ist. "Jch fand einst", so schreibt der genannte Beobachter an White, "in der Nähe der Korallen- bucht bei Port-Essington einen großen Flug dieser Vögel, welche Sämereien am Grunde suchten und bei Gefahr auf den Gummibäumen Zuflucht nahmen. Nicht zwei von ihnen trugen das ausgefärbte Kleid; die große Mehrzahl waren unausgefiederte Vögel. Einige, welche rothköpfig waren, zeigten unter den rothen, schwarze Federn, und schwarzköpfige hier und da rothe: kurz die beiden sogenannten Arten waren unter einander gemischt und sicher gleichartig."
Nach den Berichten, welche uns im allgemeinen über das Leben der australischen Finken geworden sind, ergibt sich, daß dieselben in ihrem Wesen und Treiben von ihren Verwandten sich nicht unter- scheiden. Bezeichnend für ihr Treiben dürfte sein, daß sie sich hauptsächlich zwischen den hohen Schilf- gräsern aufhalten, welche die Ebene bedecken oder in den Rohrwäldern finden, welche die Flußbetten umsäumen. Hier lesen sie sich die verschiedenen Samen der betreffenden Pflanzen theils vom Boden auf, theils klauben sie sich dieselben aus den Aehren heraus, welche sie emporkletternd an den Stengeln erreichen. Viele Arten sollen, wie schon bemerkt, hinsichtlich dieser Fertigkeit mit den Meisen wett- eifern. Man trifft auch sie in Flügen zusammen; doch scheint es, als ob sie nicht so gesellig wären, als andere Verwandte. Die Nähe der menschlichen Behausungen meiden sie nicht; sie kommen viel- mehr vertrauensvoll in die Gärten herein und sind selbst in den Städten gewöhnliche Erscheinungen. Viele Arten streichen im Lande auf und nieder, bald innerhalb kleinerer, bald innerhalb größerer Ge- biete. So wurde der im Jahre 1833 entdeckte bewunderungswürdige Spelzfink erst im Jahre 1845 auf der Halbinsel Koburg wieder bemerkt; er erschien dieses Mal in zahlreichen Schwärmen, verweilte aber nur wenige Wochen daselbst.
Die Nester werden sehr verschieden beschrieben. Einige stehen im Schilf und ähneln denen der Beutelmeisen, andere finden sich auf Bäumen und einzeln in den Horsten größerer Raubvögel. Gould war nicht wenig erstaunt, zu sehen, daß beide Vögel in so nahe Nachbarschaft kommen und ihre Brut neben einander in aller Eintracht erziehen. "Am 3. Oktober", sagt er, "fand ich das Nest eines Tropfenfinken unter und innerhalb des Reißholzes am Horste eines Pfeiladlers (Halia- stur sphenurus), in welchem das Adlerweibchen brütete. Mein schwarzer Begleiter, Natti, stieg auf den Baum einer hohen Kasuarina und brachte die Eier beider Vögel herab. Der kleine Fink saß auf einem dünnen Zweiglein, dicht bei seinem räuberischen und dennoch ihm freundlichen Nachbar."
Seit einigen Jahren sind viele australische Finken lebend nach Europa gekommen, und gegen- wärtig bringt jedes Schiff fast eine Ladung der niedlichen Thierchen mit. Neue Arten werden zuerst mit sehr hohen Preisen bezahlt, sehr bald jedoch pflegen diese auf die Hälfte oder das Viertheil der früheren herabzufallen; denn gewöhnlich bringt das nächste Schiff von der neuen Art eine Menge. So dürfen wir also mit aller Sicherheit hoffen, daß wir auch unsern "bewunderungswürdigen" Spelz- finken in nicht allzu langer Zeit lebend bei uns sehen werden. Er wird eine der größten Zierden unserer Vogelhäuser bilden.
