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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Murmelthiere.

Jhr Hauptfeind ist der Schopfadler (Spizaetos occipitalis), ein ebenso kühner, als ge-
fährlicher Räuber jener Gegenden; dagegen scheinen sie mit dem Singhabicht (Melierax poly-
zonus
) im besten Einverstän dniß zu leben, wenigstens sieht man sie unter Bäumen, auf welchen
dieser Raubvogel sitzt, sich unbesorgt umhertreiben. Unter den Säugethieren stellen die großen
Wildhunde dem schmackhaften Nager eifrig nach. Die Mahammedaner und christlichen Bewohner
Jnnerafrikas lassen die Zieselhörnchen unbehelligt, weil sie dieselben für unrein in Glaubenssachen
erkennen; die freien Neger aber sollen das höchst wahrscheinlich gar nicht unschmackhafte Fleisch
genießen.



Die Murmelthiere (Arctomys), welche nach unserer Eintheilung eine Familie bilden,
unterscheiden sich von den Hörnchen hauptsächlich durch den plumpen, gedrungenen Leibesbau, den
kurzen Schwanz und einige, obwohl ganz unbedeutende, Verschiedenheiten des Gebisses, dagegen
aber ganz wesentlich durch eine durchaus andere Lebensweise. Jn dieser ähneln ihnen die Erdeich-
hörnchen noch am meisten; die übrigen Mitglieder der Eichhörnchenfamilie haben sonst kaum Et-
was mit ihnen gemein.

Man findet die Murmelthiere in Mitteleuropa, Nordasien und Nordamerika in einer ziemlichen
Artenmenge verbreitet. Die meisten von ihnen bewohnen das Flachland, einige dagegen gerade die
höchsten Gebirge ihrer bezüglichen Heimatsländer. Trockene, lehmige, sandige oder steinige Gegen-
den, grasreiche Ebenen und Steppen, sogar Felder und Gärten bilden die hauptsächlichsten Aufent-
haltsorte, und nur die Gebirgsmurmelthiere ziehen die Triften und Weiden über die Grenze des
Holzwuchses, oder die einzelnen Schluchten und Felsthäler zwischen der Schneegrenze und dem Holz-
wuchse jenen Ebenen vor. Alle Arten haben durchaus feste Wohnsitze und wandern nicht. Sie
legen sich tiefe, unterirdische Baue an und leben hier immer in Gesellschaft, oft in erstaunlich großer
Anzahl bei einander. Manche haben mehr als einen Bau, je nach der Jahreszeit oder den jeweiligen
Geschäften, welche sie verrichten. Die anderen halten sich jahraus jahrein in derselben Höhlung
auf, gar nicht selten sogar familienweise. Sie sind echte Tagthiere, lebhaft und schnell in ihren
Bewegungen, jedoch weit langsamer, als die Hörnchen; einige Arten sind geradezu schwerfällig.
Jm Klettern und Schwimmen sind sie sämmtlich mehr oder weniger ungeschickt. Gras, Kräuter,
zarte Triebe, junge Pflanzen, Sämereien, Feldfrüchte, Beeren, Wurzeln, Knollen und Zwiebeln
bilden ihre Nahrung, und nur die wenigen, welche sich mühsam auf Bäume und Sträucher hinauf-
haspeln, fressen auch junge Baumblätter und Knospen. Wahrscheinlich nehmen alle neben der
Pflanzennahrung thierische zu sich, wenn ihnen dieselbe in den Wurf kommt. Sie fangen Kerbthiere,
kleine Säugethiere, tölpische Vögel und plündern deren Nester aus. Manche werden den Getreide-
feldern und Gärten schädlich; doch ist der Nachtheil, welchen sie den Menschen zufügen, im Allge-
meinen von keinem Belang. Beim Fressen sitzen sie, wie die Hörnchen, auf dem Hintertheile und
bringen das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde. Mit der Fruchtreife beginnen sie, Schätze
einzusammeln, und füllen sich, je nach der Oertlichkeit, besondere Räumlichkeiten ihrer Baue mit
Gräsern, Blättern, Sämereien und Körnern an.

