und bewacht es während dieser Zeit mit der größten Sorgfalt. Bontius erzählt, daß ein Europäer auf einem seiner Ritte ein indisches Nashorn mit seinem Jungen entdeckte. Als das Thier die Menschen erblickte, stand es auf und zog mit seinem Kinde langsam weiter in den Wald. Das Junge wollte nicht recht fort, da stieß es die Alte mit der Schnauze vorwärts. Nun fiel es einem Jäger ein, dem Thiere nachzureiten und ihm mit seinem Säbel einige Hiebe auf den Hinteren zu geben. Die Haut war zu dick, als daß er hätte durchdringen können, die Hiebe hinterließen nur einige weiße Streifen. Geduldig ertrug das alte Nashorn alle Mißhandlungen, bis sein Junges im Gesträuch verborgen war, dann wendete es sich plötzlich mit ungeheurem Grunzen und Zähneknirschen gegen den Reiter, stürzte auf ihn los und zerriß ihm mit dem ersten Streich einen Stiefel in Fetzen. Es würde um ihn geschehen gewesen sein, wäre das Pferd nicht klüger gewesen, als sein Leiter. Dieses sprang zurück und floh aus allen Kräften, das Nashorn aber jagte ihm nach, Bäume und Alles, was ihm hindernd war, krachend niederschmetternd. Als das Pferd zu den Begleitern des Weißen zurückkam, ging das Nas- horn auf diese los, sie aber fanden glücklicherweise zwei neben einander stehende Bäume, hinter welche sie sich flüchteten. Das Nashorn, blind gemacht durch seine Wuth, wollte schlechterdings zwischen den Bäumen hindurch und gerieth in förmliche Raserei, als es sah, daß diese seinen Angriffen wider- standen. Die Stämme zitterten wie Rohr unter den Streichen und Stößen, welche das erboste Vieh führte, doch widerstanden sie und die Leute gewannen Zeit, ihm einige Schüsse auf den Kopf zu geben, welche es fällten. -- Wie lange das junge Nashorn bei seiner Mutter bleibt, weiß man nicht, ebensowenig kennt man das Verhältniß zwischen dem Vater und dem Kinde.
Man hat in alter Zeit viel von den Freundschaften und Feindschaften des Nashorns gefabelt. Namentlich der Elefant sollte aufs eifrigste von dem Nashorn bekämpft werden und diesem blind- wüthenden Thiere regelmäßig unterliegen müssen. Diese schon von Plinius herrührenden Fabeln sind nach und nach erledigt worden. Bereits die älteren Reisebeschreiber wissen von der Feindschaft Nichts; wohl aber erzählt man von der Freundschaft unseres Thieres mit anderen Geschöpfen. An- derson, Gordon Cumming und Andere fanden fast regelmäßig auf dem Nashorn einen gar dienstwilligen Vogel, den Madenhacker, welcher das Thier während des ganzen Tages treu begleitet und gewissermaßen Wächterdienste bei ihm verrichtet. "Die Nashornvögel (Madenhacker)," sagt Cumming, "sind fortwährende Begleiter des Nilpferdes und der vier Arten des Nashorns. Sie nähren sich von dem Ungeziefer, von welchem diese Thiere wimmeln, und halten sich deshalb immer in unmittelbarer Nähe der Dickhäuter oder auf ihrem Leibe selbst auf. Oft haben diese stets wachsamen Vögel mich bei meiner vorsichtigsten Annäherung in meinen Erwartungen getäuscht und meine Mühe vereitelt. Sie sind die besten Freunde, welche das Nashorn hat, und verfehlen selten, es aus seinem tiefsten Schlafe aufzuwecken. Der alte Dickbauch versteht auch ihre Warnung vollkommen, springt auf seine Füße, sieht sich nach allen Richtungen um und ergreift dann jedes Mal die Flucht. Jch habe oft zu Pferde ein Nashorn gejagt, welches mich viele Meilen weit lockte und eine Menge Kugeln empfing, ehe es stürzte. Auch während solcher Hatz blieben diese Vögel forwährend bei ihrem Brod- herrn. Sie saßen ihm auf dem Rücken und den Seiten, und als eine Kugel in die Schulter des Nas- horns einschlug, flatterten sie ungefähr sechs Fuß in die Höhe, einen gellenden Schrei ausstoßend, und nahmen dann wieder ihre frühere Stellung an. Zuweilen traf es sich, daß die unteren Zweige der Bäume, unter welchen das Nashorn dahinrannte, die Vögel wegfegten; aber sie fanden alle Mal ihren Platz wieder. Jch habe Nashörner geschossen, wenn sie um Mitternacht an den Quellen tran- ken. Die Vögel aber, welche glaubten, daß das erlegte Nashorn schlief, blieben bis zum Morgen bei ihm und wenn ich mich näherte, bemerkte ich, daß sie, ehe sie fortflogen, alles Mögliche auf- boten, um das vermeintlich schlafende Nashorn aufzuwecken." Wir haben keinen Grund, an der buchstäblichen Wahrheit dieser Mittheilung zu zweifeln, da wir ähnliche Freundschaften zwischen den Vögeln und den Säugethieren oft genug finden können. Zudem habe ich die Madenhacker in Habesch
Die Nashörner.
