artig eingedrückten Furche. Dies sind die Fährten des Nilpferdes, welche dieses zurückläßt, wenn es auf seinen nächtlichen Weidegängen dem Strome entsteigt, um nach dem pflanzenreichen Urwalde oder nach einem Felde zu wandern. Die Löcher rühren von den Beinen her, die Furche von dem auf dem Schlamme dahingeschleppten Bauche; denn bis zum Leibe versinkt das Unthier auf dem weichen, nachgiebigen Boden. Bei der ungemein geringen Abflachung des Abiad oder weißen Stro- mes, welcher während der Regenzeit an vielen Orten meilenweit seine Ufer überschwemmt und ganze Waldungen unter Wasser setzt, kann man jene Fährten viertelmeilenweit verfolgen. Am oberen blauen Flusse oder da, wo der Abiad steiluferig ist, erkennt man den Aufenthalt des Nilpferdes leicht an den Ausstiegen, welche es sich bahnt, wenn es vom Wasser auf an dem steilen Ufer em- porklimmt. Diese Stiegen stehen zu der Plumpheit des Thieres in gar keinem Verhältniß; denn sie gehen oft so steil vom Wasser auf, daß ein Mensch nur, wenn er sich rechts und links an den Zweigen festhält, auf ihnen emporklettern kann. Man begreift also gar nicht, wie es dem schwe- ren Dickhäuter möglich ist, solche Wege zu begehen. Von den Stiegen aus führt noch ein kurzer Gang in das Jnnere des Waldes. Er unterscheidet sich leicht von den Wegen, welche die Elefan- ten zurücklassen, wenn sie durch den Urwald ziehen; denn die Gesträuche zu seinen beiden Seiten oder in seiner Mitte sind einfach niedergetreten, nicht aber auch abgebrochen und zur Seite ge- schleudert.
An günstigen Stellen des Flusses, da, wo die Felder nahe an den Ufern liegen oder reiche Waldungen diese bedecken, und am liebsten dort, wo das eigene Bett des Stromes zugleich als Weideplatz dienen kann, d. h. also da, wo eine Menge von Wasserpflanzen in ihm wachsen, entdeckt man die Flußriesen sehr bald. Jn Zwischenräumen von drei, höchstens vier Minuten, bemerkt man irgendwo einen dampfartigen Wasserstrahl, welcher sich etwa drei Fuß über die Wasserfläche erhebt, und vernimmt zugleich ein eigenthümliches Schnauben und Brausen, vielleicht auch ein dumpfes Brum- men, welches an das grollende eines Bullen erinnert: dort ist soeben ein Nilpferd aufgetaucht, um Luft zu schöpfen. Wenn man nahe genug steht, kann man auch den ungeschlachteten Kopf desselben wahrnehmen, eine formlose, rothe oder bräunlichrothe Masse, auf welcher man zwei Spitzen, die Ohren, und vier Hügel, die Augen und die Nasenlöcher, sieht. Mehr als den Kopf wird man von einem im Wasser sich bewegenden Nilpferde selten zu sehen bekommen, und diesen Kopf kann man, wenn man ihn zum ersten Male sieht, leicht verkennen. Hält man sich unter dem Winde und bleibt man ruhig, vielleicht in einem Gebüsch, verborgen, so kann man das auf- und nieder- schwimmende, im Wasser gleichsam spielende Thier dreist beobachten. Man sieht dann auch, daß auf der eingedrückten Stirn zwischen Augen und Ohren beim Auftauchen ein kleiner Teich zurück- bleibt, wasserreich genug, um einem Goldfischchen oder einem Paar Schmerlen das Leben zu fristen. Man darf es wagen, mit einem größeren Schiffe zu solchen Köpfen hinzufahren; denn das Thier scheut sich da, wo es nicht gereizt wurde, keineswegs vor der Barke, sondern glotzt sie höch- stens mit dummer Verwunderung an, ohne sich durch sie und die auf ihr sich besindlichen Menschen in seinem Auf- und Niedertauchen stören zu lassen. Höchst selten bleibt es mehrere Minuten lang unter Wasser, und die Angaben der Reisenden, welche von zehn Minuten oder einer Viertelstunde langem Untertauchen des Thieres sprechen, sind wohl dahin zu berichtigen, daß ein unverwundetes allerhöchstens vier Minuten unter dem Wasser bleibt, oft aber eben nur mit den Nasenlöchern über die Oberfläche emporsteigt und, nachdem es einen neuen Athemzug gethan hat, wieder im Wasser versinkt. Jch bezweifle, daß ein Nilpferd im Stande ist, länger als fünf Minuten unter dem Was- ser auszuhalten.
