Das Walroß bewohnt noch heutigen Tages viele und zwar sehr verschiedene Theile des oben- genannten Meeres. Sein Verbreitungskreis zerfällt in eine östliche und westliche Hälfte. Jm Osten findet man es hauptsächlich im Behringsmeer und längs der amerikanischen Küste bis zur Walroß- bank hinab. An der asiatischen Küste kommt es schon unter dem 60. Grad nördlicher Breite nicht mehr vor. Die östliche Grenze des westlichen Verbreitungskreises wird durch die Mündung des Jenisei gebildet. Vonhieraus findet es sich an geeigneten Orten überall, insbesondere um Nowaja- Semlja, Spitzbergen, auf den großen Eisfeldern zwischen dieser Jnsel und Grönland, längs der Ostküste des nördlichsten Amerika und in den großen, hier eingebuchteten Wasserbecken, z. B. der Baffins- und Hudsonsbai, bis nach Labrador hinab. Es bevorzugt Meeresstellen, in denen das Wasser nur eine sehr geringe Wärme besitzt, und scheint alle durch den lauen Golfstrom erwärmten Stellen zu meiden. Wenn das Eis zu schmelzen beginnt, zieht es sich sogar regel- mäßig nach nördlicheren und bezüglich kälteren Gegenden zurück. Jn früheren Zeiten reichte es allerdings südlicher und kam auch zuweilen an den westeuropäischen Küsten, namentlich in Finn- marken und in der Nähe der Orkneyinsel vor. Seit ein paar hundert Jahren hat man kein ein- ziges mehr dort gesehen.
Jn vergangenen Jahrhunderten war das Thier ungleich häufiger, als jetzt. Alte Schiffer berichten von ungemein starken Herden, welche sie sahen. Sie versichern, daß sich ihrer sechs- bis achttausend Stück in einem geringen Umkreis versammelt hatten. Noch am Ende des siebzehnten Jahrhunderts konnte die Mannschaft eines Schiffes in einem Zeitraume von sieben Stunden ihrer neunhundert Stück tödten, und zwar in dem europäischen Eismeere.
Wir besitzen ziemlich ausführliche Berichte über das Walroß; denn schon die älteren Naturbe- schreiber erwähnen des so auffallenden Geschöpfes. Bereits Albertus Magnus gibt eine mit vielen Sagen und Märchen gewürzte Beschreibung, welcher dreißig Jahre später Olaus Magnus, der oft erwähnte norwegische Bischof, kaum noch Etwas zuzufügen weiß. Der Erstere sagt, daß in den nordischen Meeren ein großer Walfischelefant lebe, welcher 2 bis 3 Fuß lange, nach unten gerichtete Hauzähne habe, mit denen er sich an die Felsen hänge, um sich empor zu helfen, und welche er auch zum Kampfe zu benutzen wisse. Die Fischer nähern sich dem schlafenden Thiere, lösen am Schwanze das Fell vom Speck ab, stecken ein Seil durch, binden dieses an einen Felsen oder Stein und werfen nun mit Steinen nach dem Thiere. Wenn es entfliehen will, zieht es das Fell über Schnauze und Kopf und läßt es liegen, stürzt ins Meer, wo es bald schwach und halb leblos ge- funden wird. Aus seinem Leder verfertigt man Riemen, welche auf dem Markte zu Cöln bestän- dig zu verkaufen sind. Olaus Magnus gibt dem Walroß bereits den noch heute giltigen Namen Mors und erzählt, daß es mit seinen Zähnen auf die Gipfel der Felsen wie auf einer Leiter emporsteige und sich von der Höhe wieder ins Meer wälze, falls es nicht, vom Schlafe überrascht, an den Felsen hängen bleibe. -- Ein Bischof von Drontheim ließ den Kopf eines Wal- rosses einsalzen und sandte ihn im Jahre 1520 an den Papst Leo X. nach Rom. Dieser Kopf wurde in Straßburg abgebildet, und der alte Geßner hat nach ihm eine ziemlich richtige Beschrei- bung geliefert. Jnzwischen gab auch ein Russe und der Freiherr von Herberstain, welcher zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts kaiserlicher Gesandter in Moskau war, eine leidliche Beschrei- bung. Sie erwähnen z. B. schon, daß die Walroßherden Wachen ausstellen, daß die Thiere ihrer Zähne wegen verfolgt werden und daß aus diesen Zähnen die Türken, Tartaren und Russen ge- schätzte Degen- und Dolchhefte verfertigen. Endlich gibt Martens aus Hamburg, welcher Ende des 17. Jahrhunderts das Walroß im Eismeere selbst zu sehen bekam, einen recht guten und aus- führlichen Bericht, und von nun an mehren sich die Beschreibungen und vervollständigt sich unsere Kenntniß des Thieres durch die genauen Schilderungen der Lebensweise und der Jagdarten, welche wir den berühmten Forschern Scoresby, Cook, Parry und Kane verdanken. Eine Zusammen- stellung der verschiedenen Angaben ergibt etwa Folgendes:
Das Walroß.
