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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Flossenfüßer. -- Die Seehunde. Allgemeines.
seltenen Genusses der Beobachtung kam mir das Bedenken, daß mein Freund, welcher am gegen-
seitigen Ufer die Anwesenheit der Seehunde durch sein Fernrohr wahrnehmen mußte, ein Nothsignal
geben und so die ganze Gesellschaft verscheuchen könne aus Besorgniß, daß mir ein Unfall begegne, so
daß ich darau denken mußte, meinen Anstand zu beenden. Die mich umgebenden Thiere waren zum
Theil auch zu einiger Ruhe gekommen und außer dem fortdauernden Gebrüll, fanden nur von ein-
zelnen noch gegenseitige Angriffe statt, -- ob aus Feindschaft oder Zärtlichkeit, vermochte ich nicht
zu bestimmen. Da ersah ich mir einen der größten Seehunde, welche vor mir auf einem mächtigen
Granitblocke in der behaglichsten Ruhe dahingestreckt lagen, zu meinem Ziel, und der gut gerichtete
Schuß auf die Seite seines Kopfes traf mein Wild so sicher und tödtlich, daß das Kind des Meeres
keine Kraft mehr besaß, sich von seinem Lager herabzuschwingen. Den zweiten Schuß empfing sein
Nachbar, welcher ebenfalls nach wenigen Zuckungen leblos auf seinem Stein liegen blieb."

"Die übrigen Seehunde geriethen erst nach dem zweiten Schuß in eine allgemeine, hastige Be-
wegung und fuhren hierauf mit großer Behendigkeit in das nahe Wasser: -- der erste Knall schien
sie nur in Erstaunen gesetzt zu haben. Während das herbeigerufene Bot sich aufmachte, um mich
und meine Beute abzuholen, hatte ich Zeit, Betrachtungen über das Betragen der geflüchteten See-
hunde anzustellen. Sie setzten ihre Flucht nicht eben weit fort, sondern kamen in einer Entfernung
von wenigen Hundert Schritten oftmals über die Oberfläche zum Vorschein und näherten sich dem
Riff sogar, so daß es schien, als ob sie dort wieder landen wollten. Die endliche Annäherung des Fahr-
zeuges verscheuchte sie jedoch und sie zogen sich weiter in die See hinaus. Nunmehr nahm mein
Freund den Sitz auf dem Riffe ein und ich segelte mit dem Bote und den beiden geschossenen Thieren
nach unserem Versteck hinüber. Etwa zwei Stunden verflossen, ehe die Seehunde wieder erschienen.
Zu meiner Freude bemerkte ich nach Ablauf dieser Zeit mit meinem Fernrohr, daß sie sich in ziemlicher
Anzahl dem Riffe näherten und Einzelne bereits Besitz von den äußersten Steinen genommen hatten.
Nicht viel später geschahen rasch auf einander zwei Schüsse und wir erhielten das Zeichen, welches uns
hinüber forderte. Als wir ankamen, sahen wir einen der größten Seehunde auf einem Steinblock
todt hingestreckt, einem zweiten gleichfalls getroffenen war es gelungen, in das Wasser zu ent-
kommen; wir fanden ihn jedoch am anderen Morgen todt am entgegenliegenden Strande."

Manchmal gelingt es nach Schilling, auch vom Schiffe aus nach Seehunden zu feuern, wenn
man mit einem kleinen Bote mit halbem Winde lautlos an die auf Steinen schlafenden Thiere heran-
segelt. Bei anhaltendem Frostwetter ist die Jagd auf dem Eis zuweilen ergiebig, niemals aber zu-
verlässig und immer gefährlich. Wenn auch die Strömungen der Ostsee zugefroren sind, halten sich
die Seehunde künstliche Löcher im Eis offen, um durch dieselben mit der äußeren Luft in Verbindung zu
bleiben und durch sie hindurch auf das Eis zu kriechen und dort zu schlafen. Jeder Seehund hält sich
gewöhnlich eine solche Oeffnung, manchmal aber auch einige zu seinem alleinigen Gebrauche. An
diese Wuhnen schleicht man nachts mit Filzschuhen heran, um das Geräusch der Schritte zu dämpfen;
man muß aber gehörig auf Wind und Wetter achten und Gefahr bleibt immer.

