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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Kanarienvogel.
genug, und danach werden die Männchen von den Weibchen getrennt. Die letzteren schickt man schon
im Sommer, so weit man sie nicht selbst behalten kann, durch Herumträger in die Welt; die jungen
Männchen und ausgesichteten alten werden Ende Oktobers oder Anfang Novembers an einzelne Händ-
ler, die sie hundertweis nehmen, verkauft und in die großen Städte, namentlich auch viel nach Ruß-
land und Amerika ausgeführt."

"Auch an der Nordseite des Harzes bis Braunschweig, und an der Südseite bis Bodungen und
Duderstadt werden sehr viel Kanarienvögel gezogen, und als harzer Vögel in Handel gebracht. Sie
sind aber bedeutend geringer an Güte des Gesanges, doch in der Regel besser als diejenigen, welche
man weit vom Harzwald zieht."

"Die Behauptung, welche man früherhin oft in Schriften fand, ""daß in Tirol die meisten und
besten Kanarienvögel gezogen würden, und daß dort der Hauptsitz der Zucht und des Handels in Jmst
wäre"", war irrig. Jch habe die Sache in Tirol und Jmst selbst untersucht und gefunden, daß dort
nur sehr wenig und sehr geringe Vögel seit Menschengedenken gezogen werden. -- Auch in Belgien,
dessen Kanarienvögel als holländische in Menge nach England und Amerika gehen, habe ich genau
nachgesucht und gefunden, daß die dortigen Vögel besonders groß, schlank, schön gelb, an Gesang aber
sehr gering sind."

"Wer Kanarienvögel zu seinem Vergnügen ziehen will, wählt natürlich nach seinem Geschmack.
Uebrigens gelten folgende Bemerkungen: 1) Ganz grüne oder stark grün gefleckte Vögel sind oft beson-
ders kräftig, aber auch deswegen eben zu allzu lautem Schreien geneigt. 2) Ganz gelbbräunliche und
ganz dunkelgelbe sind oft weichlich und namentlich nicht sehr fruchtbar. 3) Auch von regelmäßig bunten
darf man keine regelmäßig gezeichnete Jungen erwarten. 4) Rothäugige sind Schwächlinge. 5) Zieht
man Vögel mit Hauben (Kuppen) vor, so ist darauf zu sehen, daß die Haube, namentlich hinten,
nicht den geringsten kahlen Flecken habe."

"Um gut singende Vögel zu haben, muß man durchaus Männchen und Weibchen von gut singen-
der Rasse anschaffen und ganz darauf verzichten, seine Kanarienvögel bei Lerchen, Finken, Nachtigal-
len u. s. w. in die Lehre zu thun. Was sie da lernen, ist unnatürlich und wird deswegen leicht vergessen.
Jn Andreasberg hält man streng darauf, daß die jungen Vögel nur bei meisterhaft schlagenden alten
lernen. Hört ein Vogel, bevor er drei oder vier Jahr alt ist, einen schlechtern, so ist er gleich in Ge-
fahr, selbst schlechter zu werden. Selbst in höherem Alter nimmt er das Schlechtere leicht an, wenn er
es öfters hört. -- Orgelstückchen lernen manche Kanarienvögel, wenn sie jung in die Lehre kommen,
ohne große Schwierigkeit, werden aber später leicht zu Stümpern. -- Den Versuch, junge Kanarien-
vögel bei zwei gut, aber verschieden schlagenden alten lernen zu lassen, habe ich oft genug, aber immer
mit dem Erfolge gemacht, daß nur der leichteste Gesang gelernt wird. -- Jm ganzen gilt die Regel,
daß die schmetternden Töne und die fein schwirrenden Triller viel leichter erlernt werden, als die tief
lullenden Rollen, als die tiefen Flötentöne, die klingelnden und gluckenden Töne; ferner daß von
schlechten Sängern stammende Junge von guten Vögeln auch dann schwer oder gar nicht lernen, wenn
sie ganz jung zu ihnen in die Lehre gethan werden. -- Als Merkwürdigkeit erwähne ich hier noch, daß
einer meiner Verwandten, Maler zu Bordeaur, lange einen Kanarienvogel besessen hat, der die Gabe
hatte, so oft es ihm beliebte, sein Lied auch mit geschlossenem Schnabel, wahrscheinlich nur vermittelst
des unteren Kehlkopfes, leise, aber deutlich und vollkommen vorzutragen, wobei es, genau wie bei
Bauchrednern, so klang, als ob es nicht von ihm, sondern ganz wo anders her käme."

