tödtet, herauszuwerfen und kümmert sich nicht im geringsten um das Klagen der Mutter. Bis in die neueste Zeit ist behauptet worden, daß die Schwalbe für solche Unbill sich räche und das Sperlings- weibchen, während es brütet, im Neste einmaure; die Angabe ist aber leider nur als eine hübsche Fa- bel zu betrachten; von einem Naturforscher wenigstens ist die "Schwalbenrache" noch nicht beobachtet worden.
Jn günstigen Jahren findet man bereits im März das erste Gelege im Neste. Es pflegt aus 5 bis 6, ausnahmsweise auch wohl 7 bis 8 Eiern zu bestehen, welche zart und glattschalig, aber wenig glänzend und auf bläulich oder röthlichweißem Grunde braun und aschgrau gefleckt, bespritzt und ge- punktet sind, in der Zeichnung aber sehr abweichen. Beide Gatten brüten wechselweise und zeitigen die Brut in dreizehn bis vierzehn Tagen; die ausgeschlüpften Jungen füttern sie zuerst mit zarten Kerbthieren, später mit solchen und vorher im Kropf aufgequellten Körnern und endlich haupt- sächlich mit Getreide und andern Sämereien, auch wohl mit Früchten.
Bereits acht Tage nach dem Ausfliegen der Jungen treffen die Alten zur zweiten Brut Anstalt, richten das erste Nest einigermaßen wieder her, und im Verlauf von vierzehn Tagen hat das Weibchen wieder Eier. So geht es den ganzen Sommer hindurch fort bis in den September hinein.
Beide Eltern lieben ihre Brut ganz ungemein und vergessen deshalb selbst die ihnen sonst eigene Vorsicht. Wird einer der Gatten getödtet, so strengt sich das andere umsomehr an, um die hungrige Schar zu ernähren. Ein Beispiel der Elternliebe der Sperlinge führt Selby an. Er beobachtete, daß ein Spatzenpärchen bis in den Winter Futter ins Nest trug, untersuchte dieses endlich und fand in ihm ein Junges, um dessen Fuß sich ein Faden gewickelt hatte, so daß es das Nest nicht hatte ver- lassen können!
Die meisten Leute sind geneigt, den Sperling als einen überwiegend schädlichen Vogel anzusehen. Jn der That läßt sich nicht verkennen, daß er sich vorzugsweise von Sämereien, namentlich Getreide ernährt und deshalb zuweilen recht lästig werden kann. Auch durch seine Diebstähle an Obst man- cherlei Art wird er verhaßt, und da, wo er massenhaft auftritt, macht sich seine Verfolgung oft nöthig. Dagegen nützt er durch Aufzehren der schädlichen Kerbthiere unzweifelhaft mehr, als er schadet. Er macht sich während des ganzen Sommers hochverdient um Obstpflanzungen und Felder und schadet nur während der Reife gewisser Fruchtarten: er muß also als überwiegend nützlicher Vogel betrachtet werden. Für die Wahrheit dieser Behauptung haben wir mehr als einen Beweis. Friedrich der Große gab einmal, geärgert durch die Sperlinge, den Befehl, diese Vögel überall wegzufangen und todtzuschießen und setzte für jeden getödteten Spatz eine Belohnung von 6 Pfennigen aus. Nunmehr zog Alles zur Sperlingsjagd aus, und der Staat bezahlte in wenigen Jahren Tausende von Thalern als Auslösung für die eingelieferten Korndiebe. Aber die Folge zeigte sich bald. Auf den Obstbäumen, welche früher von den Sperlingen gebrandschatzt worden waren, nahmen die Raupen und andere Kerbthiere in solcher Menge überhand, daß sie nicht blos ohne Früchte, sondern bald auch ohne Blätter dastanden. "Da zog der große König", sagt unser Berichterstatter, "weis- lich seine Hand von dem Rade des Schöpfungswerkes zurück, in welches er eingreifen zu müssen geglaubt hatte. Er widerrief seinen Befehl und war noch obendrein genöthigt, Sperlinge von weither wieder herbeischaffen zu lassen, und diese Eingewanderten wurden nun sorgfältig geschont." Nach Australien hat man die Sperlinge nur deshalb eingeführt, weil man hofft, daß sie die Kerbthiere in den Obstpflanzungen vertilgen werden. Diese Angabe spricht gewiß mehr, als weitläufige Auseinan- dersetzungen für den Nutzen der Sperlinge. Man muß bei Berechnung ihres Nutzens und ihres Schadens nur immer festhalten, daß sie stetig und unmerklich das ganze Jahr hindurch sich nützlich machen, empfindlich schädlich aber nur zu gewissen Zeiten werden.
