wird ihm verderblich. Von keinem anderen Walthiere findet man so viele Ueberbleibsel, als von dem Narwal. Jn vielen Gegenden, wo er sehr selten ist, schwemmt das Meer seine Stoßzähne in Menge an und ebenso oft wird der anscheinend unverletzte Leib an die nördlichen Küsten getrieben. Es scheint also, daß bei Stürmen viele dieser Wale zu Grunde gehen.
Die Walfischfänger machen nicht immer Jagd auf ihn. Einzelne Narwale sind schwer zu erle- gen, wenn nicht eisfreie Strecken des Meeres behufs des Athemholens sie an ein und dieselbe Stelle binden. Jm hohen Meere werden einzelne harpunirt, wie der Walfisch; im Ganzen aber ist die Jagd nirgends bedeutend. Die Grönländer essen das Fleisch gekocht und getrocknet, die Haut und den Speck roh, brennen das Fett in Lampen, verfertigen aus den Flechsen guten Zwirn, aus dem Schlunde Blasen, welche sie beim Fischfang gebrauchen, und wissen selbst die Gedärme zu verwen- den. Die Walfischfahrer schmelzen zwar den Speck aus, sehen aber doch in den Stoßzähnen den Hauptgewinn der Jagd.
Jn früheren Zeiten wurden die Stoßzähne mit ganz unglaublichen Summen bezahlt. Man schrieb ihnen allerlei Wunderkräfte zu und wußte sie somit noch vielseitiger zu verwenden, als wir, welche in ihnen blos eine Masse sehen, die das Elfenbein in jeder Hinsicht übertrifft. Noch vor etwa dritthalb hundert Jahren gab es nur sehr wenig Narwalzähne in Europa, und diejenigen, welche die Seefahrer bisweilen fanden, wurden ohne Mühe verwerthet. Man hielt die Zähne für das Horn des Einhorns in der Bibel, und deshalb eben setzten die Engländer solchen Zahn dem fabelhaften Einhorn ihres Wappens auf. "Kaiser und Könige," sagt Fitzinger, "ließen sich oft mit dem zierlichsten Schnitzwerk versehene Stäbe daraus verfertigen, welche ihnen nachgetragen wurden, und die kostbaren Bischofsstäbe waren aus solchen Zähnen gefertigt. Noch im 16. Jahrhundert bewahrte man im bay- reuthischen Archive zu Plassenburg vier Narwalzähne als außerordentliche Seltenheit auf. Einen derselben hatten zwei Markgrafen von Bayreuth von Kaiser Karl V. für einen großen Schuldposten angenommen und für den größten wurde von den Venetianern noch im Jahre 1559 die ungeheuere Summe von 30,000 Zechinen angeboten, ohne daß es ihnen gelungen wäre, sich den Besitz desselben zu verschaffen. Der dritte wurde als Arzneimittel, jedoch nur für die Angehörigen des Fürsten- hauses, verwendet; man hielt ihn für so kostbar, daß immer Abgeordnete beider Fürsten zugegen sein mußten, wenn ein Ring von ihm zum Gebrauch abgeschnitten wurde. Ein Zahn, welcher in der kurfürstlichen Sammlung zu Dresden an einer goldenen Kette hing, wurde auf 100,000 Reichs- thaler geschätzt."