Nur um auch einen asiatischen Vertreter der Familie aufzuführen, will ich noch mit wenigen Worten des allbekannten Reisvogels (Padda oryzivora) gedenken. Er ist eins der größten Mit- glieder der Familie und bildet mit wenigen ihm nahe verwandten Arten eine besondere Sippe. Der Schnabel ist groß und stark, mit seiner Firste rechtwinkelig in die Stirn tretend, vor dem Nasenloche mit einem Leistchen versehen, an den Schneiden fast gerade. Die beiden ersten Schwingen der ziemlich langen Flügel sind die längsten. Der kurze Schwanz ist abgerundet, seine einzelnen Federn sind breit. Das Kleid ist der Hauptfarbe nach grau oder braun, mit weißen Wangenflecken.
Unausgehülster Reis heißt in der chinesischen Sprache Padda; der Name des Vogels ist somit im Deutschen passend wiedergegeben. Er führt diesen Namen aber auch in allen übrigen Sprachen und schon seit den ältesten Zeiten. Jhn sieht man häufig auf alten chinesischen Malereien dargestellt,
Brehm, Thierleben. III. 14
Bewunderungswürdiger Spelzfink. Reisvogel.
iſt. „Jch fand einſt‟, ſo ſchreibt der genannte Beobachter an White, „in der Nähe der Korallen- bucht bei Port-Eſſington einen großen Flug dieſer Vögel, welche Sämereien am Grunde ſuchten und bei Gefahr auf den Gummibäumen Zuflucht nahmen. Nicht zwei von ihnen trugen das ausgefärbte Kleid; die große Mehrzahl waren unausgefiederte Vögel. Einige, welche rothköpfig waren, zeigten unter den rothen, ſchwarze Federn, und ſchwarzköpfige hier und da rothe: kurz die beiden ſogenannten Arten waren unter einander gemiſcht und ſicher gleichartig.‟
Nach den Berichten, welche uns im allgemeinen über das Leben der auſtraliſchen Finken geworden ſind, ergibt ſich, daß dieſelben in ihrem Weſen und Treiben von ihren Verwandten ſich nicht unter- ſcheiden. Bezeichnend für ihr Treiben dürfte ſein, daß ſie ſich hauptſächlich zwiſchen den hohen Schilf- gräſern aufhalten, welche die Ebene bedecken oder in den Rohrwäldern finden, welche die Flußbetten umſäumen. Hier leſen ſie ſich die verſchiedenen Samen der betreffenden Pflanzen theils vom Boden auf, theils klauben ſie ſich dieſelben aus den Aehren heraus, welche ſie emporkletternd an den Stengeln erreichen. Viele Arten ſollen, wie ſchon bemerkt, hinſichtlich dieſer Fertigkeit mit den Meiſen wett- eifern. Man trifft auch ſie in Flügen zuſammen; doch ſcheint es, als ob ſie nicht ſo geſellig wären, als andere Verwandte. Die Nähe der menſchlichen Behauſungen meiden ſie nicht; ſie kommen viel- mehr vertrauensvoll in die Gärten herein und ſind ſelbſt in den Städten gewöhnliche Erſcheinungen. Viele Arten ſtreichen im Lande auf und nieder, bald innerhalb kleinerer, bald innerhalb größerer Ge- biete. So wurde der im Jahre 1833 entdeckte bewunderungswürdige Spelzfink erſt im Jahre 1845 auf der Halbinſel Koburg wieder bemerkt; er erſchien dieſes Mal in zahlreichen Schwärmen, verweilte aber nur wenige Wochen daſelbſt.
