Die Berichte stimmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigsten aller Wale zurücksteht. Nicht blos die Mutterliebe ist bei ihm außerordentlich groß, sondern auch die Liebe zu seinen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen sucht.
Der Finnfisch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie besteht größtentheils aus kleinen Fischen, welche er oft scharenweise vor sich hertreibt und in dem weiten Rachen schockweise auf ein Mal fängt; nebenbei werden auch schalenlose Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit aufgenommen, ja, er soll sich selbst von Tangen nähren und zwar nicht blos von solchen, welche zufällig ihm in das Maul gerathen, er soll vielmehr diese Wasserpflanzen förmlich abweiden. Es ist thatsächlich erwiesen, daß er sich auf seinen Zügen nur solange in ein und derselben Gegend aufhält, als noch Tange in ihr vorhanden sind, dann aber andere pflanzenreichere Orte aufsucht. Freilich ist hierbei immer festzuhalten, daß die Tange es sind, welche auch seine Nahrung herbeiziehen, und deshalb noch nicht zweifellos erwiesen, daß die Pflanzen den Hauptbestand seiner Nahrung ausmachten. Dagegen läßt sich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig so nahe an die gefährlichen Küsten herankommt, als gerade der Finnfisch. Er allein ist es, welcher sich in den engen Fjorden Norwegens umhertreibt und die übrigen schmalen Buchten des Meeres besucht; er ist es aber auch, welcher am häufigsten strandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beispiele, daß Finnfische auf den Strand europäischer Küsten geworfen wurden und elendiglich umkamen.
Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewisses. Man nimmt an, daß jene im Sommer stattfindet und diese etwa 9 bis 10 Monate in Anspruch nimmt. Auch über die Anzahl der Jungen sind die Angaben nicht übereinstimmend. Die Meisten sagen, daß der Finnfisch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren Sprossen ungemein. Er schwimmt stets an ihrer Seite, und wenn er säugt, erfaßt er die Zitze und läßt sich von der Mutter ruhig nachschleifen. Bei Gefahr sucht sie ihn auf alle mögliche Weise zu schützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, schlägt mit dem Schwanze und den Brustfinnen um sich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerstes zu schützen.
Die Jagd des Finnfisches ist wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres schwie- riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen Walfisch. Deshalb stellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie diesem. Man sucht zwar jedes Finnfisches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal- fische in der Nähe sind. Jagd und Fang sind genau dieselben, wie bei den übrigen Walen, aber mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfisch die Harpune erhält, fährt er mit rasender Heftigkeit zur Tiefe hinab, so daß gar nicht selten das Bot unter das Wasser gezo- gen wird. Falls er längs der Oberfläche fortschwimmt, sind die Fänger schon zufrieden, ob- gleich er sie oft sieben bis acht Meilen hinter sich nachschleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens ist die Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die geringste; denn nicht selten kommt es vor, daß er sich plötzlich gegen seine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und Mannschaft vernichtet. Anderson berichtet, daß andere Finnfische, welche in der Nähe sich befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausstoßen, welches alle Wale im Umkreise herbeilockt. So- viel scheint festzustehen, daß die Anhänglichkeit dieser Thiere an ihre Gefährten groß ist. Wie andere Wale, geht auch der Finnfisch bald zu Grunde, wenn die Harpune so gut geschlendert wurde, daß sie durch den Speck in das Fleisch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt zu werden: die sehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei.
Ein Finnfisch, dessen Geripp ich bei einem norwegischen Kaufmann und Naturforscher in Vadsö liegen sah, war auf sonderbare Weise erlegt worden. Er hatte sich beim Besuchen des Va- ranger Fjords zwischen Scheren festgearbeitet und zuletzt so zwischen die Felsen gezwängt, daß er weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländische Fischer, welche ihn sahen, eilten her- bei und suchten sich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre
Brehm, Thierleben. II. 55
Der Finnfiſch.
Die Berichte ſtimmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigſten aller Wale zurückſteht. Nicht blos die Mutterliebe iſt bei ihm außerordentlich groß, ſondern auch die Liebe zu ſeinen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen ſucht.
