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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Pottfisch.
nen Gegner losstürmt und beim Angriff sich nicht allein seines Schwanzes, sondern auch seines furcht-
baren Gebisses bedient. Schon jetzt weisen die Geschichtsbücher viele Unglücksfälle auf, welche durch
den Pottfisch herbeigeführt wurden. Die Mannschaft des Schiffes Esser hatte einen Pottfisch verwun-
det, mußte aber zum Schiffe zurückkehren, weil ihr Bot durch einen Schwanzschlag des harpunirten
Thieres stark beschädigt wurde. Während die Seeleute beschäftigt waren, das Bot auszubessern, er-
schien ein anderer Pottfisch in geringer Entfernung vom Schiffe, betrachtete es eine halbe Minute
lang aufmerksam und verschwand wieder in der Tiefe. Nach wenigen Augenblicken kam er jedoch
wieder an die Oberfläche, eilte in voller Hast herbei und rannte mit dem Kopfe so gewaltig gegen das
Schiff, daß die Seefahrer glaubten, ihr Fahrzeug wäre in vollem Lauf auf ein Riff gestoßen. Das
wüthende Thier ging unter dem Schiffe weg, streifte den Kiel, drehte sich um und kam von neuem
herbeigeschossen. Der zweite Stoß schlug den Bug ein und brachte das Fahrzeug zum Sinken. Von
der Mannschaft wurden nur Wenige gerettet. Ein zweites amerikanisches Schiff, der Alexander,
wurde ebenfalls durch einen Pottfisch vernichtet; ein drittes, die Barke Cook, nur durch einen gut-
gezielten Kanonenschuß vom Untergang gerettet. Vier Monate nach Untergang des Schiffes Alexan-
der fing die Mannschaft der Rebekka einen ungeheuren Pottfisch, welcher sich ohne jeden Widerstand
einbringen ließ. Man fand 2 Harpunen in seinem Körper, gezeichnet Alexander. Der Kopf war
stark beschädigt und aus der fürchterlichen Wunde ragten große Stücke von Schiffsplanken hervor.
Man weiß selbst von Fällen zu berichten, daß Pottfische Schiffe ohne allen Grund herausfordern, an-
greifen und zerstören. So geschah es mit dem Waterloo, einem mit Früchten beladenen britischen
Fahrzeuge, welches in der Nordsee durch einen Pottfisch zertrümmert wurde. Wie viele andere
Schiffe noch durch das gewaltige Thier vernichtet worden sind, ist schwer zu sagen.

Mit den großen Gefahren, welchen der Pottfischfang zur Folge hat, steht der zu hoffende Ge-
winn, so groß er auch ist, kaum im Einklang. Außer dem Speck, welcher einen sehr guten Thran
liefert, erzeugt der Pottfisch noch den Walrath und den Amber, beide Gegenstände vom größten
Werthe. Der Walrath ist im frischen Zustande flüssig, durchsichtig und fast farblos, gerinnt in der
Kälte und nimmt dann eine weiße Farbe an. Jemehr er gereinigt wird, um so härter und trockener
zeigt er sich, bis er schließlich zu einer mehlartig sich anfühlenden, aus kleinen Blättchen zusammenge-
setzten, perlmutterglänzenden Masse sich gestaltet. Man verwendet ihn ebensowohl in der Heilkunde,
als zum Anfertigen von Kerzen, welche allen übrigen vorgezogen werden. Werthvoller noch ist der
Amber, über welchen man seit den ältesten Zeiten unendlich viel gefabelt hat. Er ist eine leichte
und haltlose, wachsartige Masse von sehr verschiedener Farbe, welche sich fettig anfühlt und einen
höchst angenehmen Geruch besitzt. Durch Wärme läßt er sich erweichen, in kochendem Wasser in eine
ölartige Flüssigkeit umwandeln, bei großer Hitze sich verflüchten. Man verwendet ihn hauptsächlich
als Räuchermittel oder mischt ihn sogenannten wohlriechenden Oelen und Seifen bei. Schon die alten
Römer und Araber kannten seine Anwendung und seinen Werth; bereits bei den Griechen wurde er
in der Arzneiwissenschaft als krampfstillendes, beruhigendes Mittel verwandt und hat sich bis zum
vorigen Jahrhundert in allen Apotheken erhalten. Noch heutzutage ist sein Werth ein außer-
ordentlich hoher: eine Unze von der besten Sorte wird gegenwärtig mit 60 Thlr. unseres Gel-
des bezahlt.

