Hoch oben auf den Alpengebirgen der alten Welt, von den Pyrenäen an bis nach Sibirien hin, im Sommer immer über der Grenze des Holzwuchses, lebt ein unserm Edelfink sehr verwandter Vogel, der Schnee- oder Steinfink (Montifringilla nivalis). Er unterscheidet sich von den vorstehend be- schriebenen Arten durch den langen, gekrümmten, spornartigen Nagel der Hinterzehe, die langen Flü- gel und die gleichartige Befiederung beider Geschlechter; er wird deshalb als Vertreter einer besondern Sippe angesehen. Seine Länge beträgt 81/4, seine Breite 14 Zoll. Das Gefieder ist einfach, aber ansprechend gezeichnet. Bei alten Vögeln sind Kopf und Nacken aschblaugrau; der Mantel ist braun, der Oberflügel halb schwarz, halb weiß, der Unterkörper weißlich, die Kehle aber schwarz oder wenig- stens schwärzlich; kurz nach der Mauser verdecken die lichten Federränder die eigentliche Farbe. Der Schwanz ist mit Ausnahme seiner obern Deck- und der beiden Mittelfedern weiß; die weißen Federn an ihrer äußersten Spitze aber sind schwarz. Jm Sommer ist der Schnabel schwarz, im Winter gelb, der Fuß ist schwarz, der Augenring braun. Junge Vögel sind graulich, an der Kehle schmuzig weiß- grau, die Federn der weißen Flügelstellen schwarz geschaftet und gestrichelt.
Unter den europäischen Finken gibt es zwei eigentliche Schneevögel, den einen, welcher zu den Ammern zählt, im hohen Norden, und unsern Schneefink, gewissermaßen als Vertreter des erste- ren, auf allen hohen Gebirgen und so auch auf den baierischen, salzburger, tiroler und schweizer Alpen.
"Hier", sagt Gloger, "bringt er den Sommer stets weit über dem Holzwuchse und den fetten Alpenweiden in der Umgebung einer schon fast erstorbenen Natur zu, indem er nur die erhabendsten rauhen und öden Gegenden nahe an der Grenze des ewigen Schnees und Eises bezieht, stets umso höher wohnt, je weiter hinauf in warmen Frühlingen der Schnee vergeht. Er hält sich in kühlen Jahren zwar etwas niedriger, jedoch immer noch in der unfreundlichen Nachbarschaft von Eisfeldern, meist an der Mittagsseite der Berge und stets auf kahlen zerklüfteten Felsen, welche ihre zackigen Kro- nen hoch in die Wolken emporstrecken." Man sieht ihn bald paarweise, bald in kleinen Schwär- men an den Felsenköpfen. Diese tummeln sich lustig herum, fast lerchenartig fliegend oder auf dem Boden schreitend und hüpfend nach Art der Edelfinken. Jn den strengsten Wintern nur schreiten sie in die tieferen Alpenthäler herab, und bei dieser Gelegenheit kommen sie wohl auch in das flachere Land, in welchem sie jedoch immer bald die Höhen aufsuchen.
"Ein klevener Jäger", berichtet Tschudi, "hat im Herbst in der untern Ebene von Kleven einst eine ganze Wolke von Schneefinken gesehen, mehr als tausend Stück, von denen er einige Hunderte erlegte. Sie seien so hungrig und so dumm gewesen, daß sie auf den Schuß den in der Luft getödte- ten, herunterfallenden Kameraden nachgeflogen und sich neben diesen auf den Boden gesetzt hätten." Auch andere Beobachter nennen diese Vögel harmlos und vertrauensselig. Auf den Bergstraßen erscheinen sie im Winter vor den Häusern und fliegen dort, wo die Gebirgsbewohner sie gern um sich sehen und füttern, furchtlos in den Häusern aus und ein. Aber man hat auch im Gegentheil bemerkt, daß sie sehr vorsichtig, ja selbst scheu waren und gefunden, daß sie sich immer sorgfältig hüteten, das Nest zu verrathen. An Verstand fehlt es ihnen also durchaus nicht, und wenn sie sich den Menschen gegenüber vertrauensselig zeigen, beweisen sie nur, daß sie ihn noch nicht kennen gelernt haben.