Uebrigens nützt uns der Sperling auch unmittelbar durch sein Fleisch, welches von Jedermann als wohlschmeckend gerühmt wird. Jn Jtalien baut man den Spatzen zu Liebe Thürme aus Steinen, deren Wände eine Menge kleine Eingänge haben, welche zu Nistkästchen führen. Diese untersucht
Hausſperling.
tödtet, herauszuwerfen und kümmert ſich nicht im geringſten um das Klagen der Mutter. Bis in die neueſte Zeit iſt behauptet worden, daß die Schwalbe für ſolche Unbill ſich räche und das Sperlings- weibchen, während es brütet, im Neſte einmaure; die Angabe iſt aber leider nur als eine hübſche Fa- bel zu betrachten; von einem Naturforſcher wenigſtens iſt die „Schwalbenrache‟ noch nicht beobachtet worden.
Jn günſtigen Jahren findet man bereits im März das erſte Gelege im Neſte. Es pflegt aus 5 bis 6, ausnahmsweiſe auch wohl 7 bis 8 Eiern zu beſtehen, welche zart und glattſchalig, aber wenig glänzend und auf bläulich oder röthlichweißem Grunde braun und aſchgrau gefleckt, beſpritzt und ge- punktet ſind, in der Zeichnung aber ſehr abweichen. Beide Gatten brüten wechſelweiſe und zeitigen die Brut in dreizehn bis vierzehn Tagen; die ausgeſchlüpften Jungen füttern ſie zuerſt mit zarten Kerbthieren, ſpäter mit ſolchen und vorher im Kropf aufgequellten Körnern und endlich haupt- ſächlich mit Getreide und andern Sämereien, auch wohl mit Früchten.
Bereits acht Tage nach dem Ausfliegen der Jungen treffen die Alten zur zweiten Brut Anſtalt, richten das erſte Neſt einigermaßen wieder her, und im Verlauf von vierzehn Tagen hat das Weibchen wieder Eier. So geht es den ganzen Sommer hindurch fort bis in den September hinein.
Beide Eltern lieben ihre Brut ganz ungemein und vergeſſen deshalb ſelbſt die ihnen ſonſt eigene Vorſicht. Wird einer der Gatten getödtet, ſo ſtrengt ſich das andere umſomehr an, um die hungrige Schar zu ernähren. Ein Beiſpiel der Elternliebe der Sperlinge führt Selby an. Er beobachtete, daß ein Spatzenpärchen bis in den Winter Futter ins Neſt trug, unterſuchte dieſes endlich und fand in ihm ein Junges, um deſſen Fuß ſich ein Faden gewickelt hatte, ſo daß es das Neſt nicht hatte ver- laſſen können!