Die Neſter werden ſehr verſchieden beſchrieben. Einige ſtehen im Schilf und ähneln denen der Beutelmeiſen, andere finden ſich auf Bäumen und einzeln in den Horſten größerer Raubvögel. Gould war nicht wenig erſtaunt, zu ſehen, daß beide Vögel in ſo nahe Nachbarſchaft kommen und ihre Brut neben einander in aller Eintracht erziehen. „Am 3. Oktober‟, ſagt er, „fand ich das Neſt eines Tropfenfinken unter und innerhalb des Reißholzes am Horſte eines Pfeiladlers (Halia- stur sphenurus), in welchem das Adlerweibchen brütete. Mein ſchwarzer Begleiter, Natti, ſtieg auf den Baum einer hohen Kaſuarina und brachte die Eier beider Vögel herab. Der kleine Fink ſaß auf einem dünnen Zweiglein, dicht bei ſeinem räuberiſchen und dennoch ihm freundlichen Nachbar.‟
Seit einigen Jahren ſind viele auſtraliſche Finken lebend nach Europa gekommen, und gegen- wärtig bringt jedes Schiff faſt eine Ladung der niedlichen Thierchen mit. Neue Arten werden zuerſt mit ſehr hohen Preiſen bezahlt, ſehr bald jedoch pflegen dieſe auf die Hälfte oder das Viertheil der früheren herabzufallen; denn gewöhnlich bringt das nächſte Schiff von der neuen Art eine Menge. So dürfen wir alſo mit aller Sicherheit hoffen, daß wir auch unſern „bewunderungswürdigen‟ Spelz- finken in nicht allzu langer Zeit lebend bei uns ſehen werden. Er wird eine der größten Zierden unſerer Vogelhäuſer bilden.
Nur um auch einen aſiatiſchen Vertreter der Familie aufzuführen, will ich noch mit wenigen Worten des allbekannten Reisvogels (Padda oryzivora) gedenken. Er iſt eins der größten Mit- glieder der Familie und bildet mit wenigen ihm nahe verwandten Arten eine beſondere Sippe. Der Schnabel iſt groß und ſtark, mit ſeiner Firſte rechtwinkelig in die Stirn tretend, vor dem Naſenloche mit einem Leiſtchen verſehen, an den Schneiden faſt gerade. Die beiden erſten Schwingen der ziemlich langen Flügel ſind die längſten. Der kurze Schwanz iſt abgerundet, ſeine einzelnen Federn ſind breit. Das Kleid iſt der Hauptfarbe nach grau oder braun, mit weißen Wangenflecken.
Unausgehülſter Reis heißt in der chineſiſchen Sprache Padda; der Name des Vogels iſt ſomit im Deutſchen paſſend wiedergegeben. Er führt dieſen Namen aber auch in allen übrigen Sprachen und ſchon ſeit den älteſten Zeiten. Jhn ſieht man häufig auf alten chineſiſchen Malereien dargeſtellt,
Brehm, Thierleben. III. 14
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[209/0229]
Bewunderungswürdiger Spelzfink. Reisvogel.
iſt. „Jch fand einſt‟, ſo ſchreibt der genannte Beobachter an White, „in der Nähe der Korallen-
bucht bei Port-Eſſington einen großen Flug dieſer Vögel, welche Sämereien am Grunde ſuchten und
bei Gefahr auf den Gummibäumen Zuflucht nahmen. Nicht zwei von ihnen trugen das ausgefärbte
Kleid; die große Mehrzahl waren unausgefiederte Vögel. Einige, welche rothköpfig waren, zeigten
unter den rothen, ſchwarze Federn, und ſchwarzköpfige hier und da rothe: kurz die beiden ſogenannten
Arten waren unter einander gemiſcht und ſicher gleichartig.‟
Nach den Berichten, welche uns im allgemeinen über das Leben der auſtraliſchen Finken geworden
ſind, ergibt ſich, daß dieſelben in ihrem Weſen und Treiben von ihren Verwandten ſich nicht unter-
ſcheiden. Bezeichnend für ihr Treiben dürfte ſein, daß ſie ſich hauptſächlich zwiſchen den hohen Schilf-
gräſern aufhalten, welche die Ebene bedecken oder in den Rohrwäldern finden, welche die Flußbetten
umſäumen. Hier leſen ſie ſich die verſchiedenen Samen der betreffenden Pflanzen theils vom Boden
auf, theils klauben ſie ſich dieſelben aus den Aehren heraus, welche ſie emporkletternd an den Stengeln
erreichen. Viele Arten ſollen, wie ſchon bemerkt, hinſichtlich dieſer Fertigkeit mit den Meiſen wett-
eifern. Man trifft auch ſie in Flügen zuſammen; doch ſcheint es, als ob ſie nicht ſo geſellig wären,
als andere Verwandte. Die Nähe der menſchlichen Behauſungen meiden ſie nicht; ſie kommen viel-
mehr vertrauensvoll in die Gärten herein und ſind ſelbſt in den Städten gewöhnliche Erſcheinungen.