Das Walroß bewohnt noch heutigen Tages viele und zwar ſehr verſchiedene Theile des oben- genannten Meeres. Sein Verbreitungskreis zerfällt in eine öſtliche und weſtliche Hälfte. Jm Oſten findet man es hauptſächlich im Behringsmeer und längs der amerikaniſchen Küſte bis zur Walroß- bank hinab. An der aſiatiſchen Küſte kommt es ſchon unter dem 60. Grad nördlicher Breite nicht mehr vor. Die öſtliche Grenze des weſtlichen Verbreitungskreiſes wird durch die Mündung des Jeniſei gebildet. Vonhieraus findet es ſich an geeigneten Orten überall, insbeſondere um Nowaja- Semlja, Spitzbergen, auf den großen Eisfeldern zwiſchen dieſer Jnſel und Grönland, längs der Oſtküſte des nördlichſten Amerika und in den großen, hier eingebuchteten Waſſerbecken, z. B. der Baffins- und Hudſonsbai, bis nach Labrador hinab. Es bevorzugt Meeresſtellen, in denen das Waſſer nur eine ſehr geringe Wärme beſitzt, und ſcheint alle durch den lauen Golfſtrom erwärmten Stellen zu meiden. Wenn das Eis zu ſchmelzen beginnt, zieht es ſich ſogar regel- mäßig nach nördlicheren und bezüglich kälteren Gegenden zurück. Jn früheren Zeiten reichte es allerdings ſüdlicher und kam auch zuweilen an den weſteuropäiſchen Küſten, namentlich in Finn- marken und in der Nähe der Orkneyinſel vor. Seit ein paar hundert Jahren hat man kein ein- ziges mehr dort geſehen.
Jn vergangenen Jahrhunderten war das Thier ungleich häufiger, als jetzt. Alte Schiffer berichten von ungemein ſtarken Herden, welche ſie ſahen. Sie verſichern, daß ſich ihrer ſechs- bis achttauſend Stück in einem geringen Umkreis verſammelt hatten. Noch am Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts konnte die Mannſchaft eines Schiffes in einem Zeitraume von ſieben Stunden ihrer neunhundert Stück tödten, und zwar in dem europäiſchen Eismeere.