Jhre Stimme besteht in einem stärkeren oder schwächeren Pfeifen und einer Art von Murren,
welches, wenn es leise ist, Behaglichkeit ausdrückt, sonst aber auch ihren Zorn bekundet. Unter
ihren Sinnen sind Gefühl und Gesicht am meisten ausgebildet; namentlich zeigen auch sie ein sehr feines
Vorgefühl der kommenden Witterung und treffen danach ihre Vorkehrungen. Die höheren geistigen
Fähigkeiten übertreffen durchschnittlich die der Hörnchen. Alle Murmelthiere sind höchst aufmerksam,
vorsichtig und wachsam und dabei scheu und furchtsam. Manche stellen besondere Wachen aus, um
die Sicherheit der Gesellschaft zu erhöhen, und flüchten sich beim geringsten Verdachte einer nahenden
Gefahr schleunigst nach ihren unterirdischen Verstecken. Nur höchst wenige wagen es, einem heran-

Die Murmelthiere.

Jhr Hauptfeind iſt der Schopfadler (Spizaëtos occipitalis), ein ebenſo kühner, als ge-
fährlicher Räuber jener Gegenden; dagegen ſcheinen ſie mit dem Singhabicht (Melierax poly-
zonus
) im beſten Einverſtän dniß zu leben, wenigſtens ſieht man ſie unter Bäumen, auf welchen
dieſer Raubvogel ſitzt, ſich unbeſorgt umhertreiben. Unter den Säugethieren ſtellen die großen
Wildhunde dem ſchmackhaften Nager eifrig nach. Die Mahammedaner und chriſtlichen Bewohner
Jnnerafrikas laſſen die Zieſelhörnchen unbehelligt, weil ſie dieſelben für unrein in Glaubensſachen
erkennen; die freien Neger aber ſollen das höchſt wahrſcheinlich gar nicht unſchmackhafte Fleiſch
genießen.



Die Murmelthiere (Arctomys), welche nach unſerer Eintheilung eine Familie bilden,
unterſcheiden ſich von den Hörnchen hauptſächlich durch den plumpen, gedrungenen Leibesbau, den
kurzen Schwanz und einige, obwohl ganz unbedeutende, Verſchiedenheiten des Gebiſſes, dagegen
aber ganz weſentlich durch eine durchaus andere Lebensweiſe. Jn dieſer ähneln ihnen die Erdeich-
hörnchen noch am meiſten; die übrigen Mitglieder der Eichhörnchenfamilie haben ſonſt kaum Et-
was mit ihnen gemein.

