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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Weißfisch oder die Beluga.

Seit dem ersten Berichte haben viele tüchtige Naturforscher, Steller, Pallas, Fabricius
und Andere, die Beluga beschrieben, und somit haben wir eine ziemlich ausführliche Kenntniß von ihr
erlangt.

Der Weißfisch findet sich in allen Meeren des hohen Nordens, vom 56. Grad nördlicher Breite
an ziemlich regelmäßig. Von der Hudsonsbay und Davisstraße an durch das ganze Eismeer bis zur
Behringsstraße und in den mit dieser Meerenge zusammenhängenden Theilen des großen Weltmeers
ist er beobachtet worden. Er ist nirgends gerade selten und fällt wegen seiner schönen Färbung auch
dem rohen Matrosen auf. Einige Male ist er nach den südlicheren Theilen Europas herabgekommen:
so fand man im Jahre 1793 zwei junge, etwa 7 bis 8 Fuß lange Belugas auf dem Strande von
Pentland-Frith und hatte im Jahre 1815 Gelegenheit, mehrere Monate lang eine ziemlich erwach-
sene Beluga zu beobachten, welche sich während dreier Monate lustig im Golfe von Edinburg umher-
trieb, täglich mit der Fluth nach aufwärts zog, mit der Ebbe wieder in das Meer zurückkehrte und
sich so vertraut machte, daß die Bewohner Edinburgs zum Golfe herauskamen, um sie zu betrach-
ten. Leider wurde dem nordischen Fremdling schlecht vergolten: die Fischer glaubten sich, vielleicht
nicht mit Unrecht, durch den Gast aus dem Eismeere in ihrem Lachsfang beeinträchtigt und stellten
ihm mit allem Eifer nach. Dank seiner großen Geschwindigkeit und Geschicklichkeit entging er lange
der Verfolgung; endlich aber machte das tückische Feuergewehr seinem Leben ein Ende. Glücklicher-
weise ging der nun getödtete Fisch für die Wissenschaft nicht verloren: gebildete Männer zergliederten
ihn und gaben eine so genaue Beschreibung seines inneren Leibesbaues, wie wir sie von Seethieren
nur selten erhalten haben.

An den sibirischen Küsten ist die Beluga eine ebenso häufige, als gern gesehene Erscheinung.
Unser Delfin nämlich ist der eifrigste Verfolger gewisser Fische, welche auch der Mensch sehr schmack-
haft findet; namentlich des Dorsches, der Schollen, Schellfische und Lachse. Die Kraft seiner Flos-
sen und die verhältnißmäßig großen Brustfinnen erlauben ihm, in dem reißendsten Wasser sich mit
Pfeilesschnelle zu bewegen und also auch in Flüssen noch die Jagd fortzusetzen. So oft er nun den Lachs
und andere Wanderfische, welche in den Strömen aufsteigen, um dort zu laichen, bemerkt, geht er viele
Meilen weit und gibt den Bewohnern Gelegenheit, sich seiner selbst zu bemächtigen. Wie der alte
Steller uns berichtet, stellen die Kamtschatalen große starke Netze, welche aus des Seethieres
eigener Haut gemacht wurden, in den Flußmündungen auf und fangen ihn alljährig in nicht unbe-
trächtlicher Menge. Ein regelrechter Fang auf ihn läßt sich im hohen Meere doch nicht recht bezahlt
machen. Der Weißfisch ist ein allzu rascher und stürmischer Gesell, welcher die verfolgenden Fänger
tüchtig in Arbeit zu setzen weiß. Es gilt, aus Leibeskräften zu rudern, wenn man so nahe an ihn
herankommen will, daß der Harpunir die allen Walen so furchtbare Waffe auf ihn schleudern kann,
und wenn er wirklich so nahe gekommen ist, gelingt der Wurf noch nicht einmal regelmäßig; denn
der Speck ist so weich, daß die Harpune leicht ausreißt, auch wenn sie wirklich getroffen hat.
Scheu ist das Thier nicht; es folgt, als wäre es gezähmt, oftmals in geringer Entfernung einem
Nachen lange nach, spielend und scherzend, gleichsam ohne sich um die Gegenwart seines Hauptfeindes
zu kümmern.

