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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Begriff.

Das Fleisch des Erdsittichs gilt als vortrefflich. Es ist zarter, als Schnepfenfleisch, im Geschmack
dem Wildpret der Wachtel ähnlich, jedoch noch vorzüglicher. Deshalb ist es dem Jäger auch ziemlich
gleichgiltig, ob er von seinen Jagden einen dieser Papageien oder eine Schnepfe mit nach Hause bringt.

Ueber das Gefangenleben des sonderbaren Vogels sind mir keine Beobachtungen bekannt.



Zweite Ordnung.
Die Sperlingsvögel (Passeres).

Jn den älteren Naturgeschichten bilden die Vögel, welche wir hier in einer besonderen Ordnung
zusammenfassen, nur einen Theil einer solchen. Man ordnet ihnen noch eine Menge anderer Fami-
lien bei, deren Mitglieder höchstens insofern "Sperlingsvögel" sind, als sie eine ungefähr ähnliche
Größe zeigen -- und Dies nicht einmal. Durchgreifende Verschiedenheiten im Leibesbau werden
kaum in Betracht gezogen, Verschiedenheiten in der Lebensweise, in Wesen und Betragen noch weniger.
Eine Schwalbe wird dann ebensogut als ein Sperlingsvogel angesehen, wie ein Rabe, ein
Wiedehopf nicht minder, als ein Edelfink. Von der Ungleichheit der Anschauung innerhalb der
Anhängerschaft eines derartigen Systems will ich schweigen; sie ist so groß, daß man, ohne zuviel zu
sagen, behaupten darf, jeder nur einigermaßen selbständige Forscher sei seinen eigenen Weg gegangen,
ohne sich um die Arbeiten der Andern eigentlich zu kümmern.

Jch glaube, daß es für meine Leser zweckdienlich sein wird, den Begriff "Sperlingsvögel" enger
zu fassen, als es bisher üblich gewesen. Der Forscher, welcher für den geheiligten Kreis seiner
Fachgenossen arbeitet, darf schon auch einmal schwer verständlich sein: er wird doch verstanden; der
Thierkundige hingegen, welcher, wie ich, zwischen den Lehrstuhl und das Volk tritt, muß seine Worte
wählen, wenn er verstanden sein will. Es könnte den Uneingeweihten verwirren, anstatt belehren,
wenn ich mich bemühen wollte, ihm zu beweisen, daß eine Schwalbe irgendwelche Aehnlichkeit habe
mit einem Sperling oder dieser mit einem Kolibri, und ich würde damit gewiß auch nichts Anderes
thun, als eine eingewurzelte Ansicht ohne weitere Prüfung verbreiten helfen. Jch meine, daß es mei-
nen Lesern gleichgiltig sein kann, ob ich hier von einer Ordnung rede, wo Andere von Unterord-
nungen, Zünften und Familien sprechen, und denke, daß wohlwollend urtheilende Forscher mit mir
einverstanden sein dürfen.

Unter Sperlingsvögeln verstehe ich die Finken und ihre nächsten Verwandten, also wirklich den
Sperling und seine Angehörigen. Dies zugegeben oder angenommen, haben wir es mit einer Gruppe
sehr einhellig gebauter und im wesentlichen gleichartig lebender Vögel zu thun. Man hat dieselben
oft auch Kegelschnäbler genannt, dann aber nothwendigerweise die Rabenvögel hinzuziehen müssen,
welche, meiner Ansicht nach, bei aller Verwandtschaft mit jenen, soviel Eigenthümliches haben, daß sie
zweckmäßiger für sich allein betrachtet werden müssen.

Die Sperlingsvögel in unserem Sinne sind ziemlich kleine Gesellen; die größten übertreffen
kaum einen Staar, die kleinsten bleiben an Größe etwas hinter einem Zeisig zurück. Jhre Gestalt
ist gedrungen, der Leib kräftig, der Hals kurz, der Kopf dick, der Flügel mittellang, mit neun bis zehn
Schwingen am Handtheile und ebensovielen am Unterarmtheile, der Schwanz gewöhnlich kurz, zwölf-
federig, der Fuß niedrig, ein sogenannter Wandelfuß, bei welchem drei Zehen nach vorn, eine nach hin-
ten gerichtet, der Lauf vorn getäfelt, hinten mit Stiefelschiene, der Schnabel dick, im allgemeinen kegel-
förmig, selten schwach hakig, noch seltener gekreuzt. Das Gefieder pflegt dicht zu sein; die einzelnen

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Begriff.