Man findet die Murmelthiere in Mitteleuropa, Nordaſien und Nordamerika in einer ziemlichen
Artenmenge verbreitet. Die meiſten von ihnen bewohnen das Flachland, einige dagegen gerade die
höchſten Gebirge ihrer bezüglichen Heimatsländer. Trockene, lehmige, ſandige oder ſteinige Gegen-
den, grasreiche Ebenen und Steppen, ſogar Felder und Gärten bilden die hauptſächlichſten Aufent-
haltsorte, und nur die Gebirgsmurmelthiere ziehen die Triften und Weiden über die Grenze des
Holzwuchſes, oder die einzelnen Schluchten und Felsthäler zwiſchen der Schneegrenze und dem Holz-
wuchſe jenen Ebenen vor. Alle Arten haben durchaus feſte Wohnſitze und wandern nicht. Sie
legen ſich tiefe, unterirdiſche Baue an und leben hier immer in Geſellſchaft, oft in erſtaunlich großer
Anzahl bei einander. Manche haben mehr als einen Bau, je nach der Jahreszeit oder den jeweiligen
Geſchäften, welche ſie verrichten. Die anderen halten ſich jahraus jahrein in derſelben Höhlung
auf, gar nicht ſelten ſogar familienweiſe. Sie ſind echte Tagthiere, lebhaft und ſchnell in ihren
Bewegungen, jedoch weit langſamer, als die Hörnchen; einige Arten ſind geradezu ſchwerfällig.
Jm Klettern und Schwimmen ſind ſie ſämmtlich mehr oder weniger ungeſchickt. Gras, Kräuter,
zarte Triebe, junge Pflanzen, Sämereien, Feldfrüchte, Beeren, Wurzeln, Knollen und Zwiebeln
bilden ihre Nahrung, und nur die wenigen, welche ſich mühſam auf Bäume und Sträucher hinauf-
haspeln, freſſen auch junge Baumblätter und Knospen. Wahrſcheinlich nehmen alle neben der
Pflanzennahrung thieriſche zu ſich, wenn ihnen dieſelbe in den Wurf kommt. Sie fangen Kerbthiere,
kleine Säugethiere, tölpiſche Vögel und plündern deren Neſter aus. Manche werden den Getreide-
feldern und Gärten ſchädlich; doch iſt der Nachtheil, welchen ſie den Menſchen zufügen, im Allge-
meinen von keinem Belang. Beim Freſſen ſitzen ſie, wie die Hörnchen, auf dem Hintertheile und
bringen das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde. Mit der Fruchtreife beginnen ſie, Schätze
einzuſammeln, und füllen ſich, je nach der Oertlichkeit, beſondere Räumlichkeiten ihrer Baue mit
Gräſern, Blättern, Sämereien und Körnern an.

Jhre Stimme beſteht in einem ſtärkeren oder ſchwächeren Pfeifen und einer Art von Murren,
welches, wenn es leiſe iſt, Behaglichkeit ausdrückt, ſonſt aber auch ihren Zorn bekundet. Unter
ihren Sinnen ſind Gefühl und Geſicht am meiſten ausgebildet; namentlich zeigen auch ſie ein ſehr feines
Vorgefühl der kommenden Witterung und treffen danach ihre Vorkehrungen. Die höheren geiſtigen
Fähigkeiten übertreffen durchſchnittlich die der Hörnchen. Alle Murmelthiere ſind höchſt aufmerkſam,
vorſichtig und wachſam und dabei ſcheu und furchtſam. Manche ſtellen beſondere Wachen aus, um
die Sicherheit der Geſellſchaft zu erhöhen, und flüchten ſich beim geringſten Verdachte einer nahenden
Gefahr ſchleunigſt nach ihren unterirdiſchen Verſtecken. Nur höchſt wenige wagen es, einem heran-