Mit der Ausbreitung der Schifffahrt verloren die Zähne mehr und mehr im Werth, und als im Anfang des 18. Jahrhunderts die "grönländische Gesellschaft" viele große Stücke von Narwalzähnen nach Moslau schickte, um dieselben an den Zaren zu verhandeln, wußte der Leibarzt des Kaisers den Handel rückgängig zu machen, indem er sagte, daß diese gar keine Einhörner, sondern nur Fischzähne wären. Der Abgesandte mußte, ohne ein Stück los zu werden, wieder nach Kopenhagen zurück- kehren und hatte dort noch den Schmerz, verhöhnt und gescholten zu werden. "Wie seid Jhr doch so unerfahren," sagte der alte Kaufmann, "Jhr hättet dem Arzte zwei- oder dreihundert Dukaten geben sollen, dann wären unsere Zähne sicherlich Einhörner gewesen." Je mehr man zu der Ueberzeugung kam, daß diese Zähne nicht vom Einhorn stammten, verloren sie ihre Wunderkräfte; aber noch Ende vorigen Jahrhunderts fehlten sie in Apotheken nicht, und manche Aerzte wußten ihre Unwissenheit noch immer durch Verordnung von gebranntem Narwalpulver darzulegen. Gegenwärtig betrügen die biederen Holländer blos noch die Chinesen und Japanesen mit den früher so gesuchten Stoffen; denn bei uns zu Lande wird das Stück höchstens mit 8 bis 20 Thalern bezahlt.
Der Name Narwal soll soviel als Aaswal bedeuten. Die Grönländer nennen das Thier Tauwar, Killuag, Kernektog und Tukallik, die Jsländer Jllevalle und Oetkamp, die Norweger Lüghtal.
Walthiere. — Der Narwal.
wird ihm verderblich. Von keinem anderen Walthiere findet man ſo viele Ueberbleibſel, als von dem Narwal. Jn vielen Gegenden, wo er ſehr ſelten iſt, ſchwemmt das Meer ſeine Stoßzähne in Menge an und ebenſo oft wird der anſcheinend unverletzte Leib an die nördlichen Küſten getrieben. Es ſcheint alſo, daß bei Stürmen viele dieſer Wale zu Grunde gehen.
Die Walfiſchfänger machen nicht immer Jagd auf ihn. Einzelne Narwale ſind ſchwer zu erle- gen, wenn nicht eisfreie Strecken des Meeres behufs des Athemholens ſie an ein und dieſelbe Stelle binden. Jm hohen Meere werden einzelne harpunirt, wie der Walfiſch; im Ganzen aber iſt die Jagd nirgends bedeutend. Die Grönländer eſſen das Fleiſch gekocht und getrocknet, die Haut und den Speck roh, brennen das Fett in Lampen, verfertigen aus den Flechſen guten Zwirn, aus dem Schlunde Blaſen, welche ſie beim Fiſchfang gebrauchen, und wiſſen ſelbſt die Gedärme zu verwen- den. Die Walfiſchfahrer ſchmelzen zwar den Speck aus, ſehen aber doch in den Stoßzähnen den Hauptgewinn der Jagd.
Jn früheren Zeiten wurden die Stoßzähne mit ganz unglaublichen Summen bezahlt. Man ſchrieb ihnen allerlei Wunderkräfte zu und wußte ſie ſomit noch vielſeitiger zu verwenden, als wir, welche in ihnen blos eine Maſſe ſehen, die das Elfenbein in jeder Hinſicht übertrifft. Noch vor etwa dritthalb hundert Jahren gab es nur ſehr wenig Narwalzähne in Europa, und diejenigen, welche die Seefahrer bisweilen fanden, wurden ohne Mühe verwerthet. Man hielt die Zähne für das Horn des Einhorns in der Bibel, und deshalb eben ſetzten die Engländer ſolchen Zahn dem fabelhaften Einhorn ihres Wappens auf. „Kaiſer und Könige,‟ ſagt Fitzinger, „ließen ſich oft mit dem zierlichſten Schnitzwerk verſehene Stäbe daraus verfertigen, welche ihnen nachgetragen wurden, und die koſtbaren Biſchofsſtäbe waren aus ſolchen Zähnen gefertigt. Noch im 16. Jahrhundert bewahrte