Der Finnfiſch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie beſteht größtentheils aus kleinen Fiſchen, welche er oft ſcharenweiſe vor ſich hertreibt und in dem weiten Rachen ſchockweiſe auf ein Mal fängt; nebenbei werden auch ſchalenloſe Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit aufgenommen, ja, er ſoll ſich ſelbſt von Tangen nähren und zwar nicht blos von ſolchen, welche zufällig ihm in das Maul gerathen, er ſoll vielmehr dieſe Waſſerpflanzen förmlich abweiden. Es iſt thatſächlich erwieſen, daß er ſich auf ſeinen Zügen nur ſolange in ein und derſelben Gegend aufhält, als noch Tange in ihr vorhanden ſind, dann aber andere pflanzenreichere Orte aufſucht. Freilich iſt hierbei immer feſtzuhalten, daß die Tange es ſind, welche auch ſeine Nahrung herbeiziehen, und deshalb noch nicht zweifellos erwieſen, daß die Pflanzen den Hauptbeſtand ſeiner Nahrung ausmachten. Dagegen läßt ſich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig ſo nahe an die gefährlichen Küſten herankommt, als gerade der Finnfiſch. Er allein iſt es, welcher ſich in den engen Fjorden Norwegens umhertreibt und die übrigen ſchmalen Buchten des Meeres beſucht; er iſt es aber auch, welcher am häufigſten ſtrandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beiſpiele, daß Finnfiſche auf den Strand europäiſcher Küſten geworfen wurden und elendiglich umkamen.
Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewiſſes. Man nimmt an, daß jene im Sommer ſtattfindet und dieſe etwa 9 bis 10 Monate in Anſpruch nimmt. Auch über die Anzahl der Jungen ſind die Angaben nicht übereinſtimmend. Die Meiſten ſagen, daß der Finnfiſch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren Sproſſen ungemein. Er ſchwimmt ſtets an ihrer Seite, und wenn er ſäugt, erfaßt er die Zitze und läßt ſich von der Mutter ruhig nachſchleifen. Bei Gefahr ſucht ſie ihn auf alle mögliche Weiſe zu ſchützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, ſchlägt mit dem Schwanze und den Bruſtfinnen um ſich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerſtes zu ſchützen.
Die Jagd des Finnfiſches iſt wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres ſchwie- riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen Walfiſch. Deshalb ſtellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie dieſem. Man ſucht zwar jedes Finnfiſches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal- fiſche in der Nähe ſind. Jagd und Fang ſind genau dieſelben, wie bei den übrigen Walen, aber mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfiſch die Harpune erhält, fährt er mit raſender Heftigkeit zur Tiefe hinab, ſo daß gar nicht ſelten das Bot unter das Waſſer gezo- gen wird. Falls er längs der Oberfläche fortſchwimmt, ſind die Fänger ſchon zufrieden, ob- gleich er ſie oft ſieben bis acht Meilen hinter ſich nachſchleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens iſt die Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die geringſte; denn nicht ſelten kommt es vor, daß er ſich plötzlich gegen ſeine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und Mannſchaft vernichtet. Anderſon berichtet, daß andere Finnfiſche, welche in der Nähe ſich befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausſtoßen, welches alle Wale im Umkreiſe herbeilockt. So- viel ſcheint feſtzuſtehen, daß die Anhänglichkeit dieſer Thiere an ihre Gefährten groß iſt. Wie andere Wale, geht auch der Finnfiſch bald zu Grunde, wenn die Harpune ſo gut geſchlendert wurde, daß ſie durch den Speck in das Fleiſch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt zu werden: die ſehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei.
Ein Finnfiſch, deſſen Geripp ich bei einem norwegiſchen Kaufmann und Naturforſcher in Vadſö liegen ſah, war auf ſonderbare Weiſe erlegt worden. Er hatte ſich beim Beſuchen des Va- ranger Fjords zwiſchen Scheren feſtgearbeitet und zuletzt ſo zwiſchen die Felſen gezwängt, daß er weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländiſche Fiſcher, welche ihn ſahen, eilten her- bei und ſuchten ſich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre
Brehm, Thierleben. II. 55
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Der Finnfiſch.
Die Berichte ſtimmen darin überein, daß er an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigſten
aller Wale zurückſteht. Nicht blos die Mutterliebe iſt bei ihm außerordentlich groß, ſondern auch
die Liebe zu ſeinen Genoffen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen ſucht.