Jn ihrem Wesen und Treiben erinnert die Beluga am meisten an den Narwal. Gesellig und
verträglich durchzieht sie das Meer, entfernt sich im Sommer ziemlich weit von den Küsten und kehrt
mit zunehmender Kälte in die Nähe derselben zurück, ohne jedoch regelmäßig zu wandern, wie andere
Wale. Ueber ihre Fortpflanzung gibt nur Steller Nachricht. "Das Weibchen," sagt er, "führt
seine Jungen auf dem Rücken mit sich und wenn es in Gefahr kommt, gefangen zu werden, wirft es
dieselben gleich in die See." Genaueres haben wir bisher noch nicht erfahren.

Die Walfischfänger sehen den Weißfisch mit großer Freude, weil sie ihn als einen Vorläufer des
Walfisches ansehen. Sie segeln oft tagelaug in seiner Gesellschaft weiter, ohne ihn zu belästigen.
Auch andere Völkerschaften scheinen in dem Thiere etwas ganz Besonderes zu sehen. So stecken die
Samojeden Belugaschädel auf Pfählen auf zum Opfer für ihre Götter, während sie den übrigen

Der Weißfiſch oder die Beluga.

Seit dem erſten Berichte haben viele tüchtige Naturforſcher, Steller, Pallas, Fabricius
und Andere, die Beluga beſchrieben, und ſomit haben wir eine ziemlich ausführliche Kenntniß von ihr
erlangt.

Der Weißfiſch findet ſich in allen Meeren des hohen Nordens, vom 56. Grad nördlicher Breite
an ziemlich regelmäßig. Von der Hudſonsbay und Davisſtraße an durch das ganze Eismeer bis zur
Behringsſtraße und in den mit dieſer Meerenge zuſammenhängenden Theilen des großen Weltmeers
iſt er beobachtet worden. Er iſt nirgends gerade ſelten und fällt wegen ſeiner ſchönen Färbung auch
dem rohen Matroſen auf. Einige Male iſt er nach den ſüdlicheren Theilen Europas herabgekommen:
ſo fand man im Jahre 1793 zwei junge, etwa 7 bis 8 Fuß lange Belugas auf dem Strande von
Pentland-Frith und hatte im Jahre 1815 Gelegenheit, mehrere Monate lang eine ziemlich erwach-
ſene Beluga zu beobachten, welche ſich während dreier Monate luſtig im Golfe von Edinburg umher-
trieb, täglich mit der Fluth nach aufwärts zog, mit der Ebbe wieder in das Meer zurückkehrte und
ſich ſo vertraut machte, daß die Bewohner Edinburgs zum Golfe herauskamen, um ſie zu betrach-
ten. Leider wurde dem nordiſchen Fremdling ſchlecht vergolten: die Fiſcher glaubten ſich, vielleicht
nicht mit Unrecht, durch den Gaſt aus dem Eismeere in ihrem Lachsfang beeinträchtigt und ſtellten
ihm mit allem Eifer nach. Dank ſeiner großen Geſchwindigkeit und Geſchicklichkeit entging er lange
der Verfolgung; endlich aber machte das tückiſche Feuergewehr ſeinem Leben ein Ende. Glücklicher-
weiſe ging der nun getödtete Fiſch für die Wiſſenſchaft nicht verloren: gebildete Männer zergliederten
ihn und gaben eine ſo genaue Beſchreibung ſeines inneren Leibesbaues, wie wir ſie von Seethieren
nur ſelten erhalten haben.