Lange Zeit war der Amber ein vollkommen räthselhafter Gegenstand. Die alten Griechen be-
trachteten ihn ganz richtig als den Auswurfsstoff eines Thieres; später jedoch tauchten andere Mei-
nungen auf. Man hielt ihn bald für den Koth eines fabelhaften Vogels, der nur wohlriechende
Kräuter fresse, bald für ein schwammiges Seegewächs, bald für ein Gummiharz, bald für umge-
wandelten Schaum des Meeres. Erst Boylston erkannte im Jahre 1724 zufällig den wahren Er-
zeuger des kostbaren Stoffes. -- Häufiger als aus dem Leibe des Pottfisches gewinnt man den Amber
durch Auffischen im Meere. Es wird erzählt, daß glückliche Fänger Klumpen von 50 Pfund aus
dem Leibe großer Pottfischmännchen geschnitten hätten, und früher wurde behauptet, daß selbst
Klumpen von 130 bis 150 Pfund in dem Oele der betreffenden Blase umherschwämmen. Daß man

Der Pottfiſch.
nen Gegner losſtürmt und beim Angriff ſich nicht allein ſeines Schwanzes, ſondern auch ſeines furcht-
baren Gebiſſes bedient. Schon jetzt weiſen die Geſchichtsbücher viele Unglücksfälle auf, welche durch
den Pottfiſch herbeigeführt wurden. Die Mannſchaft des Schiffes Eſſer hatte einen Pottfiſch verwun-
det, mußte aber zum Schiffe zurückkehren, weil ihr Bot durch einen Schwanzſchlag des harpunirten
Thieres ſtark beſchädigt wurde. Während die Seeleute beſchäftigt waren, das Bot auszubeſſern, er-
ſchien ein anderer Pottfiſch in geringer Entfernung vom Schiffe, betrachtete es eine halbe Minute
lang aufmerkſam und verſchwand wieder in der Tiefe. Nach wenigen Augenblicken kam er jedoch
wieder an die Oberfläche, eilte in voller Haſt herbei und rannte mit dem Kopfe ſo gewaltig gegen das
Schiff, daß die Seefahrer glaubten, ihr Fahrzeug wäre in vollem Lauf auf ein Riff geſtoßen. Das
wüthende Thier ging unter dem Schiffe weg, ſtreifte den Kiel, drehte ſich um und kam von neuem
herbeigeſchoſſen. Der zweite Stoß ſchlug den Bug ein und brachte das Fahrzeug zum Sinken. Von
der Mannſchaft wurden nur Wenige gerettet. Ein zweites amerikaniſches Schiff, der Alexander,
wurde ebenfalls durch einen Pottfiſch vernichtet; ein drittes, die Barke Cook, nur durch einen gut-
gezielten Kanonenſchuß vom Untergang gerettet. Vier Monate nach Untergang des Schiffes Alexan-
der fing die Mannſchaft der Rebekka einen ungeheuren Pottfiſch, welcher ſich ohne jeden Widerſtand
einbringen ließ. Man fand 2 Harpunen in ſeinem Körper, gezeichnet Alexander. Der Kopf war
ſtark beſchädigt und aus der fürchterlichen Wunde ragten große Stücke von Schiffsplanken hervor.
Man weiß ſelbſt von Fällen zu berichten, daß Pottfiſche Schiffe ohne allen Grund herausfordern, an-
greifen und zerſtören. So geſchah es mit dem Waterloo, einem mit Früchten beladenen britiſchen
Fahrzeuge, welches in der Nordſee durch einen Pottfiſch zertrümmert wurde. Wie viele andere
Schiffe noch durch das gewaltige Thier vernichtet worden ſind, iſt ſchwer zu ſagen.