"Junge, in der Lehre befindliche Vögel hänge man so, daß sie gar keinen zwitschernden oder
singenden Vogel, außer ihrem Lehrmeister und namentlich auch keine Kanarienweibchen hören, denn
von letzteren lernen sie leicht elende, kurze Strophen. Der Platz muß so gewählt sein, daß neben dem
Lehrling oft Menschen hin und her gehen, damit er zahm bleibt oder wird; ferner so, daß er weit vom
Fenster ist, da dessen Nähe den Vogel zerstreut, so daß er sich gewöhnt, abgebrochen zu singen und
ihn heftig macht, so daß er sich aus Schreien gewöhnt. Das Futter bestehe ganz einfach aus
Sommerrübsamen und in Wasser geweichten Semmelkrümchen, damit der Vogel sich nicht vorzugsweise

Kanarienvogel.
genug, und danach werden die Männchen von den Weibchen getrennt. Die letzteren ſchickt man ſchon
im Sommer, ſo weit man ſie nicht ſelbſt behalten kann, durch Herumträger in die Welt; die jungen
Männchen und ausgeſichteten alten werden Ende Oktobers oder Anfang Novembers an einzelne Händ-
ler, die ſie hundertweis nehmen, verkauft und in die großen Städte, namentlich auch viel nach Ruß-
land und Amerika ausgeführt.‟

„Auch an der Nordſeite des Harzes bis Braunſchweig, und an der Südſeite bis Bodungen und
Duderſtadt werden ſehr viel Kanarienvögel gezogen, und als harzer Vögel in Handel gebracht. Sie
ſind aber bedeutend geringer an Güte des Geſanges, doch in der Regel beſſer als diejenigen, welche
man weit vom Harzwald zieht.‟

„Die Behauptung, welche man früherhin oft in Schriften fand, „„daß in Tirol die meiſten und
beſten Kanarienvögel gezogen würden, und daß dort der Hauptſitz der Zucht und des Handels in Jmſt
wäre‟‟, war irrig. Jch habe die Sache in Tirol und Jmſt ſelbſt unterſucht und gefunden, daß dort
nur ſehr wenig und ſehr geringe Vögel ſeit Menſchengedenken gezogen werden. — Auch in Belgien,
deſſen Kanarienvögel als holländiſche in Menge nach England und Amerika gehen, habe ich genau
nachgeſucht und gefunden, daß die dortigen Vögel beſonders groß, ſchlank, ſchön gelb, an Geſang aber
ſehr gering ſind.‟

„Wer Kanarienvögel zu ſeinem Vergnügen ziehen will, wählt natürlich nach ſeinem Geſchmack.
Uebrigens gelten folgende Bemerkungen: 1) Ganz grüne oder ſtark grün gefleckte Vögel ſind oft beſon-
ders kräftig, aber auch deswegen eben zu allzu lautem Schreien geneigt. 2) Ganz gelbbräunliche und
ganz dunkelgelbe ſind oft weichlich und namentlich nicht ſehr fruchtbar. 3) Auch von regelmäßig bunten
darf man keine regelmäßig gezeichnete Jungen erwarten. 4) Rothäugige ſind Schwächlinge. 5) Zieht
man Vögel mit Hauben (Kuppen) vor, ſo iſt darauf zu ſehen, daß die Haube, namentlich hinten,
nicht den geringſten kahlen Flecken habe.‟