Wie die meisten Dickhäuter ist auch das Flußpferd ein geselliges Thier. Höchst selten findet man es einzeln. Ein Mal sah ich bei Tage vier Stück auf einer Sandinsel sich ergehen, ein anderes Mal traf ich ihrer sechs in einem See, nahe am Ufer des blauen Flusses. Größere Gesellschaften, welche als unmittelbar zusammengehörend angesehen werden konnten, fand ich nicht, wohl aber berichten andere Reisende, wie schon angegeben, von zahlreicheren Trupps. Der Wohnkreis einer
Brehm, Thierleben. II. 49
Das Nil- oder Flußpferd.
artig eingedrückten Furche. Dies ſind die Fährten des Nilpferdes, welche dieſes zurückläßt, wenn es auf ſeinen nächtlichen Weidegängen dem Strome entſteigt, um nach dem pflanzenreichen Urwalde oder nach einem Felde zu wandern. Die Löcher rühren von den Beinen her, die Furche von dem auf dem Schlamme dahingeſchleppten Bauche; denn bis zum Leibe verſinkt das Unthier auf dem weichen, nachgiebigen Boden. Bei der ungemein geringen Abflachung des Abiad oder weißen Stro- mes, welcher während der Regenzeit an vielen Orten meilenweit ſeine Ufer überſchwemmt und ganze Waldungen unter Waſſer ſetzt, kann man jene Fährten viertelmeilenweit verfolgen. Am oberen blauen Fluſſe oder da, wo der Abiad ſteiluferig iſt, erkennt man den Aufenthalt des Nilpferdes leicht an den Ausſtiegen, welche es ſich bahnt, wenn es vom Waſſer auf an dem ſteilen Ufer em- porklimmt. Dieſe Stiegen ſtehen zu der Plumpheit des Thieres in gar keinem Verhältniß; denn ſie gehen oft ſo ſteil vom Waſſer auf, daß ein Menſch nur, wenn er ſich rechts und links an den Zweigen feſthält, auf ihnen emporklettern kann. Man begreift alſo gar nicht, wie es dem ſchwe- ren Dickhäuter möglich iſt, ſolche Wege zu begehen. Von den Stiegen aus führt noch ein kurzer Gang in das Jnnere des Waldes. Er unterſcheidet ſich leicht von den Wegen, welche die Elefan- ten zurücklaſſen, wenn ſie durch den Urwald ziehen; denn die Geſträuche zu ſeinen beiden Seiten oder in ſeiner Mitte ſind einfach niedergetreten, nicht aber auch abgebrochen und zur Seite ge- ſchleudert.