Mit den großen Gefahren, welchen der Pottfiſchfang zur Folge hat, ſteht der zu hoffende Ge-
winn, ſo groß er auch iſt, kaum im Einklang. Außer dem Speck, welcher einen ſehr guten Thran
liefert, erzeugt der Pottfiſch noch den Walrath und den Amber, beide Gegenſtände vom größten
Werthe. Der Walrath iſt im friſchen Zuſtande flüſſig, durchſichtig und faſt farblos, gerinnt in der
Kälte und nimmt dann eine weiße Farbe an. Jemehr er gereinigt wird, um ſo härter und trockener
zeigt er ſich, bis er ſchließlich zu einer mehlartig ſich anfühlenden, aus kleinen Blättchen zuſammenge-
ſetzten, perlmutterglänzenden Maſſe ſich geſtaltet. Man verwendet ihn ebenſowohl in der Heilkunde,
als zum Anfertigen von Kerzen, welche allen übrigen vorgezogen werden. Werthvoller noch iſt der
Amber, über welchen man ſeit den älteſten Zeiten unendlich viel gefabelt hat. Er iſt eine leichte
und haltloſe, wachsartige Maſſe von ſehr verſchiedener Farbe, welche ſich fettig anfühlt und einen
höchſt angenehmen Geruch beſitzt. Durch Wärme läßt er ſich erweichen, in kochendem Waſſer in eine
ölartige Flüſſigkeit umwandeln, bei großer Hitze ſich verflüchten. Man verwendet ihn hauptſächlich
als Räuchermittel oder miſcht ihn ſogenannten wohlriechenden Oelen und Seifen bei. Schon die alten
Römer und Araber kannten ſeine Anwendung und ſeinen Werth; bereits bei den Griechen wurde er
in der Arzneiwiſſenſchaft als krampfſtillendes, beruhigendes Mittel verwandt und hat ſich bis zum
vorigen Jahrhundert in allen Apotheken erhalten. Noch heutzutage iſt ſein Werth ein außer-
ordentlich hoher: eine Unze von der beſten Sorte wird gegenwärtig mit 60 Thlr. unſeres Gel-
des bezahlt.

Lange Zeit war der Amber ein vollkommen räthſelhafter Gegenſtand. Die alten Griechen be-
trachteten ihn ganz richtig als den Auswurfsſtoff eines Thieres; ſpäter jedoch tauchten andere Mei-
nungen auf. Man hielt ihn bald für den Koth eines fabelhaften Vogels, der nur wohlriechende
Kräuter freſſe, bald für ein ſchwammiges Seegewächs, bald für ein Gummiharz, bald für umge-
wandelten Schaum des Meeres. Erſt Boylston erkannte im Jahre 1724 zufällig den wahren Er-
zeuger des koſtbaren Stoffes. — Häufiger als aus dem Leibe des Pottfiſches gewinnt man den Amber
durch Auffiſchen im Meere. Es wird erzählt, daß glückliche Fänger Klumpen von 50 Pfund aus
dem Leibe großer Pottfiſchmännchen geſchnitten hätten, und früher wurde behauptet, daß ſelbſt
Klumpen von 130 bis 150 Pfund in dem Oele der betreffenden Blaſe umherſchwämmen. Daß man