Das Fleiſch des Erdſittichs gilt als vortrefflich. Es iſt zarter, als Schnepfenfleiſch, im Geſchmack
dem Wildpret der Wachtel ähnlich, jedoch noch vorzüglicher. Deshalb iſt es dem Jäger auch ziemlich
gleichgiltig, ob er von ſeinen Jagden einen dieſer Papageien oder eine Schnepfe mit nach Hauſe bringt.

Ueber das Gefangenleben des ſonderbaren Vogels ſind mir keine Beobachtungen bekannt.



Zweite Ordnung.
Die Sperlingsvögel (Passeres).

Jn den älteren Naturgeſchichten bilden die Vögel, welche wir hier in einer beſonderen Ordnung
zuſammenfaſſen, nur einen Theil einer ſolchen. Man ordnet ihnen noch eine Menge anderer Fami-
lien bei, deren Mitglieder höchſtens inſofern „Sperlingsvögel‟ ſind, als ſie eine ungefähr ähnliche
Größe zeigen — und Dies nicht einmal. Durchgreifende Verſchiedenheiten im Leibesbau werden
kaum in Betracht gezogen, Verſchiedenheiten in der Lebensweiſe, in Weſen und Betragen noch weniger.
Eine Schwalbe wird dann ebenſogut als ein Sperlingsvogel angeſehen, wie ein Rabe, ein
Wiedehopf nicht minder, als ein Edelfink. Von der Ungleichheit der Anſchauung innerhalb der
Anhängerſchaft eines derartigen Syſtems will ich ſchweigen; ſie iſt ſo groß, daß man, ohne zuviel zu
ſagen, behaupten darf, jeder nur einigermaßen ſelbſtändige Forſcher ſei ſeinen eigenen Weg gegangen,
ohne ſich um die Arbeiten der Andern eigentlich zu kümmern.

Jch glaube, daß es für meine Leſer zweckdienlich ſein wird, den Begriff „Sperlingsvögel‟ enger
zu faſſen, als es bisher üblich geweſen. Der Forſcher, welcher für den geheiligten Kreis ſeiner
Fachgenoſſen arbeitet, darf ſchon auch einmal ſchwer verſtändlich ſein: er wird doch verſtanden; der
Thierkundige hingegen, welcher, wie ich, zwiſchen den Lehrſtuhl und das Volk tritt, muß ſeine Worte
wählen, wenn er verſtanden ſein will. Es könnte den Uneingeweihten verwirren, anſtatt belehren,
wenn ich mich bemühen wollte, ihm zu beweiſen, daß eine Schwalbe irgendwelche Aehnlichkeit habe
mit einem Sperling oder dieſer mit einem Kolibri, und ich würde damit gewiß auch nichts Anderes
thun, als eine eingewurzelte Anſicht ohne weitere Prüfung verbreiten helfen. Jch meine, daß es mei-
nen Leſern gleichgiltig ſein kann, ob ich hier von einer Ordnung rede, wo Andere von Unterord-
nungen, Zünften und Familien ſprechen, und denke, daß wohlwollend urtheilende Forſcher mit mir
einverſtanden ſein dürfen.

Unter Sperlingsvögeln verſtehe ich die Finken und ihre nächſten Verwandten, alſo wirklich den
Sperling und ſeine Angehörigen. Dies zugegeben oder angenommen, haben wir es mit einer Gruppe
ſehr einhellig gebauter und im weſentlichen gleichartig lebender Vögel zu thun. Man hat dieſelben
oft auch Kegelſchnäbler genannt, dann aber nothwendigerweiſe die Rabenvögel hinzuziehen müſſen,
welche, meiner Anſicht nach, bei aller Verwandtſchaft mit jenen, ſoviel Eigenthümliches haben, daß ſie
zweckmäßiger für ſich allein betrachtet werden müſſen.

Die Sperlingsvögel in unſerem Sinne ſind ziemlich kleine Geſellen; die größten übertreffen
kaum einen Staar, die kleinſten bleiben an Größe etwas hinter einem Zeiſig zurück. Jhre Geſtalt
iſt gedrungen, der Leib kräftig, der Hals kurz, der Kopf dick, der Flügel mittellang, mit neun bis zehn
Schwingen am Handtheile und ebenſovielen am Unterarmtheile, der Schwanz gewöhnlich kurz, zwölf-
federig, der Fuß niedrig, ein ſogenannter Wandelfuß, bei welchem drei Zehen nach vorn, eine nach hin-
ten gerichtet, der Lauf vorn getäfelt, hinten mit Stiefelſchiene, der Schnabel dick, im allgemeinen kegel-
förmig, ſelten ſchwach hakig, noch ſeltener gekreuzt. Das Gefieder pflegt dicht zu ſein; die einzelnen

