betreffenden Vögel lebend zu beobachten, machte jene Ansicht zu der seinigen, und Gloger, einer der letzten Naturphilosophen, suchte sich die Sache so einfach als möglich zu erklären.
"Das männliche Geschlecht", sagt er, "erleidet durch einen außerordentlich starken Einfluß des Klimas und durch das Alter, oft durch Wirkung beider zugleich, mehrfache und große Farbenverände- rungen. Dieselben entstehen, indem sich das an den Seiten des Kopfes befindliche Rothbraun weiter nach der Mitte zu ausbreitet, das hübsche Rothbraun des Rückens hingegen verbleicht, indem dann ferner das beigemischte oder tiefer am Federgrund sitzende Schwarz sich höher hebt oder sich wei- ter ausdehnt, unterhalb sowohl wie oberhalb, und indem auch das an den weißen Kopf- und Halsseiten oben aufsitzende Trübe sich verliert."
"So erscheinen in südlichen Erdstrichen von der Provence und vorzüglich von Oberitalien an die nicht mehr jungen männlichen Sperlinge zwar auf dem Rücken den unserigen noch ziemlich gleich, auf dem Kopfe aber meist ganz rothbraun ohne grau, und nur noch kurz nach der Mauser mit hellbräun- lichen Spitzen. Auch hat die schwarze Kehlfarbe gewöhnlich einen größeren Umfang und ist dabei nicht selten noch stark braunroth übertüncht. Jm wärmeren Sibirien, in Buchara, in Sirien, auf Java, in Egypten und Nubien u. s. w., sehr häufig auch schon auf den Mittelmeerinseln, namentlich auf Sardinien, weniger oft dagegen in Spanien wird bei recht alten Männchen der Rücken schwarz mit rostweißlichen, gegen die Mauser fast verschwindenden Kanten. Von den Untertheilen erscheinen dann nicht blos die Kehle, sondern selbst die Brustseiten tiefschwarz, die letzteren mit weißlichen, nicht verschwimmenden Rändern. Die Bauchseiten sehen weißlich aus mit äußerst breiten, sehr sichtbaren schwarzen Flecken. Der sonst sehr feine weiße Streif über dem Auge und den Zügeln tritt dabei gewöhnlich etwas deutlicher hervor."
"Die größtentheils ganz anders, als die Männchen, gefärbten Weibchen scheinen fast allen Ein- wirkungen dieser Art enthoben, nur daß der stärkere Sonnenschein südlicher Landstriche ihre Farben mehr auszieht."
"Es steht hierbei als unumstößliche Gewißheit fest, daß nicht allein bei uns manche recht alte Männchen den in Jtalien vorkommenden Sperlingen vollkommen gleich werden, sondern daß auch gerade umgekehrt wieder in Jtalien selbst, ja sogar in Egypten, Nubien und Beugalen noch eine Menge dieser Sperlinge ganz so wie unsere gewöhnlichen aussehen und letzteren durchgängig völlig gleichen; daß also alle nur denkbaren Uebergänge und Kreuzungen vorhanden sind, beweist, wie häufig auch bei diesen Vogelarten neben dem Einfluß des Alters noch ein individuelles Hinneigen stattfinden mag, welches den klimatischen Einfluß bald schwächt oder seine Wirksamkeit verzögert, bald sie be- günstigt und fördert."
"Noch hat kein einziger gründlicher Beobachter auch nur die geringste wahre, gänzliche Ab- weichung in Lebensweife, Stimme u. s. w. angeben können, und da, wo es beide Abänderungen gibt, den sogenannten italienischen und den gewöhnlichen, da leben und streichen beide unter einander, locken einander und zeigen sich mit einem Worte in Allem deutlich als gleichartig."
"Uebrigens sind natürlich den geschichtlichen Angaben über die Verbreitung des Haussperlings gemäß die bei uns lebenden eigentlich als die nördliche Abänderung zu betrachten, die südlichen da- gegen als der Urstamm."