An günſtigen Stellen des Fluſſes, da, wo die Felder nahe an den Ufern liegen oder reiche Waldungen dieſe bedecken, und am liebſten dort, wo das eigene Bett des Stromes zugleich als Weideplatz dienen kann, d. h. alſo da, wo eine Menge von Waſſerpflanzen in ihm wachſen, entdeckt man die Flußrieſen ſehr bald. Jn Zwiſchenräumen von drei, höchſtens vier Minuten, bemerkt man irgendwo einen dampfartigen Waſſerſtrahl, welcher ſich etwa drei Fuß über die Waſſerfläche erhebt, und vernimmt zugleich ein eigenthümliches Schnauben und Brauſen, vielleicht auch ein dumpfes Brum- men, welches an das grollende eines Bullen erinnert: dort iſt ſoeben ein Nilpferd aufgetaucht, um Luft zu ſchöpfen. Wenn man nahe genug ſteht, kann man auch den ungeſchlachteten Kopf deſſelben wahrnehmen, eine formloſe, rothe oder bräunlichrothe Maſſe, auf welcher man zwei Spitzen, die Ohren, und vier Hügel, die Augen und die Naſenlöcher, ſieht. Mehr als den Kopf wird man von einem im Waſſer ſich bewegenden Nilpferde ſelten zu ſehen bekommen, und dieſen Kopf kann man, wenn man ihn zum erſten Male ſieht, leicht verkennen. Hält man ſich unter dem Winde und bleibt man ruhig, vielleicht in einem Gebüſch, verborgen, ſo kann man das auf- und nieder- ſchwimmende, im Waſſer gleichſam ſpielende Thier dreiſt beobachten. Man ſieht dann auch, daß auf der eingedrückten Stirn zwiſchen Augen und Ohren beim Auftauchen ein kleiner Teich zurück- bleibt, waſſerreich genug, um einem Goldfiſchchen oder einem Paar Schmerlen das Leben zu friſten. Man darf es wagen, mit einem größeren Schiffe zu ſolchen Köpfen hinzufahren; denn das Thier ſcheut ſich da, wo es nicht gereizt wurde, keineswegs vor der Barke, ſondern glotzt ſie höch- ſtens mit dummer Verwunderung an, ohne ſich durch ſie und die auf ihr ſich beſindlichen Menſchen in ſeinem Auf- und Niedertauchen ſtören zu laſſen. Höchſt ſelten bleibt es mehrere Minuten lang unter Waſſer, und die Angaben der Reiſenden, welche von zehn Minuten oder einer Viertelſtunde langem Untertauchen des Thieres ſprechen, ſind wohl dahin zu berichtigen, daß ein unverwundetes allerhöchſtens vier Minuten unter dem Waſſer bleibt, oft aber eben nur mit den Naſenlöchern über die Oberfläche emporſteigt und, nachdem es einen neuen Athemzug gethan hat, wieder im Waſſer verſinkt. Jch bezweifle, daß ein Nilpferd im Stande iſt, länger als fünf Minuten unter dem Waſ- ſer auszuhalten.
Wie die meiſten Dickhäuter iſt auch das Flußpferd ein geſelliges Thier. Höchſt ſelten findet man es einzeln. Ein Mal ſah ich bei Tage vier Stück auf einer Sandinſel ſich ergehen, ein anderes Mal traf ich ihrer ſechs in einem See, nahe am Ufer des blauen Fluſſes. Größere Geſellſchaften, welche als unmittelbar zuſammengehörend angeſehen werden konnten, fand ich nicht, wohl aber berichten andere Reiſende, wie ſchon angegeben, von zahlreicheren Trupps. Der Wohnkreis einer
Brehm, Thierleben. II. 49
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Das Nil- oder Flußpferd.
artig eingedrückten Furche. Dies ſind die Fährten des Nilpferdes, welche dieſes zurückläßt, wenn
es auf ſeinen nächtlichen Weidegängen dem Strome entſteigt, um nach dem pflanzenreichen Urwalde
oder nach einem Felde zu wandern. Die Löcher rühren von den Beinen her, die Furche von dem
auf dem Schlamme dahingeſchleppten Bauche; denn bis zum Leibe verſinkt das Unthier auf dem
weichen, nachgiebigen Boden. Bei der ungemein geringen Abflachung des Abiad oder weißen Stro-
mes, welcher während der Regenzeit an vielen Orten meilenweit ſeine Ufer überſchwemmt und ganze
Waldungen unter Waſſer ſetzt, kann man jene Fährten viertelmeilenweit verfolgen. Am oberen
blauen Fluſſe oder da, wo der Abiad ſteiluferig iſt, erkennt man den Aufenthalt des Nilpferdes
leicht an den Ausſtiegen, welche es ſich bahnt, wenn es vom Waſſer auf an dem ſteilen Ufer em-
porklimmt. Dieſe Stiegen ſtehen zu der Plumpheit des Thieres in gar keinem Verhältniß; denn
ſie gehen oft ſo ſteil vom Waſſer auf, daß ein Menſch nur, wenn er ſich rechts und links an den
Zweigen feſthält, auf ihnen emporklettern kann. Man begreift alſo gar nicht, wie es dem ſchwe-
ren Dickhäuter möglich iſt, ſolche Wege zu begehen. Von den Stiegen aus führt noch ein kurzer
Gang in das Jnnere des Waldes. Er unterſcheidet ſich leicht von den Wegen, welche die Elefan-
ten zurücklaſſen, wenn ſie durch den Urwald ziehen; denn die Geſträuche zu ſeinen beiden Seiten
oder in ſeiner Mitte ſind einfach niedergetreten, nicht aber auch abgebrochen und zur Seite ge-
ſchleudert.