Die Mutter zeigt viel Liebe für ihr Junges und vertheidigt es bei Gefahr mit einem beiſpiel- loſen Grimm gegen jeden Feind und jeden Angriff. Sie ſäugt es faſt durch zwei Jahre und bewacht es während dieſer Zeit mit der größten Sorgfalt. Bontius erzählt, daß ein Europäer auf einem ſeiner Ritte ein indiſches Nashorn mit ſeinem Jungen entdeckte. Als das Thier die Menſchen erblickte, ſtand es auf und zog mit ſeinem Kinde langſam weiter in den Wald. Das Junge wollte nicht recht fort, da ſtieß es die Alte mit der Schnauze vorwärts. Nun fiel es einem Jäger ein, dem Thiere nachzureiten und ihm mit ſeinem Säbel einige Hiebe auf den Hinteren zu geben. Die Haut war zu dick, als daß er hätte durchdringen können, die Hiebe hinterließen nur einige weiße Streifen. Geduldig ertrug das alte Nashorn alle Mißhandlungen, bis ſein Junges im Geſträuch verborgen war, dann wendete es ſich plötzlich mit ungeheurem Grunzen und Zähneknirſchen gegen den Reiter, ſtürzte auf ihn los und zerriß ihm mit dem erſten Streich einen Stiefel in Fetzen. Es würde um ihn geſchehen geweſen ſein, wäre das Pferd nicht klüger geweſen, als ſein Leiter. Dieſes ſprang zurück und floh aus allen Kräften, das Nashorn aber jagte ihm nach, Bäume und Alles, was ihm hindernd war, krachend niederſchmetternd. Als das Pferd zu den Begleitern des Weißen zurückkam, ging das Nas- horn auf dieſe los, ſie aber fanden glücklicherweiſe zwei neben einander ſtehende Bäume, hinter welche ſie ſich flüchteten. Das Nashorn, blind gemacht durch ſeine Wuth, wollte ſchlechterdings zwiſchen den Bäumen hindurch und gerieth in förmliche Raſerei, als es ſah, daß dieſe ſeinen Angriffen wider- ſtanden. Die Stämme zitterten wie Rohr unter den Streichen und Stößen, welche das erboſte Vieh führte, doch widerſtanden ſie und die Leute gewannen Zeit, ihm einige Schüſſe auf den Kopf zu geben, welche es fällten. — Wie lange das junge Nashorn bei ſeiner Mutter bleibt, weiß man nicht, ebenſowenig kennt man das Verhältniß zwiſchen dem Vater und dem Kinde.