Die Stimme des Schneefinken ist ein kurz abgebrochenes, pfeifendes "Tritri" oder ein helleres Locken nach Art der Kreuzschnäbel. Jn der Augst zirpt er kläglich, und bei Gefahr warnt er durch ein schmetterndes "Gröo". Sein Gesang, welchen man im Freien nur während der Fortpflanzungszeit ver- nimmt, wird aus allen diesen Lauten zusammengesetzt und von den Kennern als der schlechteste aller Finkengesänge bezeichnet; er ist kurz, rauh, hart und unangenehm stark. So hat der Vogel also wenig Eigenschaften, welche ihn für die Gefangenschaft empfehlen könnten, ist demungeachtet aber ein großer Liebling der Alpenbewohner, weil er zu jeder Zeit die öden Gegenden zu beleben versteht.
Schon im April, regelmäßig aber zu Anfang Mais schreitet der Schneefink zur Fortpflanzung. Er brütet am liebsten in den Spalten steiler, senkrechter Felswände, zuweilen aber auch in Mauer- ritzen oder unter den Dachplatten einzelner Gebäude, gleichviel, ob solche bewohnt sind oder leer stehen.
Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.
Hoch oben auf den Alpengebirgen der alten Welt, von den Pyrenäen an bis nach Sibirien hin, im Sommer immer über der Grenze des Holzwuchſes, lebt ein unſerm Edelfink ſehr verwandter Vogel, der Schnee- oder Steinfink (Montifringilla nivalis). Er unterſcheidet ſich von den vorſtehend be- ſchriebenen Arten durch den langen, gekrümmten, ſpornartigen Nagel der Hinterzehe, die langen Flü- gel und die gleichartige Befiederung beider Geſchlechter; er wird deshalb als Vertreter einer beſondern Sippe angeſehen. Seine Länge beträgt 8¼, ſeine Breite 14 Zoll. Das Gefieder iſt einfach, aber anſprechend gezeichnet. Bei alten Vögeln ſind Kopf und Nacken aſchblaugrau; der Mantel iſt braun, der Oberflügel halb ſchwarz, halb weiß, der Unterkörper weißlich, die Kehle aber ſchwarz oder wenig- ſtens ſchwärzlich; kurz nach der Mauſer verdecken die lichten Federränder die eigentliche Farbe. Der Schwanz iſt mit Ausnahme ſeiner obern Deck- und der beiden Mittelfedern weiß; die weißen Federn an ihrer äußerſten Spitze aber ſind ſchwarz. Jm Sommer iſt der Schnabel ſchwarz, im Winter gelb, der Fuß iſt ſchwarz, der Augenring braun. Junge Vögel ſind graulich, an der Kehle ſchmuzig weiß- grau, die Federn der weißen Flügelſtellen ſchwarz geſchaftet und geſtrichelt.
Unter den europäiſchen Finken gibt es zwei eigentliche Schneevögel, den einen, welcher zu den Ammern zählt, im hohen Norden, und unſern Schneefink, gewiſſermaßen als Vertreter des erſte- ren, auf allen hohen Gebirgen und ſo auch auf den baieriſchen, ſalzburger, tiroler und ſchweizer Alpen.
„Hier‟, ſagt Gloger, „bringt er den Sommer ſtets weit über dem Holzwuchſe und den fetten Alpenweiden in der Umgebung einer ſchon faſt erſtorbenen Natur zu, indem er nur die erhabendſten rauhen und öden Gegenden nahe an der Grenze des ewigen Schnees und Eiſes bezieht, ſtets umſo höher wohnt, je weiter hinauf in warmen Frühlingen der Schnee vergeht. Er hält ſich in kühlen Jahren zwar etwas niedriger, jedoch immer noch in der unfreundlichen Nachbarſchaft von Eisfeldern, meiſt an der Mittagsſeite der Berge und ſtets auf kahlen zerklüfteten Felſen, welche ihre zackigen Kro- nen hoch in die Wolken emporſtrecken.‟ Man ſieht ihn bald paarweiſe, bald in kleinen Schwär- men an den Felſenköpfen. Dieſe tummeln ſich luſtig herum, faſt lerchenartig fliegend oder auf dem Boden ſchreitend und hüpfend nach Art der Edelfinken. Jn den ſtrengſten Wintern nur ſchreiten ſie in die tieferen Alpenthäler herab, und bei dieſer Gelegenheit kommen ſie wohl auch in das flachere Land, in welchem ſie jedoch immer bald die Höhen aufſuchen.