An der schwedischen Ostseeküste wird die Jagd regelmäßiger und häufiger betrieben, gewöhnlich
aber nur mit der Harpune, seltner mit Kugelbüchsen, von denen man, wenn man sie anwendet, immer
zwei Arten gebraucht, die eine sehr kleinmündig und eine andere, welche sehr große, schwere Kugeln
auf weite Entfernungen schießt. Manche schwedische Seejäger richten sich Hunde ab, welche auf dem
Eis die Seehunde aufspüren und sie so lange beschäftigen, bis ihre Herren herbeikommen.

Auf den Faröerinseln jagt man die Seehunde hauptsächlich während der Zeit, in welcher sie mit
ihren Jungen auf dem Lande verweilen. Man nennt die Orte, an denen die Thiere gebären, den
Later und die Jagdmonate deshalb einfach die Laterzeit. Solch eine Jagd beschreibt Graba. "Als wir
in die Bucht kamen, wurden wir sogleich von unzähligen Seehunden umringt, welche uns mit neu-
gierig emporgereckten Köpfen anstarrten. Kein Schuß fiel, damit die auf den Klippen schlafenden
nicht geweckt würden. Wir stiegen aus und schlichen uns einem Klumpen von Seehunden an, indem
man nicht unterscheiden konnte, wo Kopf oder Schwanz der einzelnen Thiere sei. Sobald es knallte,

Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines.
ſeltenen Genuſſes der Beobachtung kam mir das Bedenken, daß mein Freund, welcher am gegen-
ſeitigen Ufer die Anweſenheit der Seehunde durch ſein Fernrohr wahrnehmen mußte, ein Nothſignal
geben und ſo die ganze Geſellſchaft verſcheuchen könne aus Beſorgniß, daß mir ein Unfall begegne, ſo
daß ich darau denken mußte, meinen Anſtand zu beenden. Die mich umgebenden Thiere waren zum
Theil auch zu einiger Ruhe gekommen und außer dem fortdauernden Gebrüll, fanden nur von ein-
zelnen noch gegenſeitige Angriffe ſtatt, — ob aus Feindſchaft oder Zärtlichkeit, vermochte ich nicht
zu beſtimmen. Da erſah ich mir einen der größten Seehunde, welche vor mir auf einem mächtigen
Granitblocke in der behaglichſten Ruhe dahingeſtreckt lagen, zu meinem Ziel, und der gut gerichtete
Schuß auf die Seite ſeines Kopfes traf mein Wild ſo ſicher und tödtlich, daß das Kind des Meeres
keine Kraft mehr beſaß, ſich von ſeinem Lager herabzuſchwingen. Den zweiten Schuß empfing ſein
Nachbar, welcher ebenfalls nach wenigen Zuckungen leblos auf ſeinem Stein liegen blieb.‟

„Die übrigen Seehunde geriethen erſt nach dem zweiten Schuß in eine allgemeine, haſtige Be-
wegung und fuhren hierauf mit großer Behendigkeit in das nahe Waſſer: — der erſte Knall ſchien
ſie nur in Erſtaunen geſetzt zu haben. Während das herbeigerufene Bot ſich aufmachte, um mich
und meine Beute abzuholen, hatte ich Zeit, Betrachtungen über das Betragen der geflüchteten See-
hunde anzuſtellen. Sie ſetzten ihre Flucht nicht eben weit fort, ſondern kamen in einer Entfernung
von wenigen Hundert Schritten oftmals über die Oberfläche zum Vorſchein und näherten ſich dem
Riff ſogar, ſo daß es ſchien, als ob ſie dort wieder landen wollten. Die endliche Annäherung des Fahr-
zeuges verſcheuchte ſie jedoch und ſie zogen ſich weiter in die See hinaus. Nunmehr nahm mein
Freund den Sitz auf dem Riffe ein und ich ſegelte mit dem Bote und den beiden geſchoſſenen Thieren
nach unſerem Verſteck hinüber. Etwa zwei Stunden verfloſſen, ehe die Seehunde wieder erſchienen.
Zu meiner Freude bemerkte ich nach Ablauf dieſer Zeit mit meinem Fernrohr, daß ſie ſich in ziemlicher
Anzahl dem Riffe näherten und Einzelne bereits Beſitz von den äußerſten Steinen genommen hatten.
Nicht viel ſpäter geſchahen raſch auf einander zwei Schüſſe und wir erhielten das Zeichen, welches uns
hinüber forderte. Als wir ankamen, ſahen wir einen der größten Seehunde auf einem Steinblock
todt hingeſtreckt, einem zweiten gleichfalls getroffenen war es gelungen, in das Waſſer zu ent-
kommen; wir fanden ihn jedoch am anderen Morgen todt am entgegenliegenden Strande.‟

