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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Heimat. Verbreitung. Aufenthalt. Lebensweise.
Vögel." -- "Man muß in diesen Ländern, besonders in den heißen Thälern der Anden gelebt haben",
bemerkt Humboldt, "um es für möglich zu halten, daß zuweilen das Geschrei dieser Vögel das
Brausen der Bergströme, welche von Fels zu Fels stürzen, übertönt." Was wäre einer jener wun-
derbaren Wälder unter den Wendekreisen ohne sie? Der todte Garten eines Zauberers, ein Gefilde
des Schweigens, der Oede. Sie sind es, welche das Leben wachrufen und wachhalten, sie sind es,
welche Auge und Ohr in gleicher Weise zu beschäftigen wissen.

Außer der Brutzeit leben die Papageien in Gesellschaften oder in oft äußerst zahlreichen
Scharen. Sie erwählen sich einen Ort des Waldes zur Siedelung und durchstreichen von ihm
aus tagtäglich ein großes Gebiet. Die Gesellschaften halten treuinnig zusammen und theilen
gemeinsam Freude und Leid. Sie verlassen gleichzeitig am frühen Morgen ihren Schlafplatz, fallen
auf ein und demselben Baume oder Felde ein, um sich von den Früchten derselben zu nähren,
stellen Wachen aus, welche für das Wohl der Gesammtheit sorgen müssen, achten genau auf deren
Warnungen, ergreifen alle zusammen oder wenigstens kurz nach einander die Flucht, stehen sich
bei Gefahr treulich bei und suchen sich gegenseitig nach Kräften zu helfen, kommen zusammen auf
ein und demselben Schlafplatze an, benutzen ihn so viel als möglich gemeinschaftlich; sie brüten
auch, falls es irgendwie angeht, in Gesellschaft.

"Schon bei dem ersten Schimmer der heiteren tropischen Morgensonne", erzählt uns der
Prinz, "erheben sie sich von ihrem nächtlichen Standorte, trocknen die vom Thau der Nacht
stark benetzten Flügel, üben sie, scherzend und laut rufend, manchfaltige Schwenkungen über
dem hohen Walde beschreibend, und ziehen dann schnell dahin, ihrer Nahrung nach. Am Abend
kehren sie unfehlbar auf ihren Stand zurück." Auch Tschudi beobachtete in Peru die täglichen
Wanderungen der Papageien. Eine der dort lebenden Arten wird wegen der Regelmäßigkeit,
mit welcher sie täglich vom Gebirge herabkommt und dahin wieder zurückkehrt, vom Landvolke der
"Tagarbeiter" genannt.

Le Vaillant fand, daß der im südöstlichen Afrika wohnende Papagei in kleinen Scharen
nach Nahrung ausflog, gegen Mittag badete, während der glühenden Sonnenhitze im Schatten des
Laubes sich verbarg, gegen Abend nochmals sich zerstreute, abends oft wiederum badete und dann
derselben Nachtherberge zuflog, von welcher er am Morgen ausgezogen war.