„Um gut ſingende Vögel zu haben, muß man durchaus Männchen und Weibchen von gut ſingen-
der Raſſe anſchaffen und ganz darauf verzichten, ſeine Kanarienvögel bei Lerchen, Finken, Nachtigal-
len u. ſ. w. in die Lehre zu thun. Was ſie da lernen, iſt unnatürlich und wird deswegen leicht vergeſſen.
Jn Andreasberg hält man ſtreng darauf, daß die jungen Vögel nur bei meiſterhaft ſchlagenden alten
lernen. Hört ein Vogel, bevor er drei oder vier Jahr alt iſt, einen ſchlechtern, ſo iſt er gleich in Ge-
fahr, ſelbſt ſchlechter zu werden. Selbſt in höherem Alter nimmt er das Schlechtere leicht an, wenn er
es öfters hört. — Orgelſtückchen lernen manche Kanarienvögel, wenn ſie jung in die Lehre kommen,
ohne große Schwierigkeit, werden aber ſpäter leicht zu Stümpern. — Den Verſuch, junge Kanarien-
vögel bei zwei gut, aber verſchieden ſchlagenden alten lernen zu laſſen, habe ich oft genug, aber immer
mit dem Erfolge gemacht, daß nur der leichteſte Geſang gelernt wird. — Jm ganzen gilt die Regel,
daß die ſchmetternden Töne und die fein ſchwirrenden Triller viel leichter erlernt werden, als die tief
lullenden Rollen, als die tiefen Flötentöne, die klingelnden und gluckenden Töne; ferner daß von
ſchlechten Sängern ſtammende Junge von guten Vögeln auch dann ſchwer oder gar nicht lernen, wenn
ſie ganz jung zu ihnen in die Lehre gethan werden. — Als Merkwürdigkeit erwähne ich hier noch, daß
einer meiner Verwandten, Maler zu Bordeaur, lange einen Kanarienvogel beſeſſen hat, der die Gabe
hatte, ſo oft es ihm beliebte, ſein Lied auch mit geſchloſſenem Schnabel, wahrſcheinlich nur vermittelſt
des unteren Kehlkopfes, leiſe, aber deutlich und vollkommen vorzutragen, wobei es, genau wie bei
Bauchrednern, ſo klang, als ob es nicht von ihm, ſondern ganz wo anders her käme.‟