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[860/0908] Der Pottfiſch. nen Gegner losſtürmt und beim Angriff ſich nicht allein ſeines Schwanzes, ſondern auch ſeines furcht- baren Gebiſſes bedient. Schon jetzt weiſen die Geſchichtsbücher viele Unglücksfälle auf, welche durch den Pottfiſch herbeigeführt wurden. Die Mannſchaft des Schiffes Eſſer hatte einen Pottfiſch verwun- det, mußte aber zum Schiffe zurückkehren, weil ihr Bot durch einen Schwanzſchlag des harpunirten Thieres ſtark beſchädigt wurde. Während die Seeleute beſchäftigt waren, das Bot auszubeſſern, er- ſchien ein anderer Pottfiſch in geringer Entfernung vom Schiffe, betrachtete es eine halbe Minute lang aufmerkſam und verſchwand wieder in der Tiefe. Nach wenigen Augenblicken kam er jedoch wieder an die Oberfläche, eilte in voller Haſt herbei und rannte mit dem Kopfe ſo gewaltig gegen das Schiff, daß die Seefahrer glaubten, ihr Fahrzeug wäre in vollem Lauf auf ein Riff geſtoßen. Das wüthende Thier ging unter dem Schiffe weg, ſtreifte den Kiel, drehte ſich um und kam von neuem herbeigeſchoſſen. Der zweite Stoß ſchlug den Bug ein und brachte das Fahrzeug zum Sinken. Von der Mannſchaft wurden nur Wenige gerettet. Ein zweites amerikaniſches Schiff, der Alexander, wurde ebenfalls durch einen Pottfiſch vernichtet; ein drittes, die Barke Cook, nur durch einen gut- gezielten Kanonenſchuß vom Untergang gerettet. Vier Monate nach Untergang des Schiffes Alexan- der fing die Mannſchaft der Rebekka einen ungeheuren Pottfiſch, welcher ſich ohne jeden Widerſtand einbringen ließ. Man fand 2 Harpunen in ſeinem Körper, gezeichnet Alexander. Der Kopf war ſtark beſchädigt und aus der fürchterlichen Wunde ragten große Stücke von Schiffsplanken hervor. Man weiß ſelbſt von Fällen zu berichten, daß Pottfiſche Schiffe ohne allen Grund herausfordern, an- greifen und zerſtören. So geſchah es mit dem Waterloo, einem mit Früchten beladenen britiſchen Fahrzeuge, welches in der Nordſee durch einen Pottfiſch zertrümmert wurde. Wie viele andere Schiffe noch durch das gewaltige Thier vernichtet worden ſind, iſt ſchwer zu ſagen. Mit den großen Gefahren, welchen der Pottfiſchfang zur Folge hat, ſteht der zu hoffende Ge- winn, ſo groß er auch iſt, kaum im Einklang. Außer dem Speck, welcher einen ſehr guten Thran liefert, erzeugt der Pottfiſch noch den Walrath und den Amber, beide Gegenſtände vom größten Werthe. Der Walrath iſt im friſchen Zuſtande flüſſig, durchſichtig und faſt farblos, gerinnt in der Kälte und nimmt dann eine weiße Farbe an. Jemehr er gereinigt wird, um ſo härter und trockener zeigt er ſich, bis er ſchließlich zu einer mehlartig ſich anfühlenden, aus kleinen Blättchen zuſammenge- ſetzten, perlmutterglänzenden Maſſe ſich geſtaltet. Man verwendet ihn ebenſowohl in der Heilkunde, als zum Anfertigen von Kerzen, welche allen übrigen vorgezogen werden. Werthvoller noch iſt der Amber, über welchen man ſeit den älteſten Zeiten unendlich viel gefabelt hat. Er iſt eine leichte und haltloſe, wachsartige Maſſe von ſehr verſchiedener Farbe, welche ſich fettig anfühlt und einen höchſt angenehmen Geruch beſitzt. Durch Wärme läßt er ſich erweichen, in kochendem Waſſer in eine ölartige Flüſſigkeit umwandeln, bei großer Hitze ſich verflüchten. Man verwendet ihn hauptſächlich als Räuchermittel oder miſcht ihn ſogenannten wohlriechenden Oelen und Seifen bei. Schon die alten Römer und Araber kannten ſeine Anwendung und ſeinen Werth; bereits bei den Griechen wurde er in der Arzneiwiſſenſchaft als krampfſtillendes, beruhigendes Mittel verwandt und hat ſich bis zum vorigen Jahrhundert in allen Apotheken erhalten. Noch heutzutage iſt ſein Werth ein außer- ordentlich hoher: eine Unze von der beſten Sorte wird gegenwärtig mit 60 Thlr. unſeres Gel- des bezahlt. Lange Zeit war der Amber ein vollkommen räthſelhafter Gegenſtand. Die alten Griechen be- trachteten ihn ganz richtig als den Auswurfsſtoff eines Thieres; ſpäter jedoch tauchten andere Mei- nungen auf. Man hielt ihn bald für den Koth eines fabelhaften Vogels, der nur wohlriechende Kräuter freſſe, bald für ein ſchwammiges Seegewächs, bald für ein Gummiharz, bald für umge- wandelten Schaum des Meeres. Erſt Boylston erkannte im Jahre 1724 zufällig den wahren Er- zeuger des koſtbaren Stoffes. — Häufiger als aus dem Leibe des Pottfiſches gewinnt man den Amber durch Auffiſchen im Meere. Es wird erzählt, daß glückliche Fänger Klumpen von 50 Pfund aus dem Leibe großer Pottfiſchmännchen geſchnitten hätten, und früher wurde behauptet, daß ſelbſt Klumpen von 130 bis 150 Pfund in dem Oele der betreffenden Blaſe umherſchwämmen. Daß man

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/908>, abgerufen am 23.11.2024.