Der Schlafplatz selbst ist verschieden. Er kann eine dichte Baumkrone, eine durchlöcherte
Felsenwand, eine Baumhöhle sein. Letztere scheint besonders bevorzugt zu werden. "Jhr Schlaf-
platz", sagt Audubon von dem nordamerikanischen Perekitt, "ist ein hohler Baum, oder die
von den größeren Spechtarten ausgemeiselten Nistlöcher, falls diese nicht von den rechtmäßigen
Eigenthümern selbst bewohnt sind. Jn der Dämmerung kann man starke Flüge der Papageien
um alte hohle Sikomoren oder ähnliche Bäume sich versammeln sehen. Unmittelbar vor der Höh-
lung hängen sich die Vögel an die Rinde, und einer nach dem andern schlüpft ins Jnnere, um hier die
Nacht zu verbringen. Wenn solch eine Höhle für die Menge nicht ausreicht, hängen sich die übri-
gen mit Klau und Oberschnabel vor dem Eingang an die Rinde an. Es sieht dann aus, als ob
der Schnabel allein die Last des Leibes tragen müßte; ich habe mich aber zu meiner Beruhigung mit
Hilfe des Fernglases vom Gegentheil überzeugen können." -- Auch ich habe in den Urwäldern am
blauen Strome die Papageien in der Dämmerung wiederholt in Höhlen einschlüpfen sehen und andere
so regelmäßig auf den vielfach durchlöcherten Adansonien beobachtet, daß mir eine derartige Nacht-
herberge nach Art der Spechte wohl glaublich erscheint. Jn Jndien schläft der Halsbandsittich, wie
uns Layard mittheilt, in Bambusdickichten. "Alle Papageien, Bienenfresser, Grakeln,
Krähen
der Umgegend, einige Meilen in die Runde, nächtigen gesellschaftlich in größeren Bam-
busbeständen, und das dumpfe Geräusch, welches man vernimmt, von Sonnenuntergang an, bis es
dunkel, und vom ersten Grauen im Osten bis lang nach Sonnenaufgang, kommt dem Beobachter vor,
als ob eine große Anzahl von Dampfmaschinen in Gang wäre. Viele von den Schwärmen kehren
erst spät abends von ihren Ausflügen zurück und fliegen dabei so niedrig über dem Boden dahin, daß

Heimat. Verbreitung. Aufenthalt. Lebensweiſe.
Vögel.‟ — „Man muß in dieſen Ländern, beſonders in den heißen Thälern der Anden gelebt haben‟,
bemerkt Humboldt, „um es für möglich zu halten, daß zuweilen das Geſchrei dieſer Vögel das
Brauſen der Bergſtröme, welche von Fels zu Fels ſtürzen, übertönt.‟ Was wäre einer jener wun-
derbaren Wälder unter den Wendekreiſen ohne ſie? Der todte Garten eines Zauberers, ein Gefilde
des Schweigens, der Oede. Sie ſind es, welche das Leben wachrufen und wachhalten, ſie ſind es,
welche Auge und Ohr in gleicher Weiſe zu beſchäftigen wiſſen.

Außer der Brutzeit leben die Papageien in Geſellſchaften oder in oft äußerſt zahlreichen
Scharen. Sie erwählen ſich einen Ort des Waldes zur Siedelung und durchſtreichen von ihm
aus tagtäglich ein großes Gebiet. Die Geſellſchaften halten treuinnig zuſammen und theilen
gemeinſam Freude und Leid. Sie verlaſſen gleichzeitig am frühen Morgen ihren Schlafplatz, fallen
auf ein und demſelben Baume oder Felde ein, um ſich von den Früchten derſelben zu nähren,
ſtellen Wachen aus, welche für das Wohl der Geſammtheit ſorgen müſſen, achten genau auf deren
Warnungen, ergreifen alle zuſammen oder wenigſtens kurz nach einander die Flucht, ſtehen ſich
bei Gefahr treulich bei und ſuchen ſich gegenſeitig nach Kräften zu helfen, kommen zuſammen auf
ein und demſelben Schlafplatze an, benutzen ihn ſo viel als möglich gemeinſchaftlich; ſie brüten
auch, falls es irgendwie angeht, in Geſellſchaft.

„Schon bei dem erſten Schimmer der heiteren tropiſchen Morgenſonne‟, erzählt uns der
Prinz, „erheben ſie ſich von ihrem nächtlichen Standorte, trocknen die vom Thau der Nacht
ſtark benetzten Flügel, üben ſie, ſcherzend und laut rufend, manchfaltige Schwenkungen über
dem hohen Walde beſchreibend, und ziehen dann ſchnell dahin, ihrer Nahrung nach. Am Abend
kehren ſie unfehlbar auf ihren Stand zurück.‟ Auch Tſchudi beobachtete in Peru die täglichen
Wanderungen der Papageien. Eine der dort lebenden Arten wird wegen der Regelmäßigkeit,
mit welcher ſie täglich vom Gebirge herabkommt und dahin wieder zurückkehrt, vom Landvolke der
„Tagarbeiter‟ genannt.