Manchmal gelingt es nach Schilling, auch vom Schiffe aus nach Seehunden zu feuern, wenn
man mit einem kleinen Bote mit halbem Winde lautlos an die auf Steinen ſchlafenden Thiere heran-
ſegelt. Bei anhaltendem Froſtwetter iſt die Jagd auf dem Eis zuweilen ergiebig, niemals aber zu-
verläſſig und immer gefährlich. Wenn auch die Strömungen der Oſtſee zugefroren ſind, halten ſich
die Seehunde künſtliche Löcher im Eis offen, um durch dieſelben mit der äußeren Luft in Verbindung zu
bleiben und durch ſie hindurch auf das Eis zu kriechen und dort zu ſchlafen. Jeder Seehund hält ſich
gewöhnlich eine ſolche Oeffnung, manchmal aber auch einige zu ſeinem alleinigen Gebrauche. An
dieſe Wuhnen ſchleicht man nachts mit Filzſchuhen heran, um das Geräuſch der Schritte zu dämpfen;
man muß aber gehörig auf Wind und Wetter achten und Gefahr bleibt immer.

An der ſchwediſchen Oſtſeeküſte wird die Jagd regelmäßiger und häufiger betrieben, gewöhnlich
aber nur mit der Harpune, ſeltner mit Kugelbüchſen, von denen man, wenn man ſie anwendet, immer
zwei Arten gebraucht, die eine ſehr kleinmündig und eine andere, welche ſehr große, ſchwere Kugeln
auf weite Entfernungen ſchießt. Manche ſchwediſche Seejäger richten ſich Hunde ab, welche auf dem
Eis die Seehunde aufſpüren und ſie ſo lange beſchäftigen, bis ihre Herren herbeikommen.