Wir beſitzen ziemlich ausführliche Berichte über das Walroß; denn ſchon die älteren Naturbe- ſchreiber erwähnen des ſo auffallenden Geſchöpfes. Bereits Albertus Magnus gibt eine mit vielen Sagen und Märchen gewürzte Beſchreibung, welcher dreißig Jahre ſpäter Olaus Magnus, der oft erwähnte norwegiſche Biſchof, kaum noch Etwas zuzufügen weiß. Der Erſtere ſagt, daß in den nordiſchen Meeren ein großer Walfiſchelefant lebe, welcher 2 bis 3 Fuß lange, nach unten gerichtete Hauzähne habe, mit denen er ſich an die Felſen hänge, um ſich empor zu helfen, und welche er auch zum Kampfe zu benutzen wiſſe. Die Fiſcher nähern ſich dem ſchlafenden Thiere, löſen am Schwanze das Fell vom Speck ab, ſtecken ein Seil durch, binden dieſes an einen Felſen oder Stein und werfen nun mit Steinen nach dem Thiere. Wenn es entfliehen will, zieht es das Fell über Schnauze und Kopf und läßt es liegen, ſtürzt ins Meer, wo es bald ſchwach und halb leblos ge- funden wird. Aus ſeinem Leder verfertigt man Riemen, welche auf dem Markte zu Cöln beſtän- dig zu verkaufen ſind. Olaus Magnus gibt dem Walroß bereits den noch heute giltigen Namen Mors und erzählt, daß es mit ſeinen Zähnen auf die Gipfel der Felſen wie auf einer Leiter emporſteige und ſich von der Höhe wieder ins Meer wälze, falls es nicht, vom Schlafe überraſcht, an den Felſen hängen bleibe. — Ein Biſchof von Drontheim ließ den Kopf eines Wal- roſſes einſalzen und ſandte ihn im Jahre 1520 an den Papſt Leo X. nach Rom. Dieſer Kopf wurde in Straßburg abgebildet, und der alte Geßner hat nach ihm eine ziemlich richtige Beſchrei- bung geliefert. Jnzwiſchen gab auch ein Ruſſe und der Freiherr von Herberſtain, welcher zu Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts kaiſerlicher Geſandter in Moskau war, eine leidliche Beſchrei- bung. Sie erwähnen z. B. ſchon, daß die Walroßherden Wachen ausſtellen, daß die Thiere ihrer Zähne wegen verfolgt werden und daß aus dieſen Zähnen die Türken, Tartaren und Ruſſen ge- ſchätzte Degen- und Dolchhefte verfertigen. Endlich gibt Martens aus Hamburg, welcher Ende des 17. Jahrhunderts das Walroß im Eismeere ſelbſt zu ſehen bekam, einen recht guten und aus- führlichen Bericht, und von nun an mehren ſich die Beſchreibungen und vervollſtändigt ſich unſere Kenntniß des Thieres durch die genauen Schilderungen der Lebensweiſe und der Jagdarten, welche wir den berühmten Forſchern Scoresby, Cook, Parry und Kane verdanken. Eine Zuſammen- ſtellung der verſchiedenen Angaben ergibt etwa Folgendes:
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Das Walroß.
Das Walroß bewohnt noch heutigen Tages viele und zwar ſehr verſchiedene Theile des oben-
genannten Meeres. Sein Verbreitungskreis zerfällt in eine öſtliche und weſtliche Hälfte. Jm Oſten
findet man es hauptſächlich im Behringsmeer und längs der amerikaniſchen Küſte bis zur Walroß-
bank hinab. An der aſiatiſchen Küſte kommt es ſchon unter dem 60. Grad nördlicher Breite nicht
mehr vor. Die öſtliche Grenze des weſtlichen Verbreitungskreiſes wird durch die Mündung des
Jeniſei gebildet. Vonhieraus findet es ſich an geeigneten Orten überall, insbeſondere um Nowaja-
Semlja, Spitzbergen, auf den großen Eisfeldern zwiſchen dieſer Jnſel und Grönland, längs der
Oſtküſte des nördlichſten Amerika und in den großen, hier eingebuchteten Waſſerbecken, z. B.
der Baffins- und Hudſonsbai, bis nach Labrador hinab. Es bevorzugt Meeresſtellen, in denen
das Waſſer nur eine ſehr geringe Wärme beſitzt, und ſcheint alle durch den lauen Golfſtrom
erwärmten Stellen zu meiden. Wenn das Eis zu ſchmelzen beginnt, zieht es ſich ſogar regel-
mäßig nach nördlicheren und bezüglich kälteren Gegenden zurück. Jn früheren Zeiten reichte es
allerdings ſüdlicher und kam auch zuweilen an den weſteuropäiſchen Küſten, namentlich in Finn-
marken und in der Nähe der Orkneyinſel vor. Seit ein paar hundert Jahren hat man kein ein-
ziges mehr dort geſehen.