Le Vaillant fand, daß der im ſüdöſtlichen Afrika wohnende Papagei in kleinen Scharen
nach Nahrung ausflog, gegen Mittag badete, während der glühenden Sonnenhitze im Schatten des
Laubes ſich verbarg, gegen Abend nochmals ſich zerſtreute, abends oft wiederum badete und dann
derſelben Nachtherberge zuflog, von welcher er am Morgen ausgezogen war.

Der Schlafplatz ſelbſt iſt verſchieden. Er kann eine dichte Baumkrone, eine durchlöcherte
Felſenwand, eine Baumhöhle ſein. Letztere ſcheint beſonders bevorzugt zu werden. „Jhr Schlaf-
platz‟, ſagt Audubon von dem nordamerikaniſchen Perekitt, „iſt ein hohler Baum, oder die
von den größeren Spechtarten ausgemeiſelten Niſtlöcher, falls dieſe nicht von den rechtmäßigen
Eigenthümern ſelbſt bewohnt ſind. Jn der Dämmerung kann man ſtarke Flüge der Papageien
um alte hohle Sikomoren oder ähnliche Bäume ſich verſammeln ſehen. Unmittelbar vor der Höh-
lung hängen ſich die Vögel an die Rinde, und einer nach dem andern ſchlüpft ins Jnnere, um hier die
Nacht zu verbringen. Wenn ſolch eine Höhle für die Menge nicht ausreicht, hängen ſich die übri-
gen mit Klau und Oberſchnabel vor dem Eingang an die Rinde an. Es ſieht dann aus, als ob
der Schnabel allein die Laſt des Leibes tragen müßte; ich habe mich aber zu meiner Beruhigung mit
Hilfe des Fernglaſes vom Gegentheil überzeugen können.‟ — Auch ich habe in den Urwäldern am
blauen Strome die Papageien in der Dämmerung wiederholt in Höhlen einſchlüpfen ſehen und andere
ſo regelmäßig auf den vielfach durchlöcherten Adanſonien beobachtet, daß mir eine derartige Nacht-
herberge nach Art der Spechte wohl glaublich erſcheint. Jn Jndien ſchläft der Halsbandſittich, wie
uns Layard mittheilt, in Bambusdickichten. „Alle Papageien, Bienenfreſſer, Grakeln,
Krähen
der Umgegend, einige Meilen in die Runde, nächtigen geſellſchaftlich in größeren Bam-
busbeſtänden, und das dumpfe Geräuſch, welches man vernimmt, von Sonnenuntergang an, bis es
dunkel, und vom erſten Grauen im Oſten bis lang nach Sonnenaufgang, kommt dem Beobachter vor,
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[9/0021] Heimat. Verbreitung. Aufenthalt. Lebensweiſe. Vögel.‟ — „Man muß in dieſen Ländern, beſonders in den heißen Thälern der Anden gelebt haben‟, bemerkt Humboldt, „um es für möglich zu halten, daß zuweilen das Geſchrei dieſer Vögel das Brauſen der Bergſtröme, welche von Fels zu Fels ſtürzen, übertönt.‟ Was wäre einer jener wun- derbaren Wälder unter den Wendekreiſen ohne ſie? Der todte Garten eines Zauberers, ein Gefilde des Schweigens, der Oede. Sie ſind es, welche das Leben wachrufen und wachhalten, ſie ſind es, welche Auge und Ohr in gleicher Weiſe zu beſchäftigen wiſſen. Außer der Brutzeit leben die Papageien in Geſellſchaften oder in oft äußerſt zahlreichen Scharen. Sie erwählen ſich einen Ort des Waldes zur Siedelung und durchſtreichen von ihm aus tagtäglich ein großes Gebiet. Die Geſellſchaften halten treuinnig zuſammen und theilen gemeinſam Freude und Leid. Sie verlaſſen gleichzeitig am frühen Morgen ihren Schlafplatz, fallen auf ein und demſelben Baume oder Felde ein, um ſich von den Früchten derſelben zu nähren, ſtellen Wachen aus, welche für das Wohl der Geſammtheit ſorgen müſſen, achten genau auf deren Warnungen, ergreifen alle zuſammen