Die Zeiten, in welchen die Naturgeschichte des Thierreichs in der angegebenen Weise behandelt wurde, sind vorüber. Wir begnügen uns gegenwärtig, wirkliche Thatsachen zu geben und hüten uns vor allen und jeden Behauptungen, deren Wahrheit wir nicht beweisen können. Jch habe mit aller Absicht Gloger's Auslassung hier angeführt, weil noch heutigen Tags viele Naturforscher in Thieren, welche irgend einem andern ähnlich sehen, nur klimatische Abänderungen des letzteren erkennen wollen. Hinsichtlich der Haussperlinge ist nur das Eine gewiß, daß in allen südlichen Ländern sehr nahe ver- wandte Arten vorkommen, welche in der Lebensweise keine oder wenigstens unmerkliche Unterschiede zeigen, gleichwohl aber durch irgend welche Merkmale von den unserigen ständig abweichen.
Brehm, Thierleben. III. 11
Hausſperling.
betreffenden Vögel lebend zu beobachten, machte jene Anſicht zu der ſeinigen, und Gloger, einer der letzten Naturphiloſophen, ſuchte ſich die Sache ſo einfach als möglich zu erklären.
„Das männliche Geſchlecht‟, ſagt er, „erleidet durch einen außerordentlich ſtarken Einfluß des Klimas und durch das Alter, oft durch Wirkung beider zugleich, mehrfache und große Farbenverände- rungen. Dieſelben entſtehen, indem ſich das an den Seiten des Kopfes befindliche Rothbraun weiter nach der Mitte zu ausbreitet, das hübſche Rothbraun des Rückens hingegen verbleicht, indem dann ferner das beigemiſchte oder tiefer am Federgrund ſitzende Schwarz ſich höher hebt oder ſich wei- ter ausdehnt, unterhalb ſowohl wie oberhalb, und indem auch das an den weißen Kopf- und Halsſeiten oben aufſitzende Trübe ſich verliert.‟
„So erſcheinen in ſüdlichen Erdſtrichen von der Provence und vorzüglich von Oberitalien an die nicht mehr jungen männlichen Sperlinge zwar auf dem Rücken den unſerigen noch ziemlich gleich, auf dem Kopfe aber meiſt ganz rothbraun ohne grau, und nur noch kurz nach der Mauſer mit hellbräun- lichen Spitzen. Auch hat die ſchwarze Kehlfarbe gewöhnlich einen größeren Umfang und iſt dabei nicht ſelten noch ſtark braunroth übertüncht. Jm wärmeren Sibirien, in Buchara, in Sirien, auf Java, in Egypten und Nubien u. ſ. w., ſehr häufig auch ſchon auf den Mittelmeerinſeln, namentlich auf Sardinien, weniger oft dagegen in Spanien wird bei recht alten Männchen der Rücken ſchwarz mit roſtweißlichen, gegen die Mauſer faſt verſchwindenden Kanten. Von den Untertheilen erſcheinen dann nicht blos die Kehle, ſondern ſelbſt die Bruſtſeiten tiefſchwarz, die letzteren mit weißlichen, nicht verſchwimmenden Rändern. Die Bauchſeiten ſehen weißlich aus mit äußerſt breiten, ſehr ſichtbaren ſchwarzen Flecken. Der ſonſt ſehr feine weiße Streif über dem Auge und den Zügeln tritt dabei gewöhnlich etwas deutlicher hervor.‟
„Die größtentheils ganz anders, als die Männchen, gefärbten Weibchen ſcheinen faſt allen Ein- wirkungen dieſer Art enthoben, nur daß der ſtärkere Sonnenſchein ſüdlicher Landſtriche ihre Farben mehr auszieht.‟