man im bay- reuthiſchen Archive zu Plaſſenburg vier Narwalzähne als außerordentliche Seltenheit auf. Einen derſelben hatten zwei Markgrafen von Bayreuth von Kaiſer Karl V. für einen großen Schuldpoſten angenommen und für den größten wurde von den Venetianern noch im Jahre 1559 die ungeheuere Summe von 30,000 Zechinen angeboten, ohne daß es ihnen gelungen wäre, ſich den Beſitz deſſelben zu verſchaffen. Der dritte wurde als Arzneimittel, jedoch nur für die Angehörigen des Fürſten- hauſes, verwendet; man hielt ihn für ſo koſtbar, daß immer Abgeordnete beider Fürſten zugegen ſein mußten, wenn ein Ring von ihm zum Gebrauch abgeſchnitten wurde. Ein Zahn, welcher in der kurfürſtlichen Sammlung zu Dresden an einer goldenen Kette hing, wurde auf 100,000 Reichs- thaler geſchätzt.‟
Mit der Ausbreitung der Schifffahrt verloren die Zähne mehr und mehr im Werth, und als im Anfang des 18. Jahrhunderts die „grönländiſche Geſellſchaft‟ viele große Stücke von Narwalzähnen nach Moslau ſchickte, um dieſelben an den Zaren zu verhandeln, wußte der Leibarzt des Kaiſers den Handel rückgängig zu machen, indem er ſagte, daß dieſe gar keine Einhörner, ſondern nur Fiſchzähne wären. Der Abgeſandte mußte, ohne ein Stück los zu werden, wieder nach Kopenhagen zurück- kehren und hatte dort noch den Schmerz, verhöhnt und geſcholten zu werden. „Wie ſeid Jhr doch ſo unerfahren,‟ ſagte der alte Kaufmann, „Jhr hättet dem Arzte zwei- oder dreihundert Dukaten geben ſollen, dann wären unſere Zähne ſicherlich Einhörner geweſen.‟ Je mehr man zu der Ueberzeugung kam, daß dieſe Zähne nicht vom Einhorn ſtammten, verloren ſie ihre Wunderkräfte; aber noch Ende vorigen Jahrhunderts fehlten ſie in Apotheken nicht, und manche Aerzte wußten ihre Unwiſſenheit noch immer durch Verordnung von gebranntem Narwalpulver darzulegen. Gegenwärtig betrügen die biederen Holländer blos noch die Chineſen und Japaneſen mit den früher ſo geſuchten Stoffen; denn bei uns zu Lande wird das Stück höchſtens mit 8 bis 20 Thalern bezahlt.
Der Name Narwal ſoll ſoviel als Aaswal bedeuten. Die Grönländer nennen das Thier Tauwar, Killuag, Kernektog und Tukallik, die Jsländer Jllevalle und Oetkamp, die Norweger Lüghtal.
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[834/0882]
Walthiere. — Der Narwal.
wird ihm verderblich. Von keinem anderen Walthiere findet man ſo viele Ueberbleibſel, als von dem
Narwal. Jn vielen Gegenden, wo er ſehr ſelten iſt, ſchwemmt das Meer ſeine Stoßzähne in Menge
an und ebenſo oft wird der anſcheinend unverletzte Leib an die nördlichen Küſten getrieben. Es
ſcheint alſo, daß bei Stürmen viele dieſer Wale zu Grunde gehen.
Die Walfiſchfänger machen nicht immer Jagd auf ihn. Einzelne Narwale ſind ſchwer zu erle-
gen, wenn nicht eisfreie Strecken des Meeres behufs des Athemholens ſie an ein und dieſelbe Stelle
binden. Jm hohen Meere werden einzelne harpunirt, wie der Walfiſch; im Ganzen aber iſt die
Jagd nirgends bedeutend. Die Grönländer eſſen das Fleiſch gekocht und getrocknet, die Haut und
den Speck roh, brennen das Fett in Lampen, verfertigen aus den Flechſen guten Zwirn, aus dem
Schlunde Blaſen, welche ſie beim Fiſchfang gebrauchen, und wiſſen ſelbſt die Gedärme zu verwen-
den. Die Walfiſchfahrer ſchmelzen zwar den Speck aus, ſehen aber doch in den Stoßzähnen den
Hauptgewinn der Jagd.
