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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Das Nil- oder Flußpferd.
selbe lebte ebenfalls nur kurze Zeit, vielleicht in Folge der ihm wenig zusagenden Nahrung; man
konnte ihm eben nur Kuhmilch reichen. -- Einen ausführlicheren Bericht über die höchst beachtenswer-
then Beobachtungen meines Berufsgenossen vermag ich leider nicht zu geben. --

Geradezu unbegreiflich ist es, wie die Römer ihre Nilpferde fingen und fortschafften. Sie
brachten nicht blos Junge und Halberwachsene zu ihren Kampfspielen und Triumphzügen nach der
Hauptstadt ihres Landes, sondern auch Alte. Der Aedil Scaurus führte im Jahre 58 v. Chr.
ein großes Nilpferd mit fünf Krokodilen dem römischen Volke vor; ein zweites zeigte Augustus bei
seinem Siegeszuge über die Kleopatra. Commodus ließ fünf im römischen Circus tödten, und später
sah man noch mehrere unter Antonius, Pius und Cordian. Nach dem dritten Jahrhundert unserer
Zeitrechnung bis zum Jahre 1850 kam keins wieder nach Europa.

Das Nilpferd ist unzweifelhaft der Behemot der Bibel, von welchem gesagt wird, daß seine
Knochen fest seien wie Erz und die Gebeine wie eiserne Stäbe, daß er gern im Schatten im Rohre
und im Schlamm verborgen liege, von den Bachweiden gedeckt würde, den Strom in sich schlucke und
sich dünken ließe, als wolle er den Jordan mit seinem Munde ausschöpfen. Das Thier gilt also
schon den alten Jsraeliten als ein wahres Ungeheuer, und hiermit steht die heutige Anschauung der
Araber vollkommen im Einklange. Der Sudahnese sieht das wüste Vieh gar nicht für ein echtes, na-
türliches Wesen, sondern eher für einen Auswurf der Hölle an. Schon der sudahnesische Name
"Aeesint", dessen Bedeutung Niemand kennt, deutet auf etwas Ungewöhnliches hin. Dazu kommt nun
die Bedenken erregende Mißachtung aller, auch der kräftigsten Schutzbriefe seitens des Ungethüms.
"Möge Gott die Affen verfluchen in seinem Zorn", sagte mir ein Sudahnese; "denn sie sind ver-
wandelte Menschen und Spitzbuben, Söhne, Enkel, Nachkommen von Spitzbuben, aber möge er uns
bewahren vor den Kindern der Hölle, jenen Nilpferden! Denn ihnen ist das Heiligste Schaum und
das Wort des Gottgesandten ein leerer Hauch; sie zerstampfen den "Gottesbrief" mit ihren Füßen!"
Das Nilungeheuer ist also in den Augen der Eingeborenen gar kein von Allah erschaffenes Wesen,
sondern nur die Maske eines verruchten, dem Teufel -- vor welchem der Bewahrer die Gläubigen
bewahren möge! -- mit Leib und Seele angehörigen Zauberers und Sohnes der Hölle, welcher nur
zu Zeiten diese Satansgestalt annimmt, sonst aber in seiner Hütte als Mensch erscheint, um andere
Adamssöhne abzulocken vom Pfade des Heils. Mit anderen Worten: Das Nilpferd ist der Gottsei-
beiuns selber, wenn auch mit etwas auffallenden und unzierlichen Pferdefüßen und Schwanz!