„Es ſteht hierbei als unumſtößliche Gewißheit feſt, daß nicht allein bei uns manche recht alte Männchen den in Jtalien vorkommenden Sperlingen vollkommen gleich werden, ſondern daß auch gerade umgekehrt wieder in Jtalien ſelbſt, ja ſogar in Egypten, Nubien und Beugalen noch eine Menge dieſer Sperlinge ganz ſo wie unſere gewöhnlichen ausſehen und letzteren durchgängig völlig gleichen; daß alſo alle nur denkbaren Uebergänge und Kreuzungen vorhanden ſind, beweiſt, wie häufig auch bei dieſen Vogelarten neben dem Einfluß des Alters noch ein individuelles Hinneigen ſtattfinden mag, welches den klimatiſchen Einfluß bald ſchwächt oder ſeine Wirkſamkeit verzögert, bald ſie be- günſtigt und fördert.‟
„Noch hat kein einziger gründlicher Beobachter auch nur die geringſte wahre, gänzliche Ab- weichung in Lebensweife, Stimme u. ſ. w. angeben können, und da, wo es beide Abänderungen gibt, den ſogenannten italieniſchen und den gewöhnlichen, da leben und ſtreichen beide unter einander, locken einander und zeigen ſich mit einem Worte in Allem deutlich als gleichartig.‟
„Uebrigens ſind natürlich den geſchichtlichen Angaben über die Verbreitung des Hausſperlings gemäß die bei uns lebenden eigentlich als die nördliche Abänderung zu betrachten, die ſüdlichen da- gegen als der Urſtamm.‟
Die Zeiten, in welchen die Naturgeſchichte des Thierreichs in der angegebenen Weiſe behandelt wurde, ſind vorüber. Wir begnügen uns gegenwärtig, wirkliche Thatſachen zu geben und hüten uns vor allen und jeden Behauptungen, deren Wahrheit wir nicht beweiſen können. Jch habe mit aller Abſicht Gloger’s Auslaſſung hier angeführt, weil noch heutigen Tags viele Naturforſcher in Thieren, welche irgend einem andern ähnlich ſehen, nur klimatiſche Abänderungen des letzteren erkennen wollen. Hinſichtlich der Hausſperlinge iſt nur das Eine gewiß, daß in allen ſüdlichen Ländern ſehr nahe ver- wandte Arten vorkommen, welche in der Lebensweiſe keine oder wenigſtens unmerkliche Unterſchiede zeigen, gleichwohl aber durch irgend welche Merkmale von den unſerigen ſtändig abweichen.
Brehm, Thierleben. III. 11
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Hausſperling.
betreffenden Vögel lebend zu beobachten, machte jene Anſicht zu der ſeinigen, und Gloger, einer der
letzten Naturphiloſophen, ſuchte ſich die Sache ſo einfach als möglich zu erklären.
„Das männliche Geſchlecht‟, ſagt er, „erleidet durch einen außerordentlich ſtarken Einfluß des
Klimas und durch das Alter, oft durch Wirkung beider zugleich, mehrfache und große Farbenverände-
rungen. Dieſelben entſtehen, indem ſich das an den Seiten des Kopfes befindliche Rothbraun
weiter nach der Mitte zu ausbreitet, das hübſche Rothbraun des Rückens hingegen verbleicht, indem
dann ferner das beigemiſchte oder tiefer am Federgrund ſitzende Schwarz ſich höher hebt oder ſich wei-
ter ausdehnt, unterhalb ſowohl wie oberhalb, und indem auch das an den weißen Kopf- und Halsſeiten
oben aufſitzende Trübe ſich verliert.‟
„So erſcheinen in ſüdlichen Erdſtrichen von der Provence und vorzüglich von Oberitalien an die
nicht mehr jungen männlichen Sperlinge zwar auf dem Rücken den unſerigen noch ziemlich gleich, auf
dem Kopfe aber meiſt ganz rothbraun ohne grau, und nur noch kurz nach der Mauſer mit hellbräun-
lichen Spitzen. Auch hat die ſchwarze Kehlfarbe gewöhnlich einen größeren Umfang und iſt dabei