An den ſibiriſchen Küſten iſt die Beluga eine ebenſo häufige, als gern geſehene Erſcheinung.
Unſer Delfin nämlich iſt der eifrigſte Verfolger gewiſſer Fiſche, welche auch der Menſch ſehr ſchmack-
haft findet; namentlich des Dorſches, der Schollen, Schellfiſche und Lachſe. Die Kraft ſeiner Floſ-
ſen und die verhältnißmäßig großen Bruſtfinnen erlauben ihm, in dem reißendſten Waſſer ſich mit
Pfeilesſchnelle zu bewegen und alſo auch in Flüſſen noch die Jagd fortzuſetzen. So oft er nun den Lachs
und andere Wanderfiſche, welche in den Strömen aufſteigen, um dort zu laichen, bemerkt, geht er viele
Meilen weit und gibt den Bewohnern Gelegenheit, ſich ſeiner ſelbſt zu bemächtigen. Wie der alte
Steller uns berichtet, ſtellen die Kamtſchatalen große ſtarke Netze, welche aus des Seethieres
eigener Haut gemacht wurden, in den Flußmündungen auf und fangen ihn alljährig in nicht unbe-
trächtlicher Menge. Ein regelrechter Fang auf ihn läßt ſich im hohen Meere doch nicht recht bezahlt
machen. Der Weißfiſch iſt ein allzu raſcher und ſtürmiſcher Geſell, welcher die verfolgenden Fänger
tüchtig in Arbeit zu ſetzen weiß. Es gilt, aus Leibeskräften zu rudern, wenn man ſo nahe an ihn
herankommen will, daß der Harpunir die allen Walen ſo furchtbare Waffe auf ihn ſchleudern kann,
und wenn er wirklich ſo nahe gekommen iſt, gelingt der Wurf noch nicht einmal regelmäßig; denn
der Speck iſt ſo weich, daß die Harpune leicht ausreißt, auch wenn ſie wirklich getroffen hat.
Scheu iſt das Thier nicht; es folgt, als wäre es gezähmt, oftmals in geringer Entfernung einem
Nachen lange nach, ſpielend und ſcherzend, gleichſam ohne ſich um die Gegenwart ſeines Hauptfeindes
zu kümmern.

Jn ihrem Weſen und Treiben erinnert die Beluga am meiſten an den Narwal. Geſellig und
verträglich durchzieht ſie das Meer, entfernt ſich im Sommer ziemlich weit von den Küſten und kehrt
mit zunehmender Kälte in die Nähe derſelben zurück, ohne jedoch regelmäßig zu wandern, wie andere
Wale. Ueber ihre Fortpflanzung gibt nur Steller Nachricht. „Das Weibchen,‟ ſagt er, „führt
ſeine Jungen auf dem Rücken mit ſich und wenn es in Gefahr kommt, gefangen zu werden, wirft es
dieſelben gleich in die See.‟ Genaueres haben wir bisher noch nicht erfahren.

Die Walfiſchfänger ſehen den Weißfiſch mit großer Freude, weil ſie ihn als einen Vorläufer des
Walfiſches anſehen. Sie ſegeln oft tagelaug in ſeiner Geſellſchaft weiter, ohne ihn zu beläſtigen.
Auch andere Völkerſchaften ſcheinen in dem Thiere etwas ganz Beſonderes zu ſehen. So ſtecken die
Samojeden Belugaſchädel auf Pfählen auf zum Opfer für ihre Götter, während ſie den übrigen