Die meiſten Leute ſind geneigt, den Sperling als einen überwiegend ſchädlichen Vogel anzuſehen. Jn der That läßt ſich nicht verkennen, daß er ſich vorzugsweiſe von Sämereien, namentlich Getreide ernährt und deshalb zuweilen recht läſtig werden kann. Auch durch ſeine Diebſtähle an Obſt man- cherlei Art wird er verhaßt, und da, wo er maſſenhaft auftritt, macht ſich ſeine Verfolgung oft nöthig. Dagegen nützt er durch Aufzehren der ſchädlichen Kerbthiere unzweifelhaft mehr, als er ſchadet. Er macht ſich während des ganzen Sommers hochverdient um Obſtpflanzungen und Felder und ſchadet nur während der Reife gewiſſer Fruchtarten: er muß alſo als überwiegend nützlicher Vogel betrachtet werden. Für die Wahrheit dieſer Behauptung haben wir mehr als einen Beweis. Friedrich der Große gab einmal, geärgert durch die Sperlinge, den Befehl, dieſe Vögel überall wegzufangen und todtzuſchießen und ſetzte für jeden getödteten Spatz eine Belohnung von 6 Pfennigen aus. Nunmehr zog Alles zur Sperlingsjagd aus, und der Staat bezahlte in wenigen Jahren Tauſende von Thalern als Auslöſung für die eingelieferten Korndiebe. Aber die Folge zeigte ſich bald. Auf den Obſtbäumen, welche früher von den Sperlingen gebrandſchatzt worden waren, nahmen die Raupen und andere Kerbthiere in ſolcher Menge überhand, daß ſie nicht blos ohne Früchte, ſondern bald auch ohne Blätter daſtanden. „Da zog der große König‟, ſagt unſer Berichterſtatter, „weis- lich ſeine Hand von dem Rade des Schöpfungswerkes zurück, in welches er eingreifen zu müſſen geglaubt hatte. Er widerrief ſeinen Befehl und war noch obendrein genöthigt, Sperlinge von weither wieder herbeiſchaffen zu laſſen, und dieſe Eingewanderten wurden nun ſorgfältig geſchont.‟ Nach Auſtralien hat man die Sperlinge nur deshalb eingeführt, weil man hofft, daß ſie die Kerbthiere in den Obſtpflanzungen vertilgen werden. Dieſe Angabe ſpricht gewiß mehr, als weitläufige Auseinan- derſetzungen für den Nutzen der Sperlinge. Man muß bei Berechnung ihres Nutzens und ihres Schadens nur immer feſthalten, daß ſie ſtetig und unmerklich das ganze Jahr hindurch ſich nützlich machen, empfindlich ſchädlich aber nur zu gewiſſen Zeiten werden.
Uebrigens nützt uns der Sperling auch unmittelbar durch ſein Fleiſch, welches von Jedermann als wohlſchmeckend gerühmt wird. Jn Jtalien baut man den Spatzen zu Liebe Thürme aus Steinen, deren Wände eine Menge kleine Eingänge haben, welche zu Niſtkäſtchen führen. Dieſe unterſucht
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[159/0179]
Hausſperling.
tödtet, herauszuwerfen und kümmert ſich nicht im geringſten um das Klagen der Mutter. Bis in
die neueſte Zeit iſt behauptet worden, daß die Schwalbe für ſolche Unbill ſich räche und das Sperlings-
weibchen, während es brütet, im Neſte einmaure; die Angabe iſt aber leider nur als eine hübſche Fa-
bel zu betrachten; von einem Naturforſcher wenigſtens iſt die „Schwalbenrache‟ noch nicht beobachtet
worden.
Jn günſtigen Jahren findet man bereits im März das erſte Gelege im Neſte. Es pflegt aus 5
bis 6, ausnahmsweiſe auch wohl 7 bis 8 Eiern zu beſtehen, welche zart und glattſchalig, aber wenig
glänzend und auf bläulich oder röthlichweißem Grunde braun und aſchgrau gefleckt, beſpritzt und ge-
punktet ſind, in der Zeichnung aber ſehr abweichen. Beide Gatten brüten wechſelweiſe und zeitigen
die Brut in dreizehn bis vierzehn Tagen; die ausgeſchlüpften Jungen füttern ſie zuerſt mit zarten
Kerbthieren, ſpäter mit ſolchen und vorher im Kropf aufgequellten Körnern und endlich haupt-
ſächlich mit Getreide und andern Sämereien, auch wohl mit Früchten.