Jn vergangenen Jahrhunderten war das Thier ungleich häufiger, als jetzt. Alte Schiffer
berichten von ungemein ſtarken Herden, welche ſie ſahen. Sie verſichern, daß ſich ihrer ſechs- bis
achttauſend Stück in einem geringen Umkreis verſammelt hatten. Noch am Ende des ſiebzehnten
Jahrhunderts konnte die Mannſchaft eines Schiffes in einem Zeitraume von ſieben Stunden ihrer
neunhundert Stück tödten, und zwar in dem europäiſchen Eismeere.
Wir beſitzen ziemlich ausführliche Berichte über das Walroß; denn ſchon die älteren Naturbe-
ſchreiber erwähnen des ſo auffallenden Geſchöpfes. Bereits Albertus Magnus gibt eine mit
vielen Sagen und Märchen gewürzte Beſchreibung, welcher dreißig Jahre ſpäter Olaus Magnus,
der oft erwähnte norwegiſche Biſchof, kaum noch Etwas zuzufügen weiß. Der Erſtere ſagt, daß
in den nordiſchen Meeren ein großer Walfiſchelefant lebe, welcher 2 bis 3 Fuß lange, nach unten
gerichtete Hauzähne habe, mit denen er ſich an die Felſen hänge, um ſich empor zu helfen, und welche
er auch zum Kampfe zu benutzen wiſſe. Die Fiſcher nähern ſich dem ſchlafenden Thiere, löſen am
Schwanze das Fell vom Speck ab, ſtecken ein Seil durch, binden dieſes an einen Felſen oder Stein
und werfen nun mit Steinen nach dem Thiere. Wenn es entfliehen will, zieht es das Fell über
Schnauze und Kopf und läßt es liegen, ſtürzt ins Meer, wo es bald ſchwach und halb leblos ge-
funden wird. Aus ſeinem Leder verfertigt man Riemen, welche auf dem Markte zu Cöln beſtän-
dig zu verkaufen ſind. Olaus Magnus gibt dem Walroß bereits den noch heute giltigen
Namen Mors und erzählt, daß es mit ſeinen Zähnen auf die Gipfel der Felſen wie auf einer
Leiter emporſteige und ſich von der Höhe wieder ins Meer wälze, falls es nicht, vom Schlafe
überraſcht, an den Felſen hängen bleibe. — Ein Biſchof von Drontheim ließ den Kopf eines Wal-
roſſes einſalzen und ſandte ihn im Jahre 1520 an den Papſt Leo X. nach Rom. Dieſer Kopf
wurde in Straßburg abgebildet, und der alte Geßner hat nach ihm eine ziemlich richtige Beſchrei-
bung geliefert. Jnzwiſchen gab auch ein Ruſſe und der Freiherr von Herberſtain, welcher zu
Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts kaiſerlicher Geſandter in Moskau war, eine leidliche Beſchrei-
bung. Sie erwähnen z. B. ſchon, daß die Walroßherden Wachen ausſtellen, daß die Thiere ihrer
Zähne wegen verfolgt werden und daß aus dieſen Zähnen die Türken, Tartaren und Ruſſen ge-
ſchätzte Degen- und Dolchhefte verfertigen. Endlich gibt Martens aus Hamburg, welcher Ende
des 17. Jahrhunderts das Walroß im Eismeere ſelbſt zu ſehen bekam, einen recht guten und aus-
führlichen Bericht, und von nun an mehren ſich die Beſchreibungen und vervollſtändigt ſich unſere
Kenntniß des Thieres durch die genauen Schilderungen der Lebensweiſe und der Jagdarten, welche
wir den berühmten Forſchern Scoresby, Cook, Parry und Kane verdanken. Eine Zuſammen-
ſtellung der verſchiedenen Angaben ergibt etwa Folgendes:
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 809. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/857>, abgerufen am 23.11.2024.
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