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[837/0885] Der Weißfiſch oder die Beluga. Seit dem erſten Berichte haben viele tüchtige Naturforſcher, Steller, Pallas, Fabricius und Andere, die Beluga beſchrieben, und ſomit haben wir eine ziemlich ausführliche Kenntniß von ihr erlangt. Der Weißfiſch findet ſich in allen Meeren des hohen Nordens, vom 56. Grad nördlicher Breite an ziemlich regelmäßig. Von der Hudſonsbay und Davisſtraße an durch das ganze Eismeer bis zur Behringsſtraße und in den mit dieſer Meerenge zuſammenhängenden Theilen des großen Weltmeers iſt er beobachtet worden. Er iſt nirgends gerade ſelten und fällt wegen ſeiner ſchönen Färbung auch dem rohen Matroſen auf. Einige Male iſt er nach den ſüdlicheren Theilen Europas herabgekommen: ſo fand man im Jahre 1793 zwei junge, etwa 7 bis 8 Fuß lange Belugas auf dem Strande von Pentland-Frith und hatte im Jahre 1815 Gelegenheit, mehrere Monate lang eine ziemlich erwach- ſene Beluga zu beobachten, welche ſich während dreier Monate luſtig im Golfe von Edinburg umher- trieb, täglich mit der Fluth nach aufwärts zog, mit der Ebbe wieder in das Meer zurückkehrte und ſich ſo vertraut machte, daß die Bewohner Edinburgs zum Golfe herauskamen, um ſie zu betrach- ten. Leider wurde dem nordiſchen Fremdling ſchlecht vergolten: die Fiſcher glaubten ſich, vielleicht nicht mit Unrecht, durch den Gaſt aus dem Eismeere in ihrem Lachsfang beeinträchtigt und ſtellten ihm mit allem Eifer nach. Dank ſeiner großen Geſchwindigkeit und Geſchicklichkeit entging er lange der Verfolgung; endlich aber machte das tückiſche Feuergewehr ſeinem Leben ein Ende. Glücklicher- weiſe ging der nun getödtete Fiſch für die Wiſſenſchaft nicht verloren: gebildete Männer zergliederten ihn und gaben eine ſo genaue Beſchreibung ſeines inneren Leibesbaues, wie wir ſie von Seethieren nur ſelten erhalten haben. An den ſibiriſchen Küſten iſt die Beluga eine ebenſo häufige, als gern geſehene Erſcheinung. Unſer Delfin nämlich iſt der eifrigſte Verfolger gewiſſer Fiſche, welche auch der Menſch ſehr ſchmack- haft findet; namentlich des Dorſches, der Schollen, Schellfiſche und Lachſe. Die Kraft ſeiner Floſ- ſen und die verhältnißmäßig großen Bruſtfinnen erlauben ihm, in dem reißendſten Waſſer ſich mit Pfeilesſchnelle zu bewegen und alſo auch in Flüſſen noch die Jagd fortzuſetzen. So oft er nun den Lachs und andere Wanderfiſche, welche in den Strömen aufſteigen, um dort zu laichen, bemerkt, geht er viele Meilen weit und gibt den Bewohnern Gelegenheit, ſich ſeiner ſelbſt zu bemächtigen. Wie der alte Steller uns berichtet, ſtellen die Kamtſchatalen große ſtarke Netze, welche aus des Seethieres eigener Haut gemacht wurden, in den Flußmündungen auf und fangen ihn alljährig in nicht unbe- trächtlicher Menge. Ein regelrechter Fang auf ihn läßt ſich im hohen Meere doch nicht recht bezahlt machen. Der Weißfiſch iſt ein allzu raſcher und ſtürmiſcher Geſell, welcher die verfolgenden Fänger tüchtig in Arbeit zu ſetzen weiß. Es gilt, aus Leibeskräften zu rudern, wenn man ſo nahe an ihn herankommen will, daß der Harpunir die allen Walen ſo furchtbare Waffe auf ihn ſchleudern kann, und wenn er wirklich ſo nahe gekommen iſt, gelingt der Wurf noch nicht einmal regelmäßig; denn der Speck iſt ſo weich, daß die Harpune leicht ausreißt, auch wenn ſie wirklich getroffen hat. Scheu iſt das Thier nicht; es folgt, als wäre es gezähmt, oftmals in geringer Entfernung einem Nachen lange nach, ſpielend und ſcherzend, gleichſam ohne ſich um die Gegenwart ſeines Hauptfeindes zu kümmern. Jn ihrem Weſen und Treiben erinnert die Beluga am meiſten an den Narwal. Geſellig und verträglich durchzieht ſie das Meer, entfernt ſich im Sommer ziemlich weit von den Küſten und kehrt mit zunehmender Kälte in die Nähe derſelben zurück, ohne jedoch regelmäßig zu wandern, wie andere Wale. Ueber ihre Fortpflanzung gibt nur Steller Nachricht. „Das Weibchen,‟ ſagt er, „führt ſeine Jungen auf dem Rücken mit ſich und wenn es in Gefahr kommt, gefangen zu werden, wirft es dieſelben gleich in die See.‟ Genaueres haben wir bisher noch nicht erfahren. Die Walfiſchfänger ſehen den Weißfiſch mit großer Freude, weil ſie ihn als einen Vorläufer des Walfiſches anſehen. Sie ſegeln oft tagelaug in ſeiner Geſellſchaft weiter, ohne ihn zu beläſtigen. Auch andere Völkerſchaften ſcheinen in dem Thiere etwas ganz Beſonderes zu ſehen. So ſtecken die Samojeden Belugaſchädel auf Pfählen auf zum Opfer für ihre Götter, während ſie den übrigen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 837. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/885>, abgerufen am 23.11.2024.