Auf den Faröerinſeln jagt man die Seehunde hauptſächlich während der Zeit, in welcher ſie mit
ihren Jungen auf dem Lande verweilen. Man nennt die Orte, an denen die Thiere gebären, den
Later und die Jagdmonate deshalb einfach die Laterzeit. Solch eine Jagd beſchreibt Graba. „Als wir
in die Bucht kamen, wurden wir ſogleich von unzähligen Seehunden umringt, welche uns mit neu-
gierig emporgereckten Köpfen anſtarrten. Kein Schuß fiel, damit die auf den Klippen ſchlafenden
nicht geweckt würden. Wir ſtiegen aus und ſchlichen uns einem Klumpen von Seehunden an, indem
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[798/0846] Floſſenfüßer. — Die Seehunde. Allgemeines. ſeltenen Genuſſes der Beobachtung kam mir das Bedenken, daß mein Freund, welcher am gegen- ſeitigen Ufer die Anweſenheit der Seehunde durch ſein Fernrohr wahrnehmen mußte, ein Nothſignal geben und ſo die ganze Geſellſchaft verſcheuchen könne aus Beſorgniß, daß mir ein Unfall begegne, ſo daß ich darau denken mußte, meinen Anſtand zu beenden. Die mich umgebenden Thiere waren zum Theil auch zu einiger Ruhe gekommen und außer dem fortdauernden Gebrüll, fanden nur von ein- zelnen noch gegenſeitige Angriffe ſtatt, — ob aus Feindſchaft oder Zärtlichkeit, vermochte ich nicht zu beſtimmen. Da erſah ich mir einen der größten Seehunde, welche vor mir auf einem mächtigen Granitblocke in der behaglichſten Ruhe dahingeſtreckt lagen, zu meinem Ziel, und der gut gerichtete Schuß auf die Seite ſeines Kopfes traf mein Wild ſo ſicher und tödtlich, daß das Kind des Meeres keine Kraft mehr beſaß, ſich von ſeinem Lager herabzuſchwingen. Den zweiten Schuß empfing ſein Nachbar, welcher ebenfalls nach wenigen Zuckungen leblos auf ſeinem Stein liegen blieb.‟ „Die übrigen Seehunde geriethen erſt nach dem zweiten Schuß in eine allgemeine, haſtige Be- wegung und fuhren hierauf mit großer Behendigkeit in das nahe Waſſer: — der erſte Knall ſchien ſie nur in Erſtaunen geſetzt zu haben. Während das herbeigerufene Bot ſich aufmachte, um mich und meine Beute abzuholen, hatte ich Zeit, Betrachtungen über das Betragen der geflüchteten See- hunde anzuſtellen. Sie ſetzten ihre Flucht nicht eben weit fort, ſondern kamen in einer Entfernung von wenigen Hundert Schritten oftmals über die Oberfläche zum Vorſchein und näherten ſich dem Riff ſogar, ſo daß es ſchien, als ob ſie dort wieder landen wollten. Die endliche Annäherung des Fahr- zeuges verſcheuchte ſie jedoch und ſie zogen ſich weiter in die See hinaus. Nunmehr nahm mein Freund den Sitz auf dem Riffe ein und ich ſegelte mit dem Bote und den beiden geſchoſſenen Thieren nach unſerem Verſteck hinüber. Etwa zwei Stunden verfloſſen, ehe die Seehunde wieder erſchienen. Zu meiner Freude bemerkte ich nach Ablauf dieſer Zeit mit meinem Fernrohr, daß ſie ſich in ziemlicher Anzahl dem Riffe näherten und Einzelne bereits Beſitz von den äußerſten Steinen genommen hatten. Nicht viel ſpäter geſchahen raſch auf einander zwei Schüſſe und wir erhielten das Zeichen, welches uns hinüber forderte. Als wir ankamen, ſahen wir einen der größten Seehunde auf einem Steinblock todt hingeſtreckt, einem zweiten gleichfalls getroffenen war es gelungen, in das Waſſer zu ent- kommen; wir fanden ihn jedoch am anderen Morgen todt am entgegenliegenden Strande.‟ Manchmal gelingt es nach Schilling, auch vom Schiffe aus nach Seehunden zu feuern, wenn man mit einem kleinen Bote mit halbem Winde lautlos an die auf Steinen ſchlafenden Thiere heran- ſegelt. Bei anhaltendem Froſtwetter iſt die Jagd auf dem Eis zuweilen ergiebig, niemals aber zu- verläſſig und immer gefährlich. Wenn auch die Strömungen der Oſtſee zugefroren ſind, halten ſich die Seehunde künſtliche Löcher im Eis offen, um durch dieſelben mit der äußeren Luft in Verbindung zu bleiben und durch ſie hindurch auf das Eis zu kriechen und dort zu ſchlafen. Jeder Seehund hält ſich gewöhnlich eine ſolche Oeffnung, manchmal aber auch einige zu ſeinem alleinigen Gebrauche. An dieſe Wuhnen ſchleicht man nachts mit Filzſchuhen heran, um das Geräuſch der Schritte zu dämpfen; man muß aber gehörig auf Wind und Wetter achten und Gefahr bleibt immer. An der ſchwediſchen Oſtſeeküſte wird die Jagd regelmäßiger und häufiger betrieben, gewöhnlich aber nur mit der Harpune, ſeltner mit Kugelbüchſen, von denen man, wenn man ſie anwendet, immer zwei Arten gebraucht, die eine ſehr kleinmündig und eine andere, welche ſehr große, ſchwere Kugeln auf weite Entfernungen ſchießt. Manche ſchwediſche Seejäger richten ſich Hunde ab, welche auf dem Eis die Seehunde aufſpüren und ſie ſo lange beſchäftigen, bis ihre Herren herbeikommen. Auf den Faröerinſeln jagt man die Seehunde hauptſächlich während der Zeit, in welcher ſie mit ihren Jungen auf dem Lande verweilen. Man nennt die Orte, an denen die Thiere gebären, den Later und die Jagdmonate deshalb einfach die Laterzeit. Solch eine Jagd beſchreibt Graba. „Als wir in die Bucht kamen, wurden wir ſogleich von unzähligen Seehunden umringt, welche uns mit neu- gierig emporgereckten Köpfen anſtarrten. Kein Schuß fiel, damit die auf den Klippen ſchlafenden nicht geweckt würden. Wir ſtiegen aus und ſchlichen uns einem Klumpen von Seehunden an, indem man nicht unterſcheiden konnte, wo Kopf oder Schwanz der einzelnen Thiere ſei. Sobald es knallte,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/846>, abgerufen am 23.11.2024.