Bereits acht Tage nach dem Ausfliegen der Jungen treffen die Alten zur zweiten Brut Anſtalt,
richten das erſte Neſt einigermaßen wieder her, und im Verlauf von vierzehn Tagen hat das Weibchen
wieder Eier. So geht es den ganzen Sommer hindurch fort bis in den September hinein.
Beide Eltern lieben ihre Brut ganz ungemein und vergeſſen deshalb ſelbſt die ihnen ſonſt eigene
Vorſicht. Wird einer der Gatten getödtet, ſo ſtrengt ſich das andere umſomehr an, um die hungrige
Schar zu ernähren. Ein Beiſpiel der Elternliebe der Sperlinge führt Selby an. Er beobachtete,
daß ein Spatzenpärchen bis in den Winter Futter ins Neſt trug, unterſuchte dieſes endlich und fand
in ihm ein Junges, um deſſen Fuß ſich ein Faden gewickelt hatte, ſo daß es das Neſt nicht hatte ver-
laſſen können!
Die meiſten Leute ſind geneigt, den Sperling als einen überwiegend ſchädlichen Vogel anzuſehen.
Jn der That läßt ſich nicht verkennen, daß er ſich vorzugsweiſe von Sämereien, namentlich Getreide
ernährt und deshalb zuweilen recht läſtig werden kann. Auch durch ſeine Diebſtähle an Obſt man-
cherlei Art wird er verhaßt, und da, wo er maſſenhaft auftritt, macht ſich ſeine Verfolgung oft nöthig.
Dagegen nützt er durch Aufzehren der ſchädlichen Kerbthiere unzweifelhaft mehr, als er ſchadet. Er
macht ſich während des ganzen Sommers hochverdient um Obſtpflanzungen und Felder und ſchadet
nur während der Reife gewiſſer Fruchtarten: er muß alſo als überwiegend nützlicher Vogel betrachtet
werden. Für die Wahrheit dieſer Behauptung haben wir mehr als einen Beweis. Friedrich der
Große gab einmal, geärgert durch die Sperlinge, den Befehl, dieſe Vögel überall wegzufangen
und todtzuſchießen und ſetzte für jeden getödteten Spatz eine Belohnung von 6 Pfennigen aus.
Nunmehr zog Alles zur Sperlingsjagd aus, und der Staat bezahlte in wenigen Jahren Tauſende
von Thalern als Auslöſung für die eingelieferten Korndiebe. Aber die Folge zeigte ſich bald. Auf
den Obſtbäumen, welche früher von den Sperlingen gebrandſchatzt worden waren, nahmen die
Raupen und andere Kerbthiere in ſolcher Menge überhand, daß ſie nicht blos ohne Früchte, ſondern
bald auch ohne Blätter daſtanden. „Da zog der große König‟, ſagt unſer Berichterſtatter, „weis-
lich ſeine Hand von dem Rade des Schöpfungswerkes zurück, in welches er eingreifen zu müſſen
geglaubt hatte. Er widerrief ſeinen Befehl und war noch obendrein genöthigt, Sperlinge von weither
wieder herbeiſchaffen zu laſſen, und dieſe Eingewanderten wurden nun ſorgfältig geſchont.‟ Nach
Auſtralien hat man die Sperlinge nur deshalb eingeführt, weil man hofft, daß ſie die Kerbthiere in
den Obſtpflanzungen vertilgen werden. Dieſe Angabe ſpricht gewiß mehr, als weitläufige Auseinan-
derſetzungen für den Nutzen der Sperlinge. Man muß bei Berechnung ihres Nutzens und ihres
Schadens nur immer feſthalten, daß ſie ſtetig und unmerklich das ganze Jahr hindurch ſich nützlich
machen, empfindlich ſchädlich aber nur zu gewiſſen Zeiten werden.
Uebrigens nützt uns der Sperling auch unmittelbar durch ſein Fleiſch, welches von Jedermann
als wohlſchmeckend gerühmt wird. Jn Jtalien baut man den Spatzen zu Liebe Thürme aus Steinen,
deren Wände eine Menge kleine Eingänge haben, welche zu Niſtkäſtchen führen. Dieſe unterſucht
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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