Dafür gibt es hundert Belege. Viele Menschen haben durch jenen Höllensohn ihr Leben ver-
loren, und ihre Seele ist ihnen aus dem Körper gestampft worden, ohne daß der Leib gefressen
worden wäre: -- und unter den Todten war sogar ein Fakhie oder Koranverständiger! Ferner ließ
einer der Statthalter Ostsudahns, Churschid-Pascha, als er einst mit einem Fähnlein seiner Krieger
an den Strom kam, diese auf ein Nilpferd Jagd machen, obwohl ihm ein weiser Scheich wohl-
meinend davon abrieth; denn dieser wußte, daß das vermeintliche Nilpferd blos die Maske eines
verwunschenen Menschen war. Zwar wurde der vom Anbeginn der Welt verfluchte Zauberer ge-
tödtet und seine schwarze Seele der Hölle zugesandt, aber Churschid-Pascha entging seinem Schicksale
nicht. Er war immer hart verfahren gegen die Zauberer des Landes; deshalb bannten ihn diese durch
den Blick ihres scheelen Auges. Sein Leib versiechte, weil seine Eingeweide langsam verdorrten, und
er wollte, auch krank, noch immer die Meinung des Ulema und Khadi nicht gelten lassen; denn an-
statt sich einem Kundigen des Gotteswortes anzuvertrauen und den Zauberer durch diesen bannen zu
lassen, vertrauete er den ungläubigen Aerzten aus Frankistan und welkte und siechte dahin. Möge
sein Leib in Frieden ruhen und seine Seele begnadigt sein! Uns aber möge der Bewahrer bewahren,
der Schützende schützen vor allerlei Zauber und Höllenwerk!



Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Nil- oder Flußpferd.
ſelbe lebte ebenfalls nur kurze Zeit, vielleicht in Folge der ihm wenig zuſagenden Nahrung; man
konnte ihm eben nur Kuhmilch reichen. — Einen ausführlicheren Bericht über die höchſt beachtenswer-
then Beobachtungen meines Berufsgenoſſen vermag ich leider nicht zu geben. —

Geradezu unbegreiflich iſt es, wie die Römer ihre Nilpferde fingen und fortſchafften. Sie
brachten nicht blos Junge und Halberwachſene zu ihren Kampfſpielen und Triumphzügen nach der
Hauptſtadt ihres Landes, ſondern auch Alte. Der Aedil Scaurus führte im Jahre 58 v. Chr.
ein großes Nilpferd mit fünf Krokodilen dem römiſchen Volke vor; ein zweites zeigte Auguſtus bei
ſeinem Siegeszuge über die Kleopatra. Commodus ließ fünf im römiſchen Circus tödten, und ſpäter
ſah man noch mehrere unter Antonius, Pius und Cordian. Nach dem dritten Jahrhundert unſerer
Zeitrechnung bis zum Jahre 1850 kam keins wieder nach Europa.

Das Nilpferd iſt unzweifelhaft der Behemot der Bibel, von welchem geſagt wird, daß ſeine
Knochen feſt ſeien wie Erz und die Gebeine wie eiſerne Stäbe, daß er gern im Schatten im Rohre
und im Schlamm verborgen liege, von den Bachweiden gedeckt würde, den Strom in ſich ſchlucke und
ſich dünken ließe, als wolle er den Jordan mit ſeinem Munde ausſchöpfen. Das Thier gilt alſo
ſchon den alten Jsraeliten als ein wahres Ungeheuer, und hiermit ſteht die heutige Anſchauung der
Araber vollkommen im Einklange. Der Sudahneſe ſieht das wüſte Vieh gar nicht für ein echtes, na-
türliches Weſen, ſondern eher für einen Auswurf der Hölle an. Schon der ſudahneſiſche Name
„Aeësint‟, deſſen Bedeutung Niemand kennt, deutet auf etwas Ungewöhnliches hin. Dazu kommt nun
die Bedenken erregende Mißachtung aller, auch der kräftigſten Schutzbriefe ſeitens des Ungethüms.
„Möge Gott die Affen verfluchen in ſeinem Zorn‟, ſagte mir ein Sudahneſe; „denn ſie ſind ver-
wandelte Menſchen und Spitzbuben, Söhne, Enkel, Nachkommen von Spitzbuben, aber möge er uns
bewahren vor den Kindern der Hölle, jenen Nilpferden! Denn ihnen iſt das Heiligſte Schaum und
das Wort des Gottgeſandten ein leerer Hauch; ſie zerſtampfen den „Gottesbrief‟ mit ihren Füßen!‟
Das Nilungeheuer iſt alſo in den Augen der Eingeborenen gar kein von Allah erſchaffenes Weſen,
ſondern nur die Maske eines verruchten, dem Teufel — vor welchem der Bewahrer die Gläubigen
bewahren möge! — mit Leib und Seele angehörigen Zauberers und Sohnes der Hölle, welcher nur
zu Zeiten dieſe Satansgeſtalt annimmt, ſonſt aber in ſeiner Hütte als Menſch erſcheint, um andere
Adamsſöhne abzulocken vom Pfade des Heils. Mit anderen Worten: Das Nilpferd iſt der Gottſei-
beiuns ſelber, wenn auch mit etwas auffallenden und unzierlichen Pferdefüßen und Schwanz!