Der Finnfiſch liebt eine kräftigere Nahrung, als der Wal. Sie beſteht größtentheils aus
kleinen Fiſchen, welche er oft ſcharenweiſe vor ſich hertreibt und in dem weiten Rachen ſchockweiſe auf
ein Mal fängt; nebenbei werden auch ſchalenloſe Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit
aufgenommen, ja, er ſoll ſich ſelbſt von Tangen nähren und zwar nicht blos von ſolchen, welche
zufällig ihm in das Maul gerathen, er ſoll vielmehr dieſe Waſſerpflanzen förmlich abweiden. Es iſt
thatſächlich erwieſen, daß er ſich auf ſeinen Zügen nur ſolange in ein und derſelben Gegend aufhält,
als noch Tange in ihr vorhanden ſind, dann aber andere pflanzenreichere Orte aufſucht. Freilich iſt
hierbei immer feſtzuhalten, daß die Tange es ſind, welche auch ſeine Nahrung herbeiziehen, und
deshalb noch nicht zweifellos erwieſen, daß die Pflanzen den Hauptbeſtand ſeiner Nahrung ausmachten.
Dagegen läßt ſich nun wieder einwenden, daß kein anderer Wal freiwillig ſo nahe an die gefährlichen
Küſten herankommt, als gerade der Finnfiſch. Er allein iſt es, welcher ſich in den engen Fjorden
Norwegens umhertreibt und die übrigen ſchmalen Buchten des Meeres beſucht; er iſt es aber auch,
welcher am häufigſten ſtrandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beiſpiele,
daß Finnfiſche auf den Strand europäiſcher Küſten geworfen wurden und elendiglich umkamen.
Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß man nichts Gewiſſes. Man
nimmt an, daß jene im Sommer ſtattfindet und dieſe etwa 9 bis 10 Monate in Anſpruch nimmt. Auch
über die Anzahl der Jungen ſind die Angaben nicht übereinſtimmend. Die Meiſten ſagen, daß der
Finnfiſch nur ein Junges werfe, während Andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren
Sproſſen ungemein. Er ſchwimmt ſtets an ihrer Seite, und wenn er ſäugt, erfaßt er die
Zitze und läßt ſich von der Mutter ruhig nachſchleifen. Bei Gefahr ſucht ſie ihn auf alle mögliche
Weiſe zu ſchützen. Sie fährt wüthend unter die Bote ihrer Verfolger, ſchlägt mit dem Schwanze
und den Bruſtfinnen um ſich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerſtes zu ſchützen.
Die Jagd des Finnfiſches iſt wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres ſchwie-
riger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer, als bei dem eigentlichen
Walfiſch. Deshalb ſtellt man ihm auch nicht regelmäßig nach, wie dieſem. Man ſucht zwar
jedes Finnfiſches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Wal-
fiſche in der Nähe ſind. Jagd und Fang ſind genau dieſelben, wie bei den übrigen Walen, aber
mit größerer Gefahr verbunden, als beim Wal. Wenn der Finnfiſch die Harpune erhält, fährt er
mit raſender Heftigkeit zur Tiefe hinab, ſo daß gar nicht ſelten das Bot unter das Waſſer gezo-
gen wird. Falls er längs der Oberfläche fortſchwimmt, ſind die Fänger ſchon zufrieden, ob-
gleich er ſie oft ſieben bis acht Meilen hinter ſich nachſchleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens iſt die
Gefahr, durch ihn das Bot zu verlieren, nicht die geringſte; denn nicht ſelten kommt es vor, daß
er ſich plötzlich gegen ſeine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Bot und
Mannſchaft vernichtet. Anderſon berichtet, daß andere Finnfiſche, welche in der Nähe ſich
befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hilfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die
Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausſtoßen, welches alle Wale im Umkreiſe herbeilockt. So-
viel ſcheint feſtzuſtehen, daß die Anhänglichkeit dieſer Thiere an ihre Gefährten groß iſt. Wie
andere Wale, geht auch der Finnfiſch bald zu Grunde, wenn die Harpune ſo gut geſchlendert wurde,
daß ſie durch den Speck in das Fleiſch eindrang; ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt
zu werden: die ſehr bald beginnende Eiterung führt den Tod herbei.
Ein Finnfiſch, deſſen Geripp ich bei einem norwegiſchen Kaufmann und Naturforſcher in
Vadſö liegen ſah, war auf ſonderbare Weiſe erlegt worden. Er hatte ſich beim Beſuchen des Va-
ranger Fjords zwiſchen Scheren feſtgearbeitet und zuletzt ſo zwiſchen die Felſen gezwängt, daß er
weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländiſche Fiſcher, welche ihn ſahen, eilten her-
bei und ſuchten ſich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie hatten keine andere Waffe, als ihre
Brehm, Thierleben. II. 55
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/913>, abgerufen am 23.11.2024.
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