„Ein klevener Jäger‟, berichtet Tſchudi, „hat im Herbſt in der untern Ebene von Kleven einſt eine ganze Wolke von Schneefinken geſehen, mehr als tauſend Stück, von denen er einige Hunderte erlegte. Sie ſeien ſo hungrig und ſo dumm geweſen, daß ſie auf den Schuß den in der Luft getödte- ten, herunterfallenden Kameraden nachgeflogen und ſich neben dieſen auf den Boden geſetzt hätten.‟ Auch andere Beobachter nennen dieſe Vögel harmlos und vertrauensſelig. Auf den Bergſtraßen erſcheinen ſie im Winter vor den Häuſern und fliegen dort, wo die Gebirgsbewohner ſie gern um ſich ſehen und füttern, furchtlos in den Häuſern aus und ein. Aber man hat auch im Gegentheil bemerkt, daß ſie ſehr vorſichtig, ja ſelbſt ſcheu waren und gefunden, daß ſie ſich immer ſorgfältig hüteten, das Neſt zu verrathen. An Verſtand fehlt es ihnen alſo durchaus nicht, und wenn ſie ſich den Menſchen gegenüber vertrauensſelig zeigen, beweiſen ſie nur, daß ſie ihn noch nicht kennen gelernt haben.
Die Stimme des Schneefinken iſt ein kurz abgebrochenes, pfeifendes „Tritri‟ oder ein helleres Locken nach Art der Kreuzſchnäbel. Jn der Augſt zirpt er kläglich, und bei Gefahr warnt er durch ein ſchmetterndes „Gröo‟. Sein Geſang, welchen man im Freien nur während der Fortpflanzungszeit ver- nimmt, wird aus allen dieſen Lauten zuſammengeſetzt und von den Kennern als der ſchlechteſte aller Finkengeſänge bezeichnet; er iſt kurz, rauh, hart und unangenehm ſtark. So hat der Vogel alſo wenig Eigenſchaften, welche ihn für die Gefangenſchaft empfehlen könnten, iſt demungeachtet aber ein großer Liebling der Alpenbewohner, weil er zu jeder Zeit die öden Gegenden zu beleben verſteht.