oder wenigſtens kurz nach einander die Flucht, ſtehen ſich bei Gefahr treulich bei und ſuchen ſich gegenſeitig nach Kräften zu helfen, kommen zuſammen auf ein und demſelben Schlafplatze an, benutzen ihn ſo viel als möglich gemeinſchaftlich; ſie brüten auch, falls es irgendwie angeht, in Geſellſchaft. „Schon bei dem erſten Schimmer der heiteren tropiſchen Morgenſonne‟, erzählt uns der Prinz, „erheben ſie ſich von ihrem nächtlichen Standorte, trocknen die vom Thau der Nacht ſtark benetzten Flügel, üben ſie, ſcherzend und laut rufend, manchfaltige Schwenkungen über dem hohen Walde beſchreibend, und ziehen dann ſchnell dahin, ihrer Nahrung nach. Am Abend kehren ſie unfehlbar auf ihren Stand zurück.‟ Auch Tſchudi beobachtete in Peru die täglichen Wanderungen der Papageien. Eine der dort lebenden Arten wird wegen der Regelmäßigkeit, mit welcher ſie täglich vom Gebirge herabkommt und dahin wieder zurückkehrt, vom Landvolke der „Tagarbeiter‟ genannt. Le Vaillant fand, daß der im ſüdöſtlichen Afrika wohnende Papagei in kleinen Scharen nach Nahrung ausflog, gegen Mittag badete, während der glühenden Sonnenhitze im Schatten des Laubes ſich verbarg, gegen Abend nochmals ſich zerſtreute, abends oft wiederum badete und dann derſelben Nachtherberge zuflog, von welcher er am Morgen ausgezogen war. Der Schlafplatz ſelbſt iſt verſchieden. Er kann eine dichte Baumkrone, eine durchlöcherte Felſenwand, eine Baumhöhle ſein. Letztere ſcheint beſonders bevorzugt zu werden. „Jhr Schlaf- platz‟, ſagt Audubon von dem nordamerikaniſchen Perekitt, „iſt ein hohler Baum, oder die von den größeren Spechtarten ausgemeiſelten Niſtlöcher, falls dieſe nicht von den rechtmäßigen Eigenthümern ſelbſt bewohnt ſind. Jn der Dämmerung kann man ſtarke Flüge der Papageien um alte hohle Sikomoren oder ähnliche Bäume ſich verſammeln ſehen. Unmittelbar vor der Höh- lung hängen ſich die Vögel an die Rinde, und einer nach dem andern ſchlüpft ins Jnnere, um hier die Nacht zu verbringen. Wenn ſolch eine Höhle für die Menge nicht ausreicht, hängen ſich die übri- gen mit Klau und Oberſchnabel vor dem Eingang an die Rinde an. Es ſieht dann aus, als ob der Schnabel allein die Laſt des Leibes tragen müßte; ich habe mich aber zu meiner Beruhigung mit Hilfe des Fernglaſes vom Gegentheil überzeugen können.‟ — Auch ich habe in den Urwäldern am blauen Strome die Papageien in der Dämmerung wiederholt in Höhlen einſchlüpfen ſehen und andere ſo regelmäßig auf den vielfach durchlöcherten Adanſonien beobachtet, daß mir eine derartige Nacht- herberge nach Art der Spechte wohl glaublich erſcheint. Jn Jndien ſchläft der Halsbandſittich, wie uns Layard mittheilt, in Bambusdickichten. „Alle Papageien, Bienenfreſſer, Grakeln, Krähen der Umgegend, einige Meilen in die Runde, nächtigen geſellſchaftlich in größeren Bam- busbeſtänden, und das dumpfe Geräuſch, welches man vernimmt, von Sonnenuntergang an, bis es dunkel, und vom erſten Grauen im Oſten bis lang nach Sonnenaufgang, kommt dem Beobachter vor, als ob eine große Anzahl von Dampfmaſchinen in Gang wäre. Viele von den Schwärmen kehren erſt ſpät abends von ihren Ausflügen zurück und fliegen dabei ſo niedrig über dem Boden dahin, daß

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/21>, abgerufen am 23.11.2024.