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[83/0101] Begriff. Das Fleiſch des Erdſittichs gilt als vortrefflich. Es iſt zarter, als Schnepfenfleiſch, im Geſchmack dem Wildpret der Wachtel ähnlich, jedoch noch vorzüglicher. Deshalb iſt es dem Jäger auch ziemlich gleichgiltig, ob er von ſeinen Jagden einen dieſer Papageien oder eine Schnepfe mit nach Hauſe bringt. Ueber das Gefangenleben des ſonderbaren Vogels ſind mir keine Beobachtungen bekannt. Zweite Ordnung. Die Sperlingsvögel (Passeres). Jn den älteren Naturgeſchichten bilden die Vögel, welche wir hier in einer beſonderen Ordnung zuſammenfaſſen, nur einen Theil einer ſolchen. Man ordnet ihnen noch eine Menge anderer Fami- lien bei, deren Mitglieder höchſtens inſofern „Sperlingsvögel‟ ſind, als ſie eine ungefähr ähnliche Größe zeigen — und Dies nicht einmal. Durchgreifende Verſchiedenheiten im Leibesbau werden kaum in Betracht gezogen, Verſchiedenheiten in der Lebensweiſe, in Weſen und Betragen noch weniger. Eine Schwalbe wird dann ebenſogut als ein Sperlingsvogel angeſehen, wie ein Rabe, ein Wiedehopf nicht minder, als ein Edelfink. Von der Ungleichheit der Anſchauung innerhalb der Anhängerſchaft eines derartigen Syſtems will ich ſchweigen; ſie iſt ſo groß, daß man, ohne zuviel zu ſagen, behaupten darf, jeder nur einigermaßen ſelbſtändige Forſcher ſei ſeinen eigenen Weg gegangen, ohne ſich um die Arbeiten der Andern eigentlich zu kümmern. Jch glaube, daß es für meine Leſer zweckdienlich ſein wird, den Begriff „Sperlingsvögel‟ enger zu faſſen, als es bisher üblich geweſen. Der Forſcher, welcher für den geheiligten Kreis ſeiner Fachgenoſſen arbeitet, darf ſchon auch einmal ſchwer verſtändlich ſein: er wird doch verſtanden; der Thierkundige hingegen, welcher, wie ich, zwiſchen den Lehrſtuhl und das Volk tritt, muß ſeine Worte wählen, wenn er verſtanden ſein will. Es könnte den Uneingeweihten verwirren, anſtatt belehren, wenn ich mich bemühen wollte, ihm zu beweiſen, daß eine Schwalbe irgendwelche Aehnlichkeit habe mit einem Sperling oder dieſer mit einem Kolibri, und ich würde damit gewiß auch nichts Anderes thun, als eine eingewurzelte Anſicht ohne weitere Prüfung verbreiten helfen. Jch meine, daß es mei- nen Leſern gleichgiltig ſein kann, ob ich hier von einer Ordnung rede, wo Andere von Unterord- nungen, Zünften und Familien ſprechen, und denke, daß wohlwollend urtheilende Forſcher mit mir einverſtanden ſein dürfen. Unter Sperlingsvögeln verſtehe ich die Finken und ihre nächſten Verwandten, alſo wirklich den Sperling und ſeine Angehörigen. Dies zugegeben oder angenommen, haben wir es mit einer Gruppe ſehr einhellig gebauter und im weſentlichen gleichartig lebender Vögel zu thun. Man hat dieſelben oft auch Kegelſchnäbler genannt, dann aber nothwendigerweiſe die Rabenvögel hinzuziehen müſſen, welche, meiner Anſicht nach, bei aller Verwandtſchaft mit jenen, ſoviel Eigenthümliches haben, daß ſie zweckmäßiger für ſich allein betrachtet werden müſſen. Die Sperlingsvögel in unſerem Sinne ſind ziemlich kleine Geſellen; die größten übertreffen kaum einen Staar, die kleinſten bleiben an Größe etwas hinter einem Zeiſig zurück. Jhre Geſtalt iſt gedrungen, der Leib kräftig, der Hals kurz, der Kopf dick, der Flügel mittellang, mit neun bis zehn Schwingen am Handtheile und ebenſovielen am Unterarmtheile, der Schwanz gewöhnlich kurz, zwölf- federig, der Fuß niedrig, ein ſogenannter Wandelfuß, bei welchem drei Zehen nach vorn, eine nach hin- ten gerichtet, der Lauf vorn getäfelt, hinten mit Stiefelſchiene, der Schnabel dick, im allgemeinen kegel- förmig, ſelten ſchwach hakig, noch ſeltener gekreuzt. Das Gefieder pflegt dicht zu ſein; die einzelnen 6*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/101>, abgerufen am 21.11.2024.