nicht ſelten noch ſtark braunroth übertüncht. Jm wärmeren Sibirien, in Buchara, in Sirien, auf
Java, in Egypten und Nubien u. ſ. w., ſehr häufig auch ſchon auf den Mittelmeerinſeln, namentlich
auf Sardinien, weniger oft dagegen in Spanien wird bei recht alten Männchen der Rücken ſchwarz
mit roſtweißlichen, gegen die Mauſer faſt verſchwindenden Kanten. Von den Untertheilen erſcheinen
dann nicht blos die Kehle, ſondern ſelbſt die Bruſtſeiten tiefſchwarz, die letzteren mit weißlichen, nicht
verſchwimmenden Rändern. Die Bauchſeiten ſehen weißlich aus mit äußerſt breiten, ſehr ſichtbaren
ſchwarzen Flecken. Der ſonſt ſehr feine weiße Streif über dem Auge und den Zügeln tritt dabei
gewöhnlich etwas deutlicher hervor.‟
„Die größtentheils ganz anders, als die Männchen, gefärbten Weibchen ſcheinen faſt allen Ein-
wirkungen dieſer Art enthoben, nur daß der ſtärkere Sonnenſchein ſüdlicher Landſtriche ihre Farben
mehr auszieht.‟
„Es ſteht hierbei als unumſtößliche Gewißheit feſt, daß nicht allein bei uns manche recht alte
Männchen den in Jtalien vorkommenden Sperlingen vollkommen gleich werden, ſondern daß auch
gerade umgekehrt wieder in Jtalien ſelbſt, ja ſogar in Egypten, Nubien und Beugalen noch eine
Menge dieſer Sperlinge ganz ſo wie unſere gewöhnlichen ausſehen und letzteren durchgängig völlig
gleichen; daß alſo alle nur denkbaren Uebergänge und Kreuzungen vorhanden ſind, beweiſt, wie häufig
auch bei dieſen Vogelarten neben dem Einfluß des Alters noch ein individuelles Hinneigen ſtattfinden
mag, welches den klimatiſchen Einfluß bald ſchwächt oder ſeine Wirkſamkeit verzögert, bald ſie be-
günſtigt und fördert.‟
„Noch hat kein einziger gründlicher Beobachter auch nur die geringſte wahre, gänzliche Ab-
weichung in Lebensweife, Stimme u. ſ. w. angeben können, und da, wo es beide Abänderungen gibt,
den ſogenannten italieniſchen und den gewöhnlichen, da leben und ſtreichen beide unter einander, locken
einander und zeigen ſich mit einem Worte in Allem deutlich als gleichartig.‟
„Uebrigens ſind natürlich den geſchichtlichen Angaben über die Verbreitung des Hausſperlings
gemäß die bei uns lebenden eigentlich als die nördliche Abänderung zu betrachten, die ſüdlichen da-
gegen als der Urſtamm.‟
Die Zeiten, in welchen die Naturgeſchichte des Thierreichs in der angegebenen Weiſe behandelt
wurde, ſind vorüber. Wir begnügen uns gegenwärtig, wirkliche Thatſachen zu geben und hüten uns
vor allen und jeden Behauptungen, deren Wahrheit wir nicht beweiſen können. Jch habe mit aller
Abſicht Gloger’s Auslaſſung hier angeführt, weil noch heutigen Tags viele Naturforſcher in Thieren,
welche irgend einem andern ähnlich ſehen, nur klimatiſche Abänderungen des letzteren erkennen wollen.
Hinſichtlich der Hausſperlinge iſt nur das Eine gewiß, daß in allen ſüdlichen Ländern ſehr nahe ver-
wandte Arten vorkommen, welche in der Lebensweiſe keine oder wenigſtens unmerkliche Unterſchiede
zeigen, gleichwohl aber durch irgend welche Merkmale von den unſerigen ſtändig abweichen.
Brehm, Thierleben. III. 11
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/181>, abgerufen am 21.11.2024.
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