„Junge, in der Lehre befindliche Vögel hänge man ſo, daß ſie gar keinen zwitſchernden oder
ſingenden Vogel, außer ihrem Lehrmeiſter und namentlich auch keine Kanarienweibchen hören, denn
von letzteren lernen ſie leicht elende, kurze Strophen. Der Platz muß ſo gewählt ſein, daß neben dem
Lehrling oft Menſchen hin und her gehen, damit er zahm bleibt oder wird; ferner ſo, daß er weit vom
Fenſter iſt, da deſſen Nähe den Vogel zerſtreut, ſo daß er ſich gewöhnt, abgebrochen zu ſingen und
ihn heftig macht, ſo daß er ſich aus Schreien gewöhnt. Das Futter beſtehe ganz einfach aus
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[125/0143] Kanarienvogel. genug, und danach werden die Männchen von den Weibchen getrennt. Die letzteren ſchickt man ſchon im Sommer, ſo weit man ſie nicht ſelbſt behalten kann, durch Herumträger in die Welt; die jungen Männchen und ausgeſichteten alten werden Ende Oktobers oder Anfang Novembers an einzelne Händ- ler, die ſie hundertweis nehmen, verkauft und in die großen Städte, namentlich auch viel nach Ruß- land und Amerika ausgeführt.‟ „Auch an der Nordſeite des Harzes bis Braunſchweig, und an der Südſeite bis Bodungen und Duderſtadt werden ſehr viel Kanarienvögel gezogen, und als harzer Vögel in Handel gebracht. Sie ſind aber bedeutend geringer an Güte des Geſanges, doch in der Regel beſſer als diejenigen, welche man weit vom Harzwald zieht.‟ „Die Behauptung, welche man früherhin oft in Schriften fand, „„daß in Tirol die meiſten und beſten Kanarienvögel gezogen würden, und daß dort der Hauptſitz der Zucht und des Handels in Jmſt wäre‟‟, war irrig. Jch habe die Sache in Tirol und Jmſt ſelbſt unterſucht und gefunden, daß dort nur ſehr wenig und ſehr geringe Vögel ſeit Menſchengedenken gezogen werden. — Auch in Belgien, deſſen Kanarienvögel als holländiſche in Menge nach England und Amerika gehen, habe ich genau nachgeſucht und gefunden, daß die dortigen Vögel beſonders groß, ſchlank, ſchön gelb, an Geſang aber ſehr gering ſind.‟ „Wer Kanarienvögel zu ſeinem Vergnügen ziehen will, wählt natürlich nach ſeinem Geſchmack. Uebrigens gelten folgende Bemerkungen: 1) Ganz grüne oder ſtark grün gefleckte Vögel ſind oft beſon- ders kräftig, aber auch deswegen eben zu allzu lautem Schreien geneigt. 2) Ganz gelbbräunliche und ganz dunkelgelbe ſind oft weichlich und namentlich nicht ſehr fruchtbar. 3) Auch von regelmäßig bunten darf man keine regelmäßig gezeichnete Jungen erwarten. 4) Rothäugige ſind Schwächlinge. 5) Zieht man Vögel mit Hauben (Kuppen) vor, ſo iſt darauf zu ſehen, daß die Haube, namentlich hinten, nicht den geringſten kahlen Flecken habe.‟ „Um gut ſingende Vögel zu haben, muß man durchaus Männchen und Weibchen von gut ſingen- der Raſſe anſchaffen und ganz darauf verzichten, ſeine Kanarienvögel bei Lerchen, Finken, Nachtigal- len u. ſ. w. in die Lehre zu thun. Was ſie da lernen, iſt unnatürlich und wird deswegen leicht vergeſſen. Jn Andreasberg hält man ſtreng darauf, daß die jungen Vögel nur bei meiſterhaft ſchlagenden alten lernen. Hört ein Vogel, bevor er drei oder vier Jahr alt iſt, einen ſchlechtern, ſo iſt er gleich in Ge- fahr, ſelbſt ſchlechter zu werden. Selbſt in höherem Alter nimmt er das Schlechtere leicht an, wenn er es öfters hört. — Orgelſtückchen lernen manche Kanarienvögel, wenn ſie jung in die Lehre kommen, ohne große Schwierigkeit, werden aber ſpäter leicht zu Stümpern. — Den Verſuch, junge Kanarien- vögel bei zwei gut, aber verſchieden ſchlagenden alten lernen zu laſſen, habe ich oft genug, aber immer mit dem Erfolge gemacht, daß nur der leichteſte Geſang gelernt wird. — Jm ganzen gilt die Regel, daß die ſchmetternden Töne und die fein ſchwirrenden Triller viel leichter erlernt werden, als die tief lullenden Rollen, als die tiefen Flötentöne, die klingelnden und gluckenden Töne; ferner daß von ſchlechten Sängern ſtammende Junge von guten Vögeln auch dann ſchwer oder gar nicht lernen, wenn ſie ganz jung zu ihnen in die Lehre gethan werden. — Als Merkwürdigkeit erwähne ich hier noch, daß einer meiner Verwandten, Maler zu Bordeaur, lange einen Kanarienvogel beſeſſen hat, der die Gabe hatte, ſo oft es ihm beliebte, ſein Lied auch mit geſchloſſenem Schnabel, wahrſcheinlich nur vermittelſt des unteren Kehlkopfes, leiſe, aber deutlich und vollkommen vorzutragen, wobei es, genau wie bei Bauchrednern, ſo klang, als ob es nicht von ihm, ſondern ganz wo anders her käme.‟ „Junge, in der Lehre befindliche Vögel hänge man ſo, daß ſie gar keinen zwitſchernden oder ſingenden Vogel, außer ihrem Lehrmeiſter und namentlich auch keine Kanarienweibchen hören, denn von letzteren lernen ſie leicht elende, kurze Strophen. Der Platz muß ſo gewählt ſein, daß neben dem Lehrling oft Menſchen hin und her gehen, damit er zahm bleibt oder wird; ferner ſo, daß er weit vom Fenſter iſt, da deſſen Nähe den Vogel zerſtreut, ſo daß er ſich gewöhnt, abgebrochen zu ſingen und ihn heftig macht, ſo daß er ſich aus Schreien gewöhnt. Das Futter beſtehe ganz einfach aus Sommerrübſamen und in Waſſer geweichten Semmelkrümchen, damit der Vogel ſich nicht vorzugsweiſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/143>, abgerufen am 24.11.2024.