Dafür gibt es hundert Belege. Viele Menſchen haben durch jenen Höllenſohn ihr Leben ver-
loren, und ihre Seele iſt ihnen aus dem Körper geſtampft worden, ohne daß der Leib gefreſſen
worden wäre: — und unter den Todten war ſogar ein Fakhïe oder Koranverſtändiger! Ferner ließ
einer der Statthalter Oſtſudahns, Churſchid-Paſcha, als er einſt mit einem Fähnlein ſeiner Krieger
an den Strom kam, dieſe auf ein Nilpferd Jagd machen, obwohl ihm ein weiſer Scheich wohl-
meinend davon abrieth; denn dieſer wußte, daß das vermeintliche Nilpferd blos die Maske eines
verwunſchenen Menſchen war. Zwar wurde der vom Anbeginn der Welt verfluchte Zauberer ge-
tödtet und ſeine ſchwarze Seele der Hölle zugeſandt, aber Churſchid-Paſcha entging ſeinem Schickſale
nicht. Er war immer hart verfahren gegen die Zauberer des Landes; deshalb bannten ihn dieſe durch
den Blick ihres ſcheelen Auges. Sein Leib verſiechte, weil ſeine Eingeweide langſam verdorrten, und
er wollte, auch krank, noch immer die Meinung des Ulema und Khadi nicht gelten laſſen; denn an-
ſtatt ſich einem Kundigen des Gotteswortes anzuvertrauen und den Zauberer durch dieſen bannen zu
laſſen, vertrauete er den ungläubigen Aerzten aus Frankiſtán und welkte und ſiechte dahin. Möge
ſein Leib in Frieden ruhen und ſeine Seele begnadigt ſein! Uns aber möge der Bewahrer bewahren,
der Schützende ſchützen vor allerlei Zauber und Höllenwerk!