Schon im April, regelmäßig aber zu Anfang Mais ſchreitet der Schneefink zur Fortpflanzung. Er brütet am liebſten in den Spalten ſteiler, ſenkrechter Felswände, zuweilen aber auch in Mauer- ritzen oder unter den Dachplatten einzelner Gebäude, gleichviel, ob ſolche bewohnt ſind oder leer ſtehen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0156"n="138"/><fwplace="top"type="header">Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.</fw><lb/><p>Hoch oben auf den Alpengebirgen der alten Welt, von den Pyrenäen an bis nach Sibirien hin,<lb/>
im Sommer immer über der Grenze des Holzwuchſes, lebt ein unſerm Edelfink ſehr verwandter Vogel,<lb/>
der <hirendition="#g">Schnee-</hi> oder <hirendition="#g">Steinfink</hi> (<hirendition="#aq">Montifringilla nivalis</hi>). Er unterſcheidet ſich von den vorſtehend be-<lb/>ſchriebenen Arten durch den langen, gekrümmten, ſpornartigen Nagel der Hinterzehe, die langen Flü-<lb/>
gel und die gleichartige Befiederung beider Geſchlechter; er wird deshalb als Vertreter einer beſondern<lb/>
Sippe angeſehen. Seine Länge beträgt 8¼, ſeine Breite 14 Zoll. Das Gefieder iſt einfach, aber<lb/>
anſprechend gezeichnet. Bei alten Vögeln ſind Kopf und Nacken aſchblaugrau; der Mantel iſt braun,<lb/>
der Oberflügel halb ſchwarz, halb weiß, der Unterkörper weißlich, die Kehle aber ſchwarz oder wenig-<lb/>ſtens ſchwärzlich; kurz nach der Mauſer verdecken die lichten Federränder die eigentliche Farbe. Der<lb/>
Schwanz iſt mit Ausnahme ſeiner obern Deck- und der beiden Mittelfedern weiß; die weißen Federn<lb/>
an ihrer äußerſten Spitze aber ſind ſchwarz. Jm Sommer iſt der Schnabel ſchwarz, im Winter gelb,<lb/>
der Fuß iſt ſchwarz, der Augenring braun. Junge Vögel ſind graulich, an der Kehle ſchmuzig weiß-<lb/>
grau, die Federn der weißen Flügelſtellen ſchwarz geſchaftet und geſtrichelt.</p><lb/><p>Unter den europäiſchen Finken gibt es zwei eigentliche Schneevögel, den einen, welcher zu den<lb/><hirendition="#g">Ammern</hi> zählt, im hohen Norden, und unſern <hirendition="#g">Schneefink,</hi> gewiſſermaßen als Vertreter des erſte-<lb/>
ren, auf allen hohen Gebirgen und ſo auch auf den baieriſchen, ſalzburger, tiroler und ſchweizer Alpen.</p><lb/><p>„Hier‟, ſagt <hirendition="#g">Gloger,</hi>„bringt er den Sommer ſtets weit über dem Holzwuchſe und den fetten<lb/>
Alpenweiden in der Umgebung einer ſchon faſt erſtorbenen Natur zu, indem er nur die erhabendſten<lb/>
rauhen und öden Gegenden nahe an der Grenze des ewigen Schnees und Eiſes bezieht, ſtets umſo<lb/>
höher wohnt, je weiter hinauf in warmen Frühlingen der Schnee vergeht. Er hält ſich in kühlen<lb/>
Jahren zwar etwas niedriger, jedoch immer noch in der unfreundlichen Nachbarſchaft von Eisfeldern,<lb/>
meiſt an der Mittagsſeite der Berge und ſtets auf kahlen zerklüfteten Felſen, welche ihre zackigen Kro-<lb/>
nen hoch in die Wolken emporſtrecken.‟ Man ſieht ihn bald paarweiſe, bald in kleinen Schwär-<lb/>
men an den Felſenköpfen. Dieſe tummeln ſich luſtig herum, faſt lerchenartig fliegend oder auf dem<lb/>
Boden ſchreitend und hüpfend nach Art der Edelfinken. Jn den ſtrengſten Wintern nur ſchreiten ſie<lb/>
in die tieferen Alpenthäler herab, und bei dieſer Gelegenheit kommen ſie wohl auch in das flachere<lb/>
Land, in welchem ſie jedoch immer bald die Höhen aufſuchen.</p><lb/><p>„Ein klevener Jäger‟, berichtet <hirendition="#g">Tſchudi,</hi>„hat im Herbſt in der untern Ebene von Kleven einſt<lb/>
eine ganze Wolke von Schneefinken geſehen, mehr als tauſend Stück, von denen er einige Hunderte<lb/>