Man hat in alter Zeit viel von den Freundſchaften und Feindſchaften des Nashorns gefabelt. Namentlich der Elefant ſollte aufs eifrigſte von dem Nashorn bekämpft werden und dieſem blind- wüthenden Thiere regelmäßig unterliegen müſſen. Dieſe ſchon von Plinius herrührenden Fabeln ſind nach und nach erledigt worden. Bereits die älteren Reiſebeſchreiber wiſſen von der Feindſchaft Nichts; wohl aber erzählt man von der Freundſchaft unſeres Thieres mit anderen Geſchöpfen. An- derſon, Gordon Cumming und Andere fanden faſt regelmäßig auf dem Nashorn einen gar dienſtwilligen Vogel, den Madenhacker, welcher das Thier während des ganzen Tages treu begleitet und gewiſſermaßen Wächterdienſte bei ihm verrichtet. „Die Nashornvögel (Madenhacker),‟ ſagt Cumming, „ſind fortwährende Begleiter des Nilpferdes und der vier Arten des Nashorns. Sie nähren ſich von dem Ungeziefer, von welchem dieſe Thiere wimmeln, und halten ſich deshalb immer in unmittelbarer Nähe der Dickhäuter oder auf ihrem Leibe ſelbſt auf. Oft haben dieſe ſtets wachſamen Vögel mich bei meiner vorſichtigſten Annäherung in meinen Erwartungen getäuſcht und meine Mühe vereitelt. Sie ſind die beſten Freunde, welche das Nashorn hat, und verfehlen ſelten, es aus ſeinem tiefſten Schlafe aufzuwecken. Der alte Dickbauch verſteht auch ihre Warnung vollkommen, ſpringt auf ſeine Füße, ſieht ſich nach allen Richtungen um und ergreift dann jedes Mal die Flucht. Jch habe oft zu Pferde ein Nashorn gejagt, welches mich viele Meilen weit lockte und eine Menge Kugeln empfing, ehe es ſtürzte. Auch während ſolcher Hatz blieben dieſe Vögel forwährend bei ihrem Brod- herrn. Sie ſaßen ihm auf dem Rücken und den Seiten, und als eine Kugel in die Schulter des Nas- horns einſchlug, flatterten ſie ungefähr ſechs Fuß in die Höhe, einen gellenden Schrei ausſtoßend, und nahmen dann wieder ihre frühere Stellung an. Zuweilen traf es ſich, daß die unteren Zweige der Bäume, unter welchen das Nashorn dahinrannte, die Vögel wegfegten; aber ſie fanden alle Mal ihren Platz wieder. Jch habe Nashörner geſchoſſen, wenn ſie um Mitternacht an den Quellen tran- ken. Die Vögel aber, welche glaubten, daß das erlegte Nashorn ſchlief, blieben bis zum Morgen bei ihm und wenn ich mich näherte, bemerkte ich, daß ſie, ehe ſie fortflogen, alles Mögliche auf- boten, um das vermeintlich ſchlafende Nashorn aufzuwecken.‟ Wir haben keinen Grund, an der buchſtäblichen Wahrheit dieſer Mittheilung zu zweifeln, da wir ähnliche Freundſchaften zwiſchen den Vögeln und den Säugethieren oft genug finden können. Zudem habe ich die Madenhacker in Habeſch
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Die Nashörner.
Die Mutter zeigt viel Liebe für ihr Junges und vertheidigt es bei Gefahr mit einem beiſpiel-
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es während dieſer Zeit mit der größten Sorgfalt. Bontius erzählt, daß ein Europäer auf einem
ſeiner Ritte ein indiſches Nashorn mit ſeinem Jungen entdeckte. Als das Thier die Menſchen
erblickte, ſtand es auf und zog mit ſeinem Kinde langſam weiter in den Wald. Das Junge wollte
nicht recht fort, da ſtieß es die Alte mit der Schnauze vorwärts. Nun fiel es einem Jäger ein, dem
Thiere nachzureiten und ihm mit ſeinem Säbel einige Hiebe auf den Hinteren zu geben. Die Haut
war zu dick, als daß er hätte durchdringen können, die Hiebe hinterließen nur einige weiße Streifen.