An günſtigen Stellen des Fluſſes, da, wo die Felder nahe an den Ufern liegen oder reiche
Waldungen dieſe bedecken, und am liebſten dort, wo das eigene Bett des Stromes zugleich als
Weideplatz dienen kann, d. h. alſo da, wo eine Menge von Waſſerpflanzen in ihm wachſen, entdeckt
man die Flußrieſen ſehr bald. Jn Zwiſchenräumen von drei, höchſtens vier Minuten, bemerkt man
irgendwo einen dampfartigen Waſſerſtrahl, welcher ſich etwa drei Fuß über die Waſſerfläche erhebt,
und vernimmt zugleich ein eigenthümliches Schnauben und Brauſen, vielleicht auch ein dumpfes Brum-
men, welches an das grollende eines Bullen erinnert: dort iſt ſoeben ein Nilpferd aufgetaucht, um
Luft zu ſchöpfen. Wenn man nahe genug ſteht, kann man auch den ungeſchlachteten Kopf deſſelben
wahrnehmen, eine formloſe, rothe oder bräunlichrothe Maſſe, auf welcher man zwei Spitzen, die
Ohren, und vier Hügel, die Augen und die Naſenlöcher, ſieht. Mehr als den Kopf wird man
von einem im Waſſer ſich bewegenden Nilpferde ſelten zu ſehen bekommen, und dieſen Kopf kann
man, wenn man ihn zum erſten Male ſieht, leicht verkennen. Hält man ſich unter dem Winde
und bleibt man ruhig, vielleicht in einem Gebüſch, verborgen, ſo kann man das auf- und nieder-
ſchwimmende, im Waſſer gleichſam ſpielende Thier dreiſt beobachten. Man ſieht dann auch, daß
auf der eingedrückten Stirn zwiſchen Augen und Ohren beim Auftauchen ein kleiner Teich zurück-
bleibt, waſſerreich genug, um einem Goldfiſchchen oder einem Paar Schmerlen das Leben zu friſten.
Man darf es wagen, mit einem größeren Schiffe zu ſolchen Köpfen hinzufahren; denn das
Thier ſcheut ſich da, wo es nicht gereizt wurde, keineswegs vor der Barke, ſondern glotzt ſie höch-
ſtens mit dummer Verwunderung an, ohne ſich durch ſie und die auf ihr ſich beſindlichen Menſchen
in ſeinem Auf- und Niedertauchen ſtören zu laſſen. Höchſt ſelten bleibt es mehrere Minuten lang
unter Waſſer, und die Angaben der Reiſenden, welche von zehn Minuten oder einer Viertelſtunde
langem Untertauchen des Thieres ſprechen, ſind wohl dahin zu berichtigen, daß ein unverwundetes
allerhöchſtens vier Minuten unter dem Waſſer bleibt, oft aber eben nur mit den Naſenlöchern über
die Oberfläche emporſteigt und, nachdem es einen neuen Athemzug gethan hat, wieder im Waſſer
verſinkt. Jch bezweifle, daß ein Nilpferd im Stande iſt, länger als fünf Minuten unter dem Waſ-
ſer auszuhalten.
Wie die meiſten Dickhäuter iſt auch das Flußpferd ein geſelliges Thier. Höchſt ſelten findet
man es einzeln. Ein Mal ſah ich bei Tage vier Stück auf einer Sandinſel ſich ergehen, ein anderes
Mal traf ich ihrer ſechs in einem See, nahe am Ufer des blauen Fluſſes. Größere Geſellſchaften,
welche als unmittelbar zuſammengehörend angeſehen werden konnten, fand ich nicht, wohl aber
berichten andere Reiſende, wie ſchon angegeben, von zahlreicheren Trupps. Der Wohnkreis einer
Brehm, Thierleben. II. 49
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/815>, abgerufen am 16.07.2024.
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