erlegte. Sie ſeien ſo hungrig und ſo dumm geweſen, daß ſie auf den Schuß den in der Luft getödte-<lb/>
ten, herunterfallenden Kameraden nachgeflogen und ſich neben dieſen auf den Boden geſetzt hätten.‟<lb/>
Auch andere Beobachter nennen dieſe Vögel harmlos und vertrauensſelig. Auf den Bergſtraßen<lb/>
erſcheinen ſie im Winter vor den Häuſern und fliegen dort, wo die Gebirgsbewohner ſie gern um ſich<lb/>ſehen und füttern, furchtlos in den Häuſern aus und ein. Aber man hat auch im Gegentheil<lb/>
bemerkt, daß ſie ſehr vorſichtig, ja ſelbſt ſcheu waren und gefunden, daß ſie ſich immer ſorgfältig<lb/>
hüteten, das Neſt zu verrathen. An Verſtand fehlt es ihnen alſo durchaus nicht, und wenn ſie ſich<lb/>
den Menſchen gegenüber vertrauensſelig zeigen, beweiſen ſie nur, daß ſie ihn noch nicht kennen<lb/>
gelernt haben.</p><lb/><p>Die Stimme des Schneefinken iſt ein kurz abgebrochenes, pfeifendes „Tritri‟ oder ein helleres<lb/>
Locken nach Art der Kreuzſchnäbel. Jn der Augſt zirpt er kläglich, und bei Gefahr warnt er durch ein<lb/>ſchmetterndes „Gröo‟. Sein Geſang, welchen man im Freien nur während der Fortpflanzungszeit ver-<lb/>
nimmt, wird aus allen dieſen Lauten zuſammengeſetzt und von den Kennern als der ſchlechteſte aller<lb/>
Finkengeſänge bezeichnet; er iſt kurz, rauh, hart und unangenehm ſtark. So hat der Vogel alſo wenig<lb/>
Eigenſchaften, welche ihn für die Gefangenſchaft empfehlen könnten, iſt demungeachtet aber ein großer<lb/>
Liebling der Alpenbewohner, weil er zu jeder Zeit die öden Gegenden zu beleben verſteht.</p><lb/><p>Schon im April, regelmäßig aber zu Anfang Mais ſchreitet der Schneefink zur Fortpflanzung.<lb/>
Er brütet am liebſten in den Spalten ſteiler, ſenkrechter Felswände, zuweilen aber auch in Mauer-<lb/>
ritzen oder unter den Dachplatten einzelner Gebäude, gleichviel, ob ſolche bewohnt ſind oder leer ſtehen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[138/0156]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Edelfinken.
Hoch oben auf den Alpengebirgen der alten Welt, von den Pyrenäen an bis nach Sibirien hin,
im Sommer immer über der Grenze des Holzwuchſes, lebt ein unſerm Edelfink ſehr verwandter Vogel,
der Schnee- oder Steinfink (Montifringilla nivalis). Er unterſcheidet ſich von den vorſtehend be-
ſchriebenen Arten durch den langen, gekrümmten, ſpornartigen Nagel der Hinterzehe, die langen Flü-
gel und die gleichartige Befiederung beider Geſchlechter; er wird deshalb als Vertreter einer beſondern
Sippe angeſehen. Seine Länge beträgt 8¼, ſeine Breite 14 Zoll. Das Gefieder iſt einfach, aber
anſprechend gezeichnet. Bei alten Vögeln ſind Kopf und Nacken aſchblaugrau; der Mantel iſt braun,
der Oberflügel halb ſchwarz, halb weiß, der Unterkörper weißlich, die Kehle aber ſchwarz oder wenig-
ſtens ſchwärzlich; kurz nach der Mauſer verdecken die lichten Federränder die eigentliche Farbe. Der
Schwanz iſt mit Ausnahme ſeiner obern Deck- und der beiden Mittelfedern weiß; die weißen Federn
an ihrer äußerſten Spitze aber ſind ſchwarz. Jm Sommer iſt der Schnabel ſchwarz, im Winter gelb,
der Fuß iſt ſchwarz, der Augenring braun. Junge Vögel ſind graulich, an der Kehle ſchmuzig weiß-
grau, die Federn der weißen Flügelſtellen ſchwarz geſchaftet und geſtrichelt.
Unter den europäiſchen Finken gibt es zwei eigentliche Schneevögel, den einen, welcher zu den
Ammern zählt, im hohen Norden, und unſern Schneefink, gewiſſermaßen als Vertreter des erſte-
ren, auf allen hohen Gebirgen und ſo auch auf den baieriſchen, ſalzburger, tiroler und ſchweizer Alpen.