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[82/0096] Die Murmelthiere. Jhr Hauptfeind iſt der Schopfadler (Spizaëtos occipitalis), ein ebenſo kühner, als ge- fährlicher Räuber jener Gegenden; dagegen ſcheinen ſie mit dem Singhabicht (Melierax poly- zonus) im beſten Einverſtän dniß zu leben, wenigſtens ſieht man ſie unter Bäumen, auf welchen dieſer Raubvogel ſitzt, ſich unbeſorgt umhertreiben. Unter den Säugethieren ſtellen die großen Wildhunde dem ſchmackhaften Nager eifrig nach. Die Mahammedaner und chriſtlichen Bewohner Jnnerafrikas laſſen die Zieſelhörnchen unbehelligt, weil ſie dieſelben für unrein in Glaubensſachen erkennen; die freien Neger aber ſollen das höchſt wahrſcheinlich gar nicht unſchmackhafte Fleiſch genießen. Die Murmelthiere (Arctomys), welche nach unſerer Eintheilung eine Familie bilden, unterſcheiden ſich von den Hörnchen hauptſächlich durch den plumpen, gedrungenen Leibesbau, den kurzen Schwanz und einige, obwohl ganz unbedeutende, Verſchiedenheiten des Gebiſſes, dagegen aber ganz weſentlich durch eine durchaus andere Lebensweiſe. Jn dieſer ähneln ihnen die Erdeich- hörnchen noch am meiſten; die übrigen Mitglieder der Eichhörnchenfamilie haben ſonſt kaum Et- was mit ihnen gemein. Man findet die Murmelthiere in Mitteleuropa, Nordaſien und Nordamerika in einer ziemlichen Artenmenge verbreitet. Die meiſten von ihnen bewohnen das Flachland, einige dagegen gerade die höchſten Gebirge ihrer bezüglichen Heimatsländer. Trockene, lehmige, ſandige oder ſteinige Gegen- den, grasreiche Ebenen und Steppen, ſogar Felder und Gärten bilden die hauptſächlichſten Aufent- haltsorte, und nur die Gebirgsmurmelthiere ziehen die Triften und Weiden über die Grenze des Holzwuchſes, oder die einzelnen Schluchten und Felsthäler zwiſchen der Schneegrenze und dem Holz- wuchſe jenen Ebenen vor. Alle Arten haben durchaus feſte Wohnſitze und wandern nicht. Sie legen ſich tiefe, unterirdiſche Baue an und leben hier immer in Geſellſchaft, oft in erſtaunlich großer Anzahl bei einander. Manche haben mehr als einen Bau, je nach der Jahreszeit oder den jeweiligen Geſchäften, welche ſie verrichten. Die anderen halten ſich jahraus jahrein in derſelben Höhlung auf, gar nicht ſelten ſogar familienweiſe. Sie ſind echte Tagthiere, lebhaft und ſchnell in ihren Bewegungen, jedoch weit langſamer, als die Hörnchen; einige Arten ſind geradezu ſchwerfällig. Jm Klettern und Schwimmen ſind ſie ſämmtlich mehr oder weniger ungeſchickt. Gras, Kräuter, zarte Triebe, junge Pflanzen, Sämereien, Feldfrüchte, Beeren, Wurzeln, Knollen und Zwiebeln bilden ihre Nahrung, und nur die wenigen, welche ſich mühſam auf Bäume und Sträucher hinauf- haspeln, freſſen auch junge Baumblätter und Knospen. Wahrſcheinlich nehmen alle neben der Pflanzennahrung thieriſche zu ſich, wenn ihnen dieſelbe in den Wurf kommt. Sie fangen Kerbthiere, kleine Säugethiere, tölpiſche Vögel und plündern deren Neſter aus. Manche werden den Getreide- feldern und Gärten ſchädlich; doch iſt der Nachtheil, welchen ſie den Menſchen zufügen, im Allge- meinen von keinem Belang. Beim Freſſen ſitzen ſie, wie die Hörnchen, auf dem Hintertheile und bringen das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde. Mit der Fruchtreife beginnen ſie, Schätze einzuſammeln, und füllen ſich, je nach der Oertlichkeit, beſondere Räumlichkeiten ihrer Baue mit Gräſern, Blättern, Sämereien und Körnern an. Jhre Stimme beſteht in einem ſtärkeren oder ſchwächeren Pfeifen und einer Art von Murren, welches, wenn es leiſe iſt, Behaglichkeit ausdrückt, ſonſt aber auch ihren Zorn bekundet. Unter ihren Sinnen ſind Gefühl und Geſicht am meiſten ausgebildet; namentlich zeigen auch ſie ein ſehr feines Vorgefühl der kommenden Witterung und treffen danach ihre Vorkehrungen. Die höheren geiſtigen Fähigkeiten übertreffen durchſchnittlich die der Hörnchen. Alle Murmelthiere ſind höchſt aufmerkſam, vorſichtig und wachſam und dabei ſcheu und furchtſam. Manche ſtellen beſondere Wachen aus, um die Sicherheit der Geſellſchaft zu erhöhen, und flüchten ſich beim geringſten Verdachte einer nahenden Gefahr ſchleunigſt nach ihren unterirdiſchen Verſtecken. Nur höchſt wenige wagen es, einem heran-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/96>, abgerufen am 27.11.2024.