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[778/0824] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Nil- oder Flußpferd. ſelbe lebte ebenfalls nur kurze Zeit, vielleicht in Folge der ihm wenig zuſagenden Nahrung; man konnte ihm eben nur Kuhmilch reichen. — Einen ausführlicheren Bericht über die höchſt beachtenswer- then Beobachtungen meines Berufsgenoſſen vermag ich leider nicht zu geben. — Geradezu unbegreiflich iſt es, wie die Römer ihre Nilpferde fingen und fortſchafften. Sie brachten nicht blos Junge und Halberwachſene zu ihren Kampfſpielen und Triumphzügen nach der Hauptſtadt ihres Landes, ſondern auch Alte. Der Aedil Scaurus führte im Jahre 58 v. Chr. ein großes Nilpferd mit fünf Krokodilen dem römiſchen Volke vor; ein zweites zeigte Auguſtus bei ſeinem Siegeszuge über die Kleopatra. Commodus ließ fünf im römiſchen Circus tödten, und ſpäter ſah man noch mehrere unter Antonius, Pius und Cordian. Nach dem dritten Jahrhundert unſerer Zeitrechnung bis zum Jahre 1850 kam keins wieder nach Europa. Das Nilpferd iſt unzweifelhaft der Behemot der Bibel, von welchem geſagt wird, daß ſeine Knochen feſt ſeien wie Erz und die Gebeine wie eiſerne Stäbe, daß er gern im Schatten im Rohre und im Schlamm verborgen liege, von den Bachweiden gedeckt würde, den Strom in ſich ſchlucke und ſich dünken ließe, als wolle er den Jordan mit ſeinem Munde ausſchöpfen. Das Thier gilt alſo ſchon den alten Jsraeliten als ein wahres Ungeheuer, und hiermit ſteht die heutige Anſchauung der Araber vollkommen im Einklange. Der Sudahneſe ſieht das wüſte Vieh gar nicht für ein echtes, na- türliches Weſen, ſondern eher für einen Auswurf der Hölle an. Schon der ſudahneſiſche Name „Aeësint‟, deſſen Bedeutung Niemand kennt, deutet auf etwas Ungewöhnliches hin. Dazu kommt nun die Bedenken erregende Mißachtung aller, auch der kräftigſten Schutzbriefe ſeitens des Ungethüms. „Möge Gott die Affen verfluchen in ſeinem Zorn‟, ſagte mir ein Sudahneſe; „denn ſie ſind ver- wandelte Menſchen und Spitzbuben, Söhne, Enkel, Nachkommen von Spitzbuben, aber möge er uns bewahren vor den Kindern der Hölle, jenen Nilpferden! Denn ihnen iſt das Heiligſte Schaum und das Wort des Gottgeſandten ein leerer Hauch; ſie zerſtampfen den „Gottesbrief‟ mit ihren Füßen!‟ Das Nilungeheuer iſt alſo in den Augen der Eingeborenen gar kein von Allah erſchaffenes Weſen, ſondern nur die Maske eines verruchten, dem Teufel — vor welchem der Bewahrer die Gläubigen bewahren möge! — mit Leib und Seele angehörigen Zauberers und Sohnes der Hölle, welcher nur zu Zeiten dieſe Satansgeſtalt annimmt, ſonſt aber in ſeiner Hütte als Menſch erſcheint, um andere Adamsſöhne abzulocken vom Pfade des Heils. Mit anderen Worten: Das Nilpferd iſt der Gottſei- beiuns ſelber, wenn auch mit etwas auffallenden und unzierlichen Pferdefüßen und Schwanz! Dafür gibt es hundert Belege. Viele Menſchen haben durch jenen Höllenſohn ihr Leben ver- loren, und ihre Seele iſt ihnen aus dem Körper geſtampft worden, ohne daß der Leib gefreſſen worden wäre: — und unter den Todten war ſogar ein Fakhïe oder Koranverſtändiger! Ferner ließ einer der Statthalter Oſtſudahns, Churſchid-Paſcha, als er einſt mit einem Fähnlein ſeiner Krieger an den Strom kam, dieſe auf ein Nilpferd Jagd machen, obwohl ihm ein weiſer Scheich wohl- meinend davon abrieth; denn dieſer wußte, daß das vermeintliche Nilpferd blos die Maske eines verwunſchenen Menſchen war. Zwar wurde der vom Anbeginn der Welt verfluchte Zauberer ge- tödtet und ſeine ſchwarze Seele der Hölle zugeſandt, aber Churſchid-Paſcha entging ſeinem Schickſale nicht. Er war immer hart verfahren gegen die Zauberer des Landes; deshalb bannten ihn dieſe durch den Blick ihres ſcheelen Auges. Sein Leib verſiechte, weil ſeine Eingeweide langſam verdorrten, und er wollte, auch krank, noch immer die Meinung des Ulema und Khadi nicht gelten laſſen; denn an- ſtatt ſich einem Kundigen des Gotteswortes anzuvertrauen und den Zauberer durch dieſen bannen zu laſſen, vertrauete er den ungläubigen Aerzten aus Frankiſtán und welkte und ſiechte dahin. Möge ſein Leib in Frieden ruhen und ſeine Seele begnadigt ſein! Uns aber möge der Bewahrer bewahren, der Schützende ſchützen vor allerlei Zauber und Höllenwerk!

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/824>, abgerufen am 23.11.2024.