Jn früheren Zeiten wurden die Stoßzähne mit ganz unglaublichen Summen bezahlt. Man
ſchrieb ihnen allerlei Wunderkräfte zu und wußte ſie ſomit noch vielſeitiger zu verwenden, als wir,
welche in ihnen blos eine Maſſe ſehen, die das Elfenbein in jeder Hinſicht übertrifft. Noch vor etwa
dritthalb hundert Jahren gab es nur ſehr wenig Narwalzähne in Europa, und diejenigen, welche die
Seefahrer bisweilen fanden, wurden ohne Mühe verwerthet. Man hielt die Zähne für das Horn
des Einhorns in der Bibel, und deshalb eben ſetzten die Engländer ſolchen Zahn dem fabelhaften
Einhorn ihres Wappens auf. „Kaiſer und Könige,‟ ſagt Fitzinger, „ließen ſich oft mit dem zierlichſten
Schnitzwerk verſehene Stäbe daraus verfertigen, welche ihnen nachgetragen wurden, und die koſtbaren
Biſchofsſtäbe waren aus ſolchen Zähnen gefertigt. Noch im 16. Jahrhundert bewahrte man im bay-
reuthiſchen Archive zu Plaſſenburg vier Narwalzähne als außerordentliche Seltenheit auf. Einen
derſelben hatten zwei Markgrafen von Bayreuth von Kaiſer Karl V. für einen großen Schuldpoſten
angenommen und für den größten wurde von den Venetianern noch im Jahre 1559 die ungeheuere
Summe von 30,000 Zechinen angeboten, ohne daß es ihnen gelungen wäre, ſich den Beſitz deſſelben
zu verſchaffen. Der dritte wurde als Arzneimittel, jedoch nur für die Angehörigen des Fürſten-
hauſes, verwendet; man hielt ihn für ſo koſtbar, daß immer Abgeordnete beider Fürſten zugegen
ſein mußten, wenn ein Ring von ihm zum Gebrauch abgeſchnitten wurde. Ein Zahn, welcher in
der kurfürſtlichen Sammlung zu Dresden an einer goldenen Kette hing, wurde auf 100,000 Reichs-
thaler geſchätzt.‟
Mit der Ausbreitung der Schifffahrt verloren die Zähne mehr und mehr im Werth, und als im
Anfang des 18. Jahrhunderts die „grönländiſche Geſellſchaft‟ viele große Stücke von Narwalzähnen
nach Moslau ſchickte, um dieſelben an den Zaren zu verhandeln, wußte der Leibarzt des Kaiſers den
Handel rückgängig zu machen, indem er ſagte, daß dieſe gar keine Einhörner, ſondern nur Fiſchzähne
wären. Der Abgeſandte mußte, ohne ein Stück los zu werden, wieder nach Kopenhagen zurück-
kehren und hatte dort noch den Schmerz, verhöhnt und geſcholten zu werden. „Wie ſeid Jhr doch ſo
unerfahren,‟ ſagte der alte Kaufmann, „Jhr hättet dem Arzte zwei- oder dreihundert Dukaten geben
ſollen, dann wären unſere Zähne ſicherlich Einhörner geweſen.‟ Je mehr man zu der Ueberzeugung
kam, daß dieſe Zähne nicht vom Einhorn ſtammten, verloren ſie ihre Wunderkräfte; aber noch Ende
vorigen Jahrhunderts fehlten ſie in Apotheken nicht, und manche Aerzte wußten ihre Unwiſſenheit
noch immer durch Verordnung von gebranntem Narwalpulver darzulegen. Gegenwärtig betrügen die
biederen Holländer blos noch die Chineſen und Japaneſen mit den früher ſo geſuchten Stoffen; denn
bei uns zu Lande wird das Stück höchſtens mit 8 bis 20 Thalern bezahlt.
Der Name Narwal ſoll ſoviel als Aaswal bedeuten. Die Grönländer nennen das Thier
Tauwar, Killuag, Kernektog und Tukallik, die Jsländer Jllevalle und Oetkamp, die Norweger
Lüghtal.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 834. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/882>, abgerufen am 23.11.2024.
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