Das Fleisch und der Speck, die Haut und die größeren Zähne finden Verwendung; von einem anderen Nutzen wird Nichts berichtet.
Unzweifelhaft war es der Dujong (Halicore cetaeea), welcher zu der Sage von den Sirenen Veranlassung gab; denn, wie bekannt, wurden nur die Meere, in denen er sich aufhält, von den Alten besucht, und somit konnte nur er beobachtet worden sein. Es ist möglich, aber nicht wahr- scheinlich, daß der "Tachasch" des biblischen Urtextes, mit dessen Fell die Jsraeliten ihre Bundes- lade bekleideten, unser Dujong war, obgleich nicht recht einzusehen ist, wie die Sprachforscher gerade auf ein Thier gefallen sind, dessen Fell keineswegs besonders zweckdienliche Eigenschaften für jene Verwendung darbietet. Luther übersetzt das betreffende Wort mit "Dachs", Andere geben es mit "Seebund" wieder; mich läßt es, offen gestanden, sehr gleichgiltig, ob Luther und die Uebrigen
[Abbildung]
Der Dujong (Halleore cetacea)
oder ob jene neueren Sprachforscher, welche auf unsere Sirenen fielen, Recht haben. Uebrigens scheint es sonderbar genug, daß uns von den alten Schriftstellern keine nur einigermaßen zufriedenstellende Beschreibung der Urbilder ihrer Märchengestalten hinterlassen worden ist.
Den Chinesen und Arabern war der Dujong seit vielen Jahrhunderten bekannt; wir dagegen erhielten durch europäische Gelehrte erst zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Nachrichten über ihn. Dampier sagt in seiner 1702 erschienenen Reisebeschreibung, daß er nicht blos in Amerika, sondern auch in der Nähe der Philippinen Manaten gesehen habe, und Kolbe spricht von einem Seelöwen, welcher recht gut eine Sirene sein kann:
"Solange ich auf der See gefahren", sagt er, "habe ich nie das Glück gehabt, einen Meer- löwen zu sehen. Es hat sich am Ende des Jahres 1707 gefüget, daß einer in die Tafel-Bay ge- kommen, welcher auf dem Wasser lange Zeit gespielet und endlich sich gar auf eine Klippe gelegt hat, um daselbst nach abgelaufenem Wasser sich im Sonnenschein zu ergötzen. So lange er noch Wasser
Der Dujong.
Das Fleiſch und der Speck, die Haut und die größeren Zähne finden Verwendung; von einem anderen Nutzen wird Nichts berichtet.
Unzweifelhaft war es der Dujong (Halicore cetaeea), welcher zu der Sage von den Sirenen Veranlaſſung gab; denn, wie bekannt, wurden nur die Meere, in denen er ſich aufhält, von den Alten beſucht, und ſomit konnte nur er beobachtet worden ſein. Es iſt möglich, aber nicht wahr- ſcheinlich, daß der „Tachaſch‟ des bibliſchen Urtextes, mit deſſen Fell die Jſraeliten ihre Bundes- lade bekleideten, unſer Dujong war, obgleich nicht recht einzuſehen iſt, wie die Sprachforſcher gerade auf ein Thier gefallen ſind, deſſen Fell keineswegs beſonders zweckdienliche Eigenſchaften für jene Verwendung darbietet. Luther überſetzt das betreffende Wort mit „Dachs‟, Andere geben es mit „Seebund‟ wieder; mich läßt es, offen geſtanden, ſehr gleichgiltig, ob Luther und die Uebrigen
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Der Dujong (Halleore cetacea)
oder ob jene neueren Sprachforſcher, welche auf unſere Sirenen fielen, Recht haben. Uebrigens ſcheint es ſonderbar genug, daß uns von den alten Schriftſtellern keine nur einigermaßen zufriedenſtellende Beſchreibung der Urbilder ihrer Märchengeſtalten hinterlaſſen worden iſt.
Den Chineſen und Arabern war der Dujong ſeit vielen Jahrhunderten bekannt; wir dagegen erhielten durch europäiſche Gelehrte erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Nachrichten über ihn. Dampier ſagt in ſeiner 1702 erſchienenen Reiſebeſchreibung, daß er nicht blos in Amerika, ſondern auch in der Nähe der Philippinen Manaten geſehen habe, und Kolbe ſpricht von einem Seelöwen, welcher recht gut eine Sirene ſein kann:
„Solange ich auf der See gefahren‟, ſagt er, „habe ich nie das Glück gehabt, einen Meer- löwen zu ſehen. Es hat ſich am Ende des Jahres 1707 gefüget, daß einer in die Tafel-Bay ge- kommen, welcher auf dem Waſſer lange Zeit geſpielet und endlich ſich gar auf eine Klippe gelegt hat, um daſelbſt nach abgelaufenem Waſſer ſich im Sonnenſchein zu ergötzen. So lange er noch Waſſer
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Der Dujong.
Das Fleiſch und der Speck, die Haut und die größeren Zähne finden Verwendung; von einem
anderen Nutzen wird Nichts berichtet.
Unzweifelhaft war es der Dujong (Halicore cetaeea), welcher zu der Sage von den Sirenen
Veranlaſſung gab; denn, wie bekannt, wurden nur die Meere, in denen er ſich aufhält, von den
Alten beſucht, und ſomit konnte nur er beobachtet worden ſein. Es iſt möglich, aber nicht wahr-
ſcheinlich, daß der „Tachaſch‟ des bibliſchen Urtextes, mit deſſen Fell die Jſraeliten ihre Bundes-
lade bekleideten, unſer Dujong war, obgleich nicht recht einzuſehen iſt, wie die Sprachforſcher gerade
auf ein Thier gefallen ſind, deſſen Fell keineswegs beſonders zweckdienliche Eigenſchaften für jene
Verwendung darbietet. Luther überſetzt das betreffende Wort mit „Dachs‟, Andere geben es mit
„Seebund‟ wieder; mich läßt es, offen geſtanden, ſehr gleichgiltig, ob Luther und die Uebrigen
[Abbildung Der Dujong (Halleore cetacea)]
oder ob jene neueren Sprachforſcher, welche auf unſere Sirenen fielen, Recht haben. Uebrigens ſcheint
es ſonderbar genug, daß uns von den alten Schriftſtellern keine nur einigermaßen zufriedenſtellende
Beſchreibung der Urbilder ihrer Märchengeſtalten hinterlaſſen worden iſt.
Den Chineſen und Arabern war der Dujong ſeit vielen Jahrhunderten bekannt; wir dagegen
erhielten durch europäiſche Gelehrte erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Nachrichten über ihn.
Dampier ſagt in ſeiner 1702 erſchienenen Reiſebeſchreibung, daß er nicht blos in Amerika, ſondern
auch in der Nähe der Philippinen Manaten geſehen habe, und Kolbe ſpricht von einem Seelöwen,
welcher recht gut eine Sirene ſein kann:
„Solange ich auf der See gefahren‟, ſagt er, „habe ich nie das Glück gehabt, einen Meer-
löwen zu ſehen. Es hat ſich am Ende des Jahres 1707 gefüget, daß einer in die Tafel-Bay ge-
kommen, welcher auf dem Waſſer lange Zeit geſpielet und endlich ſich gar auf eine Klippe gelegt hat,
um daſelbſt nach abgelaufenem Waſſer ſich im Sonnenſchein zu ergötzen. So lange er noch Waſſer
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 815. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/863>, abgerufen am 23.11.2024.
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