Viele Arten ſtreichen im Lande auf und nieder, bald innerhalb kleinerer, bald innerhalb größerer Ge-
biete. So wurde der im Jahre 1833 entdeckte bewunderungswürdige Spelzfink erſt im Jahre 1845
auf der Halbinſel Koburg wieder bemerkt; er erſchien dieſes Mal in zahlreichen Schwärmen, verweilte
aber nur wenige Wochen daſelbſt.
Die Neſter werden ſehr verſchieden beſchrieben. Einige ſtehen im Schilf und ähneln denen der
Beutelmeiſen, andere finden ſich auf Bäumen und einzeln in den Horſten größerer Raubvögel.
Gould war nicht wenig erſtaunt, zu ſehen, daß beide Vögel in ſo nahe Nachbarſchaft kommen und
ihre Brut neben einander in aller Eintracht erziehen. „Am 3. Oktober‟, ſagt er, „fand ich das Neſt
eines Tropfenfinken unter und innerhalb des Reißholzes am Horſte eines Pfeiladlers (Halia-
stur sphenurus), in welchem das Adlerweibchen brütete. Mein ſchwarzer Begleiter, Natti, ſtieg auf
den Baum einer hohen Kaſuarina und brachte die Eier beider Vögel herab. Der kleine Fink ſaß auf
einem dünnen Zweiglein, dicht bei ſeinem räuberiſchen und dennoch ihm freundlichen Nachbar.‟
Seit einigen Jahren ſind viele auſtraliſche Finken lebend nach Europa gekommen, und gegen-
wärtig bringt jedes Schiff faſt eine Ladung der niedlichen Thierchen mit. Neue Arten werden zuerſt
mit ſehr hohen Preiſen bezahlt, ſehr bald jedoch pflegen dieſe auf die Hälfte oder das Viertheil der
früheren herabzufallen; denn gewöhnlich bringt das nächſte Schiff von der neuen Art eine Menge.
So dürfen wir alſo mit aller Sicherheit hoffen, daß wir auch unſern „bewunderungswürdigen‟ Spelz-
finken in nicht allzu langer Zeit lebend bei uns ſehen werden. Er wird eine der größten Zierden
unſerer Vogelhäuſer bilden.
Nur um auch einen aſiatiſchen Vertreter der Familie aufzuführen, will ich noch mit wenigen
Worten des allbekannten Reisvogels (Padda oryzivora) gedenken. Er iſt eins der größten Mit-
glieder der Familie und bildet mit wenigen ihm nahe verwandten Arten eine beſondere Sippe. Der
Schnabel iſt groß und ſtark, mit ſeiner Firſte rechtwinkelig in die Stirn tretend, vor dem Naſenloche
mit einem Leiſtchen verſehen, an den Schneiden faſt gerade. Die beiden erſten Schwingen der ziemlich
langen Flügel ſind die längſten. Der kurze Schwanz iſt abgerundet, ſeine einzelnen Federn ſind breit.
Das Kleid iſt der Hauptfarbe nach grau oder braun, mit weißen Wangenflecken.
Unausgehülſter Reis heißt in der chineſiſchen Sprache Padda; der Name des Vogels iſt ſomit
im Deutſchen paſſend wiedergegeben. Er führt dieſen Namen aber auch in allen übrigen Sprachen
und ſchon ſeit den älteſten Zeiten. Jhn ſieht man häufig auf alten chineſiſchen Malereien dargeſtellt,
Brehm, Thierleben. III. 14
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/229>, abgerufen am 23.11.2024.
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