„Hier‟, ſagt Gloger, „bringt er den Sommer ſtets weit über dem Holzwuchſe und den fetten
Alpenweiden in der Umgebung einer ſchon faſt erſtorbenen Natur zu, indem er nur die erhabendſten
rauhen und öden Gegenden nahe an der Grenze des ewigen Schnees und Eiſes bezieht, ſtets umſo
höher wohnt, je weiter hinauf in warmen Frühlingen der Schnee vergeht. Er hält ſich in kühlen
Jahren zwar etwas niedriger, jedoch immer noch in der unfreundlichen Nachbarſchaft von Eisfeldern,
meiſt an der Mittagsſeite der Berge und ſtets auf kahlen zerklüfteten Felſen, welche ihre zackigen Kro-
nen hoch in die Wolken emporſtrecken.‟ Man ſieht ihn bald paarweiſe, bald in kleinen Schwär-
men an den Felſenköpfen. Dieſe tummeln ſich luſtig herum, faſt lerchenartig fliegend oder auf dem
Boden ſchreitend und hüpfend nach Art der Edelfinken. Jn den ſtrengſten Wintern nur ſchreiten ſie
in die tieferen Alpenthäler herab, und bei dieſer Gelegenheit kommen ſie wohl auch in das flachere
Land, in welchem ſie jedoch immer bald die Höhen aufſuchen.
„Ein klevener Jäger‟, berichtet Tſchudi, „hat im Herbſt in der untern Ebene von Kleven einſt
eine ganze Wolke von Schneefinken geſehen, mehr als tauſend Stück, von denen er einige Hunderte
erlegte. Sie ſeien ſo hungrig und ſo dumm geweſen, daß ſie auf den Schuß den in der Luft getödte-
ten, herunterfallenden Kameraden nachgeflogen und ſich neben dieſen auf den Boden geſetzt hätten.‟
Auch andere Beobachter nennen dieſe Vögel harmlos und vertrauensſelig. Auf den Bergſtraßen
erſcheinen ſie im Winter vor den Häuſern und fliegen dort, wo die Gebirgsbewohner ſie gern um ſich
ſehen und füttern, furchtlos in den Häuſern aus und ein. Aber man hat auch im Gegentheil
bemerkt, daß ſie ſehr vorſichtig, ja ſelbſt ſcheu waren und gefunden, daß ſie ſich immer ſorgfältig
hüteten, das Neſt zu verrathen. An Verſtand fehlt es ihnen alſo durchaus nicht, und wenn ſie ſich
den Menſchen gegenüber vertrauensſelig zeigen, beweiſen ſie nur, daß ſie ihn noch nicht kennen
gelernt haben.
Die Stimme des Schneefinken iſt ein kurz abgebrochenes, pfeifendes „Tritri‟ oder ein helleres
Locken nach Art der Kreuzſchnäbel. Jn der Augſt zirpt er kläglich, und bei Gefahr warnt er durch ein
ſchmetterndes „Gröo‟. Sein Geſang, welchen man im Freien nur während der Fortpflanzungszeit ver-
nimmt, wird aus allen dieſen Lauten zuſammengeſetzt und von den Kennern als der ſchlechteſte aller
Finkengeſänge bezeichnet; er iſt kurz, rauh, hart und unangenehm ſtark. So hat der Vogel alſo wenig
Eigenſchaften, welche ihn für die Gefangenſchaft empfehlen könnten, iſt demungeachtet aber ein großer
Liebling der Alpenbewohner, weil er zu jeder Zeit die öden Gegenden zu beleben verſteht.
Schon im April, regelmäßig aber zu Anfang Mais ſchreitet der Schneefink zur Fortpflanzung.
Er brütet am liebſten in den Spalten ſteiler, ſenkrechter Felswände, zuweilen aber auch in Mauer-
ritzen oder unter den Dachplatten einzelner Gebäude, gleichviel, ob ſolche bewohnt ſind oder leer ſtehen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/156>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.