Geduldig ertrug das alte Nashorn alle Mißhandlungen, bis ſein Junges im Geſträuch verborgen war,
dann wendete es ſich plötzlich mit ungeheurem Grunzen und Zähneknirſchen gegen den Reiter, ſtürzte
auf ihn los und zerriß ihm mit dem erſten Streich einen Stiefel in Fetzen. Es würde um ihn
geſchehen geweſen ſein, wäre das Pferd nicht klüger geweſen, als ſein Leiter. Dieſes ſprang zurück und
floh aus allen Kräften, das Nashorn aber jagte ihm nach, Bäume und Alles, was ihm hindernd war,
krachend niederſchmetternd. Als das Pferd zu den Begleitern des Weißen zurückkam, ging das Nas-
horn auf dieſe los, ſie aber fanden glücklicherweiſe zwei neben einander ſtehende Bäume, hinter welche
ſie ſich flüchteten. Das Nashorn, blind gemacht durch ſeine Wuth, wollte ſchlechterdings zwiſchen
den Bäumen hindurch und gerieth in förmliche Raſerei, als es ſah, daß dieſe ſeinen Angriffen wider-
ſtanden. Die Stämme zitterten wie Rohr unter den Streichen und Stößen, welche das erboſte Vieh
führte, doch widerſtanden ſie und die Leute gewannen Zeit, ihm einige Schüſſe auf den Kopf zu
geben, welche es fällten. — Wie lange das junge Nashorn bei ſeiner Mutter bleibt, weiß man nicht,
ebenſowenig kennt man das Verhältniß zwiſchen dem Vater und dem Kinde.
Man hat in alter Zeit viel von den Freundſchaften und Feindſchaften des Nashorns gefabelt.
Namentlich der Elefant ſollte aufs eifrigſte von dem Nashorn bekämpft werden und dieſem blind-
wüthenden Thiere regelmäßig unterliegen müſſen. Dieſe ſchon von Plinius herrührenden Fabeln
ſind nach und nach erledigt worden. Bereits die älteren Reiſebeſchreiber wiſſen von der Feindſchaft
Nichts; wohl aber erzählt man von der Freundſchaft unſeres Thieres mit anderen Geſchöpfen. An-
derſon, Gordon Cumming und Andere fanden faſt regelmäßig auf dem Nashorn einen gar
dienſtwilligen Vogel, den Madenhacker, welcher das Thier während des ganzen Tages treu begleitet
und gewiſſermaßen Wächterdienſte bei ihm verrichtet. „Die Nashornvögel (Madenhacker),‟ ſagt
Cumming, „ſind fortwährende Begleiter des Nilpferdes und der vier Arten des Nashorns. Sie
nähren ſich von dem Ungeziefer, von welchem dieſe Thiere wimmeln, und halten ſich deshalb immer in
unmittelbarer Nähe der Dickhäuter oder auf ihrem Leibe ſelbſt auf. Oft haben dieſe ſtets wachſamen
Vögel mich bei meiner vorſichtigſten Annäherung in meinen Erwartungen getäuſcht und meine Mühe
vereitelt. Sie ſind die beſten Freunde, welche das Nashorn hat, und verfehlen ſelten, es aus ſeinem
tiefſten Schlafe aufzuwecken. Der alte Dickbauch verſteht auch ihre Warnung vollkommen, ſpringt
auf ſeine Füße, ſieht ſich nach allen Richtungen um und ergreift dann jedes Mal die Flucht. Jch
habe oft zu Pferde ein Nashorn gejagt, welches mich viele Meilen weit lockte und eine Menge Kugeln
empfing, ehe es ſtürzte. Auch während ſolcher Hatz blieben dieſe Vögel forwährend bei ihrem Brod-
herrn. Sie ſaßen ihm auf dem Rücken und den Seiten, und als eine Kugel in die Schulter des Nas-
horns einſchlug, flatterten ſie ungefähr ſechs Fuß in die Höhe, einen gellenden Schrei ausſtoßend, und
nahmen dann wieder ihre frühere Stellung an. Zuweilen traf es ſich, daß die unteren Zweige der
Bäume, unter welchen das Nashorn dahinrannte, die Vögel wegfegten; aber ſie fanden alle Mal
ihren Platz wieder. Jch habe Nashörner geſchoſſen, wenn ſie um Mitternacht an den Quellen tran-
ken. Die Vögel aber, welche glaubten, daß das erlegte Nashorn ſchlief, blieben bis zum Morgen
bei ihm und wenn ich mich näherte, bemerkte ich, daß ſie, ehe ſie fortflogen, alles Mögliche auf-
boten, um das vermeintlich ſchlafende Nashorn aufzuwecken.‟ Wir haben keinen Grund, an der
buchſtäblichen Wahrheit dieſer Mittheilung zu zweifeln, da wir ähnliche Freundſchaften zwiſchen den
Vögeln und den Säugethieren oft genug finden können. Zudem habe ich die Madenhacker in Habeſch
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/807